Allgemein

Karneval in Pula und Rijeka

In der Stadt Köln aufgewachsen, hat mich der Karneval wie jede*n von dort geprägt. Der Karneval ist dort kein Event à la „Jahrmarkt“ oder „Kirmes“, sondern ein monatelange vorbereitetes, knapp ein-wöchentliches Ereignis und Spektakel, die größte Karnevals-Veranstaltung in Deutschland und eine der größten der Welt. So fand ich es interessant, ob bzw. wie das in Kroatien gefeiert wird. Ich hatte gelesen, dass es in Pula da etwas gibt, allerdings werde es „richtig gefeiert“ nur in Rijeka [drittgrößte Stadt Kroatiens, mit 2 Autostunden Entfernung die nächstgelegene Großstadt von Pula aus].

Da die Veranstaltungen für mich glücklich an zwei verschiedenen Wochenenden stattfanden, musste ich keine schwierige Entscheidung wagen, sondern konnte einfach zu beiden gehen. Mitte Januar versuchte ich dann mein Glück bei der ersten ausgeschriebenen Veranstaltung in Pula, der Schlüsselübergabe des Bürgermeisters an die „Jecken“ (kölscher Begriff für die Leute, die Karneval feiern). Hiermit wird der Schlüssel der Stadt, und damit die Herrschaft darüber, vom Bürgermeister an die Jecken übergeben, die von da an das Geschehen in der Stadt bestimmen. Ich traf also zeitig zur genannten Uhrzeit vor dem Rathaus ein, wollte reingehen, doch vom Sicherheits-Personal gestoppt, ich hätte hier keinen Zugang ins Rathaus und zu der Schlüsselübergabe. Ich versuche also soweit möglich, das Geschehen — als einziger Zuschauer auf dem ganzen Platz — zu verfolgen. Ich bemerke, wie eine Gruppe von ca. 15 kostümierten Leuten ankommt, und sich langsam in dieses Rathaus begibt und auch eingelassen wird. Von draußen bekomme ich jedoch wenig mit, sodass ich mich bald aus der Kälte draußen nach Hause begebe.

Mehr zu sehen und erleben hatte ich am Samstag, den 3. Februar, als die Karnevals-Vereine Pulas (und Umgebung, wenn ich das richtig wahrgenommen habe), einen Zug durch die Stadt machten. Hier habe ich eine kostümierte Parade gesehen, und da es vergleichsweise wenig Zuschauer und keine Absperrungen gab, war ich auch ziemlich nah an dem Geschehen dran. Fand es schön, bei diesem Ereignis dabei sein zu dürfen, und es sogar recht angenehm, dass so viel weniger als im Rheinland los war. Karneval muss nicht groß sein, um schön zu sein.

Die größere Veranstaltung hatte ich dann dafür am folgenden Wochenende in Rijeka. Eine kulturweit-Alumni, die mittlerweile in Kroatien lebt, hat mir freundlicherweise ein Zimmer in ihrer Wohnung zur Verfügung gestellt, da sie zu dem Zeitpunkt nicht vor Ort war. Hier war der Karneval zu einer ähnlichen Zeit im Januar losgegangen, im Vorfeld jedoch viel mehr Veranstaltungen und Vorbereitungen auf die Veranstaltung, genauso finden an dem Wochenende selbst viele Feiern statt. Ich konzentrierte mich dabei auf den großen Umzug durch die Altstadt und über den Korzo, die berühmte Promenade und Fußgängerzone der Stadt. Die ganze Stadt ist prächtig und spektakulär, eine Großstadt mit eigenem Puls. Am Samstag gucke ich mir die Stadt an, besuche den Suppen-Ausschank eines Autismus-Vereins in der Stadt, und probiere selbst von der Suppe. Hier ein paar Fotos davon:

Am Sonntag schaute ich mir den Zug auf dem Korzo touristisch an für einige Stunden am Stück. Aus den verschiedensten Ecken Kroatiens und der Welt kamen dazu Vereine und Organisationen, die ihren Teil zum Zug beigetragen haben. Der Zug dauerte lange, es waren schon mindestens 50 Gruppen an mir vorbeigezogen, als ich eine Pause machte. Auch eine Gruppe aus Pula, die ich am Samstag zuvor gesehen hatte, war beim Zug dabei. In Erinnerung blieb mir, dass ich am Sonntag gegen 18 Uhr den Bus zum Zug zurück nahm, ich bin auch selbst schon völlig platt, auf meinem Weg zum Bahnhof der Zug immer noch lief. Es war ein spektakuläres Ereignis, ähnlich und doch anders als es in Köln ist. Danke, dass ich dabei sein durfte!

Fotos vom Karneval in Pula

Schritt für Schritt durch einen erlebnisreichen Dezember

Leuten, die mich fragen „wie geht’s? was machst du so?“ antworte ich gerne „es ist viel los bei mir“, weil wirklich viel geschieht und sich das kaum in einem kurzen Antwort-Satz zusammenfassen lässt.

Hier also beschreibe ich detailierter, was ich mit diesem „es ist viel los bei mir“ meine, am Beispiel des erlebnisreichen Dezembers in meinem Freiwilligendienst.

1. Dezember 2017:

Besuche zum Mittagessen auf Empfehlung mein erstes Vegan-Raw-Restaurant. Nicht in Berlin, sondern in Pula, Kroatien.

Später auf der Buchmesse Istriens zu Besuch. Leider sind fast alle Titel auf kroatisch, was ich kaum spreche. Frage meine Ansprechpartnerinnen, ob der Bücher-Klau in Kroatien wie in Deutschland ebenfalls de facto akzeptiert ist. Sie rieten mir von derartigen Aktionen ab.

2. Dezember 2017:

‚Wage‘ es einmal, den Franck-Kaffee [kroatischer Kult-Kaffee] anstelle der mir bekannten Marken zu kaufen.

5. Dezember 2017:

In einem Jugendzentrum der Stadt findet ein Tag der Freiwilligen statt. Mit einer Schülergruppe besuche ich diesen, komme in Kontakt mit lokalen NGOs. Wie sich herausstellen sollte, war ich nicht zum letzten Mal dort.

Auf dem Weihnachtsmarkt von Pula probiere und genieße ich die kroatische Weihnachts-Spezialität Fritule, in Öl gebratene süße Teigbällchen, die üblicherweise mit süßer Soße serviert werden. Es gab in Pula auf einem zentralen Platz der Stadt einen Weihnachtsmarkt von ca. 10 Ständen. Der Markt schien mir tendenziell gering besucht, Schüler*innen erzählten mir, das sei für sie keine solche Tradition, auf einen Weihnachtsmarkt zu gehen. Das Gefühl habe ich auch, der Markt wirkt wie eine importierte Tradition. Mehr Anklang finden die über den ganzen Dezember stattfindenden Konzerte, von denen ich auch einige besuchte und wo der Platz gut gefüllt war.

8. Dezember 2017:

Die Schule besucht eine ihrer Partnerschulen, die Schule für Gastronomie und Tourismus in Celje (Slowenien). Ich werde eingeladen mitzukommen und nehme das Angebot gerne an. Um 6:30 Uhr, noch in der Dunkelheit, fahren wir als Schüler, einige Lehrer und ich mit dem Bus über die Grenze nach Slowenien. Werden bei Ankunft in der Schule in einem Hörsaal empfangen, wir machen ein kleines Weihnachts-Quiz, kriegen dann ein leckeres Mittagsessen und Kaffee in dem Schul-Restaurant serviert. Dann ging es weiter in das archäologische Museum der Stadt, weiter zu einer kleinen Stadtführung durch Schüler zu Freizeit in der Shopping-Mall von Celje. Wieder in der Dunkelheit kommen wir dann wieder in Pula an nach einem schönen Tagesausflug.

10. Dezember 2017:

Mit einer nun in Kroatien lebenden kulturweit-Alumni treffe ich mich in der Ortschaft Lovran zum Wandern. Wir wollen in den umliegenden Bergen im Naturpark Učka wandern, vielleicht gar bis auf den höchsten Berg Vojak (1400 m) ? Treffen uns morgens in einem Café vor Ort zur Stärkung, wandern dann los fast vom Meer aus. Zuerst einmal suchen wir den Startpunkt des Wanderwegs in einer nahegelegenen Gemeinde, ihn gut gefunden, dort treffen wir auf eine Familie, die ebenfalls an diesem Tag den Berg hochsteigen möchte.

Dies war ein Glück für uns, da diese professionelle Wanderer waren, und uns in den schwierigen Schnee-Bedingungen halfen, wer weiß, ob wir es sonst (so weit) gewagt hätten. Es ist eine herausfordernde Wanderung, es liegt teils tiefer Schnee, mit jedem Meter wird es kälter, der Sonnenuntergang im Winter schon recht früh, und wenn es zu spät wird, kriege ich keinen Bus mehr zurück nach Pula.

Der Familienvater erzählt mir, der Berg sei eigentlich sehr leicht, im Sommer würden die Leute da in kurzer Hose hochwandern, bloß mit Schnee im Winter sieht es anders aus. Das Gefühl habe ich auch, alles nicht allzu schwer, einzig enorm rutschiger Schnee.

Zugleich wird mit jedem Meter die Aussicht spektakulärer, Blick aufs Meer mit Inseln dadrin, die Bucht und die Stadt Rijeka, sowie im Hintergrund ein weiteres Gebirge. Ich verstehe schon, warum es Urlauber hierherzieht. Auf einem Plateau von 1300 m Höhe erschließt sich uns dann der Blick auf die Region Istrien. An sonnigen Tagen könne man hier sogar bis nach Venedig schauen, erzählt der Vater. Da auf dem Gipfel ein starker, hörbarer und sehbarer Sturm weht, fangen wir von diesem Plateau aus den Abstieg an.

Es verläuft alles gut, wir kommen zeitig zum Sonnenuntergang wieder unten an, ich kriege pünktlich meinen Bus zurück nach Pula.

Ein geiler, spektakulärer Berg-Anstieg war das, für mich bisher der höchste Berg, denn in Nordrhein-Westfalen, wo ich aufwuchs, gibt es keine so hohen Berge.

13. Dezember 2017:

3 Schülerinnen erzählen mir jeweils 5 Minuten, ob Auslandaufenthalte sinnvoll sind. Passte irgendwie zu der Zeit damals, da ich die Verlängerung des Freiwilligendienstes beantragt hatte.

Um die 35 Grundschüler aus einer Schule in der Region kommen in den Treffpunkt Deutschland, den Fachraum für Deutsch an der Schule für Tourismus, Gastgewerbe und Handel in Pula. Hier besuchen sie eine Ausstellung zu Weihnachten. Als Teil dieser Ausstellung bin ich als Weihnachtsmann verkleidet. Das zieht natürlich einige Aufmerksamkeit auf sich.

Am Abend besuche ich das Theater der Stadt zu Tanz-Aufführungen diverser Gruppen der Stadt, von ganz jung bis mittel-alt.

15. Dezember 2017:

Nach langem Warten die erste Stunde Kroatisch-Kurs. Hatte vor den Kurs an der lokalen Uni zu besuchen, doch wurde der im November wegen zu wenig interessierten Teilnehmern abgesagt. Zum Glück kannten mein Vorgänger und meine Ansprechpartner eine private Lehrerin hier vor Ort, die auch Zeit für den Kurs hat. So also nun endlich nach drei Monaten hier die erste offizielle Stunde kroatisch.

Pula ist in den Sommermonaten ein großer Urlaubs-Ort, vor allem für deutschsprachige Touristen. Das bedeutet, viele Leute sprechen hier englisch, teils sogar deutsch, sodass die Versuchung natürlich groß ist, einfach auf englisch zu reden. Ich halte die Gespräche soweit ich kann auf kroatisch, doch vor allem wenn mein Kroatisch nicht sonderlich gut ist, wechseln die Leute meist auf englisch.

16. und 17. Dezember 2017:

Ich entschloss mich, für das Wochenende in die nahegelegene Stadt Trieste in Italien zu fahren. Mit nahegelegen meine ich 2 Stunden mit dem Fernbus. Da ich nur einmal in Italien gewesen war in meinem Leben, und ich so viel Gutes davon gehört habe, wollte ich diese Gelegenheit ausnutzen und dahinfahren. Fuhr morgens früh los, schaue mir zuerst selbstständig die Stadt und ein berühmtes Kaffee-Haus mit eigenem Wikipedia-Artikel an, dann treffe ich mich mit einem Couchsurfer, der mich für die Nacht auch beherbergt, wir kommen schnell in Unterhaltung und er führt mich zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt, trennen uns dann, weil ich am Schloss und einer Foto-Ausstellung Interesse habe, er jedoch weniger, da sei er schon zigfach drin gewesen. Treffen uns dann am Abend wieder, nachdem wir uns zeitweise verloren hatten, führen noch schöne Unterhaltungen am Abend und beim Frühstück am nächsten Morgen. Gegen Mittag geht für mich dann auch der Bus zurück nach Pula nach einer kleinen, feinen Zeit in Trieste.

21. Dezember 2017:

Ich besuche ein Chor-Konzert der Musikakademie Pula in der Kirche St. Anton. Eine Nachbarin, selbst talentierte Pianistin, hat mich dazu eingeladen und sang mit.

22. Dezember 2017:

Es ist der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien, und ich erhalte die offizielle Bestätigung, dass meine Verlängerung des Freiwilligendienstes offiziell ist!

24.-26. Dezember 2017:

Entschließe mich, an Weihnachten an meinem Ort Pula zu bleiben. Denn möchte ich jetzt dieses Jahr komplett in allen Facetten mitnehmen. Würde ich über Weihnachten/Neujahr nach Deutschland zurückfahren, würde es mich zu sehr rausbringen aus allem, was ich bisher erlebt hatte.

Ich mache mir die Tage über eine ruhige Zeit, keinen Stress mit einer Tip-Top-Feier, mit Geschenken oder was andere wohl von mir denken. Meiner Meinung und Erfahrung nach entsteht an dieser eigentlich schönen Zeit so viel Stress und Streit in dem Ziel, ein wunderschönes, perfektes Weihnachtsfest, leckeres Essen in mehreren Gängen natürlich, perfekte Harmonie untereinander und die exakt passenden Geschenke zu haben. Das sind durchaus erstrebenswerte Ziele, und doch ist es meines Erachtens nicht im Sinne des Weihnachts-Geistes, sich deshalb stressen zu lassen, sich verrückt zu machen oder sich zu überarbeiten.

Es herrscht an den Tagen schönes, wenn auch kaltes Wetter, das ich dazu nutze, hier einen größeren Wald am Stadtrand auf langen Spaziergängen zu erkunden und zu genießen.

31. Dezember 2017:

Mitte Dezember lese ich eine Annonce für Silvester in Pula auf Couchsurfing. Entscheide mich, sie zu kontaktieren, die Couchsurferin sagt zu, und so feiere ich dann mit ihr den Abschied vom alten und den Beginn des neuen Jahres. Hole sie mittags ab, zeige ihr die Stadt, wir richten uns ein, lernen uns kennen, essen und ziehen dann los in die Stadt.

Wir begeben uns ins Zentrum. Auf dem zentralen Forums-Platz in Pula spielt ein DJ und eine Band namens Prljavo Kazalište.

Ich hatte erst vermutet, das sei so eine Veranstaltung für Touristen, da jetzt um Neujahr wieder einige Besucher hierher kamen. Nicht falscher hätte ich legen können.

Ok, beim DJ hätte das so sein können. Er hat so den Standard aus den 80ern und 90ern gespielt. Doch die Band ist weder Standard noch für Touristen.

Prljavo Kazalište (kroatisch für ’schmutziges Theater‘) ist eine legendäre kroatische Rock-Band aus der Hauptstadt Zagreb, die 1977 — damals noch in Jugoslawien — gegründet wurde. Die Band und das Publikum gingen ab bei diesem Konzert, Texte wurden mitgesungen, die Band hat das Forum abgerissen und es in die Geschichts-Bücher überführt.

Hier eine kleine Hör-Probe:

Den ganzen Dezember über

Das Haus, in dem ich in einer Untergeschoss-Wohnung lebe, wird mit einem Holzofen beheizt.

Nun fährt der Vermieter Anfang Dezember für über einen Monat in Urlaub. Üblicherweise hat stets der Vermieter für alle Bewohner des Hauses den Holzofen angezündet und warm gehalten. Nun, da er in Urlaub fährt, habe ich für mich selbst zu heizen. Er hinterlässt mir für den Monat, in dem er weg ist, einen Stapel Holz, viele Baumstämme, Feuerzeuge, Grill-Anzünder, eine Axt zum Hacken, feuerfeste Handschuhe.

Leider ist mir völlig unklar, wie ich dieses Teil in Gang setze. In der ersten Zeit wickele ich mich pragmatisch in Decken ein, versuche die Kälte auszuhalten.

Irgendwann fällt mir ein, dass mein Opa früher lange Zeit selbst Holzofen genutzt hat. Ich schreibe ihn per Mail/Facebook an, er hat in der Tat Ahnung, bittet um konkrete Informationen und Bilder des Ofens, schicke ihm diese, und mit seinen Tipps und ein wenig Experimentieren kriege ich es tatsächlich hin, das Feuer am Brennen zu halten.

Hätte nicht gedacht, dass ich sowas hier auf diesem Austausch erlebe.

Neujahr und Reise nach Sarajevo

Neujahr

Das neue Jahr fing für mich zusammen mit einer Couchsurferin an, die die Stadt Pula (meinen Austausch-Ort an der Küste Kroatiens) zu diesem Anlass besucht hatte. Sie hatte eine Anfrage dort gestellt, ich ihr Unterkunft angeboten, und sie dann angenommen. Wir entschlossen uns, zum neuen Jahr an den Strand zu gehen, wo uns gleich in bewölktem Wetter und Regen starke Wellen grüßten. Der Strand und das Meer hatten so etwas fast Melancholisches, gar Trauriges an sich, und ich weiß noch, dass sie sich dort mit Reflektionen im Tagebuch beschäftigt hat. Ich sah auch einige in den starken Wellen und Wind surfen und anderen Wassersport treiben, und einige hat das neue Jahr auch zum Schwimmen bewegt. Ich bin dieses Jahr mit den Füßen reingegangen, für Schwimmen habe ich mich in dem Moment nicht fit/mutig genug gefühlt.

Reise nach Sarajevo

Nachdem die Couchsurferin an ihren nächsten Reiseort zog, ging es dann auch für mich fast direkt weiter. Denn ich hatte zu Beginn des Jahres mir mit dankbar erhaltenem Weihnachtsgeld eine Reise durch die Region erhofft und grob geplant. Meine Idee war, Richtung Süden des ehemaligen Jugoslawiens zu fahren, mir Split (zweitgrößte Stadt Kroatiens im Süden des Landes), Sarajevo (Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina), Podgorica (Hauptstadt von Montenegro) und Tirana (Hauptstadt von Albanien) jeweils anzuschauen, und dann zurückzukehren. Dabei hätte ich an drei Orten mich je mit den dort wohnenden Freiwilligen getroffen. So eine große Reise hatte ich noch nicht gewagt geschweige denn geschafft, doch ist ja das FSJ eine Zeit zum Experimentieren.

Ich fahre für die erste Strecke von Pula nach Split über 12 Stunden mit dem Zug, von 9 Uhr morgens bis ca. 21-22 Uhr abends, steige auf der Strecke dreimal um, gönne mir im istrischen Dorf Lupoglav einen Kaffee, erkunde die Gegend um den Hauptbahnhof in der (Groß-)Stadt Rijeka und probiere leckere Teilchen eines dortigen Bäckers und warte einige Minuten im Halbdunkeln an einer Station im Dorf Oštarije in den kroatischen Bergen.

Die Fahrt führt durch diverse spektakuläre Landschaften, und ich realisiere, wie viel ich doch von Kroatien noch nicht gesehen habe, bzw. wie mir teils dessen Existenz gar nicht mal bewusst ist. Istrien, die Region in der ich lebe, ist bloß ein Teil eines großen Landes, und selbst hier kenne ich nicht mal alles. Auf dem letzten Teil der Strecke komme ich dann mit einem Fahrgast ins Gespräch, der mit seinem Sohn vom Zagreber Weihnachtsmarkt [dem größten des Landes in der Hauptstadt] zurückkommt. Er erzählt mir auch, wie er zwei Jahre in Deutschland als Flugzeug-Bauer gearbeitet hat, da mehr Geld als in Kroatien verdient hat, doch nach Kroatien zurückkehrte, denn „home is home“. Er riet mir auch dazu, das jährlich stattfindende Fest Alka in seiner Heimatstadt zu besuchen, welches einen Sieg der Kroaten gegen die Osmanen im 18. Jahrhundert zelebriert.

In Split holt mich dann ein lokaler Couchsurfer ab, der mich für die Nacht beherbegt. Mit ihm habe ich noch eine schöne Unterhaltung, erfahre noch von anderen Seiten in Kroatien, wie auch in Split viel Tourismus herrscht, vor allem zu den berühmten Festivals und von Besuchern der nahegelegenen Inseln. In Split blieb ich bloß für die Nacht und fuhr gleich am Morgen weiter nach Sarajevo. Im Nachhinein hätte ich mir mehr Zeit in Split nehmen sollen, denn wirkte das doch sehr interessant, und ist es gar nicht so einfach und billig, von Pula nach Split zu kommen.

Doch hatte ich da bereits den nächsten Schritt nach Sarajevo geplant. Denn wollte ich mich mit den dortigen Freiwilligen treffen, die jedoch selbst auch einige Tage später verreisten, sodass ich keine Zeit zu verlieren hatte. Ich fuhr also am frühen Morgen los, kam gegen Nachmittag wohlbehalten, wenn auch müde, in Sarajevo an. Mich eben in einem Hostel eingerichtet, mir die Altstadt schonmal angeguckt, merke jedoch hier schon, dass mein Geld knapp wird. Eine Weiter-Fahrt ginge schon noch, doch gäbe es dann ein Problem: ich würde nicht mehr zurückkommen. Und fürs Hitch-Hiking fehlte mir in dem Moment der Mut.

Für den nächsten Tag war ich dann verabredet mit den Freiwilligen aus Sarajevo und einem Freiwilligen aus Belgrad, der dort zu Besuch war. Wir trafen uns vor dem National-Museum, es gesellten sich zwei Freiwillige aus den Vereinigten Staaten dazu, die einen vergleichbaren Austausch in Sarajevo machten. Zuerst war wohl eine Wanderung geplant, doch da der Bus nicht oder sehr spät kam, entschieden wir uns für den Besuch mehrerer Kaffee- und Tee-Häuser, in denen wir uns gut gönnten, entspannten, spielten und uns unterhielten. In einer Pause besuchte ich zwei Kunst-Museen, während der Rest ins Genozid-Museum ging. Letzteres wurde mir persönlich zu viel, doch der Krieg war auch in der zeitgenössischen Kunst präsent.

Denn hat Sarajevo unter dem Bosnien-Krieg stark gelitten und war währenddessen über 4 Jahre besetzt. Der ganze Krieg war keine schöne Angelegenheit, und — meines Eindrucks nach — zwar vorbei, aber noch nicht komplett verarbeitet. Für mich war das das erste Mal ein (direkter) Kontakt mit dem Krieg, denn mein Arbeitsort Pula war weit vom Kriegsgebiet entfernt. Nach der Pause ging der Tag dann in den Tee-Häusern und Restaurants weiter, und auch am nächsten Tag hatten wir eine gute Zeit, bis die Freiwilligen dann auf Reisen zogen.

Ich entschied mich dann, den Trip noch zu verlängern, da es mir so gut gefiel. Ich guckte mir noch einige der touristischen Attraktionen an, nahm einen spektakulären Sonnenuntergang auf einem Hügel der Stadt mit (danke für die Empfehlung!), aß täglich die dort erhältlichen Sirnica [vom türkischen Bürek inspirierte Teigtaschen mit Käse gefüllt]. Ich empfand die Stadt als ziemlich beeindruckend und schön, und hoffe, dass ich da nochmal hinkomme.

Auf der Rückfahrt hatte ich dann noch ein ungewolltes Abenteuer. Ich nahm für die Rückfahrt den Bus über Zagreb, denn war dies die günstigste Route. Der Bus brauchte für die Strecke jedoch länger als geplant, sodass ich den Anschluss in Zagreb verpasste, ich versuchte dort, einen anderen Bus zu nehmen, doch war der letzte für diesen Tag bereits voll. Ich war also am Zagreber Busbahnhof gestrandet. Schrieb eine Last-Minute-Anfrage auf Couchsurfing, im schlimmsten Fall nehme ich mir ein Hostel für die Nacht. Und ich erhielt tatsächlich zwei Angebote, einmal zur Übernachtung in Zagreb, einmal für eine Überfahrt nach Rijeka (auf halber Strecke), entscheide mich im „Heat of the Moment“ für die Fahrt, vielleicht um dem Zuhause in Pula näher zu kommen. So fuhr ich dann also mit einem freundlichen Couchsurfer durch die kroatische Nacht in ein Zuhause und ein Bett für die Nacht irgendwo in Rijeka. Während solcher außerplanmäßiger Abenteuer will ich immer bloß so schnell wie möglich in das mir vertraute Zuhause in Pula. Während ich das jetzt so schreibe und reflektiere, wirkt es mir eigentlich halb so wild, ich bin da keine 20 Stunden in einer ungewohnten Situation gewesen. Doch das Zeit-Empfinden in dem Moment ist dann anders.

Wie ich das Zwischenseminar erlebt habe

Für den 13.-17. November 2017 stand für mich das kulturweit-Zwischenseminar in der Ortschaft Sremski Karlovci bei Belgrad (Serbien) an. Recht früh entschied ich mich, das unter der Woche stattfindende Seminar mit zwei Wochenenden in der berühmten Stadt Belgrad zu umrahmen. Schließlich musste ich die Stadt für die Anfahrt eh passieren, und war ich da noch nie gewesen. Also Bus-Tickets gebucht, ebenfalls günstigste Hostels im Zentrum.

Die Tage vor der Abfahrt irgendwie keinen Bock, fühle mich so wohl in meinem aktuellen Wohnort Pula (Kroatien), will nicht raus von da, und die Idee einer 12-Stunden-Busfahrt, womöglich wieder mit Kopfschmerzen währenddessen missfällt mir. Aber gut, ich habe hier gerade keine große Wahl, wenn ich diesen Vertrag erfüllen möchte. Und wer weiß, was mir diese Zeit, dieser Ort bringt und möglich macht. Schließlich war ich noch nie in Serbien, ich kenne da auch einige Kumpels, die mich dorthin mal eingeladen haben, ich komme zum ersten Mal an die berühmte Donau, treffe die anderen Freiwilligen erneut, erhalte einen serbischen Stempel in meinem Pass, und wer weiß, was ich auf dem Seminar lerne.

Fahre also am 11.11. morgens früh um 7 Uhr los, zuerst einmal nach Zagreb, für einen Zwischenstopp auf halbem Weg. Gönne mir dort in einem auf TripAdvisor empfohlenen Café einen köstlichen Kuchen und Kaffee, gehe nochmal kurz durch die Stadt und in den zentral gelegenen Josip-Juraj-Strossmayer-Park. Leider war das Wetter im November nicht ganz so sonnig wie beim letzten Mal.

Alsbald fahre ich dann weiter nach Serbien und Belgrad, passiere die Grenze schon in der Dunkelheit und erhalte den serbischen Stempel in meinen Pass, tausche an der ersten Tankstelle in Serbien meine kroatischen Kuna in serbische Dinar um, erreiche eine leuchtende Szene in Belgrad, bin beeindruckt, Gedanke „hier mache ich meinen nächsten Austausch“.

Beim Ausstieg aus dem Bus wird mir gleich von mehreren Leuten ein Taxi angeboten. Ich entscheide mich aber, zu Fuß zum Hostel zu gehen, zum einen um gleich die Stadt kennenzulernen, und um etwaige potentielle Abzocker-Taxis zu vermeiden. Laufe dann eine gewaltige Straße entlang auf einen kleineren Hügel, um dann alsbald in einem zentral gelegenen Hostel anzukommen.

Am nächsten Morgen besuche ich sogleich einmal das Nikola-Tesla-Museum, das zufälligerweise gleich um die Ecke meines Hostels liegt. Der berühmte Erfinder ist sowohl in Serbien als auch Kroatien eine Legende, und viele Straßen sind nach ihm benannt. Kam noch zeitig für eine Führung, Highlight die von Tesla gebauten Maschinen und die Möglichkeit, selbst kleine Stromschläge zu erhalten.

Am Nachmittag Treffen mit einem Belgrader Freund, versuche danach die Mündung des Flusses Save in die Donau zu finden, lande in irgendeinem verlassenen Teil von Belgrad, fragt mich nicht wo, und als es dann langsam dunkel wird, wird mir das zu unheimlich und ich kehre ins Hostel zurück.

Am nächsten Tag gegen Mittag geht es dann mit dem Bus nach Sremski Karlovci. Am Busbahnhof Belgrad treffe ich auf ein Novum für mich: ich werde gebeten, für den Zugang zum Busbahnhof einen Eintritt zu bezahlen. Der Betrag war mit umgerechnet ca. 1,50 € irrelevant, doch hatte ich das noch nie erlebt. Im Bus ein wenig nervös gewesen, da es keinen Indikator gibt, wo ich mich gerade befinde, und ich die in Serbien verwendete kyrillische Schrift nicht entziffern kann. So frage ich dann in jeder größeren Stadt jemanden „Sremski Karlovci?“ Am Seminar-Ort gab es jedoch ein eindeutiges Schild, sodass ich wohlauf ankam.

Treffe bald auf die anderen Freiwilligen und die Trainerinnen, erste Gespräche finden statt. Mir gefällt der deutlich, deutlich kleinere Rahmen des Zwischenseminars besser als das Riesen-Vorbereitungsseminar, fühle mich hier die ganze Zeit über wohl. Darauf die ersten Sitzungen, Kennenlern-Spiele, wir teilen den Blick aus unserem Fenster, beantworten die Fragen „was vermisse ich in Deutschland?“, „welche Person fasziniert mich in den letzten 60 Tagen am meisten?“, „was war das Highlight?“, „was ist mein Lieblings-Ort?“, „wie habe ich das Wochenende verbracht?“

Am Abend gehen wir in ein wunderschön künstlerisch gestaltetes Restaurant an der Donau gelegen, und genießen hier ein Festmahl. Zum Ausklang des Abends spielen wir noch einige Partien Werwolf.

Gefühlt noch im Stress am zweiten Tag, noch nicht so richtig da am neuen Ort Serbien. Wir beschreiben uns in unserer Arbeitsstelle anhand eines Standbildes, das eine typische Situation darstellt, schauen uns die Zeitaufteilung unserer Aufgaben in der Arbeitsstelle an und sprechen über konkrete Herausforderungen. Sehr amüsant waren am Morgen die Aufgabe, zwei wahre und eine falsche Geschichte zu erzählen, und die Runde erraten zu lassen, welche die falsche ist. In der Mittagspause gönne ich mir noch einen Kaffee im gestrigen Restaurant, so schön fand ich es dort.

Am Tag dann eine Reflektion ‚Was habe ich bisher gelernt? Was hat mir der FSJ bisher gebracht‘, ‚Wofür schlägt mein Herz? Wo finde ich Inspiration‘, ‚Was liegt mir im Magen? Welche Schwierigkeiten fühle ich, wie kann ich diese bekämpfen?‘, ‚Wo will ich hin? Was will ich in der verbleibenden Zeit noch erreichen/ändern?‘ Am Abend dann eine Einführung in das Projekt. Spaziere noch durch den Ort, entdecke dort ein Gugelhupf-Museum.

Am dritten Tag stand dann eine Exkursion nach Belgrad inklusive Besuches zweier NGOs an. Auf dem Weg im Bus genieße ich den Blick auf die Landschaft, kommen dann am Studentski trg (serbisch für Studenten-Platz) an der Uni in Belgrad an. Machen uns dann auf zur NGO Civil Rights Defenders, wo in einer Fragerunde vier Personen über die Organisation, über Sinti und Roma, Schwierigkeiten von Flüchtlingen in Serbien, LGBT-Rechte und -Herausforderungen sprechen. Sie haben Gay Prides in Belgrad organisiert, eine Ausstellung zu dem Thema gemacht, auch von Pink Washing gesprochen, dass Politiker sich freundlich geben, doch essentiell dagegen sind.

Dann ziehen wir an den nächsten Ort weiter, die NGO Atina. Diese hilft Opfern von Menschenhandel, sich (wieder) ins Leben zu integrieren. Sie haben recht detailliert erklärt, was sie tun, wie sie vorgehen, wie all sowas abläuft. Viele dieser Opfer sind jung, ohne Bildung und müssen überhaupt in die Gesellschaft integriert werden. Sind dann in deren Bäckerei weitergezogen, welche als Social Business die NGO finanziert. Sie verkaufen Bagels, denn sie sind innovativ, aber auch nicht zu neu für die Belgrader (die laut Aussage der Führerin nicht gut für neue Essens-Trends zu haben sind). Wir probieren die Bagels, ich persönlich empfand meinen veganen Bagel mit Humus und gegrilltem Gemüse vorzüglich.

Danach Freizeit bis zur Abfahrt des Busses, schließe mich zuerst zwei Freiwilligen an, trenne mich dann nahe der Mündung von Donau und Save, um dies nun nachzuholen, finde diesmal den Ort und die spektakuläre Sicht auf diese Mündung. Kehre dann in die Stadt zurück, sehe das Goethe-Institut dort, schaue es mir kurz an. Als ich dann darausgehe, treffe ich zufällig auf eine andere Gruppe von Freiwilligen, die von den Belgrader Freiwilligen angeführt sich an die Mündung von Donau und Save begibt. So schließe ich mich dem nochmal an und erfahre interessantes Hintergrundwissen über Belgrad. Mir blieb hängen, dass die Stadt 33-mal zerstört wurde. Am Abend zurück vom Ausflug stellen wir Mitbringsel aus unseren aktuellen Orten vor und erzählen eine Hintergrundgeschichte dazu, zum Ende des Tages wieder einige Runden Werwolf.

Am nächsten Tag beschäftigen wir uns mit dem Projekt, ich sammele Ideen hierfür. Dann ein Memory-Spiel, in dem mit den Bildern Zusammenhänge zur Kultur unseres Gastlandes knüpfen. Am Nachmittag Austausch über Roma und LGBTQ+ am Arbeits-Ort, sowie über den Balkan-Krieg. Komme an dem Tag mit ganz neuen Facetten dieses Austausches in Kontakt; zuvor war mein Fokus mehr auf der Arbeit, dem Ankommen, der Eingewöhnung, Urlaub machen und mir selbst gewesen. Bin an dem Tag sehr k.o., daher spare ich mir die Weinprobe, schließe mich später schon kurz vor dem Schlafen noch dem Wichteln an. Ich erhalte hier einen köstlichen Honig vom Belgrader Markt, den ich noch im November verputzt habe.

Am Freitag und dem letzten Tag mit meinem Zimmerpartner das Frühstück gedeckt. Tauschen uns über unser Deutsch-Sein im Ausland aus. Ich lebe schon recht ‚deutsch‘, auch weil die Versuchung hier mit identischen Supermärkten (Kaufland, Lidl, Spar, dm, …) enorm groß ist, habe auch (zu dem Zeitpunkt) noch kaum Kontakt zu Leuten dort. Im Anschluss planen dann viele schon ihre Freiwilligendienste durch, mir wird das zu viel, gehe lieber Schritt für Schritt vor, oder ‚prozessorientiert‘, wie die Trainerin es schön professionell nannte. Dann erstellen wir eine Dankbarkeits-Liste über den Freiwilligendienst, auf der wir 15-20 Dinge nennen, für die wir während des Freiwilligendienstes dankbar sind, am Ende verabschieden wir uns von jedem einzelnen.

Ich bleibe noch einige Stunden bis ca. 19 Uhr in der Stadt, gehe auf den Berg der Stadt spazieren, an die Donau. Sremski Karlovci ist eine wunderschöne Stadt, es gefällt mir dort sehr gut. Schaue mir noch das Gugelhupf-Museum an, kaufe mir ein Stück Gugelhupf, das göttlich schmeckt, hätte mir einen ganzen Kuchen kaufen sollen. Als ich wieder in Belgrad ankomme ein Déjà-Vu, mir werden Taxis angeboten. Lege mich schlafen.

Am nächsten Tag noch ein schöner Ausklang in Belgrad. Zeige einer Belgrader Freundin das Bagel-Restaurant vom Mittwoch, das sie nicht kannte. Denn Belgrad ist groß, und dieser Ort am anderen Ende der Stadt war ihr unbekannt. Ziehe dann weiter in das neue Museum für zeitgenössische Kunst, schaue mir ein legendäres, mir empfohlenes Pfannkuchen-Restaurant in der Nähe an, genieße das vorzügliche Essen dort, am Abend treffe ich mich mit einigen Freiwilligen zum lockeren Billard-Spiel und einem schönen Abend im Zentrum Belgrads.

Am nächsten Morgen schon früh raus, der Rückweg nach Pula steht an. Diesmal ohne Zwischenhalt in ca. 12 Stunden Fahrt. War dann auf der Rückfahrt doch ganz froh, dass ich durch kulturweit inspiriert diese Reise gemacht habe. Ich will ehrlich sein, von mir aus wäre ich sie wohl nicht angetreten, da Großstädte wie Belgrad mir da zu viel und zu intensiv sind, und ich von Sremski Karlovci nie gehört hatte.

Danke für die diese vielen besonderen Erlebnisse und die neuen Impulse, die mir diese Zeit gegeben hat!

Zufälle

Schon immer mal wollte ich einen Blog schreiben und einige Geschichten aus meinem Leben protokollieren, sowohl für mich, mein Ego und für interessierte Verwandte und Freunde. Ein paarmal hatte ich auch vor, das jetzt also wirklich zu machen, bin auf die Registrieren-Buttons von WordPress u.Ä. gegangen, und immer wieder an einer Hürde gescheitert: der Namensfindung. Schließlich muss ich ja überall dem Blog einen Namen geben, dabei will ich doch einfach nur was schreiben. So habe ich dann im Endeffekt nie einen Blog geschrieben.

Einige Tage vor dem Vorbereitungs-Seminar kam mir dann wieder, auf Inspiration dieses kulturweit-Blogs, der Gedanke, nun doch endlich einen Blog zu schreiben. Schließlich ist das ja auch eine Möglichkeit mich auszuprobieren. Dachte mir dann „komm, irgendein Name halt“ und entschied mich für ‚Schritt für Schritt‘, da dieser Freiwilligendienst aus so vielen einzelnen Schritten besteht, am Anfang teils Monate auseinander. Ebenfalls lässt sich aus der Schritt-Metapher eine Menge machen. Übrigens:

Eine gut gebundene Krawatte ist der erste wichtige Schritt im Leben. — Oscar Wilde

Ich nahm also den ersten Schritt, erstellte den Blog, einen ersten Artikel, machte meine ersten Geh-Versuche auf dem Vorbereitungs-Seminar am Werbellinsee, nahm dann den Schritt in den blauen Ozean des Freiwilligendienstes, an die Schule für Tourismus, Gastgewerbe und Handel, nach Pula, nach Kroatien. Viele weitere Schritte habe ich seitdem genommen, einige hier im Blog beschrieben, einige möchte ich noch beschreiben.

In diesem Beitrag möchte ich von einigen zusammenhängenden, nicht geplanten, spontanen Schritt(en) erzählen. Es war an einem gewöhnlichen Arbeitstag an der Schule — frag mich nicht, an welchem. Ich war in dem Fachraum für den Deutsch-Unterricht (dem sogenannten Treffpunkt Deutschland), mit ich weiß nicht mehr was beschäftigt. In dem Raum gibt es eine Auswahl an deutschsprachigen Büchern, die zur Ausleihe zur Verfügung stehen. Die sind auf allen Sprachniveaus, zum Teil Bilderbücher, zum Teil auch Goethe, berühmter deutscher Autor und Namensgeber des Goethe-Instituts, dessen Partner die Schule ist.

Gibt es bei dir auch eine Auswahl an spannenden, interessanten Büchern?

An jenem Tag ging ich (bewusst oder unbewusst) an dem Bücher-Regal vorbei und guckte auf die Buch-Titel. Und siehe, just da sprang mir ein Titel zu meinen Augen: Schritt für Schritt. Das ist doch mehr als ein Zufall!

Natürlich nahm ich dieses Buch genauer unter die Lupe. Schon jemand vor mir hatte die Idee, ein Werk Schritt für Schritt zu nennen. Und zwar ein ungarischer Autor namens Imre Kertész, manchen bekannt als Literatur-Nobelpreisträger 2002. Es handelte sich dabei um ein Drehbuch zu seinem Roman eines Schicksalslosen, welches die Stadt Wien im Rahmen der Reihe Eine Stadt. Ein Buch. herausgab.

Ich entschied mich dann, mir dieses Buch also einmal durchzulesen, im Interesse was andere mit diesem Titel verbinden. Nun ja, das Buch hat deutlich andere Assoziationen mit diesem Titel, als ich sie habe — er beschreibt den Weg eines jüdischen Ungarns durch die Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald. Ich empfand es als ein sehr wertvolles Buch, das ich jedem/r empfehle. Natürlich kein schöner Inhalt, das ist hoffentlich klar. Will die Handlung jetzt nicht spoilern, daher gebe ich einmal eine Rezension vom Buchrücken wieder, was eine*n hier erwartet:

Imre Kertész, der Auschwitz und Buchenwald überlebte und im Überleben die ‚unüberwindliche Schande der Selbsterhaltung‘ fand, hat eindringlich die Zäsur markiert, die Auschwitz für die Menschheitsgeschichte bedeutet. ‚Die moderne Mythologie beginnt mit einem gigantischen Negativum: Gott hat die Welt erschaffen, der Mensch hat Auschwitz erschaffen.‘ — Karl-Markus Gauß in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Das ist ein zufälliges (oder etwa nicht?) Geschehnis, Erlebnis, das ich während der Zeit im Freiwilligendienst hatte. Es hätte wohl auch in Deutschland geschehen können, ist es aber nicht. Das ist einer von zahllosen Eindrücken, die ich mitnehme, noch viele weitere werden folgen.

Welche derartig unerwarteten, zufälligen Erlebnisse hast du während deines Freiwilligendienstes gehabt?

Internationaler Tag der Krawatte in Pula

Viele haben schon von der Krawatte gehört, oder gar selbst eine getragen. Doch die wenigsten wissen, dass die Krawatte ursprünglich aus Kroatien stammt. Die Ähnlichkeit des Wortes Krawatte mit dem kroatischen Wort Hrvati (kroat. für Kroaten) ist kein Zufall. Vor meiner Recherche war mir dies auch nicht bekannt.

So ist die Krawatte hier ein berühmtes Souvenir für Touristen, und das spektakuläre Motiv einer überdimensionalen Krawatte um das römische Amphitheater in Pula (Bild und Info hier) regelmäßiges Postkarten-Motiv. Dieses Bild ist keine Foto-Montage!

Ebenfalls findet in Kroatien jedes Jahr am 18. Oktober der Internationale Tag der Krawatte statt. Ich wurde gebeten, an dem Tag eine Krawatte zu tragen, zum Glück hatte ich eine nach Pula mitgenommen, sodass ich dies auch tun konnte.

Gleich darauf fand ein besonderer Anlass statt, die Schule begab sich in einen nahegelegenen Park. Hier befindet sich eine Statue eines berühmten historischen kroatischen Politikers (Matko Laginja), Presse und Fernsehen waren dabei, und schließlich kam jemand von der Krawatten-Akademie sowie der Bürgermeister der Stadt Pula. In einem feierlichen Akt legte letzterer der Statue eine Krawatte um. Unsere Bibliothekarin und der Herr von der Krawatten-Akademie hielten noch eine Rede, die ich leider nicht verstand. Zum Abschluss kam noch das Fernsehen in die Schule und hat einige Interviews mit Schülern geführt, die ich aus dem Deutsch-Unterricht kannte.

Ein Artikel aus der Lokalzeitung zeigt hierzu einige schöne Bilder (neben einem informativen Text auf kroatisch). Ich empfand es als ein sehr schönes und interessantes Erlebnis, danke, dass ich dabei sein durfte!

Zu welchen Anlässen trägst du gerne Krawatte? Was gefällt dir besonders daran, eine Krawatte zu tragen?

Besuch des Pädagogik-Leistungskurses des Arnoldinums im Treffpunkt Deutschland

Zum europäischen Tag der Sprachen, am 26. September 2017, hatte der Treffpunkt Deutschland an der Partner-Schule des Goethe-Instituts Kroatien, der Schule für Gastgewerbe, Tourismus und Handel aus Pula, eine Klasse aus Deutschland zu Besuch.

Der Pädagogik-Leistungskurs der Abitur-Klasse des Arnoldinums, begleitet von zwei Lehrer*innen, entschied sich für eine Abschluss-Fahrt auf einem Camping-Platz in Medulin an der Küste von Istrien in Kroatien. Von dort aus fuhren sie täglich an unterschiedlichste Orte der Region.

In Deutschland gehen die Gäste auf das seit 1588 existierende Arnoldinum. Das ist ein Gymnasium in Steinfurt nahe von Münster. Die Schule hat eine reiche Geschichte mit berühmten Alumni und Lehrern. Heute ist die Schule eine vom Land Nordrhein-Westfalen zertifizierte Europaschule.

Was ist eine Europaschule? Folgende Beschreibung steht in den Kriterien:

Europaschulen vermitteln ihren Schülerinnen und Schülern ein umfassen­des Wissen über Europa und befähigen sie unter anderem durch Steige­rung ihrer sprachlichen und interkulturellen Kompetenzen zum Handeln als mündige Bürgerinnen und Bürger Europas.

Am 26. September 2017, zum europäischen Tag der Sprachen, besuchten sie die Ausstellung „Erfinderland Deutschland“ im Treffpunkt Deutschland. Der Treffpunkt Deutschland ist ein vom Goethe-Institut Kroatien unterstützter Fachraum für den Deutsch-Unterricht an der Schule für Tourismus, Gastgewerbe und Handel in Pula, Kroatien.

Zu Beginn wurden die Gäste mit einem amüsanten Sketch über den Schul-Alltag von den Lehrerinnen Marina Bojanić und Vesna Pavletić, der Schulleiterin Orhideja Petković und dem kulturweit-Freiwilligen Janko Hoener empfangen. Die Gäste brachten als Geschenk eine illustrierte Karte von Deutschland und ein Buch zu ihrer Region, dem Münsterland, mit.

Schließlich ging es weiter in die Ausstellung über die Erfindungen deutscher Wissenschaftler. Die Schüler und Lehrer lernten hier die Errungenschaften des Wissenschaftsstandortes Deutschland kennen.

Als Muttersprachler waren die zu lösenden Aufgaben für sie einfach, da sie keine Verständnis-Schwierigkeiten hatten. Doch war das Erlernen der deutschen Sprache heute nicht das Ziel – stattdessen lernten die Schüler an sich selbst, wie sie interaktiv über eine Ausstellung Wissen vermitteln können.

Nach der erfolgreich gelösten Ausstellung ging es über in einen Austausch mit kroatischen Schülern des Deutsch-Unterrichts. Die Schüler tauschten sich über die Unterschiede zwischen Deutschland und Kroatien, über ihren Alltag und die Schulen aus. Ebenfalls unterhielten sich die Lehrer über die Herausforderungen in ihrem täglichen Schul-Leben. Der kulturweit-Freiwillige Janko Hoener hat den Abiturienten aus Deutschland den Freiwilligendienst „kulturweit“ nahegebracht. Schüler und Lehrer brachten ein Stück Deutschland in den Treffpunkt und nahmen einen Eindruck von Kroatien mit. Ein lebendiger Austausch fand statt.

Ich selbst war Teil dieser Begegnung. Zum ersten Mal seit meinem eigenen Abitur vor 5 Jahren bin ich einmal wieder mit aktuellen Abiturienten in Kontakt gekommen. Einer meinte „Boah, 5 Jahre Studium, das ist echt lange“ – wahre Worte. Die Diskussionen über den Schulalltag waren für mich so eine Erinnerung an lange vergangene Zeiten. So was wie die Klausuren, die Abschlussprüfung, die Länge des Schultags, Freistunden, Freizeit, Hausaufgaben, Leistungskurse, Schwerpunkte sind mir zwar schon noch ein Begriff, doch völlig aus meinem Bewusstsein raus, müsste in meinen Erinnerungen graben, so viel ist seitdem passiert.

Fand’s schön, Teil davon zu sein, in Kontakt zu kommen mit Menschen, die ich in meinem Studium nie getroffen habe, diese Zeit und die Abschluss-Fahrt aus einer anderen Perspektive erneut zu erleben, und mittendrin vom Freiwilligendienst zu berichten. Die mitgebrachte Karte hängt nun als Erinnerung an diese Begegnung im Treffpunkt Deutschland. Sie führt die größeren Städte und diverse Attraktionen Deutschlands auf und mir fällt auf, von wie vielen dieser Attraktionen, seien es die Dülmener Wildpferde, die Völklinger Hütte, der Rote Turm, die Ruhmeshalle Walhalla, das Nordertor ich noch nie gehört habe, geschweige denn sie selbst gesehen habe.

Quint Buchholz zu Besuch im Treffpunkt Deutschland

Am 14. September 2017, meinem zweiten Arbeitstag, kam der Autor und Illustrator Quint Buchholz in Begleitung seiner Ehefrau zu Besuch nach Pula (Kroatien) und dabei speziell in den Treffpunkt Deutschland, den Fachraum des Deutsch-Unterrichts der Schule für Tourismus, Gastgewerbe und Handel.

In einer Gruppe von sechs Schülern und mir holten wir die beiden von ihrem Besuch des berühmten römischen Amphit-Theaters in Pula ab, einer noch erhaltenen ehemaligen Gladiatoren-Arena und dem Wahrzeichen der Stadt.

Von dort aus zogen wir auf eine kleine Stadtführung zum Forums-Platz mit Augustus-Tempel. Dabei fand ein erster Austausch statt zwischen Quint Buchholz, seiner Frau, den Schülern und mir statt. Weiter ging es dann in den sogenannten Treffpunkt Deutschland – einen vom Goethe-Institut finanzierten Fachraum für den Deutsch-Unterricht an der Schule.

Dort gingen wir zum Interview über. Von den ca. 20 anwesenden Schülern stellten abwechselnd welche Fragen an Herrn Buchholz. Hier eine Auswahl der gestellten Fragen:

  • Wie gefällt Ihnen Istrien [die Region, in der Pula liegt]?
  • Sie sind gerade in Pazin [kroatische Stadt 50 km nördlich von Pula] zu Gast im Haus der Dichter. Was machen Sie dort konkret?
  • Reisen Sie gerne?
  • Haben Sie eine eigene Familie?
  • Wo bekommen Sie die Inspiration für Ihre Werke [her]?
  • Wie viele Bücher haben Sie schon illustriert? Welches war Ihr erfolgreichstes?
  • Was muss ein guter Bilderbuch-Illustrator können? Was ist das Schwierigste?
  • Haben Sie ein Lieblingsbuch?
  • Wie haben Sie sich als Schüler gefühlt?
  • Was würden Sie uns auf den Weg geben, was ist das Wichtigste im Leben?

Herr Buchholz hat die Fragen sehr detailliert und ausführlich beantwortet, und sie gelegentlich mit einer persönlichen Geschichte illustriert.

Was ist bei mir hängen geblieben von diesem Treffen?

Quint Buchholz malt sehr langsam, nimmt sich Zeit für seine Werke. Das Zeichnen eines Bildes kann dann schon mal etwas länger dauern. Zu seiner Studienzeit war er dadurch Außenseiter, weil damals grobes, schnelles Malen in der Kunst-Szene angesagt war. Erst mit der Zeit haben andere, u.a. auch Professoren, in ihm sein Talent im Malen erkannt.

Seine Philosophie ist es, Bilder zu malen, die über das Geschriebene hinaus gehen, und zugleich zum Text passen. Er findet es langweilig, wenn Bilder dasselbe sagen wie der Text. Sein vorrangiges Ziel ist es, Bilder zu malen oder Bücher zu schreiben, die Kindern gefallen. Zugleich muss er jedoch auch dafür sorgen, dass die Illustrationen Erwachsene ansprechen. Denn nur Erwachsene kaufen letztendlich Kinder-Bücher.

Quint Buchholz kommt aus einer familiären Umgebung, in der Malen als Kind an der Tagesordnung war. So kam er mit seinem späterem Metier schon früh in Kontakt und ebenfalls wurde er von älteren Brüdern in seinem Talent fürs Malen bekräftigt, selbst in einem Moment, als er (ausgerechnet) im Kunstunterricht seine schlechteste Note erhielt.

Mittlerweile hat er eine eigene Familie mit Frau, Kindern und Enkelkindern und lebt in einem kleinen Haus nahe von München. Er verreist schon gerne, bleibt aber auch gerne mal zu Hause.

Ich empfand es als enorm inspirierend, Quint Buchholz zu treffen und seiner Denkweise und Vorgehensweise  zuzuhören. Er ist ebenfalls ein sehr guter Erzähler und mir sehr sympathisch. Ich bedanke mich für dieses Treffen und wünsche seiner Familie und ihm alles Gute und weiterhin viel Inspiration für seine Werke.

Zum Abschluss verweise ich auf seine Website sowie seinen Wikipedia-Eintrag.

Erster Arbeitstag

Bin gut angekommen, heute erster Arbeitstag, viel los, mich vorgestellt, erste Gespräche. Schüler stellen mir Fragen, auch durchaus direkte („Wann haben Sie Geburtstag?“, „Was sind Ihre Hobbys?“, „Warum sind Sie hier?“, „Was ist Ihre Lieblingsfarbe?“, „Mögen Sie …?“, „Deutschland oder Kroatien?“, …), übe mit Schülern Gespräche zum Deutsch-Lernen und als Vorbereitung auf Prüfungen des Goethe-Instituts. Es geht ratz-fatz, meist bloß 5 Minuten Pause zwischen den Stunden, einmal 20 Minuten, und schon geht es in den nächsten Klassenraum und die nächste Situation. Bin noch nicht gewohnt, aus meinem monotonen Arbeitsalltag in so rasch wechselnde Szenarien überzugehen.

Danach empfahlen meine Ansprechpartner einen Strand-Besuch, den ich gleich gemacht habe (Werbe-Bilder des Ortes). Ordne mich noch, viel Input, neue Umgebung. Noch ist hier Tourismus, wie meine Ansprechpartner sagen, bald soll es weniger werden. Zähle am ersten Tag bestimmt 20 deutsche Auto-Kennzeichen. „Mallorca/Ballermann“ ist eine Assoziation, die bei mir aufkommt (abzüglich der Exzesse, die es glaube ich hier weniger gibt). Auch im Supermarkt bemerke ich viele deutsche Labels, auch bei Bio-Produkten insbesondere (sind da Stereotypen am Werk?) Das fällt mir unerwartet auf.

Habe eine schöne, eigene Wohnung, die Platz für mehrere bietet, und darf hier auch Verwandte beherbergen. Fühle mich wohl hier, alles ganz neu, positiver Stress.

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