Archiv für den Monat: Oktober 2018

Vom ersten Urlaub und neuen Aufgaben

Mittwoch, 24.10.2018

Hallo! Nach mehr als zwei Wochen blogfreier Zeit, möchte ich doch mal wieder von mir hören lassen.
Es ist mir schließlich auch so einiges widerfahren, was eine Erzählung wert wäre.

Zu allererst kommen mir meine ersten einwöchigen Ferien in den Sinn.

Unmittelbar am Wochenende nach Ferienbeginn begann ich meinen drei tägigen Ausflug nach Santa Marta und Tayrona. Santa Marta ist mit etwa 500.000 Einwohnern eine Großstadt etwa zwei Stunden per Bus von Barranquilla und Tayrona ist der angrenzende Nationalpark.

Die Reise war mehr oder weniger ausführlich geplant, da es Kommunikationsschwierigkeiten mit meinen beiden Mitreisenden, Praktikanten an der deutschen Schule, gab, die schon im Regenwald wandelten, der offensichtlich nicht gerade ein Paradies des Handyempfangs darstellt.
Nichtsdestotrotz verlief alles reibungslos auf der Hinreise und in der Nacht in Santa Marta. Besonders schön war, dass ich dort mehr oder weniger zufällig Paula, eine kulturweit-Freiwillige aus Bogota, getroffen habe.
Von Santa Marta habe ich nicht sehr viel gesehen, da es nach der Nacht im Hostel unmittelbar weiter nach Tayrona ging.

Bei drückender Mittagshitze (über 90% Luftfeuchtigkeit) begannen wir zu dritt unsere Wanderung. Etwa fünf Stunden konnten wir den Regenwald auf sicheren Wegen erkunden, Affen beobachten, uns über Alligator-Warn-Schilder wundern, traumhafte Strände und Ausblicke genießen, frische Säfte am Wegrand von semi-Indigenen ergattern und uns am Abend erschöpft ins Bett, ähm in die Hängematte, werfen. Letzteres wurde durch die besondere Lage der Hängematten, auf einer Anhöhe quasi im Meer, zu einem echten Highlight.

Auch wenn die Nacht mit Meeresrauschen und durchgängigem Gewitter in der Ferne ein absolut großartiges Ambiente bot, war sie für mich vor allem durch eine anrückende Krankheit geprägt.
Am nächsten Morgen wachte ich nach wenig Schlaf und offensichtlichem Fieber und Kopfschmerzen auf. Es war klar, dass eine erneute Wanderung wie am Vortag für mich nicht möglich sein würde.
Zum Glück gab es einen deutlich leichteren aber dennoch spektakulären Weg zurück. Nämlich ein Motorboot, das entlang der Küste in flottem Tempo zurückfuhr. Die neue Perspektive vom Meer auf den Regenwald war sehr beeindruckend und ein Regenbogen krönte die Fahrt.Vom Anlegeplatz ging es dann auf direktem Wege mit Taxi und Bus zurück nach Barranquilla, wo ich alles andere als gesund ankam. Da es schon spät in der Nacht war, ließ ich mich ins Bett fallen, anstatt zum Arzt zu gehen. Und siehe da, nach dreizehn Stunden erholsamen Schlafes wachte ich am nächsten Tag fieberfrei und deutlich gesünder auf.

Der Rest der Ferien war relativ unspektakulär. Einige Besuche von Orten in der Stadt (Bars, Restaurant, Museum) waren die einzigen wesentlichen Erlebnisse.
Insgesamt hatte ich also durch die Reise spannende Ferien, auch wenn die zweite Hälfte sich etwas ruhiger gestaltete.

Nach den Ferien setzte wieder schulische Normalität ein. Für mich geht es seitdem weiterhin darum, meinen Aufgabenbereich zu erweitern und zu verändern.
Es wird sich in nächster Zeit zeigen, wie genau mein Aufgabenprofil sich verändern wird. Ich freue mich sehr, dass ich neben der Grundschule zunehmend neue Tätigkeiten finde. So bin ich ab jetzt auch im MINT Bereich tätig, helfe Austauschschülern mit individuellen Projekten und werde wohl auch bei einem Debattierprojekt mithelfen.
Die neuen Aufgaben ergeben sich vor allem durch den Kontakt zu neuen Kollegen, die mir neue Türen öffnen.

Langsam kann ich zumindest sehr einfache Unterhaltungen auf Spanisch führen und verstehe vor allem etwas, was am Anfang gänzlich anders war. Da ich in der Schule vor allem Deutsch spreche und höre, bin ich darauf angewiesen, besonders außerhalb der Schule spanische Konversationen zu suchen. Gerade die täglichen Taxifahrten und abendliche Treffen mit einigen Kolumbianern, die ich kennengelernt habe, helfen sicherlich meinem weiteren Lernprozess.

Es fühlt sich inzwischen absolut normal an, hier aufzuwachen. Im Alltag weiß ich unmittelbar, was ich zu tuen habe und auch dem angesprochenen Chaos gegenüber entwickle ich langsam eine gewisse Gelassenheit.
Einen eigenen Haushalt zu führen, sich zum Großteil allein um seine Angelegenheiten zu kümmern und sich in ein neues soziales Umfeld zu integrieren, ist ohne Frage weiterhin nicht leicht. Aber gleichzeitig fasse ich hier immer mehr Halt und gerade der Blick nach vorn scheint jede Menge spannende und schöne Erfahrungen zu beinhalten.
Ob die Halloweenfeier nächstes Wochenende, der Beginn eines eigenen Projektes an der Schule oder der Karneval nächstes Jahr: So viel ist sicher, es wird eine sehr facettenreiche und einzigartige Zeit in meinem Leben sein!

 

Beste Grüße aus Barranquilla!

 

Jan

Alltag und alltägliches Chaos

Samstag, 6.10.2018

Hallo, da bin ich wieder! Was ist mir in den letzten Wochen widerfahren? Eine gute Frage, es bleibt nämlich dabei, dass die Anzahl der neuen Erfahrungen, Eindrücke und Herausforderungen absolut überwältigend ist. Bruchstückhaft versuche ich das hier nach und nach zusammen zu puzzeln.

Vielleicht zuerst einige allgemeine Dinge:

Ich habe inzwischen eine Art Rhythmus gefunden. Zumindest gibt die Schule, in der ich nach und nach neue Aufgaben und Kontakte finde, einen klaren zeitlichen Rahmen im Tagesablauf in der Woche vor. So bin ich dort, je nach Wochentag, von ungefähr 7:00-15:00/16:00. Das heißt um 5:30 aufstehen und entsprechend zwischen 15:30-16:30 zuhause sein.
Auf dem Hinweg fahre ich bei einer meiner beiden Mitbewohnerinnen, Karla (tatsächlich trotz des „K`s“ im Namen eine kolumbianische Mitarbeiterin im Kindergarten der deutschen Schule), mit und sowohl auf dem Rückweg als auch sonst zur Bewegung in der Stadt nutze ich eine Taxi App namens „InDriver“, die außerordentlich preiswert ist (2-3 Euro).

Ach ja, wo ich gerade Karla erwähnt habe, fällt mir ein, dass ich ja vor etwa zwei Wochen in eine WG mit zwei Kolumbianerinnen, beide etwa Mitte 20, umgezogen bin.
Der Wechsel tut mir sehr gut. Ich habe, neben dem Rhythmus der Schule, besonders dadurch das Gefühl hier anzukommen. Ich kann meinen eigenen Tagesablauf sehr viel freier gestalten als zuvor bei der Gastfamilie.
Zum Beispiel am letzten Wochenende konnte ich mit einigen Leuten eines Tandemtreffens (im Prinzip ein Zusammenkommen von Menschen mit unterschiedlichem sprachlichem Hintergrund) meine ersten Erfahrungen beim Salsa tanzen und vom kolumbianischen Bier machen. Mit eigenem Schlüssel in der Tasche ist das natürlich wesentlich einfacher möglich als noch in meiner Zeit bei der Gastfamilie.

Natürlich kommt mit dem alleine Leben auch eine Menge neuer Verantwortung. Ich muss selber zusehen, was ich esse, wie ich von A nach B komme oder welche Dinge ich wann und wo haben muss.
Das stellt mich zeitweise vor nicht unerhebliche Schwierigkeiten, insbesondere da ich in meinem Zuhause in Herford nicht gerade ein besonders selbstständiger und sorgfältiger Mensch gewesen bin, aber bis jetzt hat dennoch alles irgendwie geklappt. Ein gewisses Maß an Improvisationstalent und Spontanität scheint hier zum Überleben sowieso zwingend erforderlich zu sein. Dazu eine kleine Geschichte, die ich letzte Woche erlebt habe:

Ein Klopfen weckt mich. Panik! Wieso Klopfen und nicht mein Wecker? Ein Blick aufs Handy. Der Wecker klingelt in ein paar Minuten, aber um 6:30 nicht um 5:30!
Hastig aufstehen, beim Umziehen ein Taxi bestellen und zur Straße hasten, das ganze natürlich ohne Frühstück.
Ich komme noch halbwegs pünktlich an der Schule an, wo ich mich gerade mit dem ersten Kaffee aufwecken will, als mich die Nachricht erreicht, dass ich heute bei einem Auftritt des Orchesters mitspielen soll.
Das wäre an sich keine große Sache, wenn ich denn meine Posaune dabei hätte. Spontan kommt mir beim Orchesterleiter, während des Schilderns meiner misslichen Lage, der Einfall, dass es in der Schule vielleicht ja ein Bariton, wenn schon keine andere Posaune, geben könnte.
Und tatsächlich sitze ich kurz darauf mit einem Bariton (ein Instrument, das ich seit Jahren nicht mehr in der Hand hatte) in einem gut gefüllten Auditorium und soll gemeinsam mit dem Orchester den Deutschlandtag (Wiedervereinigung) eröffnen.
Die Noten sehe ich teilweise zum ersten Mal und sie sind teilweise auch noch in B statt C (das heißt ich muss jeden Ton um zwei Halbtöne tiefer denken).
Nichtsdestotrotz funktionierte es sehr gut und bei der, schrecklich langsamen (BpM=60), deutschen Nationalhymne kam sogar etwas Heimatgefühl auf.

Ich habe auch bereits meinen ersten Tagesausflug mit Julian, einem Praktikanten an der Schule, unternommen. Ziel war das etwa zwei Stunden entfernte Cartagena, das sich vor allem durch seine historische Altstadt auszeichnet, die insbesondere hübsche Kolonialarchitektur vorzuweisen hat und mich an karibische Orte wie in „Fluch der Karibik“ erinnerte.

Auf der kleinen Reise wurde mir noch einmal bewusst, wie neu und anders Kolumbien im Vergleich zu meiner alt bekannten Heimat ist und dabei habe ich bisher doch nur einen kleinen Ausschnitt der Karibikküste gesehen!

Egal ob mit Buch im Café um die Ecke oder mit Rucksack auf Wanderung in den Anden, meine Zeit in Kolumbien wird mich sicherlich weiterhin viel lehren und darauf freue ich mich!

 

Beste Grüße aus Barranquilla!

 

Jan