Der Mann am Pool

Wenn er doch nur nicht so schläfrig wäre. Dann könnte er mit seinem Blick die Konturen der Mandara-Berge nachzeichnen. Wie für ihn in die Erde gestoßen, ragen sie senkrecht in die Höhe. Jetzt richtet auch er sich auf. Kämpft sich hitzegeschwächt vom Liegestuhl und tänzelt auf Zehen über die heißen Fliesen der Hotelterrasse Richtung Beckenrand. Der Pool glitzert verführerisch in der Mittagshitze. Er wirkt magisch und für einen kurzen Moment denke ich, dass er doch ganz gut in die Landschaft passt – zu diesen Sprungturm-Bergen.

Die Mandara-Berge bei Rhumsiki

Die Mandara-Berge bei Rhumsiki

Jahrmillionen soll es her sein, da war, was heute Stein ist, alles noch flüssig und im  Innern eines Vulkans. Die Hülle erodierte. Der Kern erkaltete und blieb stehen. Innehalten auch am Pool. Waden und Brustkorb werden mit Wasser benetzt. Alternder Ausdauerkörper landet nach federndem Absprung im Becken. Entspanntes Kraulen bei 37 Grad Außentemperatur. Der Mann ist der einzige Tourist heute. Der Pool gehört ihm. Er schwimmt in den Wasserreserven des Dorfes, dessen Gast er ist.

Rhumsiki liegt an der Grenze zu Nigeria in der kamerunischen Provinz Extrem Nord. Abgesehen von wenigen Niederschlägen in der Regenzeit herrscht große Trockenheit. Das „Campement de Rhumsiki“, das heute den Besuchern Badeluxus mitten in der Sahel-Landschaft bietet, hat der Staat Kamerun einst für den Jagdtourismus angelegt. Um die Wasserversorgung zu sichern, musste fast hundert Meter tief gebohrt werden. So sind Rhumsikis einzige zwei Brunnen entstanden, aber nur einen davon nutzt das Hotel. Der andere dient als Reserve. Die Dorfgemeinde hat keinen Zugang und hat kein Geld einen eigenen Brunnen zu bauen.

Rhumsiki in der Provinz Extrem Nord

Rhumsiki in der Provinz Extrem Nord

Am Hotelzaun schlängelt sich ein kleiner Pfad entlang. Er führt zur Wasserstelle des Dorfes. Die Wurzeln eines alten Baumes laufen knöchern zwischen den großen Steinen. In seinem Schatten liegt eine Frau in meinem Alter. Sie hat ihren Kopf auf einen flachen Fels gelegt und wir lächeln uns schüchtern an. Das kleine Mädchen neben ihr schaut skeptisch zu mir hoch. Vielleicht hat es Angst, dass ich ans Wasser möchte, denn die beiden halten Wache.

Ich beuge mich über den Rand der steinigen Grube, die nur etwa zwei Meter tief ist. Am Grund erahne ich eine kleine Lache. Mein Begleiter aus Rhumsiki erklärt mir, dass Erst- und Zweitfrau eines Mannes zusammen Wasser holen müssen. Während die eine Ehefrau das Wasser zur Lehmhütte bringt, muss die andere die Quelle gegen mögliche Konkurrentinnen verteidigen. Die Trägerin kehrt zurück und übergibt die Kalebasse. Das Kind klettert in die Grube hinab und schöpft. Holz schabt über Stein. Auf der Hotelterrasse trocknet ein weißer Körper in der Mittagssonne. Die nächste Abkühlung ist nur einen Kopfsprung entfernt.

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Eine Antwort zu Der Mann am Pool

  1. Micha sagt:

    Sieben Tage noch, dann ist Schluss mit alleine Kamerun erkunden…
    dann bin ich dabei. Juhu!

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