Täglich grüßt der Ararat

Ein (ausnahmsweise) aktives Wochenende

Barev dzez!

Ja, ich lebe noch und mir geht es bestens! In den letzten Wochen hatte ich bloß keine Motivation, einen neuen Eintrag zu schreiben. Deswegen jetzt hier ein Update:

Es wird langsam wärmer in Jerewan und meistens scheint den ganzen Tag über die Sonne. Trotz Temperaturen knapp über Null wird mir morgens auf dem Weg zur Schule recht warm, und nur selten komme ich ohne einen einzigen Tropfen Schweiß an. Ich habe schon eine böse Vorahnung, wie es im Sommer sein wird…Die Sicht auf den Ararat ist bis nachmittags glasklar, danach ziehen langsam Wolken auf.  Obwohl ich schon ein halbes Jahr hier bin (ein halbes Jahr!!), ist es immer noch ein schönes Gefühl, hier und dort einen Blick auf ihn zu erhaschen – ob vom Klassenzimmer aus, oder zwischen den Häusern bei einem Spaziergang durch die Stadt.

Am College läuft alles wie immer – business as usual. Fast. Denn in knapp einem Monat sind DSD-Prüfungen und man merkt langsam die Anspannung sowohl bei den Schülern als auch den Lehrern. In den kommenden Wochen werde ich dabei helfen, die Schüler vor allem auf die mündliche Prüfung vorzubereiten, weil sie mit dem freien Sprechen die größten Probleme haben. Dazu bereite ich noch einen kleinen Powerpoint-Workshop vor.

Gesprächsthema Nummer eins war in den letzten Wochen die „erste deutsche Hitparade in Armenien“, organisiert von meinem Betreuer Holger. Die ersten Planungen liefen bereits im November, doch in den letzten Wochen wurde es ernst. Der Wettbewerb hat Ausmaße angenommen, die ich mir am Anfang nicht vorgestellt habe. Ein Konzertsaal im Zentrum Jerewans mit 300 Plätzen. Zwanzig Teilnehmer von zehn Schulen aus ganz Armenien. Hochrangige Gäste, darunter der deutsche Botschafter und der armenische Bildungsminister (der Premierminister hat leider abgesagt). Dazu eine Jury bestehend aus drei prominenten armenischen Künstlern und der Frau meines Fachberaters, selbst eine erfolgreiche Komponistin und Pianistin. Diese hat im Vorfeld fast alle Schulen besucht und kurze Videoclips mit den jeweiligen Teilnehmern gedreht, die auf der offiziellen Facebook-Seite veröffentlicht wurden. Kurz gesagt: Die Vorfreude und die Erwartungen waren hoch. Am Samstag war es so weit und es war eine wirklich gelungene Veranstaltung mit einigen überragenden Auftritten. Am meisten begeistert hat mich und wahrscheinlich auch die meisten anderen David, der sich mit „Es wird für ewig sein“ von Adoro auf den dritten Platz gesungen hat. Ich hatte einfach nur Gänsehaut bei seiner Stimme…Falls es irgendwie möglich sein wird, verlinke ich hier das Video von der Veranstaltung, das von einem professionellen Filmteam zusammengeschnitten wird. Besonders cool fand ich, dass Holger im Vorfeld alle Originalinterpreten der Lieder, die gesungen wurden, kontaktiert und um eine kurze Grußbotschaft für die jeweilige Sängerin bzw. den jeweiligen Sänger gebeten hat. Den meisten war ihre Zeit wohl zu schade, aber einige haben sich tatsächlich gemeldet. Assaf Kacholi von Adoro, Kerstin Ott, Lea und Dirk Michaelis haben mit einem kurzen Video viel Erfolg gewünscht und die Herzen höher schlagen lassen.

Mein College war recht erfolgreich abgeschnitten: Eine Schülerin wurde persönliche Favoritin eines Jury-Mitglieds und bekommt sowohl ein Coaching als auch ein professionelles Foto-Shooting. Außerdem wird sie Dirk Michaelis persönlich treffen, weil sie sein Lied gesungen hat und er bald in Jerewan sein wird. Die Band Navery, mit der ich ein paar Mal geprobt habe, gewann sowohl den zweiten Platz als auch den Publikumspreis. Hier sind sie (ohne das Mädchen ganz rechts):
Und nein, meine Hose ist nicht zu kurz, sondern nur etwas hochgerutscht…

Am nächsten Tag, also gestern, war ich mit Elisa, Kira und Andrej auf dem armenischen Fest Barekendan. Es ist eine Art armenischer Karneval, mit dem der Frühling begrüßt wird. Hasmik jan* aus meiner Kleingruppe arbeitet bei einer Organisation, die das Fest organisiert hat und hat uns eingeladen. So sind wir gestern mit einem Reisebus in ein kleines Dorf nördlich von Jerewan gefahren. Kaum sind wir ausgestiegen, waren wir schon mitten unter tanzenden Menschen und lauter Musik. Die Menschen waren nicht so bunt verkleidet wie in Deutschland, sondern trugen traditionelle Kleidung und hielten riesige Masken in die Höhe. 

Es wurden viele traditionelle Tänze getanzt, bei denen sich die Menschen an den Händen festhalten und im Kreis bewegen. Dazu wird kräftig getrommelt und die Duduk gespielt. Ein paar Schüler brachten uns schnell die Schritte bei, sodass wir mittanzen konnten. Es war ganz cool und am Donnerstag in meiner Tanz-AG werde ich es noch einmal ausprobieren 🙂

Der Höhepunkt des Festes war, dass ein Brautpaar ausgewählt und nach ewig langer Zeremonie schließlich verheiratet wurde. Alle Menschen haben sich in zwei Gruppen aufgeteilt, eine für den Bräutigam und eine für die Braut. Wir tanzten wieder eine Weile während die ganze Zeit irgendetwas auf Armenisch gesagt wurde. Zum Glück haben wir dort eine sehr nette Reiseleiterin kennengelernt, die alles für uns übersetzte. Irgendwann flogen endlos Papierkugeln durch die Gegend. Weiß der Geier wieso. Selbstverständlich gab es auch einen reichlich gedeckten Tisch mit verschiedenen armenischen Köstlichkeiten. In einer kleinen Hütte nebenan saßen einige Frauen auf dem nackten Boden, rollten Teig aus und backten bei fröhlichem Gesang frisches Lavash. Auf dem Weg zurück war ich platt und wollte einfach in Ruhe im Bus schlafen. Pustekuchen. Die anderen haben da erst so richtig aufgedreht und laut armenische Partyhits gespielt…

Es war, wie der Titel dieses Beitrags schon sagt, ein aktives Wochenende. Normalerweise herrscht bei uns Gammelstimmung, wir chillen sehr viel im Wohnzimmer und kriegend das meiste nicht erledigt. Am Wochenende ist Andrej meistens auch da. Vielleicht gibt es da ja einen Zusammenhang…  Dieses Wochenende war auf jeden Fall sehr cool und ich hatte eine Menge Spaß!

Nachtrag: Das Wetter ist launisch. Heute hat es wieder geschneit…

 

*Mir ist aufgefallen, dass ich das schöne Wort „jan“ noch gar nicht erklärt habe. Es wird hinter den Namen der Person, die man anspricht, gehängt und bedeutet so viel wie „Schatz“. Armenier benutzen es ständig untereinander, egal, in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Die Lehrer sagen es manchmal zu ihren Schülern und ich werde auch ständig so von ihnen angesprochen. Es ist eine Sache, die ich auf jeden Fall mit nach Hause nehme 🙂

 

 

 

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