Über Sinn und Unsinn von Auslandsblogs

Monatelang habe ich diesen Blog nun leer in den Weiten des Netzes herumdümpeln lassen. Ich hatte mir fest vorgenommen, meine Erfahrungen, Erlebnisse, Erkenntnisse, Schnipsel und Fetzen von den Menschen, Orten und Situationen, die mir hier begegnen, festzuhalten und zu teilen. Die letzten zwei Monate, die ich nun schon in Kigali lebe, ist diese Idee immer wieder wie ein kleines Spukgespenst durch meinen Kopf gegeistert und hat einen leicht schalen Geschmack des schlechten Gewissens auf meiner Zunge hinterlassen.

Denn einfach mal einen Blogeintrag zu schreiben ist gar nicht so einfach.  Erzählungen aus dem Ausland haben eine lange Tradition; ob als Reisereportagen, Fotoserien, fiktive Abwandlungen der Realität oder kultursoziologische, biologische oder anderweitig wissenschaftliche Abhandlungen – schon immer haben die Menschen gerne von der unbekannten Ferne berichtet. Und genau da liegt das Problem. Denn so lange sie schon erzählen, so lange tun sie es schon schlecht: exotisieren und marginalisieren den Globalen Süden und seine Bewohner, konstruieren Klischees und Stereotype, stilisieren sich selbst zum White Saviour, wiederholen Unwahrheiten, Ungenauigkeiten und Spekulationen. 

Wie also schreibt man nun über das Ausland? Und vor allem wie über Afrika, einen Kontinent, der wohl wie kein anderer Teil dieser Erde unter diesen Mechanismen gelitten hat und leidet? Wie, ohne zu mystifizieren, exotisieren, marginalisieren oder irgendein anderes böses -ieren?

Wie immer bei solchen Fragen ist es viel einfacher zu sagen, wie man es nicht tun sollte. Einen charmant-brillianten Text nach diesem Prinzip hat Binyavanga Wainaina verfasst. In How to write about Africa zeichnet der kenianische Autor eine satirische Anleitung, wie eine perfekt-klischeehafte Darstellung des Kontinents im Rest der Welt gelingen kann:

Don’t get bogged down with precise descriptions. […] your reader doesn’t care about all that, so keep your descriptions romantic and evocative and unparticular. […] Africa is to be pitied, worshipped or dominated. Whichever angle you take, be sure to leave the strong impression that without your intervention and your important book, Africa is doomed.

Aber nun wirklich – wie will ich denn nun schreiben? Welche Geschichte von Ruanda (und mit ein bisschen Glück ein wenig vom Rest Ostafrikas) will ich erzählen? Idealerweise natürlich nicht nur eine, sondern viele. Viele Geschichten vieler Menschen, die ich hier treffen darf und deren Gedanken, Erlebnisse, Meinungen so vielleicht nicht nur mein Leben bereichern können. Viele Geschichten über ein Land, in dem Alltägliches, Außergewöhnliches, Interessantes und Langweiliges gleichzeitig, nebeneinander und immer wieder passieren, wie in jedem anderen Land der Welt auch.

Diese Gedanken, dieses heere Ziel, diese Problematiken sind alles Nuancen des Geschmacks vom schlechten Gewissen auf meiner Zunge und ein bisschen lähmen sie mich. Denn ich will es nicht falsch machen – ich will mich nicht zum Held einer Geschichte stilisieren, die es gar nicht gibt, will nicht falsche Klischees in den Köpfen von Menschen aufbauen, die niemals die Möglichkeit haben werden, sie abzubauen. Darum habe ich lange darüber nachgedacht, überhaupt nichts Öffentliches zu schreiben und all meine Erlebnisse nur privat für mich festzuhalten.

Die Entscheidung, es doch zu versuchen, traf ich, als ich neben einer Freundin mit Blick auf den Indischen Ozean und einem Tusker-Cider in der Hand über genau dieses Problem sprach. Als sie erzählte, dass es ihr ebenfalls schwer fiele, die Momente und das Leben hier in all ihrer Komplexität darzustellen:

„Wie kann ich alles, was ich erfahre, was ich sehe, fühle, schmecke wiedergeben? Wie kann ich etwas so erzählen, dass es der Einzigartigkeit des Moments gerecht wird? Wie verliere ich mich nicht in Worten über Dinge, die ich gar nicht erzählen kann, Dinge, die einfach erfahren werden müssen.“

Mit den letzten Schlücken unserer Ciders kamen wir zu dem Schluss, dass es unfassbar schwierig ist, einen guten, einen sinnvollen Auslandsblog zu schreiben. Vielleicht sogar unmöglich. Aber dass es gleichzeitig dumm wäre, etwas nur nicht zu versuchen, weil man es falsch machen könnte.

Und somit spüle ich jetzt den Geschmack auf meiner Zunge nicht nur mit dem Cider, sondern – um einmal kurz pathetisch zu werden – vor allem mit ein, zwei Schlucken Mut, Fehler- und Lernbereitschaft sowie konstanter Selbstreflexion herunter und will jetzt wirklich, endlich, schließlich damit beginnen, diesen Blog zu füllen.

Ein Gedanke zu „Über Sinn und Unsinn von Auslandsblogs“

  1. Hallo Lisa,
    ich freue mich, dass ich deinen Blog über die kulturweit-website gefunden habe. Ich habe mich gerade bei kulturweit beworben und bin nun an den vielen Eindrücken der derzeitigen Freiwilligen sehr interessiert.
    Dabei ist mir aufgefallen, dass wir uns (sofern ich mich nicht täusche) aus Tansania kennen (2015 in der Mwanga Children’s Foundation)? Lustigerweise hat es auch mich während meines Studiums zwischenzeitlich nach Rom verschlagen und nun hege ich den Wunsch ein FSJ im Ausland zu machen, den du dir gerade erfüllst!

    Ich wünsche dir eine tolle Zeit und viele Eindrücke und Erfahrungen.
    Liebe Grüße
    Hannah

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