Recuerdo – Erinnerung

Calca ist ein kleines Dorf in der Nähe von Cusco.
Es befindet sich auf 2925 Metern über dem Meeresspiegel in den peruanischen Anden.
Calca ist das Dorf, in dem mein zukünftiges Erbe steht.
Ehrlich gesagt habe ich mich mit dem 3000
Einwohner Dörfchen bisher nie weiter beschäftigt.
2010 war ich das letzte Mal zu Besuch hier.
Es war wirklich sehr schön.
Mein Vater hatte ein Pferd von einem Nachbarn im Garten stehen, um das ich mich natürlich voller
Freude und mit ganzem Herzen gekümmert habe. Ich durfte sogar alleine drauf reiten und als es
einmal auf die Hinterläufe gestiegen ist, bin ich nicht heruntergefallen. Ich war 11 Jahre alt.
Mein Vater hatte auch eine Ziege, die beim letzten Mal noch lebte doch dieses Mal war sie nicht da.
Sie hatte sich selbst erdrosselt.
Auch die Hunde waren nicht mehr da. Er hatte sie gegen Meerschweinchen ausgetauscht (eine
Delikatesse in Peru). Doch hat er, zumindest behauptet er das, es nicht übers Herz gebracht, sie zu
essen, weshalb er sie verschenkt hat.
Die Hündin hatte 6 oder 8 Welpen. Ein Welpe war ziemlich dick und einen hatte ich besonders ins
Herz geschlossen. Wegen seiner weißen Pfote hatte ich ihn Patita (Pfötchen) genannt. Eines Tages
war Patita verschwunden.
Wir suchten wie verrückt, fanden ihn aber nie wieder.
Außerdem hatte mein Vater mir Enten geschenkt.
Der Erpel hieß Gringo, da er weiss-braun gescheckt war und blaue Augen hatte.
Die andere Ente hieß MaMo, ein Kürzel für Mata Mosquas (Mücken-Killer), da man MaMo einfach
gegen die ekeligsten Insekten im Haus einsetzen konnte und sie diese genüsslich verschlungen hat.
Ich konnte nicht genug haben. Wir bauten einen Stall, durch denn ein kleiner Bach floss und kauften
zwei Küken dazu.
Eins davon hatte eine leicht grünliche Farbe.
Wir spielten mit den Enten im Pool der Nachbarn und die vier Enten folgten mir bei jedem Schritt.
Nachts holte ich die Enten immer ins Haus, da ich Angst hatte, dass sie gefressen werden.
Nur eine Nacht – meine Eltern waren verreist -, da lies ich sie draußen.
Es war schon ziemlich dunkel und ich traute mich nicht alleine raus. Als ich fragte, ob mich jemand
begleitet, antwortete man mir, dass ich mir mir keine Sorgen machen solle.
Ich hatte die ganze Nacht unglaubliche Schuldgefühle und konnte kaum schlafen,
Am nächsten Morgen kam es wie es kommen musste.
Die Küken waren weg und Gringo und MaMo saßen vor dem Stall.
Ich lief Kilometer weit und suchte die beiden Kleinen in allen Bächen der Umgebung.
Doch fand ich sie nie wieder.
Ich sollte wirklich mehr auf die Sachen aufpassen, die mir lieb sind.
Bis heute bin ich mir sicher, dass ich die Beiden auf dem Wochenmarkt gesehen habe, aber wer
glaubt schon einem 11 Jährigen Mädchen, das gerade um seine Küken trauert?
Auch erinnere ich mich gut daran, dass es in Calca möglich war die Playstation 1 zu leihen. Mein
Bruder, ich und die Nachbarskinder spielten abends dann immer: Super Smash Brothers, MarioCart,
Rayman und Zelda.
Natürlich durfte ich als jüngstes Mädchen nur selten mitspielen, aber auch als Zuschauer waren die
Spiele aufregend genug. Einmal saß ich auf dem unteren Bett eines Hochbettes und bin so hoch
gesprungen, dass ich mir den Kopf gestoßen habe (alles damit Rayman
eben nicht in den Abgrund
fällt!).
Ich liebte das Haus unserer Nachbarn, da sie immer sehr viele Hunde und Katzen hatten.
Die besonders niedlichen verliefen sich dann auch gerne auf unser Grundstück. Woran ich ehrlich
gesagt nicht ganz unschuldig war.
Einmal waren auch Freunde zu Besuch, die Schmuck machten und mir einige Knoten beibrachten,
um Freundschaftsbänder zu knüpfen.
 So verbrachte ich schöne warme Tage, an denen wir wanderten, lange Nächte am Lagerfeuer, an

dem die eine oder andere Gruselgeschichte erzählt wurde (die natürlich
genauso passiert ist), die mich bis heute noch verfolgt oder an denen ich von der Musik der Band meines Dads in den Schlaf gewogen wurde.
Alle diese Erfahrungen gerieten immer weiter in die verstaubten Ecken meines Gehirns.
Ich sprach immer nur von einem Haus, das wir besitzen, „irgendwo in Peru“, ohne mich zu
erinnern, was ich dort alles schon erlebt hatte.
Aber jetzt wo ich hier bin, scheint es, als wäre meine Reinigungskraft mit dem Staubwedel gegen
die Kiste mit den alten Fotos gestoßen.
Ich stehe hier im Haus und halte eine Pfanne in der Hand, in der wir einst Lasagne gemacht haben,
weil es im Häuschen keinen Ofen gibt.
Bei meinen Wanderungen in die umgebenden Berge, stieß ich auf einen der hier sehr verbreiteten
Wasserkanäle, die Wasser von den Bergen ins Dorf leiten, an dem entlang wir vor Jahren eine
Wanderung gemacht haben und mein Bruder eine ganz kleine, nach Fisch stinkende Schlange
gefunden hat. Mit einmal fiel es mir wieder ein.
Natürlich ist es jetzt, einige Jahre später, ohne Eltern und Bruder, ganz anders.
Fortsetzung folgt…