Wie ich Montagmorgende lieben lerne

Montagmorgen, 07:45, ich habe Unterricht mit meiner Lieblingsklasse. Wie ist das möglich, fragt man sich da, am Montagmorgen um viertel vor Acht. Ich weiß es auch nicht, aber jede Woche wieder gehe ich mit einem Grinsen auf dem Gesicht aus dem Kurs raus, mit den Schülern habe ich einfach irgendwie ein gutes Verhältnis. Und das obwohl mein Wecker um 06:30 geklingelt hat und es bei Unterrichtsbeginn noch nicht mal hell draußen ist.

Um 06:30 Uhr aufstehen ist tatsächlich aber nicht die Norm meines Schulalltags. Schule ist von 07:45 bis 20:30, da die 4500 Schüler aus logistischen Gründen nicht alle gleichzeitig unterrichtet werden können. Ich bin täglich meistens 4 bis 5 Doppelstunden in der Schule, entweder vor- oder halt nachmittags. Zwei Mal die Woche muss ich bis Abends um halb neun bleiben.

Hier nun nach zwei Monaten also endlich mal der Blogpost über meine Arbeit in der Schule. Größtenteils begleite und unterstütze ich eine der vier Lehrerinnen im Unterricht, wobei ich die Woche über bei allen Lehrerinnen mal dabei bin, was zum Glück schon mal für etwas Abwechslung sorgt. Meine Aufgaben sind dann z.B. Fragen der Schüler beantworten, Dinge erklären, Tafelbilder erstellen, während des Unterrichts rumgehen, Aufgaben oder Tests korrigieren, im Bezug auf Aussprache und Artikulation helfen oder auch kleinere Schülergruppen aus dem Unterricht rausnehmen und alleine unterrichten. Ganz alleine war ich bis jetzt mit einer kompletten Klasse (um die 45 Schüler) noch nicht, allerdings soll ich aber nächste Woche zwei Doppelstunden alleine übernehmen, da die Lehrerin in der Zeit zum Arzt muss. Mal sehen wie das wird.

Hinzu kommt täglich ein Zertifikatskurs, den ich entweder mit einer anderen Freiwilligen oder einer Lehrerin zusammen leite. In diesen Kursen werden die Teilnehmer speziell auf die Deutschzertifikatsprüfungen auf dem Niveau A1, A2 oder B1 Ende des Jahres vorbereitet. Sie finden zusätzlich zum regulären Deutschunterricht statt. Diese Kurse machen mir besonders viel Spaß, da man ausschließlich mit interessierten und motivierten Schülern arbeitet und Themen mehr vertiefen kann. Mit den B1 Schülern kann man sich tatsächlich sogar auf Deutsch unterhalten, was mich immer wieder überrascht, mit allen anderen Jungs finden die Gespräche ausschließlich auf Spanisch statt, was mir natürlich sehr beim Lernen hilft. In diesen Kursen werden die Fragen dann allerdings auch schon mal etwas komplexer. Ja, Lea, dann erklär doch mal auf Spanisch den Unterschied zwischen „tuscheln“ und „flüstern“ oder zwischen „Bedingung“ und „Voraussetzung“.
Außerdem gibt es die sogenannten „Projektstunden“, die meistens zur Materialvorbereitung dienen. Entsprechende Aufgaben sind z.B. Arbeitsblätter oder anderes Material für den Unterricht erstellen. Manchmal heißt es allerdings auch scannen, drucken, ausschneiden, ausmalen, laminieren, tackern, sortieren, Transkriptionen erstellen. Alles das, was den Lehrern eben gerade so Arbeit abnimmt.

Apropos Lehrer, ich kenne tatsächlich bis jetzt nur die Deutschlehrerinnen, da es ein eigenes Deutschlehrerzimmer gibt, in dem wir uns immer aufhalten. Anderen Lehrern laufe ich deswegen wenn überhaupt mal auf dem Flur über den Weg. Mit allen Deutschlehrerinnen habe ich aber ein sehr gutes und freundschaftliches Verhältnis, die Atmosphäre im Deutschlehrerzimmer ist immer sehr angenehm.

An der Schule passiert sehr viel, der Welttag des Schülers wird ebenso zelebriert wie der des Buches, momentan ist „la semana matemática“, weshalb es verschiedene Projekte gibt. Nicht selten fällt deswegen auch mal Unterricht aus, weshalb ich früher gehen kann oder manchmal auch gar nicht erst kommen muss. Freue mich dann jedes Mal wie früher bei dem einen Mal Hitzefrei im Jahr. Auch für Länderspiele der Nationalmannschaft oder auf Grund von Straßendemos kann die Schule schonmal früher enden.

In Hinblick auf eigene Projekte habe ich mehr vor als bisher durchgeführt. Allerdings bin ich auch erst seit zwei Monaten da und habe noch neun vor mir, ist also ok so glaube ich. In Planung ist ein Lehrerdeutschkurs, der von uns Freiwilligen durchgeführt werden soll und wofür wir gerade fleißig am Material erstellen und raussuchen sind. Zudem habe ich ein Kunstprojekt, die Gestaltung der Wand vor dem Deutschraum von einer Gruppe Deutschschülern und einem deutschen Künstler, sowie meine Lieblingsklasse bei ihrem Projekt zu „Les Miserables“ am Welttag des Buches unterstützt. Ideen für eigene Projekte habe ich auch schon: ein Fußballturnier und Public Viewing beim Deutschland – Chile Spiel im Juni, eine eigene AG und ein gemeinsames Projekt mit Spanischschülern vom MCG. Aber alles step by step. Despacito.

So sieht also im groben und ganzen meine Arbeit aus. Insgesamt macht es mir wirklich Spaß, auch wenn ich zugeben muss, dass ich an einigen Morgenden auch mal denke „ohhhh, gar kein Bock auf Schule“ und sich nach wie vor nichts daran geändert hat, dass ich nicht Lehrerin werden will. Besonders die Arbeit mit den Jungs macht riesigen Spaß. Auf jedes „Hallo Lea“ auf dem Flur und jedes grinsende Gesicht, wenn ich in die Klasse komme, bin ich stolz. Die meisten haben mittlerweile ihre anfängliche Schüchternheit verloren, kommen auch außerhalb des Unterrichts zu mir und viele Gespräche haben auch gar nicht unbedingt was mit Deutsch zu tun. Heute wurde ich von einem Schüler zum „Spanische Literatur und Poesie Club“ eingeladen, er hat mir ganz stolz seine eigenen Gedicht gezeigt und mich gebeten, ein deutsches Gedicht für ihn zu übersetzen. Ich habe ungefähr 50 neue Follower auf Instagram und ebenso viele Freundschaftsanfragen auf Facebook, was ich davon halten soll weiß ich noch nicht so ganz, aber gut. Auch die anfängliche Angst, an einer reinen Jungenschule zu arbeiten, ist komplett verflogen und war wie sich herausgestellt hat vollkommen unberechtigt, die Jungs behandeln mich mit sehr viel Respekt. Die wenigstens glauben mir allerdings, dass ich erst achtzehn bin und fragen fünf Mal nach, ob ich sie nicht verarsche. Dass meine Schüler teilweise so alt sind wie ich, teilweise aber auch wie mein kleiner Bruder, ist schon manchmal seltsam.

Übrigens haben Stella und ich uns einen Instituto Pulli gekauft, tragen jetzt also ab und zu quasi auch die Schuluniform. Als ich das erste Mal damit in die Klasse kam, wurde ich mit Applaus und Jubel begrüßt, die Jungs scheinen sich also wohl drüber zu freuen. Und wir gehören noch mehr dazu.

2 Comments

  1. Susanne Horst

    Das sind doch tolle und sinnvolle Projekte, Lea! Da hat man doch das Gefühl. etwas Gutes zu bewirken!
    Tolle Erfahrungen!
    🙂

  2. Nina

    Ich bin sehr gerührt und überwältigt von deinen Worten, Lea. Love you, deine Mami

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