Willkommen auf diesem Blog!

Herzlich willkommen! Dieser Blog ist jetzt abgeschlossen und dokumentiert meinen Freiwilligendienst in Orscha im Osten von Belarus. Ich hoffe, dass der Blog vor allem für meine Nachfolgerinnen und Nachfolger nützlich und interessant sein wird, freue mich aber natürlich auch über alle anderen Leser und Interessenten. Rückmeldungen und Kommentare nehme ich gerne auch im Nachhinein noch entgegen.

Ich möchte noch kurz auf die Leiste auf der rechten Seite hinweisen, wo sich weitere, einzelne Texte jenseits der Blogeinträge finden. Diese sind zum Einstieg vermutlich am besten geeignet, wenn ihr auf dem Blog neu seid.

Wenn ich einen direkten Nachfolger bekomme, würde ich mich sehr freuen, ihn oder sie kennenzulernen.

Danke an alle meine Leser und до свидания!

Jonathan, 12. März 2019, Heuchelheim (bei Gießen)

Вот и всё

Heuchelheim, 03. März 2019. – Nachdem ich sogar schon ein paar Tage wieder zuhause angekommen bin, ist es Zeit, endlich noch einmal zum Blog zurückzukehren. Ich möchte über die letzte Zeit gar nicht mehr viel schreiben, finde es aber wichtig, dass der Blog noch einen guten Abschluss findet.

Die Leute fragen mich, ob ich ein Fazit aus dem FSJ ziehen kann, und ich antworte immer mit nein. Wenn ich an alles zurückdenke, ist es zu viel, und ich glaube kaum, dass es schon wieder normal ist, zurück in Deutschland, in der Heimat zu sein. (Das habe ich übrigens bemerkt: wie angenehm es doch ist, wieder zuhause zu sein. Heimat kann man spüren. So geht es mir zumindest.) Auf jeden Fall ist aber klar, dass ich unglaublich froh und dankbar für all diese Erfahrungen bin, die ich vor einem Jahr niemals hätte erahnen können. Was das alles für mich bedeutet und bedeuten wird, werde ich erst in der kommenden Zeit herausfinden.

Zu meiner letzten Zeit in Orscha möchte ich gar nicht mehr viel schreiben, das gehört nicht hierher. Der Abschied war schwierig für mich, und anders als erwartet. Ich habe eine Weile gebraucht, um ihn zu verarbeiten, und bin immer noch dabei. Die letzten beiden Tage war ich allein, nur zum Packen. Am Ende hat alles gut geklappt, ich habe meine Wohnung verlassen, noch einmal Olga (meine Vermieterin) gesehen und bin ab zum Bahnhof. Dann erst einmal Ruhe, die nötig war.

Zusammen mit dem später zugestiegenen Leo bin ich nach Berlin zum Seminar gereist, ohne zuerst nach Hause zu kommen. Das habe ich auf dem Seminar gemerkt, ich war oft mit den Gedanken nicht da oder konnte die Zeit nicht genießen. Alles auf einmal: die Zeit in Orscha, die bevorstehende Rückkehr nach Zuhause, und die Kulturweitwelt des Seminars, dazu noch die üblichen, weiteren Sorgen. Erst im Lauf des Seminars wurde es für mich besser, sodass ich doch noch positiv auf das Seminar zurückblicke.

Um das zu erklären (denn ich weiß, einige andere Freiwillige sind sehr neugierig): beim NBS werden die Homezones neu aufgeteilt, scheinbar willkürlich gemischt. Dadurch kommt man mit Leuten ins Gespräch, die an ganz anderen Weltecken waren und ganz andere Erfahrungen gemacht haben. Trotzdem soll das Seminar eher ruhig und auf die Bedürfnisse der TeilnehmerInnen ausgerichtet sein, ohne Druck. So ist es auch abgelaufen. Dazu kommen noch andere Einheiten wie Workshops und Räume, die wenig Raum einnehmen, aber auch dieses Mal sehr interessant, sogar faszinierend waren. Kulturweit gibt sich viel Mühe mit den Seminaren. Auf dem NBS geht es also um Austausch, Reflexion, Feedback, einzelne neue Inhalte sowie Informationen zum „Wie geht’s weiter?“. Man muss weder Angst noch Langeweile beim Gedanken an das NBS haben.

(Wenn ihr noch Fragen darüber habt, schreibt mir.)

Orscha, aufgenommen noch im Januar

Seit dem 27. bin ich nun wieder zuhause – so fühlt es sich auch an – und komme langsam wieder an. Ich verstehe noch lange nicht alles und stecke gefühlt schon wieder zu tief im Leben hier, ohne genug über alles reflektiert zu haben. Wenn ich dazu komme, möchte ich hier auf dem Blog noch ein paar Rückblicke veröffentlichen, nach einzelnen Themen geordnet. Das ist nicht nur für mich, auch zum Beispiel für die Freiwilligen nach mir in Orscha. Diese Person kann sich übrigens sehr gerne bei mir melden, ich freue mich wirklich, zu helfen!

Lass dir meine Mail-Adresse von Tanja Baldreich am GI in Minsk geben, oder vielleicht denkt man auch so daran ;)

Liebe Grüße an alle anderen Freiwilligen, die das hier lesen, insbesondere an diejenigen, die ich jetzt auf dem NBS noch etwas näher kennenlernen konnte. Alles Gute euch für die kommende Zeit.

До свидания!

Йонатан

Schon fast wieder weg

Orscha, 16. Februar 2019. – Die Sonne scheint hell auf den Zentrumsplatz vor dem Gebäude, in dem ich wohne. Die leichten Plusgrade lassen den Schnee schmelzen, bilden kleine Flüsse und Seen voller Dreckwasser zwischen den Gebäuden des Stadtzentrums. Wie jeden Samstag sehe ich hunderte Menschen durch die Astrowskawa-Straße zum Markt laufen, dutzende галки (Dohlen) fliegen durch die Luft – aber dieser Samstag ist schon der Beginn meines letzten Wochenendes in Orscha und Belarus, für längere Zeit wahrscheinlich.

Natürlich kommen viele „letzte Male“ in dieser Zeit. Ich war am vergangenen Wochenende noch einmal in Magiljow, ein letztes Mal – die Stadt gefällt mir immer noch sehr gut, obwohl ich dort absolut niemanden kenne. Die schöne Fußgängerzone und die Straßenzüge werde ich hoffentlich noch eine Weile in Erinnerung behalten.

Ein Tipp für alle Leser, falls sie mal nach Magiljow kommen (wahrscheinlich nicht der Fall, aber trotzdem): Кафе Мадлен/Café Madlen. Das Gebäck ist selbstgemacht, dazu gibt es Kuchen, Kaffee, eine große Auswahl. Drinnen kann man auch sehr gut sitzen, auch wenn manchen das Ambiente vielleicht nicht gefällt.

Auf dem Rückweg schaue ich noch einmal in Schklow/Schklou vorbei, einer kleineren Stadt zwischen Orscha und Magiljow. Die Stadt wird anscheinend relativ oft vom Präsidenten frequentiert und ist entsprechend sauber und ordentlich, und außerdem mit einem überdimensionalen Stadtpark versehen. Ein Kurzbesuch lohnt sich auf jeden Fall, wenn das Wetter erträglich ist. Und irgendwie war es auch ganz cool, die Dame am Fahrkartenschalter in Schklow zu verwirren (ich bezweifle, dass dort schon häufiger Ausländer vorbeigeschaut haben).  Einer der Wege im Park Das Rathaus, eines der besonderen Gebäude Die orthodoxe Kirche, mitten im Zentrum

Ich werde vieles vermissen aus der Zeit hier, aus dem Alltag, den ich hier geschenkt bekommen habe. Dazu gehören natürlich auch die Schüler. Noch eine schöne Szene aus Klasse 4: die Kinder schreiben eine Kontrollarbeit, Irina ist gerade mal weg (passiert), ich bleibe im Raum. Einer der Schüler macht Blödsinn, sodass sich sogar die anderen Schüler aufregen und mich bitten, ihm etwas zu sagen. Der einzelne Schüler antwortet etwas in Richtung „Er versteht es doch sowieso nicht„, worauf Karina in mit einem „Йонатан тебя отлично понимает, и если нет, он всё видит“ zurechtweißt („Jonathan versteht dich ausgezeichnet, und selbst wenn nicht, kann er alles sehen„).

Ach ja, die Viertklässler…

Oder Katja in Klasse 5, die von ihrer Mutter zuhause anscheinend zusätzliche deutsche Phrasen beigebracht bekommt und jetzt bei jeder Möglichkeit die Phrase „(das Gebäude), in dem …“ benutzt (die ungefähr vier Jahre später erst im Unterricht kommt).

Genauso werde ich die angenehme Deutsch-Russisch-Mischung vermissen, das ich mit Irina und Polina sprechen konnte, aber mit (erstmal) niemandem in Deutschland.

Außerdem ist es einfach ein sehr befriedigendes Gefühl, wenn man gerade ein Ticket für eine Fahrt im semisowjetischen Regionalzug gekauft hat und auf dem Weg zum Zug aus der belarussischen Durchsage alle weiteren Informationen entnehmen kann. Wenn man sich mit allen wichtigen Dingen ausreichend auskennt, die Hintergründe kennt, sich schon ein bisschen oder ein bisschen mehr heimisch fühlt. Im Alltag stoße ich in Orscha eigentlich kaum auf Probleme, wenn überhaupt.

Es ist Zeit, nach Hause zurückzukommen, aber es fällt mir schwer. Die Zeit hat mich verändert, und ich verstehe noch nicht genau, wie.  Manche Dinge sind wichtiger geworden, andere weniger wichtig, und insgesamt habe ich nicht unbedingt Orientierung für mich bekommen, soweit ich das im jetzigen Moment, in dem ich den Kopf mit allem voll habe, sagen kann.

Die Zeit hier hat mich verändert, hat mir einen ganz anderen Bezug zu Osteuropa gegeben. (Oder konkreter, zum russischen Einflussgebiet.) Seit meinen Russischstunden liegt ein gewisser Glanz über den Namen Moskau und Sankt Petersburg, und Orscha ist für mich weit mehr als nur eine Zwischenstation zwischen Minsk und Moskau, sondern eine Stadt, die ich inzwischen gut kenne, in der ich mich zurechtfinde, in der ich gerne bin.

Aber ich komme besser wieder zurück zu dem, was hier noch passiert ist.

Am Freitag in einer aufwendig vorbereiteten Konferenz kommt wieder der mittlerweile bekannte „offizielle Stil/Modus“. Es ist ein Treffen einiger Lehrer aus dem Rajon (Landkreis), viele Lehrer kennen sich untereinander, und trotzdem kleiden sich die Lehrerinnen, als käme der Präsident persönlich vorbei. Für die Gäste wird alles bis ins Detail geplant, die ganze Veranstaltung, alles muss perfekt sein.  Es wird fleißig gesdrastwujtjet (sdrastwujtje – guten Tag), die Schulleiterin mit Stellvertreterin ist anwesend und begrüßt die Lehrer offiziell, und auch die Dame vom pädagogischen Zentrum kommt. (Für mich war sie bisher einfach die Frau, die ab und zu ins Deutschzimmer reinplatzt und mit lauter Stimme irgendetwas von den Deutschlehrern will. Ich lerne dazu. Und sie ist eigentlich ziemlich nett.) Die Lehrerinnen aus meiner Schule, Nr. 20, sind merklich nervös, auch Irina, die eine Vorführstunde in Klasse 5 hält.

Dafür läuft es dann auch ziemlich gut. Obwohl Irina mit ihrer Stunde natürlich nicht ganz zufrieden ist („мы ничего не успели“) passiert eigentlich alles genau nach Plan. Das Theaterstück aus dem November wird noch einmal aufgeführt, die Schülerinnen aus Klasse 10 haben einen fabelhaften Clip über die Schule gedreht und Schule Nr. 20 präsentiert sich wieder einmal sehr gut. (Das GI sagt explizit, die PASCH-Schulen hätten eine „Leuchtturmfunktion“, und so verhalten wir uns irgendwie auch.)

Außerdem zu erwähnen: der neue Deutschraum, Nr. 217, jetzt fertig ausgestattet und du-weißt-nicht-wie modern. Ein neuer Stolz der Schule, obwohl das GI (soweit ich das einschätzen kann) die Schule bei allen damit verbundenen Arbeiten ziemlich alleingelassen hat. „Мы всё это самы сделали“, sagt Irina.

Nach der Konferenz muss ich mich schon von einigen Menschen verabschieden, z.B. Mascha, die Lehrerin aus Schule 17, mit der meine Vorgängerin sich so gut verstanden hat. Es ist immer noch unglaublich für mich, dass ich an genau dem Ort bin, über den ich vorher schon in meinem Vorgängerblog lesen konnte, genau die gleichen Menschen treffen kann. Life’s such a curious thing.

Diese Veranstaltungen unterscheiden sich natürlich vom normalen Unterricht, es ist nicht immer alles so toll, wie es präsentiert wird. Aber diese Veranstaltungen zeigen, was es alles Tolles gibt, in der Summe, und das ist einfach beeindruckend und macht es mir schwer, zu gehen. Es ist doch so viel, dass ich mit dieser Schule verbinde, und umso seltsamer ist es, das meine Zeit hier auf genau dieses eine halbe Jahr beschränkt ist.

Heute verabschiede ich mich dann von Irina, die in der nächsten Woche in Köln auf einem Seminar sein wird. Noch ein schwieriger Schritt.

Und heute Nachmittag dann noch ein Treffen mit Polina, und auch mit Milana, ebenfalls aus Schule 17. Wir suchen eine ganze Weile, bis wir ein Café mit freien Plätzen finden, haben dann aber noch einen schönen Abend, ein bisschen прикольное время zusammen. Просто так. Noch etwas, was ich vermissen werde.

Immerhin sind die Schritte für die nächste Woche schon ziemlich gut vorgezeichnet, ich weiß, was an den einzelnen Tagen passiert. Es sind noch neue Projektideen aus dem GI angekommen, darum werde ich mich dann im Zweifelsfall kümmern, Recherche und so weiter. Morgen schaue ich ein letztes Mal in Minsk vorbei und sehe die anderen Freiwilligen. Es geht einfach alles seinen Gang.

Und irgendwann endet es dann mit einem „всё, пока“.

Bis bald

Йонатан

Kiew und co (mit Fotos)

Orscha, 06. Februar 2019. – Nach einer weiteren Reise in die Ukraine bin ich wieder um Einiges klüger, denn was auch immer meine Erwartungen waren, die Realität war anders. Wieder einmal sind die Unterschiede zwischen Belarus und Ukraine (die nur für die Belarus-Freiwilligen so richtig verständlich sind) offensichtlich geworden, und natürlich noch mehr.

Der letzte Donnerstag ist ein bisschen hektisch, da ich am Vormittag noch die Kleinstadt Baran in der Nähe Orschas besuche, auf Einladung der Schule dort. Die Schüler (oder eher ihre Lehrer?) haben ein großartiges Programm zusammengestellt und zeigen mir das wichtigste in der Stadt, abgesehen vom Fluss, den man wegen des Schnees darauf schlecht sieht, oder gar nicht. Baran wurde vor etwas mehr als fünfhundert Jahren gegründet und wird von allen Anwesenden als ein sehr gemütliches, ruhiges Städtchen beschrieben; es gebe alles, was man zum ruhigen Leben brauche, was gerade jungen Leuten oft nicht ausreiche. Sie erzählen mir vom Freizeitzentrum, indem es anscheinend ungefähr alles gibt, von den wichtigen Fabriken, und wir schauen uns eine kleine Kirche an. Da die Lehrer vor den Schülern so tun, als verstünde ich nur Deutsch, übersetzen sie auch die Anmerkungen des Priesters, der mir über die Kirche erzählt. Ich glaube in dieser Kirche bekomme ich zum ersten Mal den „familiären“, freundlichen Eindruck, den ich von meiner Kirche und Gemeinde in Deutschland kenne. Das orthodoxe Christentum habe ich leider kaum kennengelernt, während ich hier war.

In ihrer Schule waren wiederum vier Schüler in traditionellen Trachten auf mich und führen mich durch das schuleigene Heimatmuseum. Ich bin sehr begeistert.

Ich bin mittlerweile schon verwundert, wenn Leute sich über die vielen Panzerdenkmäler in Belarus wundern Alle zusammen im Heimatmuseum, samt Trachten (sie sind schon toll, oder?) …und im Deutschraum

Nach einem typischen Teetrinken fahre ich zurück nach Orscha und von dort recht bald weiter nach Minsk. Dort treffen wir vier aus Belarus uns und machen uns auf den Weg nach Kiew.

Hatte ich schon erwähnt, dass wir Bus gefahren sind?

 

Aber naja, es hätte schlimmer sein können. Vor allem dadurch, dass wir zu viert unterwegs waren, war die Reise doch noch erträglich. Das war vielleicht der Ausgleich für den eher wenigen Schlaf (die Art von Schlaf, bei der man nachher nicht sagen kann, ob er wirklich vorhanden war).

Der Kiewer Busbahnhof empfängt uns um sechs Uhr morgens ukrainischer Zeit. Es ist nass, feucht, kalt, neblig, oft glatt auf den Straßen. Meine ersten Eindrücke von Kiew sind entsprechend düster. Denise und ich machen uns auf den Weg ins Hostel, sehen bereits den umnebelten Maidan und ruhen uns erstmal im Hostel aus, denn wir sind einigermaßen fertig. Schlafen ist aber nicht drin, da wir zu früh sind.

Der berühmte Maidan im Nebel

Der Aufenthalt wird erst in den nächsten Stunden schöner. Wir beide besichtigen die absolut beeindruckende Sophienkathedrale, eine große orthodoxe Kirche, in der alle Innenflächen von historischen Wandgemälden bedeckt sind. Das Gebäude ist groß, majestätisch, ehrfurchteinflößend, ohne übertrieben zu sein, ein architektonisches Meisterwerk. Ich kannte diese Schönheit nicht, dachte vorher, große orthodoxe Kirche seien einfach überladen mit Glanz – aber das stimmt nicht, wie ich in Kiew mehrfach gesehen habe. In der Stadt gibt es ungefähr überall Kirchen, ganz im Gegensatz zu Minsk.

Sophienkathedrale (Foto: Denise Roedel)

Nachdem Denise und ich Ronja (aus Chisinau, Moldau) vom Bahnhof abholen (und sie zum Glück noch erwischen), verbringen wir drei tatsächlich die meiste Zeit zusammen. Natürlich sehen wir auch die anderen noch; am Freitagabend sind wir alle acht lange zusammen, am Sonntag sehen wir einander noch einmal, und Anne (Olegsandrija, Ukraine) schließt sich uns auch teilweise an. Aber den größten Teil der Zeit, zum Beispiel am Samstag, verbringen wir zu dritt.

Was bin ich euch beiden dankbar für diese Zeit… :))

Ronja, Denise, Ich

Kiew hat unzählige Sehenswürdigkeiten (in Minsk ist das schon begrenzt), von denen wir uns einige in der kurzen Zeit ansehen können. Ich füge ein paar Fotos in den Beitrag ein, um das zu erklären. Ansonsten haben wir einfach eine tolle Zeit, entdecken die Stadt, ihre Gebäude, die Geschichte. Dazu gehört auch das Голодомор-Museum, das uns unheimlich nachdenklich macht. Es handelt von einer der größten Katastrophen der ukrainischen Geschichte, über die ungefähr niemand im Westen etwas weiß: den Holodomor, eine grauenhafte Hungersnot in der „Kornkammer Ukraine“, für die keine Naturkatastrophen oder Ähnliches verantworlich war, sondern die sowjetische Regierung. Die Ukraine geht so weit, es als einen Völkermord zu bezeichnen, und wenn man im Museum ist, beginnt man zu verstehen, wieso.

Erinnerungskomplex für die WeltkriegstotenDie monumentale Statue „Mutter Heimat“

Eine der breiteren Straßen, Teil 1…

…Teil 2

Die Kiew-Reise hat sich also etwas anders entwickelt als erwartet, aber ich bin sehr froh, dass sie so schön geworden ist. Von dem Anfang und den Unannehmlichkeiten der Busfahrt abgesehen. (Diese Fahrt dauerte übrigens jeweils etwa elf Stunden, die Grenzkontrolle (1:45 h und 2 h) schon miteingerechnet. Nach Orscha noch etwas länger. Inkl. Wartezeit war ich ab Sonntag Abend 16 Stunden unterwegs. В принципе нормально, wie man hier sagt.)

Im Vergleich zu Minsk ist die Innenstadt sehr eng

Zu erwähnen ist noch unser Lieblingsverkehrsmittel in Kiew, die Metro – mit ziemlich schnellen Rolltreppen, die deutlich weiter in die Tiefe führen als in Minsk, und der tiefsten Metrostation der Welt (kein Scherz) – außerdem der Nebel, der teilweise sehr heftig ist (siehe Fotos).

Blick auf die Andreaskirche

Jetzt bin ich wieder angekommen in Zeitzone Moskau, in der Stadt, wo der Dnjepr noch deutlich schmaler ist, und in Schule Nr. 20. Der Stand jetzt: unsere motivierten Zehntklässlerinnen drehen weiter den Film über die Schule, die Achtklässler bereiten sich weiter auf die A2-Prüfung vor (die Lehrer haben nur sieben der dreizehn Teilnehmer in der Probeprüfung für die echte Prüfung zugelassen) und die Viertklässler sind zu aufgeregt und hibbelig, sodass meine AG sehr chaotisch wird.

In einer Woche soll ich auf einer Lehrerversammlung etwas über Didaktik erzählen und komme nicht so richtig damit klar. Das Thema ist „Развитие интеллектуальных и творческих способностей обучающихся с использованием современных информационно-коммуникационных технологий на уроках иностранного языка и во внеурочной деятельности“ und klingt auf Deutsch auch nicht viel besser. Auf das Thema kann ich allerdings einige Details meiner sogenannten Arbeit in Orscha beziehen, und daraus soll dann irgendetwas zusammenwachsen.

Es bleiben noch drei Wochen und wenige Tage in Belarus, die Uhr tickt bis zur Rückkehr, und mein Kopf ist jetzt schon zu voll mit Gedanken über all das und noch mehr.

Blick auf den Dnejpr in Kiew

Jedenfalls bis bald und alles Gute

Йонатан

„Irina Michailowna hat den Keks aus der Dose geklaut!!“

Orscha, 30. Januar 2019. – Sätze wie im Titel entstehen, wenn man Viert- und Fünftklässlern „Wer hat den Keks aus der Dose geklaut“ beibringt, und zu wenige Schüler in der Gruppe sind…

Am vergangenen Wochenende war, wie gesagt, Linus aus Maladetschna zu Besuch, was soweit ziemlich schön und angenehm war. Orscha hat, wie ich Linus gegenüber auch sage, genau die richtige Größe und Anzahl an Sehenswürdigkeiten für einen Wochenendbesuch: wenn man alles in zwei Tagen sieht, erscheint es viel und beeindruckend, aber bliebe man noch etwas, sähe die Sache anders aus. Der Vergleich zwischen „Molly“ und Orscha fällt leider so oder so deutlich zugunsten von Orscha aus. Wenn ich mir alles vorstelle, gibt es hier in Orscha doch sehr viel, auch viele Orte, die ich kaum kenne (wie zum Beispiel den riesigen Markt, wo ich kaum jemals bin, obwohl man dort wirklich fast alles kaufen kann). Der Vergleich mit deutschen Städten zeigt dann wiederum ein etwas anderes Bild – aber wie dem auch sei, es ist grundsätzlich wirklich schön hier.

Am Wochenende zeigt sich alles wunderschön winterlich schneeweiß, ohne dass es zu kalt ist- quasi perfekt.

Und Orscha ist sogar international: es gibt ein vietnamesisches Café (Кафе Виет), was grundsätzlich ziemlich cool ist, und an diesem Sonntag besuchen wir beide es zusammen zum ersten Mal.

Am Montag kommt wieder ein eher schmerzhaftes Beispiel für den Unterricht hier: die Schüler in Klasse 10 müssen Texte über das Thema „Massenmedien“ auswendig aufsagen. Dabei sind auch die Antworten auf Fragen nach der Meinung der Schüler schon vorgegeben, genauso wie die Antworten auf alle persönlichen Fragen.

Solche Arbeitsblätter zu sehen, tut schon weh, aber irgendwo kann ich es nachvollziehen, da das leider wirklich die beste Vorbereitung ist, die man für die belarussischen Abschlussprüfungen in Deutsch machen kann. Schon in Deutschland beschweren sich die Schüler häufig (zurecht), dass die Lerninhalte oft wenig realitätsnah oder praxisorientiert sind – in Belarus ist es definitiv viel schlimmer.

Dafür sind Schüler in Klasse 4 und 5 sehr motiviert, wenn ihnen etwas Spaßiges angeboten wird. Kurioserweise ist das Highlight der Deutschstunde in Klasse 5 das Spiel „der, die, das“, bei dem die Schüler spielerisch die Artikel wiederholen. Da bevorzugt Klasse 4 doch lieber Basteln und Malen. Und drei Schülerinnen aus Klasse 10 drehen gerade einen Film über unsere Schule (indem auch zwei Darias aus Klasse 8 mitspielen dürfen/müssen), nachdem sie Linus und mich am Samstag schon stundenlang professionell durch die Stadt geführt haben. Ansonsten bereitet sich Klasse 8 auf die A2-Prüfung vor, Klasse 6 auf die A1-Prüfung, und Klasse 3 lernt das Thema „Meine Schulsachen“.

Jaja, unsere liebe Schule Nr. 20 ist sehr schöpferisch und tüchtig, wenn auch nicht immer zierlich und manierlich.

Das alte Jesuitenkollegium in Orscha

Der nächste Blogeintrag wird erst nach einigen neuen Ereignissen kommen: nach einem Besuch in der Kleinstadt Барань morgen, und nach einem Freiwilligentreffen in Kiew am Wochenende. Die Hauptstadt der Ukraine ist gar nicht so weit weg von hier, wir werden sogar mit dem Bus fahren (über Nacht). Wir sind vermutlich zu acht, aus Belarus, Ukraine und Moldau. Da gleich vier Freiwillige aus Belarus anreisen, ist der Anteil der Menschen, die sich in der Ukraine auskennen, leider eher klein; und wenn ich die Lage richtig einschätze, weiß niemand wirklich, was wir machen werden (auf jeden Fall wissen wir  „Belarussen“ es nicht) –  also müssen wir einfach sehen, was passiert. Das Leben in der Ukraine kommt mir sehr viel spontaner vor als Belarus, und es ist sehr ungewohnt, wieder aus der Umgebung herauszukommen, in der ich mich gut zurechtfinde (wie Linus wahrscheinlich gemerkt hat). Посмотрим (schaumermal).

Es ist übrigens ein sehr besonderes Gefühl, im einem Land zu leben, wo man in der Regel weder die Muttersprache noch Englisch so richtig verwenden kann. Dieses Gefühl werde ich in Deutschland vermissen, denke ich, wenn die erste Phase der großen Erleichterung, einfach alles sagen zu können, wie man will, ohne als Ausländer aufzufallen, vorbei ist.

Es wird wieder Zeit, nach Deutschland zurückzukommen, aber dabei habe ich ein grundsätzlich sehr komisches Gefühl, das wahrscheinlich nur meine „Kollegen“ (und auch nicht alle) verstehen könnten. Ich bin nur noch zwanzig Tage in Belarus und das fühlt sich immer seltsamer an. Das richtige „Zurückkommen“ nach Deutschland wird vielleicht sehr schwierig, mehr als gedacht, und ich verstehe noch nicht, was es bedeuten wird.

Alles Gute und bis dann

Йонатан

Winterspaziergang und Russischproblemchen

Orscha, 26. Januar 2019. – Ein neuer Eintrag aus Orscha, wo für mich der letzte Monat meines „belarussischen Lebens“ begonnen hat. Die Neuigkeiten sind nicht unbedingt positiv, aber ich habe ein paar schöne Fotos dazugepackt. —

Blick auf den Dnjepr

Am Montag fand wie angekündigt die A2-Probeprüfung statt, an der insgesamt vierzehn Schüler (überwiegend Klasse 8) teilgenommen haben. Ich war dafür von 12 bis 18:30 Uhr in der Schule im Einsatz, was vor allem an den mündlichen Prüfungen lag. Am Ende haben wir ein ernüchterndes Bild: nachdem wir die Ergebnisse ein paar Mal korrigiert haben (und immer unter dem Vorbehalt, dass im GI zum Beispiel das Sprechen ganz anders korrigiert werden wird), verkündet Irina am Freitag lachend „sorry, wir haben Fehler gemacht, eigentlich hat niemand bestanden“. Und so ist es leider wirklich. Vier Schüler würden mit großer Sicherheit durchfallen und werden von uns  daher gar nicht erst zur Prüfung gelassen, etwa drei sind ziemlich unsicher – und vom Rest dachten wir erst, er hätte sicher bestanden – doch es reicht nicht, 75% der Punkte (60% sind nötig) zu haben, sie müssen auch gleichmäßig verteilt sein. Da unsere Schüler im Hören und Lesen unterdurchschnittlich abschneiden, können wir bei niemandem sagen, dass er mit Sicherheit bestehen würde.

Ein bisschen Panikmache ist dabei, doch ganz generell sieht es nicht so gut aus. Eher peinlich. Diesen Trend müssen wir jetzt möglichst noch umkehren, wozu ich mit den Schülern viel einzeln üben soll. Wie viel das den Schülern hilft, hängt auch von ihnen ab.

Unterdessen könnte es auch mit meinem Sprachenlernen besser laufen. Russisch stagniert gerade, oder so kommt es mir vor. Das erhöhte Niveau habe ich schon angesprochen, was mir eigentlich (von der Art her, wie ich lerne) gut passen sollte – nur sieht es im Unterricht selbst dann anders aus. Es hängt natürlich von meiner Tagesform ab – wenn diese nicht so gut ist, schaffe ich es einfach nicht, die dutzenden Regeln, die man auf Russisch stets beachten muss, zusammenzuhalten. Das wird noch schlimmer durch die Themen, die gerade dran sind (des neuen Lehrbuchs wegen) – es ist einfach nicht fair, dass ich auf Russisch aus dem Stegreif erklären soll, wie man seine Kinder am besten erzieht. Alles, was ich dann mühsam zusammenbringen kann, fühlt sich falsch an – so bin ich gestern nach einer weiteren Unterrichtsstunde völlig fertig. Ich werde noch sehen, ob ich über diese schwierige Phase hinauskomme, mit dem neuen Lehrwerk. Zumindest gefühlt heißt das Buch „Russisch B2 für junge Erwachsene“.

Die Bilder in diesem Beitrag habe ich auf einem Spaziergang am Donnerstag gemacht. So sieht die Stadt gerade aus: kein frischer Schnee mehr, nein, der alte ist bloß gefroren und bleibt liegen. Die Temperaturen bleiben gerne mal unter -10°C, aber es hängt völlig vom Wind ab, wie schlimm sich das anfühlt.

Für alle, die es nicht gleich verstehen: das ist der Blick auf den zugeschneiten Fluss, dahinter das alte Jesuitenkolleg

Noch eine ziemlich unglaubliche Anekdote meinerseits: In der Schule lassen die Deutschlehrer ihre Schüler Filme sehen, um in dieser Zeit den Raum nebenan zu renovieren, in dem bereits seit mehreren Monaten das Smartboard des GI hätte angebracht werden sollen. Da sich absolut niemand darum zu kümmern scheint, helfen die Deutschlehrer jetzt selbst bei der Renovierung, sodass die vor Monaten angelieferten Smartboard-Einzelteile endlich nicht mehr bloß im Weg rumliegen. Verkehrte Welt.

Der „Stadtrundgang“ gestern, den eine weitere Schule in der Stadt (Schule Nr. 2) veranstalten will, ist am Ende deutlich kleiner angelegt als erwartet: einfach ein einstündiger Spaziergang vom Микрораён Восточный (Wohngebiet Ost, liegt aber im Westen der Stadt) zum Ж.Д. Вокзал (Eisenbahnhof). Dort machen wir in der Kälte eine Teepause, nach der es – für mich unerwartet – nicht mehr weitergeht. Wie auch immer, ich soll die Schule noch einmal besuchen und werde dann noch mehr erfahren.

Wahrscheinlich sind die Besuche in anderen Schulen in meinem Freiwilligendienst deutlich wichtiger als bei anderen. Da ich der einzige Freiwillige in der Region bin, werde ich insgesamt an min. fünf andere Schulen geschickt, um sie zu besuchen. (Falls mein Nachfolger/meine Nachfolgerin das liest: ich empfehle diese Besuche sehr. Wenn Schule 45 in Witebsk wieder keinen Freiwilligen bekommt, freuen sie sich garantiert riesig über einen oder mehrere Besuche von dir…)

Noch zum Thema Besuch: den bekomme ich eineinhalb Stunden nach dem Schreiben dieses Beitrags auch, von Linus aus Maladetschna, der unsere schöne Ostmetropole auch einmal kennenlernen möchte.

Проспект текстилщиков (Textilarbeiterprospekt)

Zuletzt noch ein großes Danke an meine Freundin M. in Bad Vilbel dafür, dass sie mich wieder daran erinnert hat, mehr Fotos zu machen… :)

Abkürzung durch ein Nadelwäldchen

Всё. Всего доброго и до свидания!

Йонатан

„Nee, wir malen jetzt“ – Impressionen aus dem Unterricht

Orscha, 19. Januar 2019. – In diesem Beitrag soll es vor allem um den Unterricht an meiner Schule gehen, aus dem ich die eine oder andere Anekdote erzählen kann. Ich bin mittlerweile ziemlich gut zurück im Alltag angekommen und kann Einiges berichten.

Ich finde es sehr schwierig, einen Gesamteindruck aus der Schule zu beschreiben, denn meine Eindrücke variieren doch sehr stark. Es gibt die frohen Stunden, wenn die Viertklässler stolz ihre selbstgemalten Plakate über ihre Familie oder ihre Freunde präsentieren und sich dabei gegenseitig vorstellen – alle lachen, während Andrej seinen Freund Dennis als „faul und feige, aber schön“ präsentiert, während dieser das lächelnd hinnimmt – oder wenn sie großen Spaß am neuen Spiel „Wer hat den Keks aus der Dose geklaut?“ haben (wieso bin ich darauf nicht früher gekommen?!)… Aber dann gibt es auch die Stunden, in denen die Schüler (wieder aus Klasse 4) langweilige grammatische Übungen machen müssen, deren Lerneffekt sehr gering ist. Zwei Schüler hinten im Deutschraum haben ihre Bücher vergessen und können nicht mitarbeiten – als ich sie dazu auffordern will, entspricht die Antwort in etwa der Überschrift diesen Blogeintrags – „ne, wir malen jetzt„.

Ich verstehe nicht, wie man Klasse 4 so quälen kann… Alle diese Schüler können unheimlich begeistert sein, wenn man sie malen, spielen, singen lässt, aber mit langweiligen, sinnlosen Übungen macht man alles nur kaputt. Dann kann die eine Hälfte der Klasse, die sinnvollen Unterricht hatte, in ein paar Jahren vielleicht super Deutsch, und die andere Hälfte ist völlig unmotiviert. Das komische ist auch, mir bewusst zu sein, dass die Schüler, die ich jetzt kennengelernt habe, genauso weiterlernen werden wie ich, wenn ich wieder weg bin. Und in ein paar Jahren kann ich vielleicht sehen, wohin das Lernen all die knuffigen kleinen Kiddies gebracht hat…

Bei einer weiteren Lehrerin gibt es noch eine Besonderheit. Dazu sollte ich zuerst erwähnen, dass der Russischanteil in unserem Deutschunterricht ziemlich hoch ist. Für mich ist das relativ gut, so kenne ich schon alle typischen Lehrer-Phrasen, und für die Schüler ist es oft notwendig. Bei dieser Lehrerin ist es aber noch etwas extremer: ich glaube, sie vergisst manchmal einfach, dass es besser wäre, mit mir Deutsch zu sprechen. Zum Beispiel erzähle ich im Deutschunterricht etwas auf Deutsch, danach erklärt sie den Schülern noch einmal auf Russisch den Inhalt – und dann dreht sie sich zu mir um und redet auf Russisch weiter, stellt mir eine Frage, ohne innezuhalten. „Значит у вас в Германии в каждом соборе есть орган?“ Das kann ich schnell bejahen, bin aber doch sehr verblüfft, wie sie mich ohne Zögern im Deutschunterricht auf Russisch anspricht, ohne das etwas komisch zu finden.

Das Jesuiten-Kollegium in Orscha

Nach dem Erfolg in der Deutscholympiade ist das Hauptthema im Bereich Deutsch bei uns die kommende A2-Prüfung. A2 bedeutet bei uns Klasse 8 und 9, was eigentlich nicht besonders gut ist, vor allem im Vergleich mit DSD-Schulen. Unser Deutschniveau an der Schule ist wirklich nicht übermäßig gut, über A2 kommen nicht viele Schüler hinaus. An DSD-Schulen ist es anders, weil eine bestimmte Quote B1 erreichen muss, damit die Schule weiter Förderung erhält. Bei uns gibt es nicht mal B1-Prüfungen. Für die A2-Prüfungen nehmen die jeweiligen Schüler an Vorbereitungskursen teil, in denen alle Kompetenzen für die Prüfung geübt werden: Lesen, Hören, Schreiben, Sprechen. Mittlerweile kenne ich die Aufgaben und die betreffenden Schüler ziemlich gut, denn ich helfe  häufig bei der Vorbereitung. Besonders spannend wird es am Montag: wir veranstalten eine Probe-Prüfung für alle Interessenten.

Für alle, die sich nicht so gut damit auskennen, und sich fragen, was A2 bedeutet, hier ein Beispiel. Im Teil Sprechen bekommen die Schüler ein Thema („Fernsehen“, „Deine Schule“, „Gesundheit“) und einige Stichworte dazu und müssen dann über sich selbst erzählen. Typische Antworten: „Ich sehe nicht viel fern, denn ich habe wenig Zeit. Manchmal ich sehe fern mit meiner Freundin, wir schauen Serien. Das macht uns Spaß. Aber ich weiß, dass Fernsehen ist schlecht für die Augen.“

Üblicherweise haben die Kinder die Texte schon vorformuliert und geben sie nur wieder. Dabei wurden die Texte immer weiter verfeinert, damit die Schüler mehr reden – zum Beispiel nicht nur was sie machen, sondern auch wie sie diese Sachen finden. Kleine Fehler sind nicht so wichtig, die Hauptsache ist, dass die Schüler reden. Wenn dann etwas kommt wie „ich bringe viel Zeit mit meinem Handy ver„, ist es auch egal.

Am Donnerstag konnte ich noch einmal sehen, dass unser Niveau in Orscha nicht übertrieben hoch ist, da ich in der Witebsker DSD-Schule (Schule Nr. 45) zu Gast war. Am Bahnhof werde ich von Irina Anatoljewna freundlich empfangen und wir fahren weiter in die Schule, die mit etwa 1900 Schülern ziemlich riesig ist. Was mich am meisten überrascht, ist die siebte Klasse, in die ich zuerst komme. Eigentlich soll ich über Feiertage erzählen, doch die Schüler dürfen erst Fragen stellen, und tun das ganze 25 Minuten lang selbstständig. Das Deutschniveau übersteigt das unserer siebten Klasse bei weitem. Natürlich ist das eine der speziellen Deutsch-Klassen, aber ich bin trotzdem sehr positiv überrascht, wie motiviert die Schüler sind. Ungefähr jeder stellt eine Frage. Noch extremer ist es in Klasse 5 danach: drei Klassen kommen zusammen, und jeder der Schüler hat mehrere Fragen vorbereitet, von „wie alt bist du?“ über „was ist dein Lieblingstier?“ und „welche Städte in Belarus kennst du?“ bis zu „was machst du an Ostern?“. Wir verbringen 45 Minuten nur mit den Fragen der Fünftklässler, deren Deutsch für ihr Alter wirklich unerhört gut ist.

Der Siegesplatz in Witebsk

So weit, so gut. Der ganze Tag in Witebsk verläuft eigentlich super, abgesehen dann von der neunten Klasse, die ich rücksichtslos totlabere, nachdem mir vorher gesagt wird, ich soll über Landeskunde erzählen, und zwar „je mehr, desto besser“.

„Je mehr, desto besser“ ist in der Regel keine gute Idee, auch wenn man dazu aufgefordert wird, und das hätte ich mir denken sollen. Man sollte das weder Deutsch-LKlern noch Organisten sagen, und ich bin sogar beides.

Und so schauen die Schüler mich nach dem Vortrag nur stumm an und sagen keinen Piep. Они в шоке, кажется. Während ich die Fragen der Lehrer beantworte – sie sind sehr interessiert, wie z.B. ein schriftliches Abitur in Sport funktionieren soll, oder warum es in Deutschland erst die Noten 1-6 und dann die Punkte 15-0 gibt – fühle ich mich entsprechend schlecht und hätte mich wohl besser zurückhalten sollen.

Zu erwähnen ist noch ein Teil des Essens in Witebsk – der wahrscheinlich chlichéhaft russischste Salat überhaupt: Eine Art Eisbecher oder Eispokal, in dem sich unter einem wahren Berg aus geriebenem Käse gekochtes Ei, saure Gurke und Schinken befinden. Auf der ungelogen 1,5 Zentimeter dicken Käseschicht klebt ein Kleks Mayonaise. (Salatsoße ist hier nicht üblich, man bevorzugt es, einfach Mayonaise auf den sogenannten Salat zu klatschen. Im Prinzip so ähnlich wie Smetana (saure Sahne), die in jede Suppe gekippt wird.)

Und dann noch eine Anekdote von der Zugrückfahrt im Regionalzug: wieder einmal werden alle Fahrgäste zweimal kontrolliert – einmal von den beiden Schaffnerinnen, die ständig durch den Zug marschieren und die Zugestiegenen kontrollieren, und dann noch einmal von zwei weiteren Kontrolleuren. Anscheinend reicht es nicht, dass das Ticket eingerissen wird, sondern es muss auch eingestanzt werden, und zwar von einer unabhängigen zweiten Person. Es ist albern, aber dieses Mal haben die Zweitkontrolleure sogar etwas zu tun: sie dürfen sich die ganze Zugfahrt lang mit einem Mann unterhalten, der sein Ticket gerne in russischen Rubel bezahlen würde, worauf die Schaffner sehr allergisch reagieren. Der Mann hat keine belarussischen Rubel, also bleibt das Gespräch am Ende ziemlich ergebnislos, soweit ich es erkennen kann.

Die Tickets der Regionalzüge sehen nicht so spektakulär aus wie die hochwertigeren… oben sieht man Knick und Zangenabdruck

Gestern hat nach längerer Pause mein Russischunterricht wieder begonnen. Nachdem das vorherige Lehrbuch eher einfach war, hat meine Lehrerin beschlossen, das Niveau drastisch zu erhöhen. Aus der Stunde gestern nehme ich gleich vierzig neue Vokabeln mit, auf dem Niveau von ein Arbeitsverhältnis kündigen, beabsichtigen etwas zu tun, sich immatrikulieren, Scheidung, Schlafstörung, Aufrichtigkeit. Dazu grammatische Konstruktionen, die mir gänzlich unbekannt waren – so etwas wie „он старше меня на два года„, „er ist zwei Jahre älter als ich“, was wörtlich aber „er – älter – mich – auf- zwei – des Jahres“ bedeuten würde. Etwas ungewöhnlich, aber natürlich sehe ich darin eine willkommene Herausforderung.

So viel erst einmal von mir.  Mit 0° ist es übrigens zu warm hier – auf den Straßen sammeln sich schon kleine Bäche des geschmolzenen Schnees. Dann doch lieber Frost.

Счастливо и до свидания!

Jonathan (Йонатан)

Eintrag Nr. 1 im Jahr 2019, sogar mit Fotos

Orscha, 10. Januar 2019. – Вот, sooo…

Nach dem Besuch meiner Schwester in den Ferien geht für mich endgültig der Alltag wieder los. So lange wird das gar nicht mehr Alltag sein, es sind nur noch sechs Wochen bis zur Rückreise. Diese Wochen sehen bisher noch sehr leer aus, aber sie werden sich schon füllen. Wieder einmal merke ich, dass dieses halbe Jahr nur eine Zwischenstation ist, alles hier – bald geht es zurück, und dann wird es ganz normal sein, wieder in Deutschland zu leben. Alles ist so komisch, ich verstehe es selbst nicht. Im Blog meiner Vorgängerin lese ich, wie sie die gleichen Menschen beschreibt, die ich auch kennengelernt habe, und zu denen sie jetzt vermutlich genauso wenig Kontakt mehr hat wie ich bald haben werde, ohne dass irgendjemand das komisch findet. Das macht mich unheimlich nachdenklich.

In den letzten Tagen mit meiner Schwester haben wir überwiegend Orte besucht, die ich mindestens grob schon kannte. Das hat einige Nebeneffekte:

*Ich kenne mich dort ganz gut aus, was essenziell ist – dieses Grundwissen, aber am besten mit genug Russisch versehen, ist in Belarus sehr hilfreich

*Bei mir kommen ständig Erinnerungen hoch, ohne dass ich weiß, was ich mit all ihnen machen soll

*Mein Eindruck von einigen Orten ändert sich – z.B. ist Magiljow doch viel interessanter und schöner, als ich dachte (würde ich gerne im Frühling/Sommer sehen…)

*Meine Schwester kann mit ihrer guten Handykamera endlich Fotos von diesen Orten machen, die ich hier nachschieben kann.

In diesem Beitrag kommen also endlich wieder viele Bilder.

Neujahrsdeko auf dem Ruhmesplatz in Magiljow

Zuerst sollte ich noch über Neujahr in Minsk erzählen. Im Gegensatz zu Deutschland gilt Neujahr hier als das größte Fest, nicht Weihnachten. Das geht so weit, dass der Weihnachtsmann bzw. Väterchen Frost an Neujahr kommt, es keine Weihnachts- sondern eher Neujahrsgeschenke gibt und die jüngeren Schüler bei Bildern von Weihnachtsdeko zuerst an Neujahr denken. Dementsprechend ist in Minsk an Neujahr Einiges los. Auf großen Plätzen gibt es vor und nach 0 Uhr öffentliche Konzerte, teilweise sind sehr viele Menschen auf den sonst eher leeren Straßen.

Aus der Perspektive von meiner Schwester und mir sah das Ganze so aus:

  1. Am Platz der Republik stehen viele Leute, doch die Konzertbühne ist um 23 Uhr noch leer. Auch bis kurz vor 0 Uhr tut sich eher wenig.
  2. Ein junger Mann engagiert uns mit anderen Passanten zusammen als Wunderkerzenhalter im Hintergrund, während er seiner Freundin einen Heiratsantrag macht.
  3. Kurz vor 12 wird die Neujahrsansprache des Präsidenten übertragen, die, nach dem was ich verstehe, keinen besonders wichtigen Inhalt hat.
  4. Danach Countdown. Um Mitternacht jubeln alle ein bisschen, aber es gibt – für uns überraschend – kein Feuerwerk.
  5. Meine Schwester ist völlig verwirrt, als Väterchen Frost auf die Bühne steigt und allen Anwesenden ein frohes neues Jahr wünscht.
  6. Väterchen Frost übergibt die Bühne an belarussische Sänger*innen. Der Platz leert sich deutlich.
  7. Etwas später sind die Straßen ziemlich leer, es gibt fast kein Feuerwerk. Wir wollen schon gehen. Auf einem anderen Platz ist dafür mehr los.
  8. Gegen viertel nach eins kommen aus der Metro auf einmal hunderte oder tausende Menschen, die нямига ist so voll wie noch nie.
  9. Kurz darauf erfahren wir den Grund: um halb zwei gibt es ein zentrales Feuerwerk („Salut“), das sich die Menschen anschauen. Das, zusammen mit den Konzerten, scheint draußen das Wichtigste zu sein. In das Familienfest haben wir eben keinen Einblick…

Die Metro fährt an Neujahr übrigens ausnahmsweise bis vier Uhr nachts (!).

Hier jetzt Bilder, wie versprochen.

Ein Teil des massiven Regierungsgebäudes in Magiljow „Allee der Helden“ (Magiljow) Ein „Dranburger“ – Draniki (Pfannkuchen) statt Brötchen

Witebsk Marc-Chagall-Zentrum in Witebsk

Weitere Fotos hebe ich mir noch auf :)

Der erste Schultag war wieder ein guter Tag, vor allem natürlich durch die motivierten Viertklässler. Die nächste Zeit kann doch schön werden, mitten in all dem Schnee. Bei -25° gibt es kältefrei, habe ich jetzt erfahren, und das kam in den letzten Jahren auch vor… Mal sehen, was die nächste Zeit bringt, was ich aus meinen letzten sechs Wochen hier machen kann. Vilnius muss eigentlich noch einmal sein.

Ausstellung in Witebsk

Aktuell sind es etwa -8°C hier, die Temperaturen bewegen sich zurzeit zwischen -7 und -12°.

Всё. Ich melde mich demnächst wieder, bis dann. До свидания!

Jonathan

P.S.: Noch ein unnötiger Fun-fact:

Ist es nicht lustig, dass Russisch Вот (siehen oben, gesprochen wot, entsprichtsooo, also„, wie Englisch „well)…

…genauso aussieht wie Portugiesisch Bom  (gesprochen wie Franz. bon, „gut“)?

Zu Hause zu Gast und zurück nach Minsk

Minsk, 31. Dezember 2018. – Nach einer Weihnachtspause melde ich mich wieder aus der belarussischen Hauptstadt, wo ich mit meiner Schwester Silvester verbringen werde. Das neue Jahr beginnt hier schon zwei Stunden früher als in Deutschland, wir feiern also gleichzeitig mit den Menschen in Moskau, St. Petersburg und Istanbul.

Der größte „Weihnachtsbaum“ des Landes mit wechselndem Leuchtmuster

Aber eins nach dem anderen.

Über die letzte Schulwoche habe ich nichts mehr geschrieben, hier nur so viel: es ist alles ganz gut gelaufen, bin gut durchgekommen. Am Ende war es gar nicht so heftig stressig wie erwartet und die Treffen mit den Witebsker Gästen und in Schule 17 waren sehr angenehm.

Am Freitag dann Antritt zur Zugfahrt. Die РЖД (Russische Eisenbahn) schickt vorher noch eine Erinnerungsmail inkl. Wettervorhersage, die mir einen 20-gradigen Temperaturunterschied zwischen Orscha und Berlin vorhersagt (-10°C vs. +10°C) und nach langem Packen, Aufräumen und Überlegen bin ich rechtzeitig am Bahnhof und kann in den Zug einsteigen. Dieser wirkt ganz anders als der belarussische Zug, mit dem wir in der Ukraine zum ZWS waren – gefühlt sehr viel näher an der Deutschen Bahn als an der БЧ (Belarussische Eisenbahn), im positiven Sinne. Soll heißen, alles ist etwas moderner, bequemer, komfortabler und auch internationaler als das bei unserer Fahrt nach Lwow der Fall war. Ich vermute, dass es an der Strecke liegt (Moskau <–> Berlin), wahrscheinlich eine absolute Prestigestrecke.

Meine Russischlehrerin hatte mir vorher Angst gemacht, dass das Passieren der Grenze einige Stunden dauern kann. Ich kann aber jetzt bestätigen, dass das nicht stimmt, obwohl die Fuhrwerke an der Grenze wegen der unterschiedlich breiten Gleise in Polen und Belarus/Russland umgestellt werden müssen. (Besser noch mal googeln, ich verstehe es selbst nicht genau.) Das Überqueren der Grenze samt aller Kontrollen hat insgesamt etwa 1:30 h gedauert, was völlig in Ordnung ist.

Der deutsche Teil der Reise (Berlin Ost–> Kassel –> Gießen) verläuft ebenfalls problemlos. Und natürlich fallen mir sofort alle Kleinigkeiten auf, die Deutschland von Belarus unterscheiden, vor allem die fehlenden Wartesäle am Bahnhof und die teureren Preise. Das wichtigste für mich aber war tatsächlich, wieder deutsche Umgangssprache zu hören. Wie man überall einen Hauch Dialekt, regionales Gebabbel und umgangssprachliche Wendungen und Verkürzungen („nee, Tee hammer net“) hören kann, wenn man will. Und außerdem, wie einfach alles doch scheint, sobald man ohne jede Anstrengung grundsätzlich einfach genau das sagen kann, was man sagen will (ohne dass man als einziger Ausländer im Zug erkannt und neugierigen Fragen ausgesetzt wird).

Da merkt man doch, wie weit man sich von der Komfortzone entfernt hat.

Ich habe mich riesig gefreut, nach Hause fahren zu können, auch wenn es wirklich ein seltsames Gefühl ist. Ich war zuhause nur Gast, nur für eine kurze Zeit, und habe nicht nur all die Menschen daheim sehen können, sondern auch wieder das, was ich zurückgelassen habe und wohin ich bald zurückkomme. Das gibt meiner Zeit in Belarus jetzt noch mehr das Gefühl von Begrenzt-, Abgeschlossenheit, da ich genau weiß, dass es danach in Deutschland weitergehen wird.

Es war definitiv die richtige Entscheidung, über Weihnachten für diese kurze Zeit nach Deutschland zu kommen, um dann schnell wieder aus der Komfortzone zu verschwinden. Länger wäre vielleicht wirklich nicht gut gewesen, sonst tritt mein jetziges normales Leben in Belarus weiter in den Hintergrund.

Ich muss am Ende einfach einen guten Abschluss mit der Zeit in Orscha finden, sodass ich beruhigt nach Deutschland kann. Aber natürlich möchte ich nochmal zurück – und zum Glück kann man zumindest zwei Orte in Belarus auch ohne Visum und ohne Flug besuchen.

Die Zeit in Deutschland war wahnsinnig schnell vorbei und jetzt geht es schon wieder weiter. Schon von gestern und heute gibt es wieder genug zu erzählen. An dieser Stelle deshalb noch einmal vielen lieben Dank an all die Menschen, die ich in dieser für mich ganz besonderen Weihnachtszeit 2018 treffen und wiedersehen konnte!!!

Puh.

Seit gestern bin ich mit meiner fast sechszehnjährigen Schwester wieder in Belarus, in Minsk. Ich kann und möchte gar nicht alle Details erklären, aber bis jetzt ist alles überraschend gut verlaufen. Unser Hostel war nicht meine erste Wahl – doch jetzt hat es sich als ausgezeichnet herausgestellt. Wir sind im Osten der Stadt, Metro-Station Московская. Passend zu diesem Namen („Moskauer Station“) sind zwei Frauen aus Moskau im Hostel, mit denen wir am Abend zusammensitzen. Die beiden packen ihr Schuldeutsch und ihre begrenzten Englischkenntnisse aus und wir unterhalten uns eine ganze Weile über alles Mögliche – Schüler in Moskau und Deutschland („Sind die Schüler bei euch auch so schlecht erzogen?“), Sprachen lernen (der einmonatige Englischkurs hat bei Irina nicht so viel gebracht, aber ein tolles Zertifikat), noch mehr über Sprachen (meine Schwester musste Französisch reden, weil die Sprache ja so toll klingt) und zuletzt das Thema Urlaub: auf der Krim sei es total toll, es sei sehr schön, dass man als Russe jetzt dort hin fahren könne. Und diese tolle neue Brücke!

(Das letzte Thema ist natürlich etwas kritisch, aber ich fand es um so spannender, auch diese Sichtweise zu hören, die man in Deutschland so nicht kennt.)

 

Heute dann noch ein längerer Stadtrundgang in dem Teil von Minsk, den ich kenne – der gar nicht so klein ist, wie ich gemerkt habe. Dazu gehören die großen Plätze (Unabhängigkeitsplatz, Platz der Republik, Siegesplatz) am breiten Прaспект Незалежнасцi (Unabhängigkeitsprospekt), die „rote Kirche“, die größten Kaufhäuser, Parks, der Bahnhof und ein Café. Gar nicht wenig für einen Tag, und alles ganz ohne Probleme oder Langeweile.

Wie man sieht, sind Bürgersteige in Minsk grundsätzlich eng und überfüllt

Ein Einkaufszentrum

Nicht zu vergessen die Metro.

Es läuft also soweit ziemlich gut. Nach dem Übergang ins nächste Jahr (Neujahr ist ein riesiges Fest hier, mal schauen, wieviel wir heute Abend noch davon mitbekommen) geht es morgen wieder nach Orscha, von dort aus melde ich mich demnächst wieder.

Zuletzt das Wetter: es ist gar nicht übertrieben kalt, um die 0°C. Heute hat es auch eher geregnet als geschneit, aber Schnee bleib   t noch liegen.

:)

С новым годом вам! Frohes Neues!

Jonathan

Vorweihnachtsstresschen in Orscha

Orscha, 16. Dezember 2018. – Es ist immer noch gar nicht soo kalt, trotzdem bin ich gerade viel drinnen in meiner Wohnung. Diese Woche bin ich schon das zweite Wochenende in Folge nicht unterwegs, und das ist auch ganz angenehm so. Alles Andere wäre gerade auch unvernünftig. Seitdem ich am Samstag aufgestanden bin und mich fertig gemacht habe, sprinte ich nur so durch meine To-do-Liste, um möglichst gut durchzukommen. Die nächste Woche wird ordentlich voll, ich muss unbedingt vorarbeiten. Die Präsentation „Deutsche Massenmedien“ für Montag habe ich bewusst auf heute aufgeschoben, denn gestern musste ich mich zuerst auf Dienstag vorbereiten. Deutschlernende Schüler (und ihre Lehrer) aus Witebsk werden unsere Schule besuchen, deshalb müssen wir uns ins Zeug legen. Die Grundidee: wahrscheinlich ist diese andere Schule besser in Deutsch, aber wir haben tollere Projekte und eine schöpferischere Atmosphäre. (Die Schüler sagen aus irgendeinem Grund schöpferisch, wenn sie kreativ meinen.) Konkret bedeutet das eine Vorstellung der Schule mit allen ihren schönen Seiten. Von mir wird noch eine Stunde über Weihnachten erwartet, diesmal ganz anders, da das Niveau vermutlich höher sein muss. Die Planung ist nicht so ganz einfach. Jedenfalls muss ich am Samstag zuerst meine Dokumente mit Weihnachtsbildern fertigmachen, da wir in der Schule keinen Farbdrucker haben und der Kopiershop unter meiner Wohnung samstags früh schließt.

Falls ich es noch nicht erwähnt habe: meine Bushaltestelle heißt центр/Zentr, und das sagt schon alles über die Umgebung meiner Wohnung. Ich bin genau mittendrin im Stadtzentrum, fast alles Wichtige ist in der Nähe – oder sogar im gleichen Gebäude.

Im gleichen Zeitraum am Samstag ist dann noch Russisch (Vokabeln aufschreiben; aus den letzten 90 min Unterricht habe ich ganze 35 neue Vokabeln mitgenommen), SIM-Karte aufladen, Kochen, Wäsche, Einkaufen und Geld abheben angesagt. Auch einen Geldautomaten gibt es direkt in meiner Straße, obwohl ich es nicht mag, dort Geld abzuheben – er liegt genau auf der Straße, durch die ständig Leute laufen, ich fühle mich immer beobachtet. Leider hat man bei so etwas andere Ansprüche als in Deutschland, so kommt es mir zumindest vor – es kann immer wieder mal sein, dass Menschen direkt neben einem selbst warten, während man am Schalter Geld abhebt, was mich immer nervös macht.

Ich bin sehr froh, dass es mir gerade gut geht und ich gut durch die Arbeitsphase durchkomme, sonst wäre ich gerade nur noch demotiviert.

Am Nachmittag treffe ich mich wieder mit P., sodass ich am Wochenende nicht die ganze Zeit alleine bin. Der mittlerweile ganz normale Treffpunkt Leninplatz ist noch eine dieser vielen Kleinigkeiten, die dieses einmalige halbe Jahr ausmachen. Bei unserem längeren Spaziergang quer durch die halbe Stadt findet sich das ein oder andere Mitbringsel für Weihnachten, aber leider kein берёзовый квас (Birkensaftkwas). Das wäre auch zu schön gewesen…

Außer „Massenmedien“ und den Gästen aus Witebsk ist nächste Woche natürlich noch mehr: an einem Tag bin ich in P.s Schule, dazu kommt noch eine Präsentation in Orscha, zwei Mal Russischunterricht und die Vorbereitung auf die Abreise: am Freitag geht es auf Heimaturlaub. Vorbereitung heißt Packen, Aufräumen und Saubermachen, aber auch Klavier üben, denn ich habe für Gottesdienste an Weihnachten zugesagt. Es gibt also mehr als genug zu tun, deswegen freue ich mich sehr darauf, am Ende der Woche in den Zug zu steigen und für Weihnachten nach Deutschland zu kommen.

Wenn alles gut läuft, wird sich auch meine Entscheidung, Zug zu fahren, sehr lohnen. Ich kann von Orscha aus direkt nach Berlin fahren (das ist die Zugverbindung Moskau – Berlin) und muss deswegen nur zwei Mal umsteigen. Der Großteil der Fahrt ist über Nacht, also werde ich die meiste Zeit einfach schlafen. Das ist sogar ziemlich bequem im Zug, so war es zumindest letztes Mal bei der Fahrt zum Zwischenseminar. Und der besondere Reiz ist, meinem Zuhause in Deutschland Schritt für Schritt immer näher zu kommen. Das wird etwas ganz Besonderes, und ebenso Einmaliges. Ich kann es schwer beschreiben, aus meiner Sicht ist es einfach einzigartig.

In dieser Woche war ich außerdem noch einmal in Dubrowna, was mir ziemlich gut gefallen hat. Mein interaktives Sprech-Spiel kam für die Schüler etwas überraschend, war aber am Ende (по-моему, meiner Meinung nach) erfolgreich. Auch in Dubrowna gibt es motivierte Schüler(innen)… Dazu dann noch Weihnachtslieder singen in der Aula und ein kleiner Spaziergang durch das Stadtdorf mit den stärkeren Schülerinnen. Dubrowna ist zwar klein, aber dennoch kann man hier die bedeutenden Sieben Wunder von Dubrowna bestaunen. Nach dieser Woche kenne ich noch nicht alle, vielleicht lerne ich noch mehr davon kennen. Und es tut mir leid, dass ich das Dubrowner Schloss – eines der Wunder, auch wenn „Schloss“ eine Übertreibung ist – nicht fotografiert habe und dieser Beitrag wieder bilderlos ist.

Die kommende Woche wird also voll, aber ich hoffe, am Freitag dann problemlos die Rückfahrt antreten zu können.

Zuletzt noch das Wetter: aktuell nur leichte Minustemperaturen, -2 oder -3° C. Schnee liegt überall noch ein bisschen, Matsch hält sich in Grenzen. Es soll bald kälter werden, aber das gilt hier ja grundsätzlich immer.

Alles Gute und bis bald!

Jonathan

P.S.: Nachdem das Treppenhaus vor meiner Wohnungstür monatelang nach 17 Uhr völlig finster war, hat man am ersten Advent eine Lampe angebracht. Diese leuchtet jetzt allerdings durchgängig 24/7, mal schauen, wie lange noch.