Eine intensive Zeit

Ich liege gerade am Strand, auf dem Rücken, und freue mich über den ungehinderten Blick in den Himmel. Nichts versperrt mir die Sicht in die unendliche blaue Weite und auf die Wolken, die von links nach rechts vorbeiziehen. Ich spüre die Steine unter meinem Rücken und meinen Fußsohlen, höre das Rauschen der Wellen. Ich komme zur Ruhe nach den intensiven Wochen, die hinter mir liegen. 

Gerade geht tatsächlich eine alte Dame ohne zu zögern ins Wasser und schwimmt ihre Runden. Das wäre mir jetzt doch zu kalt, auch wenn das Wetter unglaublich ist. So warm war es hier um diese Jahreszeit scheinbar lange nicht mehr – ich habe Glück! 

In den letzten Wochen ist so viel passiert, dass ich im Moment gar nicht weiß, wie und mit was ich anfangen soll. Vielleicht mit einer Neuigkeit zum Thema Sport. In meinem letzten Blogeintrag hatte ich erzählt, dass ich bisher vergeblich nach einem Sportverein gesucht habe. Das hat sich jetzt geändert und ich habe eine tolle Fußballmannschaft gefunden! Nachdem ich von einer Schülerin erfahren habe, wann das nächste Training der Damenmannschaft stattfindet, brauchte es noch etwas Überwindung, doch dann habe ich mich auf den Weg zum Fußballplatz gemacht und bis zur richtigen Kabine durchgefragt. Dort wurde ich zum Glück freundlich und lautstark empfangen und ins Team aufgenommen. Im zweiten Training habe ich bereits ein komplettes Dress sowie eine Saisonkarte für die Spiele der ersten Herrenmannschaft bekommen, sie spielen in der ersten kroatischen Liga. Da habe ich mich natürlich gefreut. Völlig verblüfft war ich dann, als ich verstanden habe, dass ich nicht mal einen Mitgliedsbeitrag zahlen muss. Das ist ein Privileg der Frauen und wird vom Verein so gehandhabt um den Damenfußball zu fördern. Mir gefällt die Atmosphäre im Team wirklich gut! Man pusht sich gegenseitig, feuert sich an und freut sich riesig über jeden kleinen Erfolg. Ich habe das Gefühl, dass jeder seinen Platz in der Mannschaft hat. Auch der Trainer hat ein gutes Verhältnis zur Mannschaft und im Training ist es oft lustig. Obwohl ich meistens nicht direkt verstehe worüber gelacht wird, muss ich irgendwann mitlachen, denn es wird so lautstark gelacht und diskutiert, dass es einfach ansteckend ist.

Falls ich doch etwas verstehe, freue ich mich auf jeden Fall immer! Ich mache langsam Fortschritte was meine Kroatisch Kenntnisse angeht. Wenn ich weiß, was das Thema eines Gesprächs ist, kann ich oftmals grob verstehen was gesagt wird.

Abgesehen davon, dass es hier häufig etwas lauter zugeht, laufen die meisten Dinge auch spontaner. Verglichen dazu trifft das typische Klischee eines durchgeplanten Deutschlands schon zu. Zum Beispiel erfahre ich immer erst im Laufe der Woche an welchen Tagen ich Training habe und es kommt schon mal vor, dass man eine Woche vorher zu einer wichtigen Jubiläumsfeier eingeladen wird. Ein Event, das in Deutschland wahrscheinlich schon 3 Monate vorher durchgeplant wäre. 

In der Schule läuft es nach wie vor gut. Da eine der beiden Deutschlehrerinnen eine Woche außer Haus war, habe ich ihren Unterricht zum Großteil übernommen. Es hat meistens gut geklappt, nur in einer Klasse musste ich die Stunde ausfallen lassen, weil sie mir gar nicht zugehört haben. Falls jemand etwas über die Filme „Männerherzen“ oder „Bon appétit“ wissen möchte, fragt mich, ich weiß Bescheid! Ich habe nämlich mit jeder der Klassen einen der beiden Filme angeschaut und besprochen. 

Nächste Woche erwartet mich dann die nächste Herausforderung: Beide Deutschlehrerinnen sind außer Haus. Da bin dann wohl ich die, die für diese zwei Tage den Laden schmeißen wird. Mal schauen, ob das Ganze in einem großem Chaos endet… Jedenfalls freut es mich, dass die beiden mir das zutrauen. 

Ein Highlight der letzten Woche war mein Besuch im Kunstgymnasium in Pula. Mit meiner Stuttgartpräsentation im Gepäck und in Begleitung von einem Schüler habe ich mich auf den Weg gemacht. Zuerst war ich mit der Deutschlehrerin in zwei Deutschklassen dabei. Beide Klassen bestanden aus jeweils zwei Schülern, die Nachfrage ist scheinbar an dieser Schule nicht so groß. Dort habe ich mich und meine Heimatstadt Stuttgart vorgestellt: Dafür habe ich ein Quiz vorbereitet, das von Bildern und meinen Erzählungen begleitet wird. So erfahren die Schüler vom Schlossplatz über den schwäbischen Dialekt bis hin zu Musik von Cro, das Spannendste über die Stadt und können dabei sogar noch mitraten. Es freut mich, dass es sowohl bei den Schülern und Lehrern meiner Schule als auch des Kunstgymnasiums so gut angekommen ist. So gut, dass mich die Deutschlehrerin direkt auf einen weiteren Besuch eingeladen hat. Nachdem ich dort im Deutschunterricht war, wurden mir noch die Kunstabteilungen der Schule gezeigt. Und das Beste kommt jetzt: Die Kunstlehrerin fragt den Direktor, ob ich ab und zu am Kunstunterricht teilnehmen und die Räumlichkeiten nutzen darf. Das wäre wirklich toll, wenn es klappt!

Vor zwei Wochen habe ich relativ spontan Besuch von Jonas bekommen, kulturweit-Freiwilliger in Slowenien. Er war einige Tage da und wir hatten wirklich eine schöne Zeit zusammen. Nachdem er seine Reise nach Piran fortgesetzt hat, bin ich vollbepackt und voller Vorfreude in den Bus nach Zagreb gestiegen.

Das lange Wochenende habe ich dort bei Sarah verbracht, ebenfalls kulturweit-Freiwillige, gemeinsam mit ihren beiden Freundinnen aus Deutschland. Wir haben die Stadt angeschaut, waren wandern und auf dem Friedhof. Ja genau, auf dem Friedhof. Denn es war Allerheiligen und dieser Tag hat hier viel Bedeutung. Die Menschen sind in Massen zum Friedhof gepilgert und es sind den ganzen Tag ununterbrochen kostenlose Shuttlebusse dorthin gefahren. Trotz Regen waren wirklich viele Menschen dort. Auf dem Friedhof hat uns ein riesiges Lichtermeer aus roten Friedhofskerzen erwartet. Die Stimmung war ganz besonders,  schön, ruhig und andächtig, es war dunkel, der Regen hat auf den Schirm getrommelt und ist über den Kerzen verdampft. Als dann alle Menschen ganz leise angefangen haben zu singen und der Klang langsam anschwoll, hat es mich wirklich berührt. Ich bin auch ein bisschen traurig geworden. Am Ende war es dann aber doch ziemlich kalt und wir sind nach diversen Umwegen klatschnass bei Sarah zu Hause angekommen (sie wohnt ein bisschen außerhalb). Aber das war es auf jeden Fall wert. 

Nachdem dieses Wochenende, auf das ich mich so lange gefreut hatte, plötzlich vorbei war und ich mich daran gewöhnt hatte, ständig Gesellschaft zu haben, ist es mir zurück in Pula richtig schwer gefallen. Es hat gedauert bis ich mich wieder an die Situation gewöhnt habe und der Start in die neue Woche war hart. Doch ich habe es geschafft aus diesem Loch wieder herauszukommen und die Woche hat gut geendet. Ich bin mir sicher, dass die nächste Woche schön wird, denn ich bekomme endlich Besuch von zu Hause. Ich freue mich auf dich liebe Emma!

Ich wünsche euch allen noch ein ugodan vikend und morgen einen guten Start in die neue tjedan 🙂