Winterspaziergang und Russischproblemchen

Orscha, 26. Januar 2019. – Ein neuer Eintrag aus Orscha, wo für mich der letzte Monat meines „belarussischen Lebens“ begonnen hat. Die Neuigkeiten sind nicht unbedingt positiv, aber ich habe ein paar schöne Fotos dazugepackt. —

Blick auf den Dnjepr

Am Montag fand wie angekündigt die A2-Probeprüfung statt, an der insgesamt vierzehn Schüler (überwiegend Klasse 8) teilgenommen haben. Ich war dafür von 12 bis 18:30 Uhr in der Schule im Einsatz, was vor allem an den mündlichen Prüfungen lag. Am Ende haben wir ein ernüchterndes Bild: nachdem wir die Ergebnisse ein paar Mal korrigiert haben (und immer unter dem Vorbehalt, dass im GI zum Beispiel das Sprechen ganz anders korrigiert werden wird), verkündet Irina am Freitag lachend „sorry, wir haben Fehler gemacht, eigentlich hat niemand bestanden“. Und so ist es leider wirklich. Vier Schüler würden mit großer Sicherheit durchfallen und werden von uns  daher gar nicht erst zur Prüfung gelassen, etwa drei sind ziemlich unsicher – und vom Rest dachten wir erst, er hätte sicher bestanden – doch es reicht nicht, 75% der Punkte (60% sind nötig) zu haben, sie müssen auch gleichmäßig verteilt sein. Da unsere Schüler im Hören und Lesen unterdurchschnittlich abschneiden, können wir bei niemandem sagen, dass er mit Sicherheit bestehen würde.

Ein bisschen Panikmache ist dabei, doch ganz generell sieht es nicht so gut aus. Eher peinlich. Diesen Trend müssen wir jetzt möglichst noch umkehren, wozu ich mit den Schülern viel einzeln üben soll. Wie viel das den Schülern hilft, hängt auch von ihnen ab.

Unterdessen könnte es auch mit meinem Sprachenlernen besser laufen. Russisch stagniert gerade, oder so kommt es mir vor. Das erhöhte Niveau habe ich schon angesprochen, was mir eigentlich (von der Art her, wie ich lerne) gut passen sollte – nur sieht es im Unterricht selbst dann anders aus. Es hängt natürlich von meiner Tagesform ab – wenn diese nicht so gut ist, schaffe ich es einfach nicht, die dutzenden Regeln, die man auf Russisch stets beachten muss, zusammenzuhalten. Das wird noch schlimmer durch die Themen, die gerade dran sind (des neuen Lehrbuchs wegen) – es ist einfach nicht fair, dass ich auf Russisch aus dem Stegreif erklären soll, wie man seine Kinder am besten erzieht. Alles, was ich dann mühsam zusammenbringen kann, fühlt sich falsch an – so bin ich gestern nach einer weiteren Unterrichtsstunde völlig fertig. Ich werde noch sehen, ob ich über diese schwierige Phase hinauskomme, mit dem neuen Lehrwerk. Zumindest gefühlt heißt das Buch „Russisch B2 für junge Erwachsene“.

Die Bilder in diesem Beitrag habe ich auf einem Spaziergang am Donnerstag gemacht. So sieht die Stadt gerade aus: kein frischer Schnee mehr, nein, der alte ist bloß gefroren und bleibt liegen. Die Temperaturen bleiben gerne mal unter -10°C, aber es hängt völlig vom Wind ab, wie schlimm sich das anfühlt.

Für alle, die es nicht gleich verstehen: das ist der Blick auf den zugeschneiten Fluss, dahinter das alte Jesuitenkolleg

Noch eine ziemlich unglaubliche Anekdote meinerseits: In der Schule lassen die Deutschlehrer ihre Schüler Filme sehen, um in dieser Zeit den Raum nebenan zu renovieren, in dem bereits seit mehreren Monaten das Smartboard des GI hätte angebracht werden sollen. Da sich absolut niemand darum zu kümmern scheint, helfen die Deutschlehrer jetzt selbst bei der Renovierung, sodass die vor Monaten angelieferten Smartboard-Einzelteile endlich nicht mehr bloß im Weg rumliegen. Verkehrte Welt.

Der „Stadtrundgang“ gestern, den eine weitere Schule in der Stadt (Schule Nr. 2) veranstalten will, ist am Ende deutlich kleiner angelegt als erwartet: einfach ein einstündiger Spaziergang vom Микрораён Восточный (Wohngebiet Ost, liegt aber im Westen der Stadt) zum Ж.Д. Вокзал (Eisenbahnhof). Dort machen wir in der Kälte eine Teepause, nach der es – für mich unerwartet – nicht mehr weitergeht. Wie auch immer, ich soll die Schule noch einmal besuchen und werde dann noch mehr erfahren.

Wahrscheinlich sind die Besuche in anderen Schulen in meinem Freiwilligendienst deutlich wichtiger als bei anderen. Da ich der einzige Freiwillige in der Region bin, werde ich insgesamt an min. fünf andere Schulen geschickt, um sie zu besuchen. (Falls mein Nachfolger/meine Nachfolgerin das liest: ich empfehle diese Besuche sehr. Wenn Schule 45 in Witebsk wieder keinen Freiwilligen bekommt, freuen sie sich garantiert riesig über einen oder mehrere Besuche von dir…)

Noch zum Thema Besuch: den bekomme ich eineinhalb Stunden nach dem Schreiben dieses Beitrags auch, von Linus aus Maladetschna, der unsere schöne Ostmetropole auch einmal kennenlernen möchte.

Проспект текстилщиков (Textilarbeiterprospekt)

Zuletzt noch ein großes Danke an meine Freundin M. in Bad Vilbel dafür, dass sie mich wieder daran erinnert hat, mehr Fotos zu machen… :)

Abkürzung durch ein Nadelwäldchen

Всё. Всего доброго и до свидания!

Йонатан