Aus Abenteuer wird Alltag

Hallo aus Barranquilla!

Der letzte Beitrag ist nun schon eine ganze Weile her und ein Lebenszeichen sicherlich nicht verkehrt. Tatsächlich war ich ziemlich beschäftigt und hatte so nicht die Muße, einen weiteren Beitrag zu verfassen, aber wie sich im Folgen zeigen wird, bin ich über dieses hohe Maß an Aufgaben sehr froh!
(Desweiteren hatte ich den Beitrag schon seit längerem auf meinem Computer vorbereitet, allerdings ist etwas beim Upload schief gelaufen und dementsprechend habe ich seitdem einzelne Sachen ergänzt, was ihn möglicherweise etwas chaotisch wirken lässt.)

Es geht mir hervorragend! Ich bin hier hier wirklich angekommen.
Wenn ich morgens aufwache, ist es schon so natürlich, als würde ich im guten, alten Sundern, meiner Heimat, die Augen aufschlagen. In ruhigeren Momenten, in denen ich etwas Zeit zum Nachdenken habe, wird mir natürlich durchaus bewusst, wie „anders“ mein Umfeld und Leben hier ist, aber das Wichtige ist, dass „anders“ hier definitiv nicht negativ gemeint ist.

Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, weshalb ich mich hier zunehmend wohler fühle. Während ich anfangs noch, dramatisch gesagt, ums Überleben gekämpft habe, sind die Probleme jetzt alltäglicher Natur, zumindest die meisten. Reisen buchen, Verständigungsprobleme oder Wasser- und Stromausfälle sind natürlich auch herausfordernd, aber sie sind eben nicht mehr jener allgemeiner und grundsätzlicher Natur wie zu Beginn.

Die Forstschritte in der Sprache erlauben inzwischen halbwegs flüssige alltägliche Konversationen. So habe ich insbesondere über ein wöchentliches Sprachtreffen, „Tandem“, eine ganze Reihe von Leuten kennengelernt, die mich sehr freundlich in ihre Kreise aufgenommen haben. So manche Nacht haben wir schon gemeinsam verbracht und gerade, wenn die zweite essentielle Fähigkeit neben der Sprache, das Tanzen, funktioniert, ist die Freude groß. Die kolumbianische Musik ist wirklich etwas Besonderes, etwas ganz anderes als der übliche amerikanisch-geprägte Mainstream in Deutschland.

Insbesondere wichtig für meine positive Stimmung im Moment ist, dass sich auch in der Schule meine Aufgaben gewandelt haben. Ich kann nun individuell und sehr frei versuchen, meine Interessen und Fähigkeiten einzubringen. So halte ich Präsentationen im deutschsprachigen Geschichts- und Physikunterricht, lese mit jungen Muttersprachlern, leite mit zwei anderen Lehrern eine Theatergruppe, arbeite mit einer amerikanischen Kollegin an einem Debattierprojekt über Migration in Lateinamerika und entwerfe nach und nach selber Projekte. So habe ich beispielsweise einige deutsche Weihnachtslieder auf die jeweiligen Blasinstrumente transponiert und über sie mit den Schülern ein. Ich spiele auch im Orchester der Schule mit und hoffe, dass ich nach und nach immer mehr Möglichkeiten im musikalischen Bereich der Schule entdecke. (So es wie ausschaut, werde ich nächstes Jahr wohl tatsächlich mein eigenes Projekt mit dem Orchester starten können.)

Ich genieße es zudem sehr, Abstand von meinem gewöhnlichen Leben in Deutschland zu haben und so sehr frei meine Gedanken schweifen zu lassen. Ich lese, schreibe und reflektiere viel. Ich merke, wie ich mein soziales Umfeld in Deutschland mit Familie und Freunden immer mehr zu schätzen weiß, wo ich im Moment so weit von ihnen weg bin.

Reflektion ist auch der stechende Begriff für das Kulturweit-Zwischenseminar, das Ende November in der Nähe von Santa Marta stattfand. Der Ort war absolut traumhaft: Eine Finca inmitten der Natur. Gutes Essen, umherschlendern im Wald, Schwimmen gehen im Meer oder einem kleinen „Naturpool“ und vor allem währenddessen stetiger Austausch mit den anderen Freiwilligen. Zudem wurde es uns vom Gastgeber und indigenen Einwohnern völlig neue Perspektiven auf Kolumbien und dessen Geschichte gegeben. Alles in allem war es eine fantastische erholsame Zeit und gerade der Austausch mit den anderen Freiwilligen und den Trainern war sehr spannend und lehrreich.

Heute geht´s mit dem Beginn der Weihnachtsferien für einen Sprach- und Tanzkurs nach Medellin, eine der spannendsten und wohl auch schönsten Städte Kolumbiens. Ich bin sehr gespannt, auf das was ich dort sehen und erleben werde! In Medellin werde ich auch Weihnachten, meinen Geburtstag und Neujahr erleben. Eine Zeit, in der sich sicherlich auch der ein oder andere sentimentale Gedanke an Zuhause in mein Gemüt schleichen wird, aber dennoch bleibt mein Blick nach vorne, ein außerordentlich optimistischer!

Beste Grüße!

Jan