Archiv für den Monat: September 2018

In der Schule

Mittwoch, der 19.9.2018

Jetzt ist schon fast eine Woche vergangen und es stellt sich mir die Frage, was ich denn heute zu Papier bringen kann. Mein Kopf ist so voll von den Eindrücken der letzten Woche, dass es mir sehr schwerfällt, diesen Blog geeignet zu beginnen.
Ich könnte über meine Eindrücke der Stadt schreiben, wie chaotisch der Verkehr ist, wie sich Armut und Reichtum täglich sichtbar auf der Straße begegnen (wenn zum Beispiel ein Mann versucht, Geld durch das Putzen der Fenster eines modernen Mercedes vor der Ampel zu verdienen) oder über das extreme Klima. Allerdings entscheide ich mich heute lieber für das, was mich das Jahr über wohl am meisten beschäftigen wird, und das ist natürlich die Schule.

Ein Tor mit Wächtern, ein großer Parkplatz und die tempelartige Fassade eines gewaltigen Gebäudekomplexes, das sind die ersten Dinge, die einem auf dem Weg in die Schule begegnen.
Um etwa 7:00 betrete ich in der Regel diesen eindrucksvollen Komplex und durchschreite die Tür links neben dem Eingangsbereich, der erneut durch Wachen und einen Zaun geschützt ist. Naja, das „Durschreiten“ ist leider in der Praxis nicht immer so einfach, da die Tür zum Lehrerbereich, sich nur per Fingerabdruck öffnen lässt und ich dafür nicht freigegeben bin. Aber das ist halb so wild, da ich entweder durch die zufallende Tür hinter einem Lehrer huschen kann oder ein bittender Blick zur freundlichen Türwärterin reicht, um doch noch Zugang ins Reich der Lehrer zu bekommen. Das ist sehr exemplarisch für meine alltägliche Problemlösung hier.

Im Lehrerzimmer selbst fällt sofort auf, dass zwei kreisrunde Tische von einander getrennt im Raum stehen. Mir wurde beim ersten Betreten erklärt, dass es seit Jahren üblich sei, dass die Tische nach dem deutschen und kolumbianischen Kollegium aufgeteilt sind. Komische Botschaft für das deutsch-kolumbianische Zusammenleben an einem Ort des kulturellen Zusammenlebens, einer deutschen Schule in Kolumbien. Aber die Gründe dafür, die in unterschiedlichen Bezahlungen und Arbeitsrechten liegen mögen, sind für mich noch nicht klar ersichtlich.

Im Lehrerzimmer verbringe ich relativ viel Zeit, da mein Stundenplan (eine absolute Errungenschaft nach einer Woche des Chaos!) eher spärlich ausfällt.
Den Großteil meiner Zeit an der Schule habe ich bisher mit Kopieren und Grundschulunterricht verbracht. Ersteres gestaltete sich, zumindest nach einer Einführung in die Funktionsweise des Kopierers, als recht unkompliziert. Ganz im Gegenteil zum zweiten und größten Teil meiner Arbeit: Das Assistieren in der Grundschule.

Kinder sind süß, neugierig und haben viel Energie. Leider führt das Letzte dazu, dass wenn das Zweite nicht erfüllt ist, dass das Erste sich in tobende, schreiende und nervige Kreaturen verwandelt.
Und ich bin dieser Metamorphose gegenübergestellt, mit dem Auftrag, sie zu bändigen: Nicht gerade meine Stärke.
Aber nun ja, man wächst mit seinen Herausforderung, zumindest hoffe ich das.

Meine Highlights in der Schule sind bisher die Theatergruppe der Oberstufe, auch wenn sie nur aus mehr oder weniger freiwilligen und zufällig zusammen gewürfelten Personen besteht, und das große Orchester. Bei ersterem bin ich mit zwei Lehrern für das Schauspieltraining verantwortlich, das in Anbetracht des baldigen Auftritts (irgendwann im Oktober) auch dringend erforderlich ist, und bei letzterem darf ich selbst mit meiner neuen Posaune, die sehr gut und hier kostenlos geliehen ist, mitspielen. Vor allem das macht mir besonders viel Spaß und ich freue mich sehr auf das erste Konzert am achten Oktober.

 

Ich bin gespannt, wie sich meine Aufgaben in der Schule zukünftig gestalten werden. Das liegt wohl vor allem an mir, da es maßgeblich von meiner Initiative abhängt. Aber wie bei allem hier, heißt es wohl vor allem abwarten und Tee, oder vielleicht besser was Kaltes, trinken. Es bleibt weiterhin spannend!

 

Beste Grüße aus Barranquilla

 

Jan

Aller Anfang ist schwer  

Donnerstag, 13.9.2018

Ich beobachte, wie sich der Ventilator in seinem regelmäßigen Rhythmus hin und her bewegt und dabei fleißig vor sich hin dröhnt. Die Augen beginnen mir schon langsam zufallen, als mir einfällt, dass ich doch eigentlich einen Blog schreiben wollte.

Ich habe im Vorhinein beschlossen, dass ich von Zeit zu Zeit Texte über meine Erfahrungen in Kolumbien schreiben möchte. Nicht nur lässt sich so das Hundertste „Na, was machst du so“ eines Bekannten elegant beantworten, sondern stellt es auch eine praktische Form der Selbstreflexion für mich da.
Ich freue mich über jeden Leser dieses Blogs und hoffe, dass meine Erfahrungen das Interesse anderer wecken. Sollte dies der Fall sein, habe ich dann doch einige Begleiter auf meinem, zumindest zu Beginn, recht einsamen Abenteuer!

Nun ja, jetzt fange ich aber auch mal an!

Meine Reise nach Kolumbien fing am 12.9. früh morgens an. Am Flughafen in Hannover musste ich dann Abschied von meinen Eltern und meiner Schwester nehmen. Ein sehr emotionaler Moment für mich, aber für viel Trauer war keine Zeit schließlich musste ich den Rest der Reise angemessen bewältigen.
Das gelang auch sehr gut: Von Hannover nach Frankfurt, von Frankfurt nach Bogota und von Bogota nach Barranquilla. Alles in allem dauerte die Reise fast 24 h Stunden. Ich war dementsprechend sehr erleichtert als mich um 22:30 kolumbianischer Zeit endlich eine Hitzewelle in Barranquilla begrüßte, ich meinen Koffer sofort entgegennehmen und meine Gastmutter Rina und meinen Gastbruder Carlos begrüßen konnte.

Auf der Autofahrt zum Haus der Familie wurde mir sofort bewusst, dass die Herausforderung, der ich mich stelle, alles andere als einfach sein würde. Einerseits stellt die Sprachbarriere ein gewaltiges Kommunikationsproblem da (ich hatte kein Spanisch in der Schule und meine selbst beigebrachten Grundlagen sind, nun ja, eher dürftig), andererseits fuhr das Auto immer weiter in eine völlig unbekannte Stadt.

Barranquilla ist eine Millionenstadt, was für mich als Herforder (64.000 Einwohner) schon etwas ganz Neues ist. Es sollte außerdem auch klar sein, dass eine kolumbianische Großstadt sich wesentlich von einer deutschen unterscheidet. Andere Regeln (im Straßenverkehr auf den ersten Blick am ersten Tag nicht immer genau erkennbar), andere Architektur und anderes Straßennamensystem sind nur einige Beispiele.

Meinen ersten richtigen Eindruck von der Stadt konnte ich mir aber erst bei Tageslicht am Folgetag meiner Ankunft machen, unteranderem auf meinem ersten kleinen Abenteuer:

Nachdem ich den Vormittag im großen umzäunten Grundstück meiner Gastfamilie mit der Mutter meiner Gastmutter und der Reinigungskraft/Nanny Nina(?) verbrachte hatte und mich dabei wie im golden Käfig gefühlt habe, nahm mich Rafael, der Familienvater, mit, der Alejandro (mit 5 Jahren der jüngste der drei Söhne) zu einer kleinen Nachmittags-Leseeinheit am Colegio Aleman brachte. Das ist die Schule, an der ich das Jahr über arbeiten werde. Während Alejandro und Nina in der Bibliothek waren, ging ich auf dem Gelände herum und bestaunte die bestens ausgestattete Schule. Überall Grün, diverse Lerngebäude, Schwimmbecken, Bühne mit Tribüne, Fußballplatz und aus einigen Räumen hörte ich schon die ersten mehr oder weniger erfolgreichen Versuche einiger Trompeten des „Imperial Marsch(s)“ aus Star Wars. Der Schule scheint an nichts zu mangeln.
Als Alejandro fertig war, ging es dann aber auch schon wieder zurück. Da die Eltern uns jedoch nicht abholen konnten sind wir bei einem Auto zugestiegen, in dem schon vier Leute saßen. Das macht nach Adam Riese sieben Personen auf fünf Plätze. Naja, nichts weiter ungewöhnliches scheinbar.
Plötzlich winkt Nina und wir halten unmittelbar vor einem Supermarkt und ich werde darüber informiert, dass wir jetzt eine SIM-Karte kaufen wollen. Davon wusste ich vorher aber nichts und ohne Geld ist das natürlich nicht ganz einfach. Deshalb ging es zu Fuß zurück nach Hause und ich beschloss kurzer Hand meine sieben Sachen zusammenzupacken und allein noch einmal zum Supermarkt zu gehen.
Ich genoss die Freiheit, mich selbstständig bewegen zu können. Und tatsächlich kam ich nach einer gefühlten Ewigkeit aus dem Supermarkt heraus und zwar mit einer funktionsfähigen SIM-Karte im Handy!
Ohne der Freundlichkeit des Verkäufers wäre es mit mein Spanischklümpchen wohl sehr schwer gewesen, das Gewünschte zu erreichen. Zwischenzeitlich viel auch noch die Kasse aus, was den ganzen Prozess deutlich verlängerte.

Aber das Entscheidende ist, dass ich jetzt endlich Internet für den Kontakt nach Hause habe (das WLAN der Familie funktioniert aktuell nicht) und das habe ich ganz allein geschafft. Es mag banal, ja vielleicht sogar lächerlich klingen, aber für mich war das ein großer Erfolg. Solche kleinen Herausforderung Schritt für Schritt zu bewältigen, gibt mir Selbstvertrauen und ich lerne dabei eine ganze Menge.

Morgen ist Dienstbeginn an der Schule, worauf ich sehr gespannt bin. Hoffentlich komme ich gut mit den Kollegen aus und bekomme ein gutes Einführungsprogramm. Besonders der Spanischkurs ist dringend erforderlich!

Wie ich bereits gesagt habe, ist der Anfang meiner Zeit hier in Barranquilla eine echte Herausforderung. Ich versuche geduldig und achtsam hier Fuß zu fassen, ob mir das in ein paar Wochen, Monaten oder gar nicht so wirklich gelingt, weiß ich nicht. Es ist aber sicher, dass mich diese Erfahrung grundlegend prägen wird und ich bin guter Dinge, dass es ein spannendes und vielseitiges Jahr werden kann!

 

Beste Grüße aus Barranquilla!

 

Jan