schockblock

Françoise Miquel

Eine alte Straße, mit alten kleinen Häusern, mit hölzernen Balken. Da sitzt ein Mädchen unter einem Lindenbaum und weint. Es kommt fast niemand vorbei. Zwei orangene Käfer, die von Pflasterstein zu Pflasterstein wandern; der Wind, der Lindenblüten aus den Fugen aufwirbelt und die Regentropfen und ihr Geräusch auf einem Glasvordach. Naja, und der eine Tourist, der fragt, ob er schon da ist, wo er sein will. „Ja, das bist du. Du bist schon da, wo du bist“, sagt sie. „Ich bin heute in das Hotel hier vorne eingezogen.“ Dann geht er und erkundet den Ort, an dem er ist. Und dann kommt ein Typ mit einem Akkordeon. Setzt sich auf die Treppenstufen im Regen, als würde das dem Instrument nichts ausmachen und spielt eine Melodie. Das tut er nicht für sie, ganz bestimmt nicht. So wie die Käfer nicht für sie krabbeln und der Wind nicht für sie bläht, wie der Regen auch so auf das Dach fällt und der Tourist sich nicht für sie verirrt. Das tut er für sich. Weil er jeden Tag dort sitzt, mindestens einmal, und spielt als übe er gerade noch. Erst eine Melodie, dann einen Walzer, etwas langsam, dann schneller, ein bisschen dies das und ganz viel davon. Sie hört ihm zu, was er mit seinen Händen macht, mit seinem Herzen und mit ihrem. „Warum weinst du?“ „Manche Tage sind eben so. Da weint man den ganzen Tag.“ „Na, wenn es nur ein Tag ist.“ „Nein, das ist es nicht.“ Er wechselt abrupt seine Melodie. „Möchtest du nicht darüber reden?“ „Wir reden doch gar nicht.“ Tatsächlich, sie reden nicht. Irgendwann steht er auf und geht wieder weg, vielleicht dorthin, von wo er gekommen ist. Es vergeht nicht viel Zeit, es fällt nicht viel Regen, da kommt jemand vertrautes vorbei. Es ist Françoise. „Du siehst es immer ganz anders“, sagt sie. „Das hier alles gäbe es doch gar nicht ohne dich. Die Käfer würden für niemanden krabbeln und der Tourist würde sich nicht verlaufen. Diese Straße wäre ein toter Raum ohne dich.“ Und natürlich hatte sie Recht. Françoise hatte meistens Recht.

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