Bogotá in Bewegung #1 TransMilenio, Bogotás Bussystem

Der TransMilenio füllt sich. Ich habe mir einen der guten Stehplätze sichern können, mein Cello neben mir sicher in der Ecke. Das Gedränge ist schon jetzt, um 4 Uhr nachmittags, ziemlich beeindruckend. Der Bus hält an einer Station, die Tür öffnet sich, wie sie es eigentlich immer sollte: zweifach. Zum Einen die Bustür selbst, zum Anderen die automatische Glasschiebetür der TransMilenio-Station, vor der sie hält. “Eigentlich immer sollte” an dieser Stelle, weil die eben erwähnte Tür der Station nicht immer Lust auf ihre Pflicht zu haben scheint. Das hat dann zur Konsequenz, dass alle gemeinschaftlich und mit vereinten Kräften in den Kampf gegen die Automatik eintreten und sogar ein paar Fahrgäste aus dem Bus heraushüpfen, um hilfsbereit den Leuten mit Einsteigewunsch die Glastür aufzuschieben. Spontanes Teamwork im öffentlichen Raum.

Doch gerade ist das zum Glück nicht nötig. Eine Frau bahnt sich hektisch den Weg durch das Meer aus Menschen und Rucksäcken. Die Zeit zum Aussteigen ist knapp und die Strecke bis zur Tür zurückzulegen scheint oftmals unmöglich. Wenn ich für meine Orchesterprobe nicht glücklicherweise an der Endhaltestelle der Linie aussteigen müsste, könnte ich es vermutlich nicht wagen, TransMilenio zu fahren. Allein die Vorstellung, auch noch ein Cello unter Zeitdruck durch die Massen zu bewegen, überfordert. Während der hora pico, der Rushhour, die hier wochentags schon mal um die 2 bis 3 Stunden dauern kann und Samstags gefühlt den ganzen Tag ist, ist alles noch einmal verschärfter. Der Stadt mangelt es ganz eindeutig nicht an Politiker*innen, die das Versprechen vom Bau einer Metro brechen, wohl aber an einem effizienten und umfassenden Verkehrssystem, das den Menschenmassen gerecht wird.

Ich habe heute dank Zeit und Ort noch einmal Glück im Unglück gehabt mit der Gesamtsituation. Und auch mit der Unterhaltung an Bord. Es stellt sich gerade ein Mann vor die Tür und beginnt, die Busfahrt als Allgemeinwissen-Auffrischung zu gestalten. Seine Quizfragen stoßen auf reges Interesse und Antwortbereitschaft. Welches ist das größte Departamento Kolumbiens? Amazonas! Auf wie vielen Höhenmetern liegt Bogotá? 2600! Unvorstellbar, denke ich, dass sich die Leute in einem Bus oder einer Straßenbahn in irgendeiner deutschen Stadt so offen auf ein solches Spielchen einlassen. Hier ist die Offenheit klar größer.

Irgendjemand betreibt eigentlich immer seine Kunst oder sein Verkaufsgeschäft im TransMilenio. Viele gute, Gitarre spielende Sängerinnen und Sänger durfte ich so schon unerwartet hören, war Publikum von Amateurrappern oder wurde von einer als Clown verkleideten Frau mit Stimmverzerrer mit Smileyaufklebern beklebt. Die Fantasie, womit man im TransMilenio ein Bisschen Geld verdienen könnte, hat keine Grenzen. Das Interesse an meinem Cello meist auch nicht. Auch heute werde ich vom älteren Herrn, der neben mir sitzt, freundlich angesprochen, welches Instrument das denn sei, ob ich in einem Orchester spiele, woher ich komme, wie lange ich schon in Kolumbien bin und was ich hier mache. Echtes, ehrliches Interesse, das uns direkt in ein nettes Gespräch verwickelt, bis wir beide an der Endhaltestelle aussteigen.