Perspektivwechsel

Der Frühling bringt schönes Wetter und neue Erlebnisse. Wo aber bleibt die Zeit zum Schreiben? Ein Blick hinter die Kulissen eines Blogbeitrags und wie Schreibkrisen doch noch zu Blogeinträgen führen.

Aus Moritz‘ Zimmer tönt ein entnervtes Stöhnen. Ein Blick durch die geöffnete Tür zeigt, wie er auf seiner roten Eckbank sitzt und flucht. Den eingeschalteten Laptop hat er auf seinem Schreibtisch weit von sich geschoben. Moritz sieht aus, als könnte er in diesem Moment vor Wut Bäume ausreißen. Auf dem weiß leuchtenden Computerbildschirm  ist die Webseite des Kulturweitblogs aufgerufen. Sein letzter Eintrag ist schon über einen Monat her. Dies will der Freiwillige nicht so auf sich beruhen lassen. Er will wieder schreiben, mal wieder etwas von sich hören lassen, zeigen, wie es ihm so geht in Armenien. Zumal sein Mitfreiwilliger Thomas jede Woche einen neuen Blogbeitrag veröffentlicht. Doch es will einfach nicht klappen – Moritz hat eine Schreibblockade. Das Schlimme ist, dass er eigentlich eine Menge zu erzählen hätte, doch wie er auch anfängt – keine Formulierung will passen. Dazu kommt, dass die Layoutfunktionen des Kulturweitblogs mit aller Macht gegen ihn zu arbeiten scheinen. Immer wieder rutschen Absätze wie von selbst hin und her, die Schriftgröße verändert sich.

Jetzt steht er auf und schiebt die Vorhänge zur Seite. Der Blick auf die Straße wird frei und Licht fällt in das vom Gastvater sorgfältig renovierte Zimmer auf die veilchenfarbenden Wände und die weißen Stuckleisten. Moritz setzt sich wieder an seinen Schreibtisch und nimmt einen Buntstift zur Hand. Lustlos kritzelt er auf der braunen Packpapiertischdecke herum, die er extra für solche Zwecke aus Zwischenseminar-Präsentationsmaterial gebastelt hat. Seine Gedanken Kreisen und finden weder Anfang noch Ende. Ihm ist ein wenig kalt, man sieht ihn reflexartig mit den Schultern zucken. Erst vor wenigen Tagen hat in Jerewan der Frühling begonnen und obwohl es tagsüber  schon angenehm warm ist – die Luft lässt beinahe schon die Stickigkeit des Sommers erahnen – ist es in Moritz‘ Zimmer noch ein bisschen kühl.

Beim eisernen Blumenverkäufer

Beim eisernen Blumenverkäufer

Garune galis e! Der Frühling kommt! Mit diesen Worten hatten Moritz und Thomas mit zwei  armenischen Freundinnen am Samstag  vor dem berühmten eisernen Blumenverkäufer gestanden und sich mit kleinen Schneeglöckchen symbolisch den Winter aus dem Gesicht gestrichen…

Moritz blickt auf. Mehr als ein paar grüne Rechtecke haben seine Kritzeleien auf der Schreibunterlage nicht ergeben und durch sein Gegrübel ist er dem idealen Textformat für seinen nächsten Blogeintrag auch nicht näher gekommen. Suchend geht sein Blick durch den Raum und bleibt an der Gitarre hängen, die in einem der Sessel liegt. Das am Gitarrenhals befestigte Band in den armenischen Farben rot, blau und orange hebt sich hübsch von der braunen Sessellehne ab.

Das letzte Mal hatte Moritz zusammen mit Thomas auf dem nördlichen Boulevard Gitarre gespielt und dazu gesungen. Dabei hatte nicht nur das kleine Armenien-Fähnchen bei vorbeigehenden Spaziergängern für Verwunderung gesorgt, sondern auch die Tatsache, dass die hellhaarigen Ausländer auf Armenisch sangen. Sa Jerewann e, aistech du tann es… Das ist Jerewan, hier bist du zu Hause! Dabei handelt es sich um einen Ausschnitt aus einem berühmten Lied von Ruben Hachwerdian, einem armenien Barden und Gitarristen. Ganz im Geiste dieses Liedermachers hatten auch die beiden Freiwilligen ein von Moritz geschriebenes Lied vorgetragen, dass die Vor- und Nachteile einer Reise in einem Marschrutka-Autobus thematisiert:

Die Marschrutka fährt sehr langsam, meine Füße schlafen ein, / nur ein halbes Dutzend Sitze für zwölf Menschen, welche Pein!

Bei dem Gedanken an das Marschrutka-Lied fällt Moritz ein vergangenes Wochenende ein, an dem er mit einer Marschrutka in den Kurort Dschermuk gefahren ist. Sehnsuchtsvoll träumt er von der bezaubernden Landschaft der Region Wajoz Dsor, die er auf dem Weg dorthin erblickte und es ärgert ihn, dass er nicht weiß, wie er es aufschreiben soll. Die Stapel von Heuballen, die wie goldene Pagoden in den Gärten der Bauernhöfe stehen und die Berge, die in den höheren Lagen von Schnee bedeckt zuckrig weiß sind…

Das plötzliche Klingeln seines Handys schreckt Moritz auf. Auf dem Display steht: Gajane – die Gasttante. In einem kurzen Gespräch hört man Moritz Hessa k’gam! sagen. Ich komme gleich. Dann legt er auf und macht sich auf den Weg, denn oben im Wohnzimmer steht das Essen bereit.

Draußen ist es dunkel geworden. Schnell  erklimmt Moritz die Außentreppe und denkt dabei: Wahrscheinlich gibt es noch einen Rest Harissa zum Abendbrot. Ein Brei aus grobem Weizen und zerkochtem Hühnerfleisch, der zu einer festen Masse zusammengerührt wird. Mit flüssiger Butter und schwarzem Pfeffer würzt man nach und dazu isst man Brot. Bei dem Gedanken, etwas zu essen, hellt sich Moritz‘ Gesicht auf. Dann denkt er jedoch: Wie ärgerlich, wieder nichts für den Blog geschrieben…

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3 Antworten zu Perspektivwechsel

  1. Steffi M. sagt:

    Hey Moritz,
    du musst eindeutig mehr schreiben (vielleicht hast du ja auch inzwischen wieder mehr Ideen), du kannst das so gut! Es ist so cool und macht richtig Spaß, deine Artikel zu lesen! Vielleicht solltest du doch noch Schriftsteller werden… 😉
    Ich hoffe, dir geht es gut und wünsche dir noch eine tolle Zeit!

    LG
    Steffi

  2. Doro sagt:

    …und am Ende wurde aus der Schreibblockade ein sehr cooler neuer Beitrag! Ich freu mich schon auf den Werbellinsee, dann möchte ich von Moritz und seiner Gitarre armenische Lieder hören 🙂
    Kala po nawa von der Südhalbkugel!

  3. Lieber Moritz,
    na so was blödes… Aber vielleicht kann dir hier das hier weiterhelfen:
    1.) Layout: Wenn es mit dem Editor deines Blogs nicht so richtig will, versuche es doch mal mit einem Desktop-Programm: https://kulturweit.blog/anleitungen/windows-live-writer/

    2.) Und vielleicht hilft das hier bei der Ideenfindung: https://kulturweit.blog/anleitungen/how-to-write-about/dein-erfolgreicher-blog/

    Alles Gute Dir,

    Philipp

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