Wie kann das passieren?

Der Balkon ist ruhig heute. Alle ausgeflogen. Nur der Vogel ist noch da.

Ich habe meine Uhr nicht an, wie so oft in Kolumbien. Dafür trage ich mehr Armbänder an der rechten Hand, habe manche ausgetauscht und andere als Erinnerung bekommen. Die letzten Tage waren anders als der Rest, denn man macht all die alltäglichen Dinge irgendwann zum letzten Mal. Sich in der Tienda verabschieden, durch die man drei Mal am Tag geschlappt ist. Tschüss zu den Hausmeistern und Köchinnen in der Schule sagen. Mit den Parceros letzte Biere trinken.

Ich würde eigentlich gar nicht sagen, dass ich hier feste Wurzeln geschlagen habe. Ich bin gar nicht bereit dazu irgendwo zu bleiben. Die Wohnung lasse ich mit schwerem Herzen zurück und in der Schule war es schwierig von so vielen Schülern Abschied zu nehmen. Man hat sie halt doch alle lieb. Aber ich habe auch Lust, mich mit neuen Dinge zu beschäftigen, nachdem ich nun die Bildungsarbeit zu schätzen gelernt habe.

Am Ende meines Jahres noch eine Woche mit der Familie zu reisen war ein Traum. Kolumbianische Traditionen und Eigenarten, besonders aber die touristischen Sehenswürdigkeiten, sind einfach zu besonders, als dass man sie richtig in Worte fassen könnte. Medellín selbst ist eine Stadt, die nur schwer erlebbar ist, wenn man sich nicht gern auf die Erfahrung einlässt. Aber es ist auch eine Stadt, die einen nicht mehr loslässt.

Wie kann es passieren, dass ein Jahr so schnell vorübergeht? Dass man stolz ist und aufgeregt und trotzdem entspannt? Dass man so viele gute und schlechte und wunderschöne Dinge in so kurzer Zeit erlebt? Dass man eine andere Perspektive auf die Welt kennenlernt, die so eindrucksvoll ist, dass man sie gern mit der ganzen Welt teilen würde?

In Kolumbien kann das passieren.