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Mittendrin – was ist Kommunikation?

Mittendrin – dieser Begriff beschreibt meinen momentanen Zustand wohl am besten. Mittendrin in den sechs Monaten, von denen etwas mehr als die Hälfte nun vorbei ist. Mittendrin in der vorweihnachtlichen Zeit. Mittendrin zwischen Adventsfrühstücken, Plätzchen backen, Geschenken einpacken und Weihnachtsmärkten. Mittendrin in Schulaufführungen und dem Christkindlspiel. Und mittendrin in einem Schulausflug nach Wien.

Als wir morgens aufgebrochen sind war es wie immer. Die meisten sprechen auf Ungarisch miteinander, ab und zu sagen sie etwas auf Deutsch zu mir und wir beginnen eine kleine Unterhaltung. Oft aber auch vergessen sie, dass ich kein Ungarisch spreche – und das immer wieder und immer öfter. Ich bin also mittendrin. Ich bin unter ihnen. Ich falle nicht mehr so auf und nehme immer weniger eine Sonderstellung ein. Ich bin ein Teil dieser (Schul-) Gemeinschaft geworden. So fühlt es sich wohl für sie an.

Für mich aber bedeutet das immer wieder die Beobachterrolle. Doch so nehme auch ich mich immer mehr als ein Teil dieser Gemeinschaft wahr. Und auch als ein Teil ihrer Unterhaltung, denn ich beherrsche immer mehr ungarische Wörter und auch ab und zu einige Sätze. Ich folge ihren Gesprächen, aber ich kann sie trotzdem auch ausblenden, denn es ist ein konzentriertes Zuhören.

Diese konzentrierte Zuhören wurde plötzlich unterbrochen als wir in Wien waren.

Stell dir vor, du bist in einer Gruppe, deren Stimmen und auch Sprache zwar deinen Alltag ausmachen, du aber trotzdem nur -wenn überhaupt- die Hälfte verstehst und um dich herum, fremde Menschen, deren Worte, deren Sätze und deren Intentionen du verstehst. Aber du bist jetzt nicht Teil dieser Sprachgemeinschaft. Sondern Teil der anderen Gruppe. Du bist dazwischen. Du bist mittendrin.

Das konzentrierte Zuhören schwang um in ein hochkonzentriertes Zuhören. Die Stadtführung auf Ungarisch, viel habe ich nicht verstanden, aber immerhin etwas.

Das Verständnis kommt aber vor allem auch durch die Kommunikation, nicht Sprache allein. Und so ist das hochkonzentrierte Zuhören auch ein Zusehen, ein Beobachten. Ich sehe Gestik und Mimik, höre die Veränderungen im Tonfall, nehme die Stimmung wahr und kann dann die Worte in das Gesamtbild der Kommunikation einordnen.

Besonders durch die Erfahrungen, die ich hier in einem Land mit fremder Sprache sammle, aber auch vordergründig die Erfahrungen mit Kindern, zeigen mir immer wieder, wie wichtig diese nonverbale Kommunikation ist. Und hier beginnt vor allem auch mein Lernprozess, denn ich setze diese Kommunikationsart viel bewusster ein. Wenn ich im Unterricht etwas sage, was die Kinder im Anschluss nachsprechen, dann versuchen sie ganz häufig, genau meinen Tonfall zu treffen, über den ich mir wenig Gedanken mache. Doch jetzt setze ich ihn bewusster ein. Auch Blickkontakte, Bewegungen und transportierte Stimmungen. Das sind die Kriterien, die mir den Zugang zu den Kindern ermöglichen. Das sind meine Kriterien, die ich einer guten Lehrperson zuspreche. Und das sind die Kriterien, die mich mitten in die ungarischen Worte und die ungarische Sprache befördern.

Denn letzendlich bin ich da, wo ich sein möchte. Mittendrin.

 

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