Kurzfilm: Fremde Freunde – In Gedanken und Gedenken an das Fernweh

„Filme werden nicht veröffentlicht, sie entkommen.“ Dieses Ben-Burtt-Zitats wird sich seit 2002 in der Filmszene immer wieder bedient. Aber abgedroschen heißt ja nicht gleich unwahr. Zuletzt hat mir mein Freiwilligenprojekt wiedermal gezeigt, dass dieser Satz im Gegenteil immer noch so viel Aktualität besitzt, wie schon vor 14 Jahren. Denn auch dieser kleine Kurzfilm hat während seiner Entstehung ein regelrechtes Eigenleben entwickelt und mich hier und da an der Nase herum geführt.

Als ich nach Peru aufbrach, war mir von Anfang an klar, dass mein Freiwilligenprojekt mit meinem leidenschaftlichen Hobby Film zu tun haben würde. Erst nach 3 Monaten jedoch formten sich aus diesem Grundgedanken wirklich konkrete, fassbare Konzepte. Genauer gesagt war es der wertvolle Ideen-Input anderer Freiwilligen aus Peru, Kolumbien, Ecuador und Bolivien auf dem Zwischenseminar im Juni, der in mir die Kreativ-Zahnräder ins Laufen brachte. Einen Monat später sah ich ein grobes Script vor mir.

Der Film sollte ein dokumentarisches Werk über das Freiwilligen-Dasein werden. Erste Ideen wie „Ein Tag im Leben eines Freiwilligen“ verwarf ich jedoch schnell – zu klischeehaft, zu trocken. Ich hatte den Anspruch, meine Zeit und Ressourcen für einen kreativeren Ansatz zu nutzen. So begab ich mich daran, etwas mit dem wesentlich abstrakteren Konzept des „Fernwehs“ zu formen. Immerhin ist es wohl diese Emotion, die viele Freiwillige und andere Weltenbummler (mich eingeschlossen) als ihre größte Motivation für das Reisen nennen.
Wie kann man also am effizientesten, mit den mir zu Verfügung stehenden Ressourcen, Reiseerfahrungen im Film verpacken? Die Lösung waren Interviews, in denen Deutsche wie Peruaner exemplarisch ihre Erfahrungen mit dem Zuschauer teilen.
Was die deutschen Vertreter anging, so lag es nahe, mich an die beiden Freiwilligen Fenja und Lisa zu richten, die gerade in der kulturweit-Herbstausreise neu in Lima angekommen waren und deswegen viel zum Prozess des Einlebens im neuen Land zu sagen hatten. Dazu schloss sich eine meiner peruanischen Schülerinnen der Abschlussklasse: Katherine gewann 2015 das PASCH-Stipendium und reiste im Rahmen dessen für einen knappen Monat nach Deutschland.

Im September, nach einer kleinen Equipment-Belieferung durch meine Eltern, begann die Drehphase der drei Interviews, die über einen Monat hinweg abgedreht wurden. Ein vierter Interview-Partner, um den Ausgleich auf peruanischer Seite herzustellen, war dabei aber immer noch nicht gefunden. Die Differenzen waren vielfältig: terminliche Ungereimtheiten, Einschränkungen bei den Möglichkeiten der Veröffentlichung und Namensnennung, bestimmte Vorstellungen für den Drehort, die mich vor logistische Probleme gestellt hätten – the list goes on. Auf Hindernisse wie diese hat man nur gering Einfluss, jedoch gehören sie auch zu den Dingen, mit denen man beim Filmemachen zu aller erst Erfahrungen macht und somit in der Zukunft rechnet. Insofern könnte man mir wohl den berechtigten Vorwurf machen, ein wenig zu spät angefangen zu haben. Denn inzwischen war es Dezember, meine Reise nach Trujillo über die Weihnachtstage stand an und ich hatte mir fest vorgenommen, bis dahin alle Interviews abgedreht zu haben, um so während des Vakuums zwischen den Jahren die Postproduktion zu beginnen und ein gutes Stück des Schnitts bereits zu erledigen.

Es lief also darauf hinaus, dass ich in Trujillo schließlich selbst zum Interviewee wurde. Auch wenn das eine Kompromisslösung war, auf die ich gerne verzichtet hätte, so hatte dies den erheblichen Vorteil, dass ich den Film somit ein wenig lenken konnte. Mit der Gewichtung der anderen Interviews und meiner eigentlichen Message im Hinterkopf konnte ich bestimmte Argumente unterstreichen, relativieren oder neu aufwerfen.
Das war auch nötig, denn bereits mit den ersten Schritten im Schnitt merkte ich, dass mit dem verfügbaren Material das ursprüngliche Thema ein wenig entglitt. So weit sogar, dass ich die Struktur und die Zielsetzung des Films während der Postproduktion mehrmals anpassen musste und das Endergebnis nun in eine andere Richtung geht, als ich mir ursprünglich vorgenommen hatte. Zum Beispiel enthält der Film viel mehr „Propaganda“ für den deutschen Freiwilligendienst, als ich es eigentlich vorhatte. Dafür, dass eigentlich eine etwas allgemeinere Diskussion über das Konzept „Fernweh“ entstehen sollte, waren an vielen Stellen die Fragen von meiner Seite einfach viel zu konkret gestellt.
Und nicht nur das: ich merkte auch, wie schnell es passiert, von einer sensiblen Diskussion über die Reiselust in den konkreten, stereotypen Vergleich von zwei Ländern und „Kulturen“ (in Anführungsstrichen, weil schwammig) abzurutschen. Gerade jetzt, wo ich mich im Rahmen des Nachbereitungsseminars, intensiv mit Diskriminierung verschiedener Art beschäftigt habe, sehe ich die gefährliche Gradwanderung zwischen neutraler Erzählung und dem Unterfeuern von Stereotypen. Und so sehr ich auch versuchte, diese auf ein Minimum zu reduzieren, so konnte ich nicht alles an kultureller Oberflächlichkeit ausmerzen, ohne dabei die Aussagen der Probanden zu verfälschen. Es ist also nachvollziehbar, wenn einige Zuschauer auch mit dem einen oder anderen Fragezeichen der eher kritischen Sorte aus dem Film gehen.

Das war wohl auch, neben der reinen Filmpraxis, die größte Lernerfahrung, die ich gemacht habe. Das Konzept „Fair Berichten“ ist tatsächlich etwas, mit dem man sich auseinandersetzen sollte, gerade wenn man mit seinem Projekt einen neutralen Kulturaustausch darstellen und bewerben möchte und auch plant, den Film als PASCH-Unterrichtsmaterial zur Verfügung zu stellen.

Man sieht also: ich habe mein Einstiegs-Zitat nicht ohne Grund gewählt… Erst mit der Sichtung der Bausteine und ihrer Einbettung ins große Mosaik, konnte ich realisieren, wo mich das Gesamtbild hinführt. Mehrmals hatte ich das Gefühl, während ich so an meinem Schnittplatz saß, dass sich dieses selbst zusammensetzte, Stück für Stück, bis zum Moment des Entkommens.
Nichts desto trotz – oder gerade deswegen – bin ich äußerst zufrieden mit dem 25-minütigen Endergebnis, das den wohl ambitioniertesten Kurzfilm darstellt, den ich bis dato als „One-Man-Band“ produziert habe. Es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht und mir einiges beigebracht: bedeutungsschwerere Grenzerfahrungen, aber auch scheinbar banale Dinge wie die Bestätigung (durch mich selbst und das Feedback anderer), die Leidenschaft des Films weiter zu verfolgen.

P.S.: Die musikalische Unterlegung des Films stammt vom brasilianischen Künstler „Viajante“, den ich an dieser Stelle auch nochmal durch Mundpropaganda unterstützen möchte. Ich lernte ihn auf meinen Reisen kennen und er war mehr als glücklich, mir seine Musik für den Film zur Verfügung zu stellen. Dafür bin ich sehr dankbar, da seine Akustikmusik nicht nur wahnsinnig schön ist, sondern die Aussagen seiner Texte auch perfekt auf die Message des Films passen. Schon alleine sein Pseudonym „Viajante“ (= der Reisende) drückt eine gewisse Einstellung zum Leben aus. Und dementsprechend trällert er z.B. in letztem Akt des Kurzfilms, in seinem Song „Mandala“ Zeilen wie: „Die Welt ist so unglaublich groß! Nur daran zu denken, sie nicht zu bereisen, schnürt mir die Kehle zu.“
Ich würde jeden bitten, der Gefallen an den Klängen dieses werdenden Künstlers gefunden hat, seine Soundcloud- oder Facebook-Seite zu besuchen, Grüße dazulassen und eventuell sogar sein bisher einziges Studioalbum zu erwerben: Seine EP „Nárnia“ ist theoretisch kostenlos erhältlich, aber auch zu jedem Preis, den man bereit ist, dafür zu zahlen. Jeder Euro wird ihm mit Sicherheit dabei helfen, seine musikalischen Reisen und den Traum, von Musik zu leben, weiter zu verfolgen! Klickt hier, um direkt zum Download/Kauf des Albums zu gelangen – danke im Voraus!

Und ansonsten viel Spaß bei „Fremde Freunde – In Gedenken und Gedanken an das Fernweh“!

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