Lass die Affen aus dem Zoo! -Blog 4

Zdravo Freunde,

Was soll ich sagen, es tut mir leid. Ich wollte eigentlich viel mehr schreiben, aber ich gelobe Besserung!

Ich empfehle euch, jetzt einen Kaffee aufzubrühen und es euch gemütlich zu machen. Das wird ein langer Blogeintrag. Aber: es lohnt sich bestimmt 🙂 .

Heute geht es um einen ganzen Haufen Dinge, fangen wir mit den wichtigsten an:

Ich hatte Besuch von meiner Freundin. Chiara ist auf dem Rückweg aus Griechenland in Belgrad gewesen und wir haben uns eine Woche lang gegönnt! Wir waren zweimal frühstücken und einmal habe ich uns Pancakes gemacht. Ich werd immer besser im Pancake machen, freut euch drauf, falls ihr mich besuchen kommt! Wir waren auch zwei mal Essen und haben uns leckeres Zeug gekocht! Aber dass sind ja austauschbare Dinge, die man auch alleine machen kann. Für mich war es natürlich am schönsten, Chiara wiederzusehen. Das Gute heutzutage ist ja, dass man eh miteinander in Kontakt ist, sei es über WhatsApp oder eben auch Skype. Dadurch lässt sich die räumliche Trennung natürlich besser aushalten. Aber am Ende führt natürlich auch jeder Kontakt dazu, dass man sich wieder mehr vermisst. Zwei Monate sind jetzt um und in sieben Monaten sind wir wieder beieinander. Bis dahin ist es noch ein bisschen Zeit, aber wenn bis dahin bei uns alles so weiter läuft, wie bisher, dann wird diese Entfernung auch weiter gut auszuhalten sein.

Zusammen waren wir im Zoo. Da gab es eine Elefantendame. Sie heißt Emma. So haben wir sie zumindest getauft. Emma ist groß, grau und rundum elefantig. Sie teilt sich den Zoo mit einigen Giraffen, Zebras, Bären, einem Panther, vielen Waschbären, Plumploris, Wölfen, Tigern, Löwen, Kängurus und auch Affen. Das älteste Tier im Zoo war das Krokodil, es ist in den dreißiger Jahren geboren worden! Die Affen sahen ziemlich menschlich aus und sie so hinter den Stäben zu sehen, hat mich wirklich negativ berührt. Chiara fand das nicht gerechtfertigt, dass ich mehr Empathie für die Affen hatte, als für die anderen Tiere und sie hat natürlich Recht. Dennoch widme ich den Affen jetzt einen Song.

Da bekannter Maßen alles außer Würsten ein Ende hat, musste Chiara nach einigen Tagen wieder fahren. Ich habe sie noch zum Bahnhof gebracht und musste dann versuchen mich erstmal abzulenken. Abschied ist eben immer doof.

Aber zum Glück war viel Los in letzter Zeit, ich konnte also gut auf andere Gedanken kommen. Schwieriger als die räumliche Trennung lange auszuhalten ist sich wieder daran zu gewöhnen.

Genuss

Gönnung hilft dabei natürlich, also habe ich mal wieder ein paar neue Cafés ausprobiert. Hier wird es ja gegen vier schon dunkel, dann wird es besonders gemütlich. Das einzige was wirklich stört, wenn man in serbische Cafés geht, ist, dass Rauchen überall erlaubt ist. Das kann einem gemütlichen Kaffee wirklich im Wege stehen. Oft rieche ich erst in die Cafés rein und gehe dann nach bestandener Duftprobe hinein. Das garantiert aber nicht, dass sich Helmut Schmidt vielleicht doch noch direkt neben einen setzt. Aber inwischen bin ich da auch ein bisschen mehr abgehärtet.

Dann wurden letztens Arbeiten geschrieben, ich hatte an der Schule weniger zu tun, weil ich natürlich nicht dabei sitzen muss, wenn die Schüler sich an deutscher Grammatik abarbeiten. Leider ist inzwischen auch hier der Spätsommer vorbei und das Wetter wird zusehends schlechter. Noch sind die Temperaturen hier etwas höher als in Freiburg, aber das wird bald wechseln. Darum habe ich mir eine neue Jacke für den Winter gekauft und werde mir eine Daunenweste zulegen, die ich unter die Jacke anziehen kann, dass ist wohl so der Lifehack den hier viele nutzen, die keine krasse Antarktis-Jacke für 250 € kaufen wollen und können.

Tja, mit dem Rauchen habeich trotz der serbischen Zigarettenpreise nicht begonnen (2,30 € / Schachtel). Aber ich habe mich in anderen Dingen an die Gesellschaft angepasst. Ich pinkle im Stehen, gehe über rote Ampeln und sitze viel und lange in Cafés. Kürzlich habe ich aber erfahren, dass man erst dann ein echter Serbe ist, wenn man seine eigene Verschwörungstheorie hat. Erst dachte ich: „das ist ja einfach“, aber das Problem ist, dass die meisten Theorien schon existieren. Ich habe also lange überlegt.

Die Hauptpost in Belgrad direkt gegenüber vom Parlament ist ein enorm riesiges Gebäude. Da bin ich natürlich skeptisch geworden. Meine Theorie sollte also sein, dass der Geheimdienst dort eine riesige, geheime Geheimmission hat. Leider habe ich dann erfahren, dass die Theorie schon Schnee von gestern ist.

Ich musste also erneut ran. Jetzt habe ich gedacht, es gibt ja noch einige Länder um Serbien herum, die sich leider bis heute nicht so gut mit Serbien verstehen. Aber wenn man in Serbien fragt, findet man ja kaum jemanden, der schon einmal in Albanien war. Darum ist meine neue Theorie jetzt, dass es Albanien gar nicht gibt. Stattdessen forscht der IWF gemeinsam mit der NASA, dem KGB, Fethullah Gülen und dem Mossad (evtl. auch mit dem sächsischen Staatsschutz, dass muss ich noch nachrecherchieren) dort an Außerirdischen. Ist aber alles geheim, also besser nicht weiter erzählen! Ich habe nur Angst, dass Xavier Naidoo mir die Story klaut, bevor ich ein Buch darüber schreiben kann.

So lustig viele der Verschwörungstheorien auch sind, die ich hier höre: am Ende zeigen sie meiner Meinung zwei Dinge sehr gut. Zum Einen sagen sie etwas über die Presse in Serbien aus.

Das rot-blaue AV-Logo ist das Logo des Präsidenten Aleksander Vucic. Am Tag der Präsidentschaftswahl hatten praktisch alle Zeitungen sein Logo auf der Titelseite. (c) DW Serbien

Ich habe schon von vielen gehört, dass die Medien hier große Schwierigkeiten haben, vielfältig zu berichten. Viele Sender sind noch in der Hand des Staates. Vor allem sind aber große Firmen in staatlicher Hand. Sie schalten Werbung in den Zeitungen, falls sie sich nicht negativ über die Regierung äußern. Über den Werbemarkt wird also Einfluss auf die Zeitungen genommen, die sich ohne Werbeeinnahmen nicht finanzieren können. Außerdem wird Druck auf die Presse ausgeübt. Mal indirekt, wie besipielsweise 2016, als die regierende SNS eine Ausstellung unter dem Namen „unzensierte Lügen“ in Belgrad veranstaltete, bei der kritische Artikel zur Schau gestellt wurden. Die deutsche Welle schreibt über diese Austellung:

„Die Ausstellung mit dem Titel „Unzensierte Lügen“ deuten Beobachter auf drei unterschiedliche Arten. Die erste Botschaft sei nach außen gerichtet. Sie gelte der EU, die penibel auf Meinungsfreiheit achtet: „Seht her, bei uns gibt es keine Zensur.“ Die zweite Botschaft sei für die eigene Wählerschaft gedacht: „Alles, was hier ausgestellt wird, sind nur dreiste Lügen.“ Die dritte Botschaft richtet sich an Journalisten: „Unsere Augen sind überall, kein kritisches Wort ist folgenlos.“

http://www.dw.com/de/inszenierte-pressefreiheit-in-serbien/a-19479626

Manchmal wird der Druck aber auch ganz direkt ausgeübt. Das Investigativmagazin „Krik“ hat beispielsweise einen großen Korruptionsskandal enthüllt. Daraufhin schrieben andere Zeitungen kurz darauf, der Autor sei kokainabhängig, Sadomasochist und französischer Spion. Zur Reputation von Krik kann man sagen, dass sie Rechercherpartner der SZ bei den Panama und Paradise Papers waren. Reporter ohne Grenzen stuft Serbiens Medienlandschaft wie folgt ein:

Viele Medien sind zudem parteiisch. Oft geben Politiker nur ausgewählten Redaktionen Interviews. Kritische Journalisten müssen mit Überfällen von bezahlten Schlägern und Anschlägen rechnen. Der Staat bezuschusst einige Medien bewusst über das Schalten von Anzeigen. Diese Zuwendungen verzerren nicht nur den Markt. Manche Medien zensieren sich auch selbst, um an die Gelder zu kommen.

Reporter ohne Grenzen/Serbien

Damit erreicht Serbien Rang 66 von 180 auf der Reporter ohne Grenzen Skala. Deutschland ist auf Platz 16. Allerdings ist Serbien kein Negativ-Ausreißer. Die Nachbarstaaten bewegen sich in einem ähnlichen Rahmen, das EU Land Bulgarien ist sogar deutlich schlechter platziert. Das zeigt, dass es sich um kein rein serbisches Problem handelt.

Der heutige Präsident war unter Milosevic Informationsminister, also für Zensur zuständig. Auch das hat natürlich einen bitteren Nachgeschmack.

Ich denke dass die eintönige Berichterstattung und stark tendenziöse Berichterstattung dazu führt, dass die Menschen sich ihre Wahrheit selbst bauen. Außerdem haben Boulevard-Zeitungen hier Konjunktur. Diese Blätter greifen ja bekanntlich gerne in die Verschwörungskiste.

Zum anderen zeigt der Hang zu Verschwörungstheorien natürlich auch, wie niedrig das Vertrauen in die Politik des Landes ist. Es gab in den letzten Jahren ständig Neuwahlen, je nach Gusto der Regierung. Während ich das hier schreibe, verhandeln die Chefs der regierenden Partei gerade, ob es nächsten Frühjahr Neuwahlen geben soll. Angeblich wollen Sie, dass die Oposition endlich wieder stärker wird… *hust*

Und leider ist Korruption hier noch allgegenwärtig und ein großes Problem. Auch die organisierte Kriminalität ist wohl sehr mächtig. Das Vertrauen, dass man in die Politik eines Landes haben kann, kann so nicht wirklich wachsen. Versetzt man sich in die Lage der Serben, die Jahrzehnte kommunistischer Diktatur erlebt haben und danach direkt in die Milosevic-Jahre übergegangen sind, kann man das verstehen. Die EU ist für viele eine Hoffnung, dass ein Impuls kommen könnte. Aber die Menschen machen sich keine Illusionen und sind auch sehr skeptisch. Vor allem dem Präsidenten Vucic geht es bei der EU Mitgliedschaft vermutlich in erster Linie um die wirtschaftliche Entwicklung Serbiens. Was natürlich auch nachvollziehbar ist. Und auf Serbiens Weg in die EU liegt dazu noch ein dickes Hindernis: Kosovo. Sollte Serbien Kosovo weiter als eigenes Terretorium ansehen, könnte es mit der EU Mitgliedschaft sehr schwierig werden. Mein Eindruck ist, dass eine zeitnahe Lösung des Konfliktes enorm unwahrscheinlich ist. Aber Politik ist hier immer für Überraschungen gut.

Jetzt habe ich viel über serbische Medien und Politik geschrieben, das tat wirklich auch mal gut. Wenn ihr noch mehr zu dem Thema lesen wollt, empfehle ich euch die Artikel der Deutschen Welle und alles, was ich euch im Blogeintrag verlinkt habe. Zu guter letzt noch etwas Musik: Ich habe eine Playliste mit deutscher Musik erstellt, damit meine Schüler sich damit beschäftigen können. Was meint ihr, repräsentiert die Liste deutsche Musik halbwegs gut?

Die Vokabeln erspare ich euch heute ausnahmsweise. Ihr habt euch jetzt genug konzentriert 😉 .

Machts Gut Amigos!

Euer Anton