Simón und ich…

Darf ich vorstellen: Das ist der schwarze Kater Simón, der Mitglied unserer WG in Boedo ist.

Ich muss dazu sagen, dass ich kein Katzenfan bin und viele Geschichten über gemeine und hinterlistige Katzen kenne.

Als ich letzte Woche in die Wohnung einzog und mich relativ einsam fühlte, war Simón mir keine willkommene Gesellschaft, da er mich immer zu anschaute und jeden meiner Schritte beobachtete. Als ich mit meinen Eltern telefonierte, brach ich theatralisch in Tränen aus und berichtete, wie sehr mir der Kater Angst mache… Ich weiß, sehr dramatisch. Dass Simón letzte Woche in die Badewanne gekackt hatte, kurz bevor ich duschen wollte, machte mir ihn allerdings nicht gerade sympathischer.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat sich unsere Beziehung nun enorm verbessert. Mittlerweile kann ich sogar sagen, keine Angst mehr vor ihm zu haben. Denn mich traf die Einsicht, dass der Kleine auch nur etwas Gesellschaft braucht und er eigentlich ganz lieb und kuschelig ist.

Ich möchte mich zwar nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, würde aber behaupten, dass Simón und ich nun so etwas wie Freunde sind 🙂 Und ich werde ihn vermutlich sogar echt vermissen, wenn er in etwa 2 Monaten mit seiner Besitzerin auszieht.

Da kann man mal sehen, wie schnell sich die Dinge wenden können, denn wenn mir das jemand vor einer Woche gesagt hätte, hätte ich demjenigen einen Vogel gezeigt…

“Der Milchtrinker vom Bahnhof Zoo”

Auch nach einigen Tagen in Südamerika geht mir noch die Exkursion des kulturweit-Vorbereitungsseminars “Obdachlose zeigen ihr Berlin – Obdachlos auf schicken Straßen” durch den Kopf. Der obdachlose Dieter (“Ich bin 50 Jahre jung -und nicht alt”) führte uns durch seinen Kiez, den Stadtteil Charlottenburg.

Er erzählte uns, wie er im Winter 2012 obdachlos wurde, nachdem seine Vermieterin ihn durch Abstellen der Heizung und weitere Schikanen aus der Wohnung gedrängt hatte. Dieter wollte eigentlich von Thüringen aus nach Frankreich laufen, um dort sein neues Leben zu starten. Er lief allerdings in die falsche Richtung und landete in Berlin am Bahnhof Zoo. Dort schloss er sich einer Gruppe von acht Obdachlosen an, um gemeinsam das Leben auf der Straße zu bewältigen – vornehmlich mit Essensbeschaffung und dem Finden eines Schlafplatzes. Einem Mann seiner Gruppe fehlte ein Arm:  Seine Armprothese mit einem Reißverschluss nutzte er als “Einkaufstasche”, um Lebensmittel darin mitgehen zu lassen. Ein breiter und großer Kerl war dafür zuständig, die Gruppe zu verteidigen, wenn diese von anderen Obdachlosen beklaut oder angegriffen wurde. Dieter berichtete, dass fast alle in seiner Gruppe alkoholabhängig waren und zwei bis drei Flaschen Schnaps pro Tag killten. Er selbst machte sich dagegen den Namen als “Der Milchtrinker vom Bahnhof Zoo”, da er keinen Alkohol anrührte und bei Milch blieb!

Er betonte außerdem, wie schwer es sei, den öffentlichen Raum für private Zwecke zu nutzen. In Berlin wurden wohl in den letzten Jahren viele Holz- durch Metallbänke ersetzt. Das stelle ein großes Problem für Obdachlose im Winter dar, denn im Schlaf könne die Haut von Gesicht oder Händen über Nacht am Metall festfrieren und dann abreißen. Zudem würden bei Minusgraden einzelne Hautzellen absterben, was meist am großen Zeh beginne. Die abgestorbenen Hautzellen beginnen dann zu faulen und übel zu riechen. Deswegen liege ein unangenehmer Geruch mancher Obdachloser eventuell nicht an mangelnder Hygiene, sondern an abgestorbenen Zellen. Die Behandlung der Hautzellen ist sehr teuer, weswegen sich manche Obdachlose extra oft beim Schwarzfahren erwischen lassen, um dann über den Winter im Gefängnis sein zu können, wo es eine kostenlose medizinische Behandlung gebe. “Der Milchtrinker vom Bahnhof Zoo” berichtete aber auch von netten Menschen, die der Gruppe Lebensmittel schenkten und ihm beim Finden einer Wohnung unter Betreuung halfen.

Am Ende der Kiezführung zog Dieter ein deprimierendes Resumée: Von seiner damals 8-köpfigen Gruppe sind nur noch zwei Personen am Leben: Er und ein Mann, dessen Körper den krassen Alkoholkonsum nicht mehr lange mitmachen würde. Die Meisten waren am Alkoholmissbrauch gestorben. Eine Obdachlose war abhängig von Crystal-Meth und sah mit Mitte 20 wohl schon aus wie eine alte Frau, da die Droge die Haut komplett rissig mache. Ein Anderer war unter mysteriösen Umständen mit aufgeschlagenem Kopf gestorben, was sie damals alle hart getroffen hatte.

Die Exkursion, die kulturweit im Vorbereitungsseminar für unseren Auslandsaufenthalt angeboten hatte, war ein interessanter Ausflug, der uns allen noch einmal bewusst machte, wie hart das Leben auf der Straße ist. Dieter gab uns diese Anregung mit auf den Weg: Man solle Obdachlosen wenigstens Beachtung schenken. Denn oftmals tendiere man dazu, Obdachlose, die nach Geld fragen, wie Luft zu behandeln. Doch sie sind immer noch Menschen, denen man menschenwürdig gegenübertreten sollte.

“Vom Kolonialismus bis zur warmen Dusche” (Das Vorbereitungsseminar in Berlin)

Die Busse mit 165 kulturweit-Freiwilligen kamen nach einer trubeligen und sehr lauten Fahrt auf dem Gelände der Europäischen Jugendbegegnungsstätte am Werbellinsee am 1. März 2018 an. Spannung! Jeder von uns würde nach dem kulturweit-Vorbereitungsseminar in einen anderen Teil der Erde gehen – hier wollten wir uns vor unserem FSJ noch ein paar Gedanken machen. Tagsüber ging es in unsere “Homezone”, eine betreute Gruppe von circa 15 Freiwilligen, die in eine ähnliche Region ausreisen würden. Ich hatte das Glück, die super lustige, einfühlsame und beeindruckende Fanny als Betreuerin meiner Lateinamerika-Gruppe zu haben.

“Mission Impossible” nannte Fanny die Liste mit etwa 20 Aufgaben, die wir in 20 Minuten zu lösen hatten: Wir mussten hundertmal um das Seminarhaus laufen, Tiergeräusche nachmachen, während wir uns zeichneten und sangen. Die Atmosphäre lockerte sich total auf und wir lernten uns gleich besser kennen.

Wir beschäftigten uns mit unserer Motivation für den Freiwilligendienst im Ausland, mit unseren Wünschen aber auch Ängsten. Es war erstaunlich, wie schnell wir diese Nähe in der Homezone aufbauten, um uns auch private Dinge anzuvertrauen.

Ein zentrales Thema des Vorbereitungsseminars war Rassismus und wir lernten eine Menge über den Kolonialismus. Es war wirklich interessant für mich, da ich mich noch nie so intensiv damit beschäftigt hatte, wie stark rassistisches Denken in unserer Gesellschaft verankert ist. Jeder von uns sollte definitiv öfter seine Stereotype checken und sich fragen, wodurch man geprägt wurde und woher die eigenen  Schlüsse kommen.

Entspannte Spaziergänge am wunderschönen Werbellinsee machten wir in der knappen Freizeit, die einige Übermotivierte zum Joggen am See nutzten. Abends spielten wir oft “Werwolf” im Kasino, sangen Lieder mit Jerô oder nahmen am “Markt der Möglichkeiten” teil: Da konnte man an “Capoeira für Anfänger” oder “Selbstverteidigung” teilnehmen oder gemeinsam einen Film schauen.

 

Im Laufe des Seminars lernte ich unglaublich amüsante neue Wörter aus unterschiedlichsten Regionen Deutschlands kennen. Zu meinen absoluten Favoriten gehörten auf jeden Fall: “Des taugt ends/bös” (etwas ist sehr cool), “Des is fei scheiße” (fei als Verstärkung) und “madig” (etwas ist nicht so cool). Die anderen bemerkten, dass ich sehr häufig das Wort “derbe” verwende, um Aussagen zu bestärken, muss wohl Hamburgisch sein. Es war lustig, wie schnell man Wörter der anderen selbstverständlich in den Wortschatz aufnahm. Wenn ich doch bloß auch so schnell Spanisch lernen würde…

Am Montag und Dienstag waren die Partner*innen Tage, an denen wir Zeit mit Vertretern der Organisation unseres Freiwilligendienstes verbrachten. Da ich als Freiwillige nach Buenos Aires zum Colegio Mater Ter Admirabilis gehen werde, lernte ich mehr über das Goethe-Institut, dessen Partnerschulen (Pasch-Schulen), das System der Fit-Schulen und den Internetauftritt www.pasch-net.de. Spannend fand ich auch den Bericht von zwei ehemaligen kulturweit-Freiwilligen, die in Lateinamerika eingesetzt wurden und total unterschiedliche Erfahrungen gemacht hatten!

Es folgte eine Einführung in Didaktik. Dazu bekamen wir Tipps, wie eine gute Unterrichtsstunde aufgebaut sein sollte und was man als Einstieg in die Stunde oder als Energizer zwischendurch machen könnte. Beim Brainstorming für unsere Projekte kamen Vorschläge wie eine Koch-AG, Brieffreundschaften mit deutschen Schulen, eine Theater-AG oder das Singen von deutschen Kinder- oder Popliedern auf. Ein nicht ganz so ernst gemeinter Vorschlag war, eine Bier-AG zu gründen, in der man die deutsche Bierkultur vermitteln könnte.

Außerdem beschäftigten wir uns im Rahmen von UNESCO-Workshops mit dem Thema Nachhaltigkeit, Postwachstum und dem Thema “Antisemitismus heute”. Es wurde viel diskutiert! Man muss aber sagen, dass unsere Köpfe am Ende der Woche zu rauchen begannen und drohten, bei all den unlösbaren Problemen, über die wir sprachen, zu platzen. Es war außerdem recht anstrengend, 24/7 von so vielen Menschen umgeben zu sein und ohne längere Pausen ein volles Programm zu haben. Insofern freuten wir uns dann alle auf die baldige Ausreise in die Einsatzstellen auf der ganzen, weiten Welt.

Bei der großen Abschiedsfeier legten verschiedene Freiwillige und Betreuer als DJs auf (unter anderen Olivia als “thaichicken”) und alle tanzten die ganze Nacht. Es war echt cool zu sehen, dass für jeden der 165 Freiwilligen etwas an Musik dabei war. Als wir gegen 5 Uhr morgens ins Bett fielen, blieben uns nur noch 2 Stunden zum Schlafen. Aber es war definitiv die beste Tanzparty, auf der ich seit Langem war!!!

Für unseren letzten Morgen hatte Fanny eine nette Abschluss-Idee in unserer Homezone. Jeder gab jedem eine “warme Dusche”: Wir schrieben uns gegenseitig ein Kompliment oder einen Satz auf Zettel, den wir demjenigen auf den Weg geben wollten. Ein süßes Andenken, das man herauskramen kann, wenn es einem im Ausland mal nicht so gut geht.

Der Abschied fiel uns echt schwer, nachdem wir alle in den letzten 10 Tagen so eng zusammen gewachsen waren. Es war komisch bis surreal, dass man so viel miteinander erlebt hatte und die Meisten doch in den nächsten Monaten gar nicht mehr sehen würde… So wurden noch ganz viele Nummern und Umarmungen ausgetauscht, bevor wir dem Werbellinsee “Tschüss, bis in 6/12 Monaten” sagten und alle in die Busse stiegen.  

Über mich :)

Moin meine Lieben,

Ich heiße Lola und komme aus dem schönen Hamburg. Nach dem Abi letzten Sommer war ich einen Monat mit drei Freundinnen auf Interrail-Tour durch Osteuropa unterwegs.  Danach habe ich noch ein Praktikum in einer Kunstgalerie gemacht und viel in einem Restaurant gejobbt.

Ich wollte schon immer unbedingt Spanisch lernen und Lateinamerika bereisen, da mich Musik, Sprache und Kultur schon immer fasziniert haben. Durch kulturweit habe ich nun die Chance, genau das zu tun: Denn ich werde die nächsten 12 Monate in Buenos Aires, Argentinien an einer PASCH-Schule des Goethe-Instituts mein FSJ absolvieren und freue mich schon darauf, Land und Leute kennen zu lernen!