Das Glück der Erde…

Am 01. Juli feiert Ghana den Republic Day. Und da dieser Feiertag auf einen Sonntag fiel, gab es als Ersatz den Montag frei. Immerhin können die Menschen ja nichts dafür, dass der Feiertag auf das Wochenende fällt. Das war mir gleich sympatisch. Am 01. Juli 1960 wurde Ghana eine unabhängige Republik, jedoch wird im März auch noch der Independence Day gefeiert – der Tag, an dem Ghana unabhängig von Großbritannien wurde und als erstes Land in Afrika nicht von Europäern regiert wurde.

Das lange Wochenende haben Zaira und ich genutzt mal etwas weiter aus Accra herauszufahren. Viele Strecken lohnen sich für einen Samstag/Sonntag Ausflug nicht, also hat sich das angeboten. Wir entschieden uns für den Lake Bosumtwi (oder auch Lake Bosomtwe) in der Nähe von Kumasi, denn wir hatten schon öfters gehört, dass es dort wunderschön sein soll. Außerdem könnte man dort reiten gehen und für ein jahrelanges Reitermädchen war das natürlich ein absoluter Pluspunkt. Wir buchten uns in der Green Ranch ein. Die kleine Ranch wird von einer Französin betrieben, die es sich zur Aufgabe gemacht hat einen Beitrag zur Umwelt zu leisten. Maximal 15 Gäste können zeitgleich in der Ranch schlafen. Das soll den Müllverbrauch verringern und der Unterkunft die Möglichkeit geben ihren Müll selbst zu entsorgen. Das Wasser wird selbst gefiltert, in Glasflaschen abgefüllt und frei angeboten, damit die Besucher auf Plastikflaschen verzichten können. Die Pferde laufen den ganzen Tag frei auf dem Gelände herum und kommen nur abends in ihre Boxen. Ein Projekt, was ich gerne unterstützt habe.

Wir brachen morgens mit dem VIP Reisebus von Accra nach Kumasi auf. Der Bus war deutlich komfortabler, als die Trotros und Minivans, die wir sonst nutzten, hatte aber auch einen stolzen Preis von 45 Cedi. Dafür gab es einen Raststopp mit den saubersten Toiletten, die ich in Ghana jemals gesehen habe. Davon könnten sich selbst manche Raststätten an Deutschlands Autobahnen eine Scheibe von abschneiden. Einzig die Klimaanlage in dem Bus war ne Ecke zu viel. Die Fahrt dauerte recht lange, vor allem weil wir bei Ankunft in Kumasi erstmal im Stau standen. Ghana Style eben. Dort angekommen liefen wir zur Trotro Station. Von Accra gibt es keine direkte Verbindung zum Lake Bosumtwi, von Kumasi leider auch nicht. Wir sollten über Kuntanase fahren und von dort mit dem Taxi nach Abono, wo der See liegt. An der Station trafen wir zufällig fünf andere Deutsche. Und ein Trotro nach Abono. Kurze Verwirrung, gemischt mit Freude, gemischt mit komischen Gefühlen. Schnell wurde klar, dass das Trotro nur wegen uns „Weißen“ nach Abono fahren würde und auch den Preis verlangen würde. Nach längere Verhandlungsphase – der Mate wollte das alles künstlich in die Länge ziehen – einigten wir uns auf einen Preis und er durfte noch weitere Menschen auf dem Weg einsammeln. Kurze Zeit später fing es sehr stark an zu regnen. Die Scheibenwischer fielen aus und der Fahrer fuhr einfach in seinem (etwas schnellem) Tempo weiter. Es wurde kein Schlagloch ausgelassen, das Wasser spritze nur so über die Straßen und einmal sind wir knapp einem Unfall entkommen. Zumindest ist es mir nur einmal wirklich aufgefallen. Als wir endlich am kleinen Ankunftshäuschen vom See ankamen, war ich sehr erleichtert. Wir drückten dem Ranger die 5 Cedi Parkgebühr in die Hand und fuhren weiter. Der Lake Bosumtwi ist ein UNESCO Biosphärenreservat, die Parkgebühr unterstützt die Entwicklung dort. Wenige Minuten später erreichten wir dann Abono – und wurden direkt wieder weggezerrt. Ein Mann kam an und meinte wir sollten mit in das Tourismusbüro kommen. Warum? Keine Antwort. Er verlangte 10 Cedi Eintrittsgebühr, ohne dürften wir uns nicht dort aufhalten und wurde sehr frech, als wir diese verweigerten. Immerhin hatten wir ja schon eine Eintrittsgebühr bezahlt. Es war mal wieder eine der vielen Maschen, mit denen viele Menschen versuchen mehr Geld zu machen. Eine Erklärung für was das Geld sei, wollte er uns nicht geben. Als Antwort wurden wir nur angeschrien. Das ging so weit, dass wir die Unterkunft anruften und nachfragten, was es damit auf sich hat. Die Besitzerin meinte, wir sollten gehen, wir müssen die Gebühr nicht zahlen. Hätte man uns erklärt, für was das Geld benötigt wird, wären wir vermutlich bereit gewesen diese 10 Cedi als Spende abzugeben. Der Mann machte allerdings den Anschein, als würde er sich die 70 Cedi, die er an uns verdient hätte, einfach selbst in die Tasche steckten. Im strömenden Regen machten wir uns dann auf die Suche nach einem Taxi. Und der Spaß ging von vorne los. Die 10-minütige Fahrt zur Unterkunft wurde uns für 40 bis 50 Cedi angeboten. In Accra zahlen wir für die gleiche Strecke maximal 10 Cedi. Da wir aber vor Einbruch der Dunkelheit in der Unterkunft ankommen wollten, einigten wir uns auf eine 25 Cedi Fahrt. Die anderen Deutschen wohnten in einem anderen Hotel und es hat uns sehr viel Mühe gekostet, den Taxifahrern zu erklären, dass wir nicht in die gleiche Unterkunft fahren. Und was passiert? Der Taxifahrer fährt uns in die Unterkunft der anderen Deutschen. Ein klassischer Fall von nicht-zuhören, den viele Ghanaer, die ich bis jetzt getroffen habe, sehr zu pflegen scheinen. Nach zehn (!) Stunden Reise kamen wir dann endlich an der Green Ranch an.

Die Aussicht

Die Ranch hat mich von Anfang an begeistert. Kleine, aber schöne Zimmer. Ein wunderschöner Ausblick auf den See. Freilaufende Pferde und ein etwas frecher Esel. Einfach eine nette Umgebung und absolut empfehlenswert, wenn man den Lake Bosumtwi besuchen möchte.

Der Tag war für uns dann mehr oder weniger gelaufen. Durch den Regen und die Dunkelheit konnten wir die Umgebung nicht mehr wirklich erkunden, also gingen wir auf die große Terrasse und genossen unser vegetarisches Abendessen. Auf der Ranch wird ausschließlich vegetarisches und veganes Essen angeboten. Ich bin zwar keine Vegetariern, aber es war eine nette Abwechslung zum ewigen Fleischkonsum, dem wir in Accra ausgesetzt sind. Wir sprachen mit den anderen Gästen und verzogen uns danach recht schnell in unser Zimmer.

Am nächsten Morgen entschieden wir auf jeden Fall einen Ausritt machen zu wollen. Das Wetter war unbeständig, aber Elodie (die Besitzerin) war zuversichtlich, dass wir im Laufe des Morgens eine trockene Phase erwischen würden. Und sie sollte Recht behalten. Nach dem Frühstück warteten wir den kurzen Regen ab und schon ging es los. Eine Stunde entlang des Sees und der kleinen Dörfer. Und endlich mal wieder auf dem Rücken eines Pferdes. Es hat unfassbar viel Spaß gemacht auch wenn ich etwas Muskelkater davongetragen habe. Den restlichen Tag habe ich mit einem Buch auf der Terrasse verbracht – mit Ausblick auf den See und Schutz vor dem immer wieder kommendem Regen. Es war entspannend einfach mal nichts zu tun und der Hektik Accras zu entkommen.

Neue Freundin gefunden – Indigo

Am nächsten Tag mussten wir schon wieder abreisen. Und das relativ früh, da wir auf dem Hinweg ja gelernt hatten, dass die Fahrt durchaus länger dauern kann. Aber natürlich kam es mal wieder anders. Wir entschieden uns mit dem Boot nach Abono zu fahren und von dort ein shared taxi zu den nächsten Orten zu nehmen. Leider kam das Boot aber nicht. Nach über einer Stunde warten, rufte Elodie uns ein Taxi. Und prompt kam das schon abbestellte Boot angefahren. Typisch Ghana. Eine halbe Stunde später saßen wir dann endlich im Taxi. Elodie erklärte uns, dass wir nicht wieder über Kumasi fahren müssen. Auf der Strecke gäbe es einen Ort, wo auch Kleinbusse nach Accra fahren. Perfekt! Dachten wir zumindest. Dort angekommen mussten wir nämlich über eine Stunde warten, bis der Bus sich endlich mal füllte. Und normalerweise fahren solche Busse die Strecke dann durch. Unserer nicht. Wir hielten an jeder Möglichkeit, ließen Leute ein- und aussteigen. Wie bei einem Trotro. Nur, dass wir deutlich mehr bezahlt hatten. Als wir uns endlich Accra näherten und knapp zehn Minuten von der Station entfernt waren, entschied der Fahrer aber keine Lust mehr zu haben. Wir mussten aussteigen – Diskussion hin oder her – und mit dem Trotro zur geplanten Station fahren. Wir hatten geplant vor der Dunkelheit in Accra einzutreffen. Durch diese Aktion hat das natürlich nicht geklappt.

Das Wochenende hat mir mal wieder gezeigt, dass in Ghana nie etwas so läuft, wie man es plant. Und es trotzdem immer irgendwie funktioniert. Die Reise war stressig, der Aufenthalt dafür umso schöner. Kleinkriegen lassen gibt es hier nicht. Man nimmt die Dinge, wie sie kommen. Was bleibt einem auch anderes übrig?

Regenzeit, Stromausfälle und andere Kleinigkeiten

Juni ist Regenzeit. Glücklicherweise bin ich noch kein einziges Mal wirklich nass geworden. Meist regnet es nachts, vielleicht mal am Vormittag oder am Abend, aber nie den ganzen Tag, immer nur kurz. Die Regenzeit habe ich mir anders vorgestellt, aber vermutlich habe ich einfach zu wenig Ahnung davon. Die Tage in Accra sind oft bewölkt, manchmal so sehr, dass es gar nicht wirklich hell wird. Die Sonne sieht man seltener, als noch im März oder April, aber doch ist sie ein ständiger Gast.

Leider bringt die Regenzeit auch kleinere Probleme mit sich. Komplett Accra war einen Abend ohne Strom. Die Bars und Restaurants besitzen Generatoren, also machten wir uns auf den Weg Richtung Oxford Street und warteten bis die Lichter wieder angingen. Dann war für längere Zeit Ruhe. Bis vor zwei Wochen…

Mir wurde gesagt, dass Accra im Juni eigentlich immer von einer Katastrophe – verursacht durch den Regen – getroffen wird. Wir sind verschont geblieben, oder es war für mein Verständnis keine Katastrophe. An einem Mittwoch Abend fiel wieder der Strom aus. Und da es in Ghana immer schon um kurz nach 18 Uhr dunkel wird, heißt das wirklich in Dunkelheit sitzen. Da wir darauf keine Lust hatten, fuhren wir ins Afrikiko zum Salsa tanzen und gucken. Was ein Glück, dass es für Mittwoch immer eine Alternative gibt (und die guten, alten Generatoren)! Der Strom ist glücklicherweise immer zurück, wenn man zu Hause eintrifft. Am Wochenende fiel der Strom dann wieder aus und wir flohen erneut aus unserem Haus. Und was für uns so einfach ist, ist für die Menschen, die ihre Straßenstände betreiben oft ein kleiner Fluch. Ob sie sich davon unterkriegen lassen? Nö. Kerzen werden aufgestellt und der Verkauf geht munter weiter – vorausgesetzt die Kundschaft kommt. Ich hab noch keinen Ghanaer gehört, der sich über diese Verhältnisse beschwert. Es ist zu sehr im Alltag verankert.

Und dann kam der Tag, der zu einer kleinen Grenze für mich wurde. Eines Abends hat es so stark geregnet, dass unsere Wohnung voll Wasser lief. Der Wind drückte den Regen durch die Fenster, das Wasser sickerte durch die Wände in die Wohnung. Innerhalb kürzester Zeit waren Wohnzimmer, Küche und beide Bäder vollgelaufen. Unsere Zimmer sind glücklicherweise verschont geblieben. Unsere erste Reaktion war es zu lachen. Was sollten wir auch sonst tun? An den Stromkästen tropfte das Wasser herunter und wir können eigentlich froh sein, dass nichts schlimmeres passiert ist. Seitdem funktioniert der Strom in der Küche auch nicht mehr – zwei Wochen ohne Küche und keine Besserung in Sicht. Die ghanaische Mentalität hat eingeschlagen – wir kommen morgen und reparieren das. Jaja. Morgen. Das war vor zwei Wochen.

Aber der Juni hatte nicht nur die kleinen Katastrophen und Regenfälle mitgebracht. An einem Wochenende entschieden Zaira und ich, dass wir zu den Boti Falls fahren. Immerhin würde sich da auch ein Tagestrip von Accra aus lohnen. Also fuhren wir an einem Morgen in aller Frühe mit dem Trotro nach Madina und von dort mit einem Kleinbus nach Koforidua etwa 1 1/2 Stunden weiter ins Landesinnere. In Koforidua angekommen wurden wir natürlich direkt wieder von Taxifahrern belagert. Samstags würde kein Trotro zu den Boti Falls fahren, was wir anfangs nicht geglaubt haben. Nachdem uns aber mehrere Menschen diese Auskunft gegeben hatte, zweifelten wir langsam. Also nahmen wir einen der (nervigen) Taxifahrer. 8 Cedi pro Person für die Strecke? Guter Deal, machen wir! Und sind damit in eine dreiste Falle des Fahrers gefallen. Bei Ankunft an den Boti Falls wollte der Fahrer nicht 8 Cedi pro Person, sondern 8 Cedi pro Sitz im Auto. Eine gefühlte Stunde voller Diskussionen später, haben beide Parteien irgendwie ihren Kopf durchgesetzt. Wir zahlten nicht seinen verlangten Preis, aber doch mehr, als vorher abgemacht war. Wir sind ja nicht aus Ghana, mit uns kann man’s ja machen. An den Boti Falls selbst sollten wir einen Guide dazubuchen, ohne dürfte man sich auf dem Gelände nicht bewegen. Ebenfalls eine dreiste Lüge, um etwas mehr Geld zu verdienen. Zu den Wasserfällen gelangt man ganz einfach über eine Treppe – Guide nicht notwendig. Die schönen Zwillingswasserfälle konnten wir auch gut alleine betrachten.

Und wie oft wurde uns beim Vorbereitungsseminar gesagt, wir sollen keine Fotos von den Einheimischen machen, außer wir fragen vorher? Wir haben eine gewisse Verantwortung, wenn wir diesen Blog führen. Wir sollten uns bewusst sein, dass nicht jeder fotografiert werden möchte. Leuchtet mir ein. Wirklich. Den Ghanaern aber offensichtlich nicht. Während der Wanderung an den Boti Falls haben wir eine kleine Pause gemacht. Direkt scherrten sich vier ghanaische Mädchen und ein Junge um mich und machten Fotos. Wurde ich gefragt? Natürlich nicht. Ein Mädchen setzte sich sogar auf mich, um ein gutes Foto machen zu können. Ich war kurz vorm Platzen, aber habe nach drei Monaten in Ghana auch gelernt, dass ich mich mit so einem Verhalten abfinden muss. Es war nicht das erste Mal, dass ich so offensichtlich fotografiert wurde. Oft passiert das allerdings heimlicher. Ich habe schon mehrfach bemerkt, dass mich Männer heimlich fotografieren. Auf dem Markt hat mich ein jüngeres Mädchen fotografiert. Wenn wir irgendwo sitzen, egal ob im Trotro, im Restaurant oder sonst wo, werden oft Selfies geschossen – mit uns im Hintergrund. Es ist ein unangenehmes Gefühl ständig wie eine Attraktion behandelt zu werden, nur weil man anders aussieht. Umso mehr kann ich es verstehen, dass man in Deutschland darauf sensibilisiert wird so ein Verhalten eben nicht zu unterstützen. Das funktioniert nur leider nicht überall.

Der Juni brachte natürlich auch die Fußball-WM mit sich. Das erste Deutschland Spiel schauten wir beim Public Viewing in der German Swiss International School. Und wussten direkt – einmal und nie wieder. Obwohl ich die Deutschland Spiele fast immer beim Public Viewing gesehen hatte, mit der deutschen Community in Ghana zu schauen, fühlte sich irgendwie komisch an. Deshalb schauten wir das nächste Spiel in einer Bar. Für Deutschland war es ja leider ein kurzes Vergnügen. Immerhin müssen wir uns jetzt nicht mehr den Kopf zerbrechen, wann wir wo das nächste Spiel gucken. Oder ob wir wegen der Zeitverschiebung noch auf der Arbeit sein werden. Es hat alles seine Vor- und Nachteile.

In den letzten Monaten haben ich definitiv gelernt mit meinen interkulturellen Begegnungen deutlich besser umzugehen. Ich werde auf der Straße von einem Mann angemacht? Ignoriert und weitergehen. Taxifahrer oder Händler versuchen mehr Geld von mir zu bekommen, „nur weil ich weiß bin“? Nicht kleinkriegen lassen. Ändern kann man es sowieso nicht. Nur damit umgehen.