Mweyapo! – Willkommen in Afrika! Diesen Gruß höre ich ständig, wenn ich Namibianer hier treffe. Die Menschen freuen sich mich hier willkommen zu heißen. Doch bin ich doch eigentlich schon fast vier Wochen da, habe mich eingelebt, habe eine Wohnung gefunden, arbeite an der Windhoek High School schon richtig mit und habe neue Freunde gefunden.
Mir kommt es vor, als sei ich schon ewig hier. Die Wege, die ich hier zurücklege sind klar in meinem Kopf vorgezeichnet. Ich weiß, wo ich was finde, wen ich in welchem Fall fragen muss und wann welcher Laden schließt. Wochen vergehen gefühlt wie Tage, Tage wie Stunden, Stunden wie Minuten und Minuten wie Sekunden. Die ersten Wochen hier waren wie ein Rausch. Erlebnisse und Begegnungen ziehen an einem vorbei wie die Landschaft aus dem Fenster eines fahrenden Zuges. Und doch fühle ich mich aufgehoben und willkommen. Allein die Erlebnisse und Erfahrungen seit meinem letzen Blogeintrag vor zwei Wochen könnten einen Roman füllen.
Angefangen mit meiner Arbeit in der Schule mit den Klassen 8, 9 und 11. (Die Klassen 10 und 12 haben Prüfungen.) Ich arbeite im Unterricht voll mit, darf auch schon einzelne Abschnitte oder sogar Stunden übernehmen. Für die meisten Schüler, ausgenommen die wenigen Muttersprachler hier, ist Deutsch eine fremde, schwer zu lernende Sprache. Mir selbst wurde bewusst, wie kompliziert und verwirrend die deutsche Sprache doch ist. Und trotzdem: Das Interesse an Deutsch, der deutschen Kultur und Deutschland ist da. Sei es eine Schülerin der 11. Klasse, die mich nach Studienmöglichkeiten in Deutschland fragte, sei es das Erstaunen über die Vielfalt deutscher Kartoffelprodukte in der 8. Klasse oder sei es die lebhafte Diskussion in der 9. Klasse, wann der Deutschclub stattfinden sollte, sodass alle, die wollen, teilnehmen können. Der erste Deutschclub zumindest war ein kleiner Misserfolg: Es kam nur ein Schüler. Der Rest hatte parallel einen Kurs oder die Werbung war nicht zureichend angekommen, aber ich arbeite daran. Parallel bin ich nun auch Trainer der Mittel- und Langstreckenläufer an der WHS. Nun laufen die ersten Trainingseinheiten an, sodass wir fit sind für die Wettkämpfe im Februar und März.
Am 30.09. fand das u.A. vom Goethe-Institut organisierte 1. EUNIC-Soccer Tournament statt, bei dem verschiedene Windhoeker Schulen sieben europäische Länder und Namibia vertraten. Ich betreute das Team meiner Schule, das Deutschland repräsentierte! Nach guten Gruppenspielen gegen Spanien, Finnland und Großbritannien, die wir alle gewannen, konnten wir Portugal im Halbfinale im Penalty-Shoutout bezwingen. Im Finalspiel wartete dann Namibia auf die WHS-Jungs. In einem umkämpften Spiel konnten sich schließlich die Namibier durchsetzen. Am Ende waren aber alle glücklich, denn jeder bekam eine Medaille und es gab tolle Preise. Aber am wichtigsten war, dass die Spieler bewiesen, dass man mit Fairness, Respekt und Freude am Spiel gemeinsam Spaß haben kann und dass Sport Menschen, egal welcher Herkunft, welcher Religion oder welchem Hintergrund zusammenbringen und vereinen kann.
In der nächsten Woche jagte ein Highlight das andere: Am Mittwoch, waren wir in der Residenz des deutschen Botschafters zum Empfang zum Tag der deutschen Einheit eingeladen. In Erwartung eines langweiligen, steifen Abends erlebten wir allerdings einige schöne, unterhaltsame Stunden im Garten des Botschafters, die natürlich von leckerem Essen, guten Weinen und einem fantastischen Ausblick gekrönt wurden.
Am Donnerstag hatte ich frei, da „Teacher’s Day“ war, sodass ich am Freitag ausgeschlafen und fit zu meiner ersten Prüfungsaufsicht in die Schule kommen konnte. Ich kann nun verstehen, dass Lehrer nicht unbedingt Freunde dieser Prüfungsaufsichten sind.
Am Freitagabend startete dann das kulturell vollgepackte Wochenende: NUTS (Die „Night under the Stars“) stand an, eine monatliche Konzertreihe des Goethe-Instituts diesmal mit der deutschen Jazz-Combo „Wolfgang Haffner & Band“ und mit Susie Eises und ihrer Band, einer jungen, begabten namibischen Saxophonistin. Das Konzert war auch wirklich hochklassig. Ein Genuss für Jazzkenner, zu denen ich mich nicht unbedingt zählen wurde, und doch wurde ich gut unterhalten an diesem Abend, spätestens als alle Musiker des Abends zusammen den Klassiker „Sunny“ von Boney M. anstimmten. Im Anschluss durfte das Feiern in Windhoeks (einzigem) „Club“ „Chopsys“ nicht fehlen.
Am Samstag stand Fußball auf dem Programm: Namibia gegen Botswana im Sam-Nujoma-Stadium in Katatura, dem „Township“ von Windhoek, auf das ich später noch zu sprechen kommen werde. Dort herrschte eine tolle Stimmung. Als die wirklich schöne namibische Hymne gesungen wurde, war ich nicht der einzige unserer Gruppe, der Gänsehaut hatte. Als dann schließlich Namibia trotz eines Rückstandes 3:1 gewann, war die Freude grenzenlos, auch wenn es „nur“ ein Freundschaftsspiel war. Im Anschluss daran ging es schnurstracks ins National Theater of Namibia, „The Encounter“ stand auf dem Spielplan. Ein wirklich toll gespieltes und clever geschriebenes Kammerspiel, in dem ein schizophrener Mann, sich und zwei andere vom Schicksal verbundene Menschen in einer Bar zusammenbringt, um die Wahrheit ans Licht zu bringen und Rache zu üben. Diese Dramaturgie endet schließlich in einer Katastrophe. Besonders bemerkenswert für mich war der unglaublich lockere und ungezwungene Umgang mit Homosexualität in dem Stück. In der Auseinandersetzung mit Namibia vor meiner Reise fand ich noch die Ergänzung auf der Seite des Auswärtigen Amtes, dass homosexueller Geschlechtsverkehr unter Strafe steht. Und dann kommt man her und erlebt diesen völlig freien Umgang mit Homosexualität, was mich sehr freut und zeigt, dass Namibia in diesem Punkt Deutschland in keinster Weise nachsteht.
Am Sonntag schließlich stand der letzte Programmpunkt dieses anstrengenden Wochenendes an: Eine eindrucksvolle Tour durch das Township Katatura mit unserem Freund und Taxifahrer Erick, der aus Katatura stammt. Wir lernten viel über die Geschichte des Stadtteils, warum die Menschen dorthin mussten und sahen hautnah die Lebensumstände dort. Wir besuchten ein Weißenhaus und Ericks Familie, die in einfachen Wellblechhütten ohne fließend Wasser und Elektrizität lebt. Wieder wurde mir bewusst, wie privilegiert und glücklich wir doch sind, in Deutschland geboren zu sein. Besonders eindrucksvoll war, dass Erick am meisten Kritik an seinen namibischen Landsleuten in Katatura hatte: Das fehlende Bewusstsein für Krankheiten wie AIDS usw., der Drogenhandel, die Kriminalität und die fehlende Bildung. Außerdem meint er, dass es besser ist, wenn die großen Unternehmen von weißen Europäern geführt werden und nicht von Namibiern, da diese mehr von Management verstünden. Er sagte, würde ein Schwarzer Afrikaner dieses Unternehmen übernehmen, wäre es schnell heruntergewirtschaftet und viele Menschen verlieren ihren Job. So passiert in Simbabwe, wo nach der Unabhängigkeit und dem Ende der Apartheid alle Weiße des Landes verwiesen wurden. In Namibia sei das anders und besser gelaufen. Der widersprüchlichste Punkt der Tour war der Besuch Chinatowns. In mehreren Hinterhöfen findet man mehrere kleine „Stalls“ mit Geschäften, geführt von Chinesen. Und das mitten in Windhuk!
Zum Abschluss ging es noch Kapana essen, einer Spezialität in Katatura. Man hat alle Produktionsschritte live vor Augen wie das Kapana, gegrilltes Rindfleisch, erst aus den Teilen der geschlachteten Kuh geschnitten wird und dann auf den Grill gelegt wird. In Deutschland allein aus hygienischen Standards undenkbar! Aber geschmeckt hat es sehr gut. Man ist das Kapana zusammen mit einem Gewürz, in das man das Fleisch tunkt, einer Art Zwiebel-Tomatensalat, mit Mielie Pap, einem Brei, und den Fat-Cookies, die an deutsche Kreppel ohne Zucker erinnern. Alles in allem ein üppiges und leckeres Mittagessen. Noch einmal vielen Dank an Erick für die tolle Tour und als Empfehlung an alle Namibia-Urlauber hier die Website: www.mwiyatours.com
Nun liege ich im Bett und bereite mich geistig auf die nächste Woche vor. Ich bin gespannt was kommt und hoffe, dass ich irgendwann die Zeit finde, alles zu verarbeiten. Aber immerhin habe ich bis jetzt nächstes Wochenende noch nichts vor! Ich wünsche Euch eine schöne Woche im kalten, verregneten Deutschland :P, hier hat es immerhin diese Woche auch geregnet und es ist kälter geworden, also 28 Grad statt 33:D
Liebe Grüße und bis bald,
Jonathan