Vorläufiges Was-geht-denn-gerade-so

23/04/2021

Ich werde immer häufiger im Dorf von den Bewohnern und Arbeitenden gegrüßt. „Kalimera!” Oder „Kalimerasas” entgegen sie mir lächelnd und ich nicke, grüße zurück. Mein Lächeln sehen sie hinter der Maske versteckt manchmal nicht. Eine alte Frau sah mich ein paar Mal  bei meinem morgendlichen Spaziergang während sie ihre Terrasse mit einem Strohbesen fegte und heute fragte sie mich wie es mir ging. Gut und.. und wie geht es ihnen? Sie verstand nicht ganz also sagte ich schlicht „Ti Kanis?” Ah Kalá! Antwortete sie und lächelte mich an. Sie fragte mich noch Etwas aber da das schon über die Wie-gehts-Frage hinaus ging und das bei Repertoire überstieg verstand ich vorerst nicht. „Esis Apo tin Evropi?” „Ääh, ochi. Germania” „Aah” sie lachte nochmal kurz auf, doch ich konnte nicht ganz lesen, was sie jetzt dachte. Dann schwenkte sie ihren Kopf links und rechts. „Kala” sagte sie. Vielleicht war sie noch nie in Deutschland. „Milde germanica?” Sie lächelte und schüttelte den Kopf. „Ochi, Ochi”  

Einen Monat ist es jetzt her seit wir hier sind, ja sogar schon einen Monat seit wir die Feuerwerksschüsse vor unserer Wohnung beobachtet haben. Wir haben mehr über die Menschen um uns herum erfahren: Dem Pitamann dessen kleiner Sport-Audio ein Firmenwagen ist und Giorgios dem Förster, der vorerst nur sechs Monate im Geopark arbeiten sollte und nun seit mehr als 12 Jahren hier arbeitet zusammen mit Christos, der bis zum Nachmittag durch den Geopark herumfährt. Genauso wie Maria, die in Kalavryta wohnt. Im Laufe der Zeit haben wir ein paar Orte des Geoparks sehen können gemeinsam mit dem Professor und seinen Mitarbeiterinnen der Universität Patras, darunter auch den zweitausend Jahre alten Weinbaum wobei wir da Giorgos sogar zuvor gekommen waren. Ich habe herausgefunden, dass das Café gegenüber von uns den geheimnisvollen Namen „Schule” trägt, da es direkt neben einer Schule liegt. S-chole-io klang schöner als ich noch nicht seine Bedeutung kannte. Seit ein paar Tagen sehe ich neben kleineren Kindern, die abends auf dem Kirchplatz Inline-Skates fahren und Eis essen, auch Jugendliche, die mit Rücksäcken morgens vor dem Café stehen und am Nachmittag über die Hauptstraße zurück nach Hause gehen. Das Dorf ist so ausgehöhlt, wenn es nicht Abend ist oder Mittag im Dorfzentrum. Oft genug habe ich mich schon gefragt, wo die Menschen sind und wie viele überhaupt wirklich hier leben. Wie laufen die älteren Dorfbewohner die steilen Gassen hinauf? Zum Glück werden sie oft begleitet, von ihren Kindern nehme ich an. Bei meiner Wanderung nach Agia Lavra ein paar Tage nach dem Nationalfeiertag traf ich auf einen Bauern, der mir aufgeregt seine Puten und Schweine und Ferkel und Hunde und Katzen zeigte nachdem ich ein Foto von seinem Hof geschossen hatte. Wir hatten uns unterhalten wollen, aber nachdem ich sagte, dass ich kein Griechisch sprach, erzählte er mir trotzdem leidenschaftlich auf Griechisch, wie er aufgrund der Pandemie nicht mehr richtig verkaufen konnte. „Den pirasi” verstand ich und damit war mir seine gesamte Einstellung auf die Dinge bewusst: „Macht nichts” schwenkte er mit der Hand.  Wenige Wochen später erkannte ich ihn am Café stehen und rauchen. 

Heute bemerkte ich wie sehr die Aufgeregtheit in der Luft liegt, dass in wenigen Wochen der Lockdown aufgehoben werden soll. Die verstaubten Tavernen sollen öffnen und es wird vielerorts gehämmert und gewerkelt. Seit ein paar Tagen steht ein Kicker vor einem Kafenion an dem zu fast jeder Tageszeit, die nicht in die Unterrichtszeit fällt, lauthals gespielt wird. Bemerkenswert, dass so etwas glücklich machen kann.