4 Mädchen mit 4 großen Rucksäcken durch Mexiko

Am Freitag, 31.05. machten wir uns auf den Weg Mexiko gen Süden zu erkunden. Wir, das waren die Halb-Marokkanerin Anissa, die Bayerin Kathrin, die „Könnte auch Brasilianerin sein“ Evita und ich, die Clichée-Deutsche (ich galt meist als Spielverderberin mit hell blonden Haaren und blauen Augen). Wir waren also eine ziemlich coole Truppe 🙂 .

Unser erstes Ziel war Puebla de Zaragoza, eine 1,6 Millionen Stadt in Zentralmexiko. VW ist hier der größte Arbeitgeber. Kein Wunder, ich hätte das „mexikanische Wolfsburg“ auch hier her gelegt: Eine gemütliche Innenstadt mit netten Geschäften und Cafés und eine riesige Kathedrale, die sogar höher sein soll als die in Mexiko-Stadt. Aber das ist nicht die einzige Kirche in Puebla! Die Stadt hat 365 Kirchen. Ein spannender Grund für mich als Protestantin mit meinen Mitreisenden, einer Muslimin und zwei Katholiken, über den katholischen Glauben und die Rolle von Geld und Prunk zu diskutieren.

Am Abend fragten wir den Rezeptionisten unseres Hostels nach Möglichkeiten in der Stadt feiern zu gehen. Er verstand zunächst nicht was wir wollten. Als wir ihm erklärten, dass wir tanzen wollten, sagte er: „In der Innenstadt sind einige Cafés, da gibt es auch manchmal Musik.“ Ok, wir waren definitiv an den Falschen geraten. Auf der Suche nach einer netten Abendbeschäftigung landeten wir dann in einem Kino – ein cooles Erlebnis. Denn in Mexiko ist die Kinokultur sehr ausgeprägt. Wir bezahlten rund 3€ für Eintritt und eine riesige Portion karamellisiertes Popcorn und schauten Alladin auf Spanisch. Der Kinosaal war voll! Mitten im Film stand auf einmal vorn vor der Leinwand eine Frau, die uns lautstark von ihrer Lebensphilosophie überzeugen wollte. Wenig später wurde sie von dem Kinopersonal raus begleitet. Klar, bei so niedrigen Preisen hat fast jeder Zutritt ins Kino, aber so hat der Kinosaal in Mexiko auch eine ganz andere Bedeutung als in Deutschland: Es ist DER socialising-Raum schlecht hin: Hier trifft man sich, plaudert und lernt neue Leute kennen.

Am Tag darauf nahmen wir einen ziemlich klapprigen Bus, der uns in die benachbarte Stadt Cholula chauffierte. Hier tobt das Leben auf der Straße: Es wird gegessen, verkauft, gerufen und gelacht. Bereits aus der Innenstadt sieht man eine riesige Kirche auf einem Berg prangen. Diese Kirche befindet sich auf den Ruinen der größten Pyramide der Welt. Nach einem Mittag auf der Straße (Essen ist Priorität Nummer 1 in Mexiko, weshalb das wohl auch das Land mit der größten Diabetis- und Fettleibigkeitsrate ist), bestiegen wir die Pyramide bis zur Kirche. Von dort aus hatten wir einen fantastischen Blick auf Cholula und den riesigen, aktiven Vulkan hinter der Pyramide. Es gibt außerdem einen Tunnel durch die Pyramide, den wir auch passierten. Wirklich ein gigantisches Bauwerk, und sehr schade, dass es durch den Bau der Kirche so zerstört wurde. Angesteckt von dem Essenswahn Mexikos fuhren wir erst wieder aus Cholula, nachdem wir auf einem kleinen Jahrmarkt einen leckeren Crêpe verzehrt hatten.

Am Abend trafen wir eine Bekannte einer Mitreisenden, die in Puebla wohnt, mit ihren Freunden. Sie zeigten uns den hippen, neuen Stadtteil Pueblas. Dort fuhren wir Riesenrad, hinein in den Nachthimmel der Stadt mit all ihren Lichtern. Danach ließen wir den Abend in einem netten Restaurant bei angeregten spanischen Gesprächen ausklingen. Anissa meinte die Anderen vor mir warnen zu müssen: „Sie sieht zwar so Deutsch aus, wie man nur aussehen kann, aber ihr Herz ist so was von Latina, keine Sorge!“

Am Tag darauf ging unsere Reise weiter. Ein Bus brachte uns auf einer 5-stündigen Fahrt nach Veracruz, an den Golf von Mexiko. Leider erwartete uns die Stadt mit Regenwetter. Trotzdem trauten wir uns am darauffolgenden Tag raus und ans Wasser. Die Promenade der Stadt, die uns von unserem Hotel, das etwas außerhalb lag, in die Innenstadt führte, ist voller Kontraste in der Baukultur: Da ist eine Ruine mit einem „zu vermieten“-Schild neben einem hochmodernen neuen Bankgebäude von Santander und danach folgt ein halb abgerissenes Haus. In Veracruz gibt es leider wenig kulturelle Sehenswürdigkeiten und die Strände, die wir aufgrund des Unwetters auch nicht aufsuchten, befinden sich wohl eher außerhalb der Stadt. In den zwei Tagen in Veracruz besichtigten wir die Festung und das kleine Stadtzentrum. Dank unserer Rezeptionistin und dem Machismos kamen wir sogar in den Marinestützpunkt des Atlantiks und bekamen von zwei gut aussehenden uniformierten Marine-Soldaten eine private Führung – ziemlich cool.

Die Küste bei Veracruz

Und dann stand die Reise zu unserem letzten Reiseziel und wohl dem beliebtesten und bekanntesten Reiseziel Mexikos an: Cancún. Diesmal flogen wir und das sollte ein Abenteuer werden. Pünktlich, wie es sich für uns kulturweit-Freiwillige nun mal gehört, fanden wir uns an dem kleinen Provinzflughafen in Veracruz ein. Die Gepäckaufgabe und die Sicherheitskontrolle passierten wir schnell und überlegten uns gerade – wir waren schließlich in Mexiko – was wir zu Abend essen sollten (obwohl niemand von uns mehr von „Hunger“ sprechen konnte 🙂 ), da kam eine Durchsage, die uns eine 2-stündige Verspätung unseres Fluges verkündete, der um 22 Uhr hätte gehen sollen. Auf Nachfrage bei dem Personal der Fluggesellschaft erfuhren wir, dass es erst ab einer Verspätung von 3 Stunden eine Entschädigung für die Fluggäste gäbe. Also entschieden wir uns mit Abendbrotessen und „Stadt-Land-Fluß“ auf Spanisch spielen die Zeit zu vertreiben. Währenddessen schlossen langsam die wenigen Geschäfte, die der Flughafen zu bieten hatte. Im letzten Moment ergatterten wir noch eine Flasche Wasser, dann waren wir mit den anderen Fluggästen allein in der Wartehalle. Weder Personal, noch Lebensmittel waren aufzufinden. Als die nächste Verspätung angesagt wurde, fanden wir vor der Sicherheitskontrolle doch noch einen Angestellten unserer Fluggesellschaft. Er erwiderte unsere Beschwerden mit Unverständnis und sagte die Verspätungen lägen am „Wetter“, weshalb uns keine Entschädigung zustünde. Wir probierten noch zu diskutieren, doch kamen zu keinem Ergebnis.

Endlich, um 2 Uhr morgens. startete das Flugzeug dann und wundersamer Weise landeten wir auch sicher in Cancún. Unser nächstes Problem: Morgens um 4 fuhren keine Taxis mehr, sondern nur super teure Shuttles, die uns, dank unseres Aussehens, noch extra über das Ohr ziehen wollten. Nach langem Hin und Her fanden wir endlich eine Möglichkeit in unser Hostel zu gelangen. Im Hostel fiel uns dann jedoch eine mysteriöse Abbuchung bei einer vom Kreditkartenkonto einer Mitreisenden von uns auf. So konnten nur 3 von uns schlafen, die Andere verbrachte die frühen Morgenstunden auf der Polizeidienststelle und musste ihre Bankkarte sperren lassen. Doch viel Schlaf blieb auch uns nicht, denn um 8 Uhr am nächsten Tag brachen wir nach einem wunderbaren Frühstück auf, um eines der sieben modernen Weltwunder zu besichtigen: Eine Stadt der Maya aus dem Jahr 650: Chichén Itzá. Wirklich ein heißes, anstrengendes aber atemberaubendes Erlebnis, verewigt mit einem Stempel im Reisepass.

In unseren letzten Urlaubstagen lernten wir dann Cancún von seiner typischen Seite kennen: Wir fuhren mit einer Fähre zur naheliegenden Isla Mujeres und in die Zone der Hotels und genossen Sonne, Strand und Karibik.

Ein Urlaub ging zu Ende, in dem wir viel erlebten, viel lachten, viel lernten, viel nachfragten, viel aßen, zwei Mal während einer Woche ins Kino gingen und mit gebräunter Haut und tollen Erinnerungen zurückkehrten – jeder Einzelne in sein Einsatzland und seine Einsatzstelle. Jeder Einzelne mit anderen Hoffnungen und Ängsten.

Bienvenida a los Estados Unidos…….de México!

Tatsächlich gestaltet es sich eher schwierig von der Insel Hispaniola schnell und günstig herunter zu kommen. Das Zwischenseminar meines Freiwilligendienstes fand aber nun in Mexiko statt. Also machte ich mich am Samstag vor zwei Wochen auf eine 5-stündige Flugreise. Mit viel Vorfreude, leeren inneren Batterien, die dringend aufgeladen werden mussten und einem kleinen Rucksack landete ich in Mexiko Stadt. Die Landung war schon atemberaubend. So eine riesige Stadt hatte ich noch nie gesehen: Die Miniaturhäuser hörten gar nicht mehr auf und als ich dachte das Zentrum erspäht zu haben, kam gleich noch eines hinterher und noch mehr Gebäude, Straßen und Menschen. Und ganz viel Nebel, der sich später als Smog heraus stellte, und innerhalb der Stadt dazu führt, dass man nicht einmal einen Kilometer weit schauen kann – wie mir später erklärt wurde.

Am Flughafen wartete ich seelenruhig auf zwei andere Freiwillige aus Kolumbien, mit denen ich zusammen in die Stadt fahren wollte. Genüsslich verzehrte ich mein Mittags-Sandwich und ließ mein Handy langsam mit dem Internet verbinden. Als es das irgendwann getan hatte, bekam ich mit, dass die beiden in Panamá hängen geblieben waren und erst am folgenden Tag kommen sollten. Oh Mensch: Anna allein in Mexiko Stadt. Also: Geld abheben, raus gehen, böse gucken und den am vertrauenswürdigst aussehenden Taxifahrer schnell und bestimmend auf Spanisch ansprechen – es klappte. Wenig später saß ich bei offenen Fenstern und mexikanischer Musik im Auto eines netten Fahrers, der mir sogar abkaufte Dominikanerin zu sein. Die Situation wendete sich allerdings bald, als er die schöne Musik leiser drehte und er eine Frau über Lautsprecher anrief. Er: „Gib mir doch deine Freundin, wenn sie bei dir ist“ – zunächst wiederholte er diesen Satz mehrmals. Unwissend von dem was passieren würde, war ich eher genervt davon, dass er das Radio leiser gedreht hatte, als dass ich mir Mühe gab, den Sachverhalt zu verstehen. Erst beim dritten Telefonat mit der gleichen Frau, als auch wiederholt Sätze von ihm fielen wie „Ich weiß ganz genau dass er bei dir ist.“, „Es ist vorbei. Ich komme gleich vorbei und werde meine Sachen holen!“ und „Bleib doch bei deinem Schatz.“, realisierte ich langsam was ich gerade live miterlebte: Mein Taxifahrer hatte sich soeben über Lautsprecher von seiner Frau getrennt. Zwischen den Gesprächen versuchte er mir dann seine Situation zu erklären und fragte mich sogar nach Rat! Als seine Frau ihn fragte, ob er denn nicht gerade einen Kunden hätte, meinte er nur „Die ist Gringa (Amerikanerin) und versteht eh nichts“, schaute in den Spiegel und zwinkerte mir zu– ich war wohl wirklich in Mexiko angekommen.

An dem Wochenende vor Beginn des Seminars trudelten wir (die 11 Freiwilligen aus Kolumbien, Mexiko und ich, aus der Dominikanischen Republik) langsam in Mexiko-Stadt ein. Bereits beim Vorbereitungsseminar (im März 2019 in Berlin) waren wir zu einem coolen Team zusammengewachsen, sodass es ein freudiges Wiedersehen gab. Super Glück ist es auch, einen Historiker und Mexikoexperten als Mitfreiwilligen zu haben, mit dessen Hilfe wir die Stadt zwar kurz aber knackig kennenlernten. Natürlich könnte ich darüber schreiben, aber da es ja mein Blog ist und kein Reiseführer, belasse ich es lieber dem, meiner Meinung nach, Spannendstem: Meinem ersten Eindruck und meinen spontanen Gefühlen: Ich ging nach Monaten wieder in einer Masse Menschen unter oder hatte wenigstens das Gefühl, dass ich nicht die Einzige bin mit heller Hautfarbe. Und: Zivilisation. Ganz komisch aber wahr: wieder Kultur, Cafés, Spazierengehen. Auch die Autos kamen mir merkwürdig vor. In Santo Domingo können sich nur die wohlhabenden Menschen ein Auto leisten, so prägen dort das Straßenbild (den nicht TÜV-würdigen Carros Publicos mal ausgeschlossen): Porsche, Mercedes, Crysler etc., meistens SUV mit getönten Scheiben. In Mexiko-Stadt gab es alle verschiedenen Größen und Modelle von Autos. Ein erster Eindruck, der mich erstaunte. Das hatte ich nicht so erwartet.

Auch nicht erwartet hatte ich, dass das 5-tägige Zwischenseminar ein reiner Traum werden würde. Ungefähr eine Stunde von Mexiko-Stadt in den Bergen auf 2700m Höhe trafen wir uns, 11 Freiwillige mit der Trainerin, dem Hausherren eines wunderschönen Chalets inmitten der Berge und purer Natur sowie zwei lieben Köchinnen. Die Zeit war wortwörtlich zum Durchatmen da, denn die Luft war frisch und morgens noch sehr kühl und auch die Stille wirkte sehr heilend.

Zwischen Reflexion und Analyse der bisherigen 3 Monate im Freiwilligendienst zauberten die lieben Köchinnen uns mexikanische Geschmackswunder. Das leckere Essen, die uns umgebende Natur, der friedliche Schlaf und der tiefe Austausch untereinander ließ mich oft meine Frustration vergessen, die ich spürte, wenn die Anderen von ihren Arbeitsstellen und Erfahrungen berichteten und ich immer nur wieder von meiner katastrophalen Einsatzstelle berichten konnte.

Das wohl krasseste Erlebnis des Seminars war ein Ausflug mit unserem Hausherren zu seinen Freunden in ein Temazcal. Dabei handelt es sich um ein Dampfbad, welches im mesoamerikanischen Raum archäologisch belegt ist. Es geht dabei nicht um Spa, wie bei einem Saunagang, sondern um den therapeutischen Zweck; in erster Linie um die Heilung von Krankheiten. Wir saßen 3 Stunden in einer Art Steiniglu zu dreizehnt in Badekleidung. In vier verschiedenen Etappen wurden heiße Steine in die Mitte in ein großes Loch gelegt und später mit Wasser immer wieder aufgegossen.

In dem stockdunklen Raum atmeten wir, lauschten den zwei Anleitern und ihren Gedanken zu Leben, Leistung und Schicksal und musizierten wir. Der wohl emotionalste Moment: Wir sprachen die Dinge aus, die wir dort, im Temazcal, zurücklassen wollten. Es wurde immer heißer und am Ende befand ich mich fast in einer Trance. Als das Ritual beendet war, Licht uns wieder erreichte, wir langsam unseren Kreislauf zu sich kommen ließen,  und die ersten das Steinglu verließen, lag ich einfach nur auf dem Boden und weinte still. Ich weiß nicht warum und wie es dazu kam. Aber es tat gut und im Nachhinein war es einfach nur umwerfend. Was auch immer ich dort zurückgelassen habe, in der Nacht danach habe ich so gut geschlafen wie seit drei Monaten nicht mehr, und meine Batterien waren wieder im grünen Bereich.

(Fortsetzung über anschließende Backpacking-Tour folgt!)