Zur politischen Lage in Peru

Präsident Vizcarra veranlasst eine Auflösung des Parlaments. Wie kam es dazu?

Der Auslöser für die internationalen Aufmerksamkeit war ein Streit um die Besetzung von Richterposten, der Konflikt zwischen Martín Vizcarra und den „Fujimoristas“, den Anhängern des früheren Präsidenten Fujimori, hat aber schon eine deutlich längere Geschichte: Die Fujimoristas stellen die Mehrheit im Parlament, Vizcarra führt dementsprechend eine Minderheitenregierung. Er möchte Anti-Korruptions-Reformen veranlassen, die unter anderem die Strafverfolgung von Korruption im Parlament möglich machen würden, indem die Immunität von Abgeordneten aufgehoben wird. Den  Fujimoristas gefällt das gar nicht, sie verlangsamen daraufhin Debatten und Prozesse und höhlen Reformen aus; trotz allem beginnt aber ein richterliches Verfahren, das die Parteifinanzierung der Fujimoristas überprüfen will.

Da die Auswahl der Richter für das Verfahren allerdings durch eine Wahl im Parlament stattfindet, in dem die Fujimoristas die Mehrheit stellen, versuchen sie, in den Prozess einzugreifen; sie blockieren alle Vorschläge Vizcarras. Der hat schließlich nur noch einen Ausweg gesehen: er will die Vertrauensfrage ans Parlament stellen. Da das allerdings schon die dritte Vertrauensfrage in der Legislaturperiode 2016-2021 wäre, gibt es nur zwei Möglichkeiten: bei einer Annahme könnte Vizcarra den Wahlprozess der Richter durch eine Verfassungsreform ändern, bei einer Ablehnung wird das Parlament aufgelößt.

Die Fujimoristas möchten beides verhindern, und aus diesem Grund wurde am 30. September nicht nur Ministern Vizcarras der Eintritt ins Parlament verweigert, sondern auch die Vertrauensfrage verzögert und aufgeschoben. Im Endeffekt sind die Richter gewählt worden, bevor die Vertrauensfrage geklärt wurde, und somit ist die Wahl illegal.
Vizcarra hat daraufhin das Parlament aufgelöst und zieht nun die Wahlen vor, und obwohl die Fujimoristas eine Übergangspräsidentin ernennen, bleibt Vizcarra dank der Unterstützung des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und der peruanischen Armee vorerst an der Macht.

Die Wahlen werden wahrscheinlich im Januar stattfinden, der Ausgang ist noch ziemlich unklar. Eine Umfrage zeigt aber, dass sich die Peruaner zumindest in einem Punkt einig sind: 84% der Bevölkerung halten die Neuwahlen für sinnvoll und gerechtfertigt. Also mal schauen, wie sich das alles weiterentwickelt!

Museo de Arte de Lima

Ich habe wieder ein Wochenende überlebt, ohne überfahren zu werden (ohne ein kleines Risiko einzugehen, muss man einfach zu lange warten, bis man über die Straße kommt), und so gibt es mal wieder ein Update aus Lima.

Am Donnerstag hat uns Sandra ein tolles veganes Restaurant gezeigt, und ich durfte wieder mit zum Tanzkurs am IPNM! Außerdem durfte ich den Plan für die Deutschprüfungen in Trujillo machen, und dabei habe ich erfahren, dass ich bei der Beaufsichtigung der Schüler helfen darf und so im Oktober ein Wochenende im sonnigen Trujillo verbringen werde – das ist einfach zu cool.
In den letzten Tagen habe ich eine typisch peruanische Sache total für mich entdeckt: Popcorn! Es gibt unglaublich viele verschiedene Arten, und ich habe überhaupt keinen Überblick mehr, wie sie alle heißen. Man findet sie hauptsächlich an kleinen Ständen an den größeren Kreuzungen, und ich glaube, ich werde die ganzen 6 Monate brauchen, um alle zu probieren.

Am Freitag bin ich nach dem Arbeiten zum Museo de Arte de Lima (MALI) gegangen, um mich über Kunstkurse zu informieren, und bin dabei zufällig auf ein Buchfestival gestoßen! Da es auch jede Menge Second-Hand-Bücher gab, war ich natürlich begeistert, und hab in dem Moment gekonnt ignoriert, dass ich auch für den Rückflug nur 23kg Gepäck habe :) Der Park vor dem MALI ist wirklich schön, und ich hab ein bisschen die Sonne genossen, während ich zur Ausnahme mal draußen gelesen habe statt in meinem Bett :)

Am Samstag habe ich es dann auch mal geschafft, das Zentrum Limas zu besuchen, aber abgesehen vom berühmten Plaza de Armas gibt es nunmal nicht soo viel zu sehen, und drum hab ich nach einem kurzen Spaziergang den Rest des Samstags mit Antonia in Miraflores verbracht. Auch wenn das Wetter nicht ganz so toll war, waren wir unten am Strand, und haben das Einkaufszentrum Larcomar und den Parque de Amor besucht, und es muss hier echt erwähnt werden, dass das Essen toll war!

Heute war das Wetter wirklich extrem: Morgens beim Einkaufen hat die Sonne geschienen, und da Lima nicht so weit vom Äquator entfernt liegt, wurde es auch recht schnell heiß, und ich habe bereut, mich nicht eingecremt zu haben… Im Gegenteil dazu wurde es abends total kalt, sobald es wieder bewölkt war, es gibt wohl wirklich nichts zwischendrin.

Das Highlight meines Wochenendes war der Besuch im MALI, in dem es nicht nur ein Cafe mit tollen Brownies gibt, sondern natürlich auch eine Ausstellung. Mir ist mal wieder bewusst geworden, wie wenig uns über die Geschichte Lateinamerikas beigebracht wird, schließlich kennt kaum jemand die Kulturen vor den Inka (mich eingeschlossen). Jetzt habe ich aber auf jeden Fall ein Thema, zu dem ich einiges zu lesen habe!

Morgen geht es wieder zum Arbeiten ins Goethe-Institut, und ich freue mich sehr auf die kommende Woche: Da das Goethe eine deutsche Institution ist, haben wir am 03.10. frei, und da wir in Peru sind, ist auch der 08.10. frei (Nationalfeiertag). Und was gibt es schöneres als zwei freie Tage? Zwei Brückentage zum Wochenende! Da wir im Endeffekt sechs Tage am Stück frei haben, haben Antonia, Leonie, Ida und ich vor, nach Huaraz zu fahren. Yay!

Fotos dazu

Erste Arbeitstage

Schon wieder ein Blogeintrag? Ja, das denke ich mir auch, aber da heute Mittwoch, und damit schon mein dritter Arbeitstag ist, muss ich einfach ein bisschen erzählen (dank der doofen Zeitverschiebung funktioniert Telefonieren im Normalfall nämlich nur am Wochenende).

Am Montag ging es also los: Punkt 9:00 Uhr stand ich im Goethe-Institut und hab auf meine Ansprechpartnerin Sandra gewartet. Ich wurde dann erstmal meinen neuen Kollegen vorgestellt („los presento: Julia, nuestra nueva voluntaria!“) und bin jetzt dabei, mich einzuarbeiten.
Der kurze Weg zur Arbeit ist wirklich toll: Das Goethe liegt genau wie meine Wohnung am Campo de Marte, was für mich bedeutet, dass ich nur fünf Minuten zur Arbeit laufen muss, und so im Extremfall bis halb 9 schlafen kann (yay!). Eine größere Verbesserung zu meinem 1,5 h Schulweg zu Hause gibt es wohl kaum :)

In den drei Tagen habe ich bis jetzt hauptsächlich E-Mails beantwortet, und mich mit Contens, dem internen Programm des Goethe zur Gestaltung der Website, vertraut gemacht. Dabei bin ich im Moment damit beschäftigt, die einzelnen Schulen, die mit PASCH zusammenarbeiten, vorzustellen, und muss dementsprechend auch übersetzen – es wird nämlich immer alles auf Spanisch und Deutsch veröffentlicht. Heute durfte ich die Einladung für ein Event im Oktober designen (hat das Kunst-Additum also doch was gebracht!) und am Dienstag konnte ich Sandra zu ihrem Tanz-Projekt begleiten :) Sie bietet am Colegio Anexio IPNM im Stadtteil Surco einen Kurs zu Standarttanz auf Deutsch an, und es hat total viel Spaß gemacht, ihr zu helfen und selber wieder ein bisschen zu tanzen.
Was bleibt groß zu sagen: ich fühle mich im Moment echt wohl in Lima, wahrscheinlich habe ich die größte Eingewöhnung überstanden, und auch die Tatsache, dass der Nebel immer noch nicht weg ist, ist gar nicht so schlimm :D

Skype, Yuka und La Molina

Obwohl ich am Wochenende ziemlich viel Zeit mit Telefonieren verbracht habe (Deutschland, Portugal, Nordirland, Benin – schon irgendwo krass), habe ich es doch noch aus dem Haus geschafft: Am Samstagabend wurden Antonia und ich nämlich von Clara und Saskia zum Schulfest nach La Molina eingeladen!

Ich hatte zwar schon davon gehört, dass in La Molina die Oberschicht wohnt, aber was ich dann gesehen habe, war nochmal was ganz Anderes. Während in Miraflores alles ein bisschen schicker ist, werden in La Molina vor manchen Straßen erstmal die Autos kontrolliert, und die Häuser sind nicht nur echt groß und supermodern, sondern von der Straße aus auch mit Mauern und Security abgeschottet. Zwar finden sich zwischendrin auch wieder einige „normale“ Straßenzüge, aber der Kontrast zum Stadtzentrum ist schon krass. Das Schulfest hat sich dann als richtiges Event entpuppt, das in keiner Weise an die Bigband-Auftritte und den Kuchenverkauf meiner Schulfeste erinnert hat. Stattdessen gab es einen richtigen Jahrmarkt inklusive Schiffsschaukel und weiterer Fahrgeschäfte, und als Highlight eine professionell aufgebaute Bühne, auf der zuerst Schüler aufgetreten sind, später dann sogar relativ bekannte Bands (sagt zumindest unsere Instagram-Recherche). Und an dieser Stelle muss ich mir jetzt eine Tirade auf Privatschulen und die unfassbare Ungleichheit, die von diesem unfairen System verstärkt wird, verkneifen.

Ein echtes Highlight für mich war am Sonntagabend das Kochen mit Clara und Antonia, zwei weiteren Freiwilligen, bei Antonia zu Hause. Wir haben uns an Yuka gewagt, eine kartoffelartige Wurzel, die hier sehr beliebt ist und noch keiner von uns kannte. Nachdem Clara immerhin schon zwei YouTube-Videos über die Zubereitung von Yuka gesehen hatte, bekam sie ganz klar den Experten-Status zugesprochen, und Antonia und ich haben uns ein bisschen anleiten lassen. Und tatsächlich waren wir alle begeistert! Yuka wird typischerweise geschält, wie Kartoffeln gekocht und dann angebraten; zusammen mit Gemüse und Dip ist sie echt nur zu empfehlen. Es war allgemein sehr schön, sich über die erste Zeit hier auszutauschen, und auch ein bisschen zu planen :) Langsam habe ich das Gefühl, hier so richtig angekommen zu sein: ich kenne die Nachbarschaft, werde vom Portier gegrüßt und an der Ampel nach der Uhrzeit gefragt, und wenn ich morgen anfange zu arbeiten, geht es richtig los!

Hier gibt’s die 3 einsamen Fotos dazu

Sprachkurs in Miraflores

Heute bin ich genau eine Woche in Lima, für mich fühlt es sich wie eine Ewigkeit an.

Am Wochenende war ich hauptsächlich in Jesus Maria unterwegs, um mir eine peruanische SIM-Karte zu besorgen, einzukaufen und natürlich das Viertel kennenzulernen. Außerdem haben Nadim und ich unsere Mitfreiwillige Antonia getroffen, die im Nachbarviertel Pueblo Libre wohnt, und sind mit ihr durch die Straßen geschlendert. Dabei habe ich die Gelegenheit genutzt, um die berühmte, knallgelbe Inca-Kola zu probieren! Mein Fazit: für mich schmeckt sie wie flüssiger, süßer Kaugummi; tatsächlich ist sie bei den Leuten aber sehr beliebt (ich denke, 2,5 Liter-Flaschen im Supermarkt sind dafür Beweis genug!).

Am Montag hat dann der Sprachunterricht in Miraflores begonnen – vormittags Gruppenstunden, nachmittags Einzelunterricht. Morgens sind Nadim und ich lustigerweise im selben Kurs, d.h. auf dem gleichen Spanisch-Level, und werden zusammen mit dem US-Amerikaner Brian (welch Klischee) unterrichtet. Im Grunde wiederholt unsere Lehrerin alle wichtigen Zeitformen und Grammatikgrundlagen, und wir üben alles mündlich. Im Privatunterricht dagegen kann ich selbst wählen, was ich machen will, und habe einen tollen Lehrer, bei dem ich gar nicht bemerke, dass ich die Grammatik übe, während wir uns unterhalten :)

Auf dem Weg nach Miraflores habe ich inzwischen alle Arten der öffentlichen Verkehrsmittel mal durchprobiert – die winzigen Micros, die hektische Metropolitana, und die corridores.
Die Metropolitana ist eine Busverbindung vom historischen Zentrum im Norden Limas bis nach Miraflores im Süden, die vor allem von Berufstätigen genutzt wird, weil es für die Busse eine eigene Fahrspur gibt und die Metropolitana deswegen die schnellste Art und Weise ist, sich in der Stadt fortzubewegen. Leider ist sie deswegen vor allem während der Rushhour sehr voll, und alles geht sehr schnell und hektisch zu. Ohne Rocio wären Nadim und ich schon beim Ticketkauf hoffnungslos verloren gewesen!
Das Gegenstück dazu sind die Micros, kleine, meist schon ältere Busse, von denen es in ganz Lima unglaublich viele gibt. Welcher Bus wohin fährt, wissen wahrscheinlich nur die Einheimischen, die Richtung wird von einem Kontrolleur an den Haltestellen ausgerufen. Im Bus zahlt man dann 1,5 Soles (ca.50 ct) für die Fahrt, und ruft Baja!, wenn man aussteigen will.
Die corridores sind im Gegenteil ein Versuch der Stadtverwaltung, ein bisschen Ordnung in das Chaos der Micros zu bringen. Wichtige Strecken werden von Bussen mit bestimmten Farben befahren, so kommt man beispielsweise mit dem corridor azul von Lince (dem Stadtteil neben Jesus Maria) nach Miraflores und zurück. Für Nadim und mich ist das momentan die beste Variante, da man hier auf Fahrpläne und Ankunftszeiten vertrauen kann und so auch als unerfahrener Neuling zurechtkommt.

Am Dienstag hat sich zum ersten Mal der Nebel verzogen, und wir haben die Sonne genutzt, um den Strand in Miraflores zu sehen. Der Ausblick vom Einkaufszentrum Larcomal auf das Meer, die grünen Klippen und die Hochhäuser war in Kombination mit der Sonne bis jetzt mein Lima-Highlight, und es war außerdem total schön zu sehen, wie sich viele Leute auf der Straße über das gute Wetter gefreut haben! Zwar gefällt mir die Stimmung, die der Nebel in Lima erzeugt, aber trotzdem bin ich gespannt  auf den Sommer im Dezember :)
Miraflores hat in meinen Augen zwei Gesichter: auf der einen Seite stehen hier die Hotels der Luxusklasse, die großen Häuser der Wohlhabenden mit viel Security und die großen SUVs, auf der anderen Seite sind Backpacker aus aller Welt auf den Straßen unterwegs und geben dem Viertel einen internationalen, urbanen Flair. Allein in der Sprachschule habe ich eine Norwegerin, eine Japanerin, mehrere US-Amerikaner und einen Iren kennengelernt, und das ist nur ein Bruchteil der Schüler :)

Gestern waren Nadim und ich mit Rocio im „Kino“ des Goethe-Instituts, um einen Film mit spanischen Untertiteln zu sehen, heute haben wir eine ganz besondere Art des Essens probiert, die sogenannte Chifa, die eine Mischung aus der chinesischen und peruanischen Küche ist. Da die vegetarischen Optionen leider sehr begrenzt waren, habe ich Gemüse mit Reis gegessen – sehr lecker! Anschließend waren wir beim Salsa-Kurs der Sprachschule, und was soll ich sagen, es war toll, und mir wird hier sicher nicht langweilig :)

Bilder gibt´s hier

Erste Eindrücke

In dem letzten beiden Tagen ist so viel passiert, und ich habe so viel Neues erlebt, dass ich all die Eindrücke gar nicht in einen Blogeintrag packen kann. Versuchen werde ich es trotzdem :)

Zwischen dem Vorbereitungsseminar und meinem Flug war ich für einen Tag zuhause, um zu waschen, fertig zu packen und spontan auch noch neue Wanderschuhe zu kaufen. Der Tag ging unglaublich schnell vorbei, und dann ging es auch schon mit dem Verabschieden los: abends Clara (meine kleinste Schwester), am nächsten Morgen Hannah („die Mittlere“, die gar nicht gerne so genannt wird), am Flughafen dann Mama & Papa. Auf der Fahrt nach Stuttgart wurde mir dann zum ersten Mal so richtig bewusst, was ich da tue, und mir war das erste Mal in meinem Leben wirklich schlecht vor Aufregung. Zum Glück bin ich dann schon in der Sicherheitskontrolle auf Leonie gestoßen, sodass wir zu zweit Panik schieben konnten.

Nach einem kurzen Flug waren wir auch schon in Amsterdam, und schließlich saßen wir im Flugzeug nach Lima, in dem wir 12 Stunden verbringen würden. Aber hey, wie schlimm kann es schon werden? Nach den ersten 7 Stunden hätte ich das wohl nicht mehr gesagt, denn irgendwann hilft alle Unterhaltung nicht mehr, und man will nur noch endlich ankommen. Neben uns saß ein Peruaner, dem es ähnlich ging – nach 6 Jahren, in denen er in Rumänien gelebt hatte, wollte er auch nur noch schnell nach Hause (zumindest haben wir das so verstanden, da wir nicht gerade perfekt Spanisch sprechen, sind Fehler aber nicht auszuschließen).

Der Landeanflug auf Lima hätte schöner nicht sein können – die Anden sahen im Sonnenuntergang einfach toll aus! Dann ging es nach unten in die Wolken und den Lärm der Stadt. Wir wurden direkt vom Flughafen abgeholt und ich zu meiner Wohnung, Leonie zu ihrem Hotel gebracht (schließlich ging es für sie zwei Tage später noch weiter nach Trujillo). Da meine Vermieterin Rocio auch erst nachts aus Deutschland zurückgekommen ist, wurde ich von dem Sohn einer Freundin empfangen, der mich leider zuerst mal vergessen hatte. So saß ich erst ein Weilchen unten beim Portier, der sich alle Mühe gab, mich aufzumuntern, und das dann auch geschafft hat (danke Gustavo!).

Auch wenn ich schon viel über den Verkehr in Lima gehört hatte, war es doch nochmal etwas ganz Anderes, ihn direkt zu erleben. Getreu dem Motto „wer zuerst hupt, fährt zuerst“ ist es ziemlich chaotisch auf den Straßen, es fahren auch mal vier Autos in drei Spuren oder ein Taxi hält mitten im Verkehr.

Die Wohnung, in der Nadim (einem Freiwilligen, der an einer Schule im Stadtteil Surco arbeiten wird) und ich mit Rocio leben, liegt direkt am Park Campo de marte mitten im Viertel Jesus Maria. Da wir im 17. Stock leben, haben wir einen tollen Ausblick auf die Stadt, und auch der Verkehrslärm ist nicht ganz so laut wie direkt an der Straße. Das beste: bei uns wohnt außerdem die Katze Mini, die tatsächlich sehr klein ist, schielt, wenn sie sich freut, und gerne unter Decken liegt!

Um meinem Jetlag entgegenzuwirken, habe ich abends noch angefangen, auszupacken; mein Plan war, nicht vor 22:00 Uhr ins Bett zu gehen, um gleich einen normalen Schlafrhythmus zu bekommen. Da ich zu diesem Zeitpunkt aber schon 22 Stunden unterwegs war und kaum geschlafen hatte, musste ich irgendwann kapitulieren – in Deutschland war es zu diesem Zeitpunkt schließlich auch schon 4:00 Uhr nachts!
Am nächsten Morgen habe ich dann schließlich Rocio kennengelernt, und auch Nadim wiedergesehen. Unglücklicherweise war das Gepäck der beiden in Madrid bzw. Panama-City geblieben, Nadim wartet noch immer auf seine Koffer.

Eigentlich sollte in Lima gerade der Frühling beginnen, der lässt aber leider auf sich warten. Stattdessen ist die Stadt in dichten, feuchten Nebel gehüllt, der typisch für den Winter an der Pazifikküste Südamerikas ist und la garúa genannt wird. Er hängt schwer zwischen den Hochhäusern und an den Bergen, verschleiert die Sicht auf den Pazifik und sollte laut Rocio längst weg sein. Solange er bleibt, ist es ziemlich kalt und die Luftfeuchtigkeit mit 80% sehr hoch, und da die Wohnungen im Normalfall keine Heizung besitzen und auch die Fenster nicht ganz schließen, habe ich drei Hosen übereinander an.

Am Nachmittag wurden Nadim, Leonie und ich von Sandra Brunträger, der Koordinatorin der Freiwilligen des PASCH-Projekts am Goethe-Institut und meiner Ansprechpartnerin, zu einem Mittagessen ins Goethe-Institut eingeladen. Anschließend hatten wir einen Einführungsnachmittag, bei dem uns aktuelle Projekte vorgestellt wurden und wir noch mal konkreter auf unsere Aufgaben vorbereitete wurden.
Abends hatten wir aber eine ganz andere Mission: den Mercado San Jose finden, der uns von Rocio zum Einkaufen empfohlen wurde. Im Endeffekt sind wir doch in einem großen Supermercado gelandet, der anstatt von Einzelpersonen von einer Kette geführt wird, und so ein bisschen teurer und nicht ganz so frisch ist. Für den ersten Einkauf und ein paar Sachen für den nächsten Tag war das aber überhaupt kein Problem, und wir haben in den nächsten Tagen ja ausreichend Zeit, um doch noch den richtigen Mercado zu finden.

Heute wurde mir zum Frühstück Granadilla angeboten, eine Frucht, die zu den Passionsfrüchten gehört und deren Inhalt aus leicht säuerlichen Kernen besteht, die von süßen, glitschigen Fruchtfleisch umgeben sind. Sie schmeckt echt gut, und ich freue mich schon auf das ganze andere Obst, dass ich hier probieren kann! Außerdem habe ich zum ersten Mal frische Maracuja gegessen (das wollte ich wirklich schon ganz lange mal!), und sie schmeckt überhaupt nicht wie Maracujasaft oder Joghurt, sondern fruchtig-säuerlich.

(Bilder dazu gibt’s hier)

Das Vorbereitungsseminar

Technisch gesehen war der 1. September der erste Tag meines Freiwilligendienstes (juhuu), praktisch hat er allerdings um 5:30 am Kemptner Hauptbahnhof mit einer langen Zugfahrt begonnen. In München bin ich auf Leonie aus Ulm getroffen, die mit mir nach Peru geht, wenn auch in die nördlichere Stadt Trujillo (schaut mal bei https://kulturweit.blog/leonieinperu/ vorbei!), und bin mit ihr nach Berlin gefahren. Dort wurden wir zum ersten Mal mit der unglaublichen Masse an Freiwilligen konfrontiert: Auf einmal waren da noch 271 andere aus ganz Deutschland, die dasselbe Ziel hatten wie wir! Ein bisschen eingeschüchtert ging es also in Bussen weiter zur EJB am Werbellinsee in Brandenburg.

Seitdem ist unglaublich viel passiert: nach einem sehr hektischen ersten Tag habe ich jede Menge Leute kennengelernt, viel Phase 10 gespielt, mich sowohl inhaltlich als auch emotional viel mit meiner Zeit in Lima auseinandergesetzt, war schwimmen, in verschiedensten Workshops und hatte auch sonst keine langweilige Minute. Uns wird einiges mit auf den Weg gegeben: in den sogenannten „Homezones“ tauschen wir uns in Kleingruppen über Befürchtungen und Ängste, Pläne und Hoffnungen aus, und diskutieren auch über unsere privilegierte Rolle als Freiwillige und Menschen des Globalen Nordens. Und ganz nebenbei merkt man kaum, dass aus den Fremden, mit denen man Informationen zum Postkolonialismus sammeln soll, ganz schnell neue Freunde werden! Leider waren wir Freiwilligen aus Peru nicht alle zusammen in einer Homezone, dafür habe ich jetzt jede Menge Kontakte in Kolumbien :)

Zu Beginn der Woche fanden außerdem die „Partnertage“ statt, bei denen wir die Möglichkeit hatten, uns intensiv mit unseren Entsendeorganisationen auseinanderzusetzen und konkrete Vorstellungen von unseren Aufgaben vor Ort zu bekommen – natürlich wieder in einer neuen Zusammensetzung. Es war anfangs echt anstrengend, sich ständig neu vorzustellen und den In-welches-Land-gehst-du-so-Smalltalk zu wiederholen, aber es hat sich im Nachhinein echt gelohnt, auch nochmal andere Freiwillige kennenzulernen! Am Mittwoch stand als Highlight der Empfang im Auswärtigen Amt in Berlin an; anschließend hatten wir Zeit, die Stadt zu sehen oder uns einfach nur von den intensiven ersten Seminartagen zu erholen.

Mir persönlich haben vor allem die Workshops gefallen – durch die eigene Wahl der angebotenen Varianten konnte man sich mit Themen beschäftigen, die einen wirklich interessieren, außerdem war das Angebotsspektrum wirklich groß. Hier großen Respekt an die TrainerInnen, die sich wirklich sehr viel Mühe gemacht haben!

Und jetzt sitze ich auf einmal ziemlich müde im Zug nach Hause und die 10 Tage Vorbereitungsseminar sind schon wieder vorbei. Es ist unglaublich, wie schnell der Seminaralltag zur Normalität wurde! Ich hatte total viel Spaß, viel zu wenig Schlaf, habe tolle Menschen kennengelernt und viel Sicherheit für die nächsten 6 Monate gewonnen.
So langsam wird Lima also richtig greifbar, und die Vorfreude wächst. Gerade weil viele meiner Freunde auch ein FSJ im Ausland oder Inland machen und es bei allen schon losging, kann ich es kaum erwarten, auch endlich anzufangen!

(Bilder zum Vorbereitungsseminar)

Fair berichten

„Sprache ist unglaublich machtvoll und konstruiert die Realität, in der wir leben.“

Mit diesem Zitat hat meine Seminartrainerin Carmen ein großes Problem zusammengefasst, mit dem ich mich wie alle Freiwilligen, die einen Blog schreiben, auseinandersetzen muss:
Natürlich möchte ich von meinen Erlebnissen aus Peru erzählen, und so nicht nur meine Freunde und Verwandte auf dem Laufenden halten, sondern eventuell auch den nach mir kommenden Freiwilligen einen Einblick in meine Einsatzstelle geben. Das wird hier durch Texte und Bilder passieren, und an dieser Stelle möchte ich gerne deutlich machen, dass ich nur aus einer sehr begrenzten Perspektive berichte.

Es ist unglaublich schwierig, durch persönliche Erfahrungen nicht automatisch zu standarisieren, romantisieren oder zu verallgemeinern und dadurch unbewusst Vorurteile zu bestätigen, Diskriminierung zu wiederholen und Ungleichheiten zu verfestigen.
Allein die Bevölkerung Limas umfasst ca. 8,5 Millionen Einwohner verschiedenster Ethnien. Ich erlebe als eine einzelne Person also nur einen kleinen Ausschnitt der Realität an meinem Einsatzort, den ich zusätzlich subjektiv durch meine Position als Freiwillige sehe.

Ich freue mich dennoch sehr über euer Interesse und wünsche viel Spaß beim Lesen!

Über meinen Freiwilligendienst

Hallo, ich bin Julia, gerade 18 Jahre alt geworden, und Teil der 21. Generation von kulturweit-Freiwilligen. Ab September 2019 werde ich 6 Monate in Lima, Peru verbringen, und freue mich sehr auf diese Erfahrung!

Meinen Freiwilligendienst mache ich mit und über kulturweit, dem internationalen Freiwilligendienst der Deutschen UNESCO-Kommission, gefördert durch das Auswärtige Amt. Nach dem Motto „global denken und handeln“ unterstützt kulturweit das zivilgesellschaftliches Engagement junger Menschen, vermittelt transkulturelle Kompetenzen und setzt sich für eine weltoffene Gesellschaft im Sinne der UNESCO ein.

Wir Freiwillige verbringen sechs oder zwölf Monate mit unseren Partnerorganisationen in Ländern des Globalen Südens, in Osteuropa und der GUS, und werden durch Seminare und einen Sprachkurs umfassend auf unseren Dienst vorbereitet. Durch das kulturweit-Netzwerk haben wir außerdem die Möglichkeit, andere Freiwillige kennenzulernen und uns auszutauschen.Meine Einsatzstelle in Peru ist das PASCH-Büro am Goethe-Institut in Lima. PASCH (Schulen: Partner der Zukunft) ist eine Initiative des Auswärtigen Amtes, die an weltweit ausgewählten Schulen den Deutschunterricht fördert. Im Rahmen dieses Programms engagieren sich viele meiner Mitfreiwilligen direkt an einer PASCH-Schule, wo sie als Unterrichtsassistenz und Muttersprachler die Lehrer im Deutschunterricht unterstützen. Ich bin im Gegensatz dazu direkt im PASCH-Büro eingesetzt, wo ich die Umsetzung und Planung diverser Projekte mit und für Partnerschulen unterstützen werde.

Weitere Infos findet ihr hier:
zu kulturweit: https://www.kulturweit.de/programm/über-kulturweit
zu PASCH: https://www.pasch-net.de/de/udi.html
Zur UNESCO und ihren Zielen: https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/215499/gruendung-der-unesco

alegría previa

Vorfreude – das trifft die Gefühle am besten, die ich habe, wenn ich an meine Zeit in Lima denke. Natürlich ist auch Unsicherheit dabei, vor allem aber ziemlich viel Neugier, schließlich weiß ich trotz all der Vorbereitung und Planung doch nicht so ganz, was mich erwartet!

But: If you never try, you will never know.
Ganz diesem Motto folgend bin ich ziemlich gespannt, was auf mich zukommt, sowohl in Lima, als auch auf dem Vorbereitungsseminar in Berlin. Noch klicke ich mich also durch die Blogs der jetzigen und ehemaligen Freiwilligen – bis es dann auch für mich losgeht, und ich meinen eigenen Blog mit Erlebnissen füllen kann!

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