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Reisefieber

Was ich bisher weitestgehend verschwiegen habe, sind meine kleinen und großen Expeditionen in das für mich unbekannte, unerforschte, neue Ghana.
Deshalb folgt nun ein sehr fotolastiger Beitrag der Kategorie Reisebericht, denn Bilder erzählen manchmal die besten Geschichten.

Unerträglich stickige Luft erschwert das Atmen. Schweiß tropft mir in die Augen und das T-Shirt klebt am Rücken. Meine Beine sind eingeschlafen, aber ich kann sie nicht bewegen, weil sie zwischen Gepäckkisten und meiner Reisetasche eingeklemmt sind. Ich habe Durst, kann aber nicht trinken, weil ich dringend auf die Toilette muss. Bei jedem Schlagloch schmerzt mein mein A****…
Reisen in Ghana war bis jetzt immer ein eher zeitaufwendiges und anstrengendes Unterfangen. Die Trotrofahrten sind verbunden mit Hitze, Stau, umsteigen, warten, Verkehrschaos in Städten und Schlaglöcher-Rodeo in den Dörfern.

Aber trotzdem lohnt es sich. Aus den schmierigen Trotroscheiben kann man so einiges beobachten und wenn man schnell genug ist, auch seine Einkäufe machen. Sobald eine Ampel auf rot schaltet, werden Bananenchips, Fried Yam, Socken, Deo, Kopfhörer, Brotlaibe und gegrillter Fisch auf Köpfen durch die wartenden Autos getragen. Aber schon einen Augenblick später wechselt die Ampel auf grün und die Verkäufer rennen dem Wechselgeld hinterher. Weiter geht’s!

Auch für neue Bekanntschaften bieten lange Trotrofahrten eine gute Grundvoraussetzung. In der gähnende Langeweile eines Staus sind Gespräche aller Art eine willkommene Abwechslung. Auf meiner mit Abstand anstrengendsten Fahrt letztes Wochenende ( fünfeinhalb Stunden für 62 km) hatte ich Beistand von einer angehenden Krankenschwester mit großem Interesse an Biologie. Gemeinsam haben wir uns durch die Leckereien der Straßenverkäufer gefuttert und sind später aneinander gelehnt eingeschlafen. Ja, ich habe gelernt wie all die anderen wenn es unerträglich wird abzuschalten und mich der bloßen Existenz hinzugeben. Am besten döst es sich mit der Stirn auf dem Vordersitz. Wenn er gepolstert ist, tun die Schlaglöcher auch nicht so weh.

 

Meine erste Reise begann genau einen Monat nach unserer Ankunft. Ziel war Kumasi, die Hauptstadt der Ashanti. Sie ist mit zwei Millionen Einwohnern nicht nur die zweitgrößte Stadt des Landes, sondern auch Hauptstadt des Ashanti Königs. Von allen ghanaischen Königen ist er der mächtigste und hat sogar Einfluss auf die ghanaische Regierung. Ich war mit den anderen Ghana-Freiwilligen dann auch gleich bei ihm zu Hause und habe ihn im Manhyia Palace besucht (okay im Museum neben seinem Palast). Dort konnten wir unter anderem den ersten Ventilator und Kühlschrank des Reiches bestaunen. Die sind natürlich ohne Reparatur immer noch funktionsfähig.
Aber nicht nur die Elektronik ist im Königshaus etwas Besonderes, denn Stuhl ist nicht gleich Stuhl. Uns wurde die Bedeutung des goldenen Stuhls erklärt, der nicht nur heilig, sondern auch das Symbol für die Einheit des Reiches ist. Auf dem Rückweg zum Hostel haben wir dann vergebens versucht auf dem 14 Fußballfelder großen Zentralmarkt die Stoffabteilung zu finden. Es war ein schier endloses Gewusel und an jeder Ecke hat es je nach Warenangebot anders gerochen. Als wir schließlich doch ein paar Stände mit Stoff gefunden haben, war ich von der Auswahl restlos überfordert.

               

Die darauffolgenden Tage haben wir am Ufer des größten natürlichen Sees in Ghana verbracht, um die zwei Freiwilligen am Lake Bosomtwe zu besuchen. Der See ist ein ehemaliger Meteoritenkrater, entstanden von vor rund 1,5 Millionen Jahren. An einigen Stellen ist er deshalb bis zu 70 m tief und umgeben von dicht bewaldeten Bergen, fühlt man sich wie in einer überdimensionalen Schüssel.

              

Während unseres Aufenthaltes waren wir im Bilharziosefreien See baden, haben den Sternenhimmel und tropische Gewitter bewundert, sind auf den Kraterrand geklettert, durch Kakaoplantagen gestreift und abends wurde auf Nachfrage im Dorf für uns gekocht. Es gab Reis mit Nudeln und Eiern in Tomatensoße im Dunkeln aus einer großen Plastikschale für alle. Und natürlich alles mit den Händen. Selten hat essen so viel Spaß gemacht!

Die nächste große Reise war die zu unserem Zwischenseminar am Cape three points. Auf dem Hinweg haben wir einen Stopp in den Küstenstädten Cape Coast und Elmina gemacht, um die Sklavenburgen zu besichtigen. Cape Coast Castle ist eine weiße, mächtige Burg in einer türkisblauen Bucht, die einst zu den größten Sklavenumschlagplätzen der Welt gehört hat. Bis 1876 war Cape Coast Hauptstadt der Kolonie Goldküste.

               
Wie kann etwas so schönes nur so schrecklich sein?

Marktplatz, Gefängnis und Lagerstätte in einem. Wir haben die Verliese gesehen, in die 2000 Gefangene zur Zeit in einem Raum von 100 Quadratmetern gesperrt wurden. Bis zu drei Monate haben sie dort ohne Kleidung, Licht oder Toilette verbracht. Die Führung ging durch die Todeszellen, vorbei an den Räumen für die Vergewaltigung von Frauen bis hin zur „door of no return“ , von wo aus die Sklaven aneinander gefesselt auf die Schiffe verladen wurden.

Auch Elmina hat eine Burg. São Jorge da Mina thront malerisch in der Edina Bay, umgeben von bunten Fischerbooten. Auf einem langen Strandspaziergang mit Baden in der Brandung ich mich gefühlt, wie auf die Seiten eines Reisekatalog gedruckt. Vielleicht ist es so schön, weil es so schrecklich ist. Weil Geschichte lebendig ist und uns berührt.

            

Am Cape three points waren wir am Nabel der Welt. Der südlichste Punkt Ghanas hat tatsächlich drei Spitzen, wovon die längste mit Leuchtturm gleichzeitig den letzten Punkt auf dem Land vor 0 Grad der geographischen Länge und Breite markiert.

Trotzdem habe ich mich nicht wieder Mittelpunkt, sondern vielmehr wie der Rand der Welt gefühlt. Die Öko-lodge „escape3points“ versucht sich durch ökologischen Eigenanbau in den großen, angrenzenden Gärten weitestgehend unabhängig zu machen und ist nur durch eine einstündige Trotro-Kletterpartie durch Kautschukplantagen zu erreichen. Das letzte Stück mussten wir zu Fuß bewältigen.

               

Aber für mich wurde der Ort zum Meeresbiologie-Paradies. Neben dem Seminar hatten wir Zeit in der Bucht mit wenig Strömung zu schwimmen und zu bodyboarden. Dort habe ich in einem natürlichen Pool aus Felsen beim Tauchen einen Kraken, Seeigel und Unterwassernacktschnecken entdeckt. Und morgens habe ich in der Hatchery am Strand meine ersten Olive Ridley Turtle Meeresschildkröten schlüpfen sehen.

              
An einem Tag sind wir durch Felsen, Palmen und Mangroven zur einzig deutsche Sklavenburg Großfriedrichsburg gewandet, die 1683 von den Preußen errichtet wurde. Viel zu schnell war die Zeit mit den netten Menschen, den Lagerfeuern und Sternennächten zu Ende und wir haben uns auf die Weiterreise gemacht.

Diesmal waren wir auf dem Rückweg im tropischen Regenwald. Der Kakum-Nationalpark beherbergt viele vom Aussterben bedrohte Tiere, wie Waldelefanten, Wasserbüffel und Bongos, die wir leider aufgrund ihrer Seltenheit und der Touristenmassen nicht gesehen haben. Der Schutz der Natur ist auch mit Grund dafür, dass nur ein sehr kleiner Teil des Parks für Besucher zugänglich ist. Deshalb war es uns nicht möglich, weiter in das Innere des Parks vorzudringen. Stattdessen haben wir uns auf den Canopy Walkway gewagt. Das ist eine Hängebrücke zwischen den Urwaldriesen, auf der man eine spektakuläre Sicht auf das dichte Blätterdach hat.

              

Anschließend haben wir für unser ganz spezielles Vorhaben auf die Dunkelheit gewartet. Und als die Touristenströme versiegt sind, das Restaurant und die Souvenirs Shops ihre Türen geschlossen haben und sogar der überdimensionale Fernseher mit dem Fußball Programm ausgeschaltet wurde, hat uns unser Guide für die Übernachtung abgeholt. Wir haben eine Nacht in einem Baumhaus mitten im Regenwald geschlafen!

Auf unserer kleinen Nachtsafari sind wir mit Taschenlampen durch das Unterholz gestreift und haben Flughörnchen, Mahagonibäume, Lilianen, Bromelien, Würgefeigen… gesehen. Unser Guide war Botaniker und hat fast zu jedem Baum eine Geschichte gekannt (auch die, wie der Elefant einen kleinen Hintern bekommen hat) Beim Einschlafen  war es ohrenbetäubend laut und neben einer Million Insekten habe ich die Affen und Baumratten schreien gehört.

Mein letzter Ausflug am Nikolaus (hier farmers day) hat mich in die Shai Hills geführt. Diesmal bin ich auf eigene Faust in den Nationalpark über Accra gefahren. Ich hätte zwar auf die oben erwähnte, abenteuerliche Anreise verzichten können, aber es ist alles gut verlaufen und ich habe trotz später Stunde noch Mitarbeiter gefunden, die mir das Guesthouse aufgeschlossen haben. Am nächsten Tag habe ich auf einer Wanderung durch die Hügel der trockenen immergrün Küsten Savanne Kob-Antilopen gesehen und in einer Höhle der Ureinwohner, Fledermäuse.

               

Die Paviane waren leider nicht zu Hause, als wir auf den Inselberg „Baboons home“ geklettert sind. Ich war schon enttäuscht, aber auf dem Rückweg zum Parkeingang gab es dafür mehr Affen als Touristen. Ich weiß gar nicht, was lustiger ist: Paviane beim Essen beobachten oder Touristen, denen das Essen von Pavian geklaut wird. So hat der eine Pavian neben mir auf der Bank Bananenchips geknabbert, während sein Kumpel sich Apfelspalten in den Mund gestopft hat.

Jetzt bin ich wieder hier zu Hause hier in Ada Foah, aber jedes Mal, wenn ich den Reiseführer aufschlage, überkommt mich eine neue Welle Reisefieber.

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