7- Wochenende 2, Arbeitswoche 1 und Wochenende 3

 

Ausblicktechnisch ist mein neues Zimmer eine große Verbesserung. Wie Zuhause habe ich meinen Schreibtisch unter das Fenster gestellt, aber mit einem Spalt, breit genug um zwischen Tisch und Wand auf das Fensterbrett zu klettern. Zuhause sehe ich, bei Dunkelheit, nur riesig anmutend die Umrisse von großen Nadelbäumen der Nachbarn gegen den etwas helleren Himmel und darüber Sterne oder dunkle Wolkendecke. Hier, durch ein Gitter aus Weinreben, gelbliche Straßenlaternen zwischen kreuz und quer gespannten Stromleitungen, viele viereckige Lichtflecken der Wohnblocks und alternden Villen und dahinter ganz weit die flackernden Lichter der Stadt, die die Berghänge hinaufwachsen.

Jetzt ist schon Samstag der 07.10. und ich bin schon seit 25 Tagen hier.Wir hatten plötzlichen Herbsteinbruch, Wasser und Heizungsausfall, 11 neue georgische Konsonanten und bayrische Blasmusik!

Nach meinem letzten Eintrag haben wir uns langsam erholt und waren am Freitag wieder fit genug für den Vorstellungstermin bei der Fachberaterin der Zentralstelle fürs deutsche Auslandsschulwesen. Wir bekamen eine überaus erhellende Erdbebenaufklärung, endlich mal wieder alle anderen Freiwilligen aus ganz Georgien zu Gesicht und Kamillentee für unsere Bäuchleins. Am Samstag machten wir noch ein bisschen Sightseeing in der Stadt, bis in den botanischen Garten und später ins Fabrika – eigentlich ein Hostel aber nachts irgendwie auch ein Club mit sehr vielen Hipstern aber auch hipsterigen jungen Familien.

Am Sonntag (den*ie kulturweit-Freiwillige*n jagt eine fancy Einladung nach der Anderen) dinierten wir auf der Wahlparty der deutschen Botschaft im Goethe-Institut. Wir Erstwähler quittierten die Ergebnisse der AfD bei jeder neuen Hochrechnung mit einem Schluck Rotwein aber kamen in ganz gute Gespräche ob wir liberalen Wähler etwas anders hätten machen sollen, über Perspektiven und Wahrheit und was dieses Ergebnis bewirkt.

In meiner ersten Arbeitswoche lernte ich die kleine Privatschule „Ani-Zet“ (von Ani – 1.Buchstabe des georgischen Alphabets und Z letzter des lateinischen) mit ca. 300 Schülern im eleganten Vake-Viertel näher kennen. Es gibt extra Flure für die Vorschüler und 1. Klässer, an deren Eingang immer eine Lehrerin sitzt und jede Stunde und Pause mit einem kleinen, silbernen Glöckchen einläutet. Schmale Klassenräume mit Whiteboards für die kleinen Klassen, die meist noch in 4er/6er Gruppen geteilt werden. Und im Keller eine kahle Küche mit Kantine, aus der um halb 11 ein zweites Frühstück heraufgebracht wird und erst um 15:15 der Startschuss fürs Mittagessen kommt. Ich folgte meiner Kontaktlehrerin in den Deutschunterricht ihrer 8. (Schulfächer in Deutschland) 9. (Wie bleibe ich fit? Gesunde Ernährung + Sport) und 11. (Emigration und Immigration) Klasse. Ich buchstabiere schwierige deutsche Wörter an die Tafel (!ich, die Rechtschreibkönigin!), mache die Aussprache vor und habe mich bei Lehrerin und Schülern*innen fürs Vokabelabfragen qualifiziert, weil das eigentlich wie Tabu ist, wenn ich das Wort kunstvoll umschreibe, weil ich es weder lesen, noch aussprechen kann. Dazu habe ich noch gelernt, dass 26.September Namenstag von Ketevan oder Katy oder Kato  ist -hier werden fast alle Kinder von den Lehrern*innen beim Kosenamen genannt.

Am Mittwoch kam unsere 1. Georgischstunde, für die sich zum Glück eine noch ganz junge, sehr liebe und coole Lehrerin aus meinem Ani-Zet-Kollegium bereit erklärt hat. So habe ich meinen 4 anderen kulturweit-Mädels die Ani-Zet und ein schickes Café hier im Vake vorgestellt, dieses Nachmittagsprogramm haben wir jetzt für Montag und Freitag eingeführt.

Samstag waren wir in der Tbilissi Shopping Mall und haben die coolen Herbstmäntel anprobiert, abends gab es einen Salsakurs im Backpacker*innen-Viertel mit vielen schnuckeligen, kleinen Kneipen und wir haben noch ein paar Bars ausprobiert, die uns unsere Ehemaligen empfohlen haben. Sonntag lies das regnerische Herbstwetter Ausflugspläne ins Wasser fallen und meine Suche nach dem deutschen Lesesaal der Nationalbibliothek gestaltete sich auch nicht erfolgreich. Abends gab es Burger in der, laut unserer Vermieterin, besten Burger Bar der Stadt. Und dann war die dritte Woche auch schon vorüber. Wobei sie mir sehr lang und vor allem übervoll vorkam.