Ein Orchester im Kopf

Es ist mitten in der Nacht und ich wache von einem ratternden Geräusch auf. Anscheinend wäscht jemand sehr viel Wäsche um 3 Uhr  Nachts, einen Stock über mir.
„Geil“, denke ich, schlafe ein und bringe im Traum gleich mal meine Wäsche mit nach oben.

Am nächsten Morgen rattert die Maschine immer noch und langsam wird mir klar, dass es sich wohl eher nicht um eine Waschmaschine handelt, außer jemand hat in der Wohnung über uns eine sehr lukrative Wäscherei aufgemacht.

Ich versuche übermüdet in 5 Minuten zwischen Duschen und Sachen packen, ein Frühstück in mich reinschlingen. Hinter mir knallt die schwere Wohnungstür zu, bevor ich mich zwischen Autos hindurchzwänge, die auf dem Weg zur Arbeit die Straßen zu stauen. An den Verkehr in Ulaanbaatar habe ich mich einigermaßen gewöhnt.

Es gilt die Regel: „Wer das größte Selbstbewusstsein im Straßenverkehr zeigt, hat Vorfahrt“.

Ampeln und speziell Zebrastreifen sind eher sowas wie unverbindliche Verkehrsempfehlungen. Das Resultat sind lange Staus und die Gefahr bei Grün überfahren zu werden. Aber damit finde ich mich ab.

Was mich aber jedes Mal in den Wahnsinn treibt, ist das Hupkonzert das die Straßen und Kreuzungen beschallt. Bei jeder Gelegenheit wird wie wild auf die Hupe gehauen, als wären die Autofahrer Teilnehmer in einer Quizshow in der die Person, die zuerst mit voller Kraft auf die Hupe haut den Hauptpreis mit nach Hause nehmen darf. Während sich in meinem Kopf das Hupen der Autos zum Rattern der Waschmaschine meiner Nachbarn gesellt, erreiche ich endlich meine Arbeit.

Man renoviere gerade die Lobby, und ich solle mich nicht wundern wenn es etwas lauter werden könne, schreit mir eine meiner Kolleginnen zu, als ich das Büro betrete. Irgendwie scheint mich der Lärm heute zu verfolgen. Die kleinen Kopfhörer, die mich eigentlich mit dem Spotify-Entspannungsmix versorgen sollen, habe ich natürlich zuhause vergessen.

Als nach einem langen Tag die Wohnungstür wieder hinter mir zufällt, erzählt mir meine Mitbewohnerin, dass sie und die Nachbarn vergeblich versucht haben die Quelle des Ratterns ausfindig zu machen. Leider ohne Erfolg.

Es ist wieder 3 Uhr Nachts und ich bin immer noch wach. Aus dem Rattern ist ein Stampfen geworden. Die Wäscherei über meinem Zimmer wurde wahrscheinlich von einer ganzen Armee überrannt, die mit ihren Stiefeln versuchen die Klamotten zu trocknen. Ein langer Tag geht zu Ende und ich schließe meine Augen während sich die Geräusche des Tages in einem Crescendo vereinen. Vielleicht wird es morgen ja ein bisschen leiser. Auf jeden Fall werde ich meine Kopfhörer nicht nocheinmal zur Arbeit vergessen.

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