Homezones, Workshops und „Russisch am See“

Heuchelheim, 11. September 2018. –

Jonathan Beyer
GI-PASCH Belarus

steht während des Vorbereitungsseminars auf meinem Namensschild, das jeder von uns scheinbar nur besitzt, damit man es gar nicht erst nötig hat, immer wieder die gleichen Fragen an die anderen Teilnehmer*innen zu stellen: „Wie heißt du eigentlich? Wohin gehst du? Und welche Organisation?“ Diese Fragen wären ohne die Schilder quasi unvermeidlich bei den unzähligen Menschen auf unserem gemeinsamen Vorbereitungsseminar. Zehn Tage Elitenförderung auf einem ehemaligen DDR-Pioniergelände, die wir mit Gruppeneinheiten, Workshops, Diskussionen und üppigen Mahlzeiten füllen. Nicht zu vergessen natürlich das Baden im Werbellinsee, der nur ein paar hundert Meter entfernt auf uns Freiwillige wartet.

Um es für alle Nicht-kulturweitler zu erklären: das wichtigste Format des Vorbereitungsseminars sind die sogenannten Homezones. In meinem Fall ist das Homezone 18, in der alle Freiwilligen aus Belarus, Moldau und der Ukraine versammelt sind (12 Leute). Mit der Homezone verbringt man viel Zeit während des Seminars, da man sich im Ausland vergleichsweise nah beieinander aufhält und außerdem ein weiteres Seminar zusammen haben wird. Somit werden die „Homies“ schon während des Seminars zur festen Bezugsgruppe.

In der „Zone“ ist es so, wie andere aus meiner Gruppe es schon gesagt haben: am Anfang ist die Gruppe fremd, man weiß nicht, wer diese Leute sind – doch am Ende des Seminars hat man jeden Einzelnen und seinen Charakter, seine Persönlichkeit kennen und ein wenig verstehen gelernt. Das funktioniert, weil die Atmosspähre in der Homezone offen und vertraut ist – man findet viele ähnliche Interessen, aber auch Befürchtungen und Ängste. Und wir sitzen ohnehin alle im selben Boot. (…wenn auch nicht im selben Flieger.) Vielen lieben Dank an dieser Stelle an Max und Lisa, unsere Trainer in den Homezone-Einheiten. Ich denke, ich spreche für die ganze Gruppe, wenn ich sage, dass diese Zeit uns allen enorm gut getan hat.

Insgesamt bietet das Seminar einfach eine ungewöhnliche, vermutlich einzigartige Situation: über 300 einigermaßen ähnlich interessierte junge Menschen, die sich in dieser Zusammensetzung nie wieder begegnen, dafür aber in die unterschiedlichsten Ecken der Welt reisen werden, nach Südamerika, Afrika, Osteuropa,  Zentralasien, Südostasien usw. usf. Innerhalb dieser Gruppe findet man Gesprächs- und Diskussionspartner zu allen möglichen Themen und Bereichen und nimmt es irgendwann als normal hin, dass der- oder diejenige scheinbar willkürlich nach Ecuador, Montenegro oder Aserbaidschan geschickt wird. Ich höre mir die Geschichten an und denke mir, dass zwar viele andere Länder auch sehr, sehr interessant wären – aber Belarus klingt im Vergleich geradezu sicher und unkompliziert. Vor allem was das Visum angeht, so seltsam das klingen mag. Dokumente schicken und fertig. Allerdings mit dem entscheidenden Nachteil, dass uns kaum jemand besuchen können wird – ohne Visum darf man sich in Belarus nämlich nur fünf Tage aufhalten, und das auch nur, wenn man über den Flughafen einreist. Diese Regelung ist übrigens relativ neu, davor brauchte man für jeden Aufenthalt ein Visum. Glasnost braucht eben seine Zeit.

Und zuletzt noch einmal, nur fürs Protokoll: wenn ich Belarus schreibe, meine ich Weißrussland. Belarus ist allerdings der offizielle Name, den kulturweit und das Goethe-Institut bevorzugen. Belarus/Weißrussland ist außerdem ein souveränes Land und kein Teil von Russland. Ich nehme es niemandem übel, wenn man das nicht so genau weiß – bei so vielen Ländern in diesem Blog kann man leicht durcheinanderkommen. (Schöne Grüße dabei an die Moldauer…)

So viel über unser Vorbereitungsseminar. Morgen geht der Flieger und die Belarus-Gruppe kommt nacheinander zu unserem Vorbereitungstag in Minsk an. Die Vorfreude steigt.

Liebe Grüße und до свидания

Jonathan

P.S.: Meine Wohnung in Orscha ist jetzt doch nicht frei, dafür komme ich erstmal in eine Gastfamilie. Vielleicht schon ein erstes Zeichen der Spontaneität und Gastfreundlichkeit der Belarussen?