Frag doch mal in Kolumbien #2: Bildung, Arbeit, Chancen

 

Für Runde Nummer zwei in unserer weltweiten Interview-Aktion durfte ich ein Interview mit einem Deutschlehrer meiner Schule machen. Er heißt Camilo und unterrichtet seit fast einem Jahr am SCALAS. Er schildert uns seine Meinung über das kolumbianische Bildungssystem und einige andere Aspekte. 

Unser Thema für den Monat Mai ist Bildung, Arbeit, Chancen. Camilo, du bist Deutschlehrer. Wie bist du zu diesem Beruf gekommen? Wie war deine akademische Laufbahn?

Also, zuerst habe ich die Schule beendet und mich danach bei der Universität beworben. In Kolumbien gibt es einige öffentliche Universitäten, aber es ist schwierig, dort einen Studienplatz zu bekommen. Deswegen gibt es an einigen Aufnahmeprüfungen, um zu zeigen, dass man über das geforderte Niveau verfügt, um dort studieren zu können. Ich habe also diese Prüfung abgelegt und danach mein Studium begonnen, genauer gesagt in Philologie, in Germanistik.

 

Du hast die öffentlichen Universitäten erwähnt. Welche Unterschiede gibt es zwischen den öffentlichen und den privaten Universitäten? Von welchem Typ gibt es mehr?

In Kolumbien gibt es viel mehr private Universitäten. Öffentliche gibt es nur ein paar wenige, in Bogotá zum Beispiel sind es drei. Der Hauptunterschied ist, dass die öffentlichen Unis meist einen sehr guten Ruf haben. Die privaten sind teuer und ja, es gibt ebenfalls ein paar sehr gute, aber auch andere, die nicht so gut sind.

 

Denkst du, dass mit der Bildung in Kolumbien ein Geschäft gemacht wird?

Ja, ich persönlich denke das. Es fällt einem besonders auf, wenn man die vielen Institute sieht, die mal ganz klein angefangen haben, aber heutzutage Universitäten sind. Sie bieten eine Option für monatliche Raten an, es ist also, als würdest du einen Kredit abbezahlen.
Das hängt auch damit zusammen, dass die Leute die Wahrnehmung haben, dass Bildung der Weg ist, um später ein besseres Gehalt und ein besseres Leben zu haben. Deswegen gibt es viele Institutionen, die private Bildung anbieten, natürlich gegen Bezahlung, und leider nur wenige öffentliche Einrichtungen. Die Leute suchen Zugänge zur Bildung, es gibt eine hohe Nachfrage. Dementsprechend werden genau diese privaten Angebote kreiert. Ich denke, dass es so nicht sein sollte, aber so ist es nun einmal. Bildung wird wie ein Geschäft in Kolumbien gesehen, oder ist es sogar.

 

Das heißt also, dass es leichter ist, für jemanden mit viel Geld Zugang zu einer guten Bildung zu erhalten?

Ja. Eine der besten Universitäten Kolumbiens ist sehr sehr teuer, die Universidad de los Andes. Sie hat eine wirklich gute Qualität, aber nicht jeder kann es sich leisten, dort zu studieren. Natürlich gibt es Stipendien und Optionen, damit Leute mit geringen finanziellen Mitteln dort studieren können, aber sie sind sehr knapp. Generell ist die Bildung, die den Leuten leichter zugänglich ist, oftmals von nicht so guter Qualität.

 

Welche Unterschiede gibt es zwischen deiner akademischen Laufbahn und der von deinen Eltern oder Großeltern? Hat sich viel verändert?

Ja. In früheren Generationen dachten die Leute, dass man es im Leben wirklich zu etwas gebracht hat, wenn man es zur Universität geschafft hat oder einen akademischen Abschluss hat. Es war etwas besonderes. Die Eltern von vielen meiner Bekannten sind nicht zur Universität gegangen. In den meisten Fällen machte man nur die Schule fertig und suchte sich danach eine Arbeit. Bei meinen Eltern hatte sich das dann schon etwas gewandelt. Sie haben zwar selbst auch nur das Bachillerato (wie deutsches Abitur) gemacht, aber es war auch wegen ihnen, dass ich an die Universität gegangen bin. Es galt schon der Konsens, dass man für eine bessere Lebensqualität am Besten einen Universitätsabschluss macht.

 

Welches sind momentan in Kolumbien die Berufe mit den besten Perspektiven?

Kolumbien ist ein Land, was sich sehr auf Industrie konzentriert. Landwirtschaft war schon immer weit verbreitet, aber die Industrie ist in den letzten Jahrzehnten am Wichtigsten geworden. Deswegen werden viele Ingenieure gesucht. Sie haben mehr Einsatzbereiche und es geht ihnen viel besser im Vergleich zu Studierten aus anderen Bereichen, wie zum Beispiel den Geisteswissenschaften.

 

Von internationaler Perspektive aus gesehen, was denkst du? Gibt es viele Leute, die Kolumbien verlassen für Arbeit, für bessere oder auch einfach andere Möglichkeiten? Gibt es viele Ausländer, die nach Kolumbien kommen, um zu arbeiten?

Heutzutage ist die Welt viel stärker verbunden als früher. Die Leute merken, dass es in viele andere Möglichkeiten gibt für Studium und Beruf in anderen Ländern. Kolumbien hat sein Bild in der Welt auch verändert. Es ist jetzt nicht mehr das Land mit Gewalt, sondern ein Land zum Entdecken. Das ist sehr positiv. Es gehen viele Kolumbianer ins Ausland. Viele Menschen denken, dass ins Ausland zu gehen, sei es für Studium, Beruf oder Leben, bedeutet, die Lebensqualität zu verbessern. Und Ausländer in Kolumbien: ja, dank des neuen Gesichts, was Kolumbien der Welt zeigt, gibt es auch viel mehr Leute, die zum Studieren oder Arbeiten hierher kommen. Es ist sehr interessant.