Das Zwischenseminar

Wer in der letzten Zeit per WhatsApp und Co. mit mir in Kontakt stand, hat es sicherlich schon mitbekommen: Das Chaos rund um unser Zwischenseminar.

Die Idee ist simpel: nach ca. zwei Monaten in der Einsatzstelle treffen sich die Freiwilligen für 5 Tage mit ihrer Homezone (ihr erinnert euch, die Kleingruppen vom Vorbereitungsseminar) und haben die Möglichkeit, sich wiederzusehen, über die erste Zeit auszutauschen, Probleme anzusprechen und Projekte zu planen. So weit, so gut; in der Praxis hat das bei uns nicht ganz so reibungslos funktioniert. Ursprünglich war ein Seminar mit allen Freiwilligen aus Peru und Chile in Santiago geplant, was für mich bedeutete, dass ich meine Homezone mit Freiwilligen aus Kolumbien und Ecuador nicht wiedersehen würde. Wegen der Proteste in Chile stand dann erstmal eine ganze Weile in Frage, ob es überhaupt ein Seminar geben würde; im Endeffekt wurden wir Freiwilligen aus Peru zum Zwischenseminar nach Argentinien eingeladen, die „Chilenen“ bekamen ein Webinar.

Also ging es für uns recht spontan zu Villa General Belgrano, einer deutschen Enklave in der argentinischen Provinz Córdoba, ca. 1,5 Stunden von Córdoba selbst entfernt. Bei einer Stadtführung konnten wir die bewegte Geschichte des Ortes kennenlernen, der meiner Meinung nach Symbolcharakter für Argentinien hat: nach Vertreibung der indigenen Völker durch die Spanier wurde das Land billig an deutsche Siedler verkauft, profitiert haben mal wieder die Europäer. Als dann während des Zweiten Weltkriegs ein Teil der Besatzung des deutschen Kriegsschiffes Admiral Graf Spee angesiedelt wurden, bekam der Ort seinen „deutschen“ Charakter. Im Zentrum sind Schilder mit „Biergarten“, bayrische Flaggen und Häuser zu finden, die auch so in Tirol stehen könnten. Außerdem gibt es jährlich die Fiesta de la Cerveza (Fest des Bieres, vergleichbar mit dem Oktoberfest), zu dem unglaubliche Menschenmassen die Stadt überfluten.

Während des Seminars waren wir gemeinsam mit 16 Freiwilligen aus Argentinien in El Mirador untergebracht, einem sehr süßen Hostel, dessen Betreiber Oscar und Kiri (?) wirklich unglaublich lieb waren. Inhaltlich ging es  sehr viel um unsere bisherigen Erfahrungen, um unsere Privilegien als Freiwillige und (anknüpfend an die Stadtführung) um Kolonialismus und postkoloniale Strukturen heute – dafür sind die Besitzverhältnisse in Argentinien das beste Beispiel.

Für mich am eindrucksvollsten war der Besuch in La Perla, einem ehemaligen  Konzentrationslager, in dem politische Gegner der Militärdiktatur gefangen gehalten und gefoltert wurden ( http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/223408/militaerdiktatur-in-argentinien). Noch heute suchen die madres/abuelas del plaza de mayohttp://www.bpb.de/internationales/amerika/lateinamerika/44628/menschenrechtsbewegung ) nach ihren Angehörigen und zum Teil nach ihren eigenen Kindern, die zu dieser Zeit verschwunden sind. Zum Thema der Diktatur und ihrer Folgen reicht kein Blogeintrag, dazu kann ich euch nur Eigenrecherche ans Herz legen. Mich hat der Ort vor allem als lebendige Erinnerungsstätte beeindruckt: da ein Großteil der Opfer kein richtiges Grab besitzt, wird mit Fotos an die Menschen erinnert; daneben sind oft handschriftliche Schriftzüge wie Nunca más, Siempre resistir oder memoria, verdad, JUSTICIA oder Blumen.

Sehr bewegt hat mich außerdem der Film Tierra Adentro, den wir an einem Abend sehen konnten und der die systematische Vertreibung der Mapuche aus ihrem Gebiet im heutigen Chile und Argentinien durch europäische Siedler zeigt. Durch die campaña desierto sollte das angeblich ungenutzte Land „zivilisiert“ werden – mit schrecklichen Folgen für die Mapuche, die den Eroberern allerdings starken Widerstand leisteten (es wurde 5 Jahre land gekämpft, bis 20 km Land erobert waren). Der Film weißt außerdem darauf hin, wie tief die Ungerechtigkeit bis heute im Land verankert ist – in den Besitzverhältnissen und der Vermögenserteilung, aber auch darin, dass noch immer viele offizielle Gebäude nach den mordenden Generälen benannt sind. Hier der Trailer, leider nur auf Spanisch: https://www.youtube.com/watch?v=TKmzLHBCO6A

Was lässt sich zusammenfassend zum Zwischenseminar sagen? Ich habe es sehr genossen, eine Woche außerhalb der Großstadt zu verbringen, und mich vor allem über den Regen gefreut, den es so in Lima nicht gibt. Es war schön, so viel Zeit mit den anderen Peruanern und auch den Freiwilligen aus Argentinien zu verbringen, und jeden Tag medialunas mit dulce de leche zu essen. Auch wenn die Chemie zwischen Gruppe und Trainerinnen nicht ganz gepasst hat, gab es jede Menge Imput, wenn auch zu Argentinien und nicht zu Peru; das ist allerdings der spontanen Planung zuzuschreiben. Alles in allem eine tolle Woche!

Hier gibt’s Bilder – die Credits für die Bilder aus La Perla gehen an Henrik, ich hatte nämlich mein Handy vergessen. Danke nochmal :)

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