Von Abschieden und letzten Malen

Heute ist mein letzter Schultag, geprägt von Abschieden und letzten Malen. Ein letztes Mal mit meinen netten Kolleginnen plaudern über Pläne, Eishockey und lustige Unterrichtsstunden. Ein letztes Mal einkaufen und Miete bezahlen und auch ein letztes Mal durch Těšín und Karviná laufen. Ich genieße diese letzten Stunden in vollen Zügen. Mir wird immer mehr bewusst, dass ich das Leben hier vermissen werde. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann in einer Kleinstadt, einem Dorf zu leben, vermisse ich die Freundlichkeit der Leute und die kleinere Welt, die es meiner Orientierung leicht macht und in der man sich leichter über den Weg läuft.

Darf ich das mein zuhause nennen? Schließlich war ich hier nur Gast für 6 Monate. Trotzdem fühlt sich hier alles so bekannt an und das Leben in Deutschland ist in weitere Ferne gerückt. Doch die Leere meiner Wohnung und der aufkommende Frühling, leider nicht in den Temperaturen (seit Wochen Minusgrade und Schnee) machen mir bewusst, das ich eine andere Heimat habe. Für mich fühlt sich die Reise in diese Heimat fast wie ein Neuanfang an.

Die letzten Wochen nutzte ich, um meine Umgebung besser kennenzulernen, also vor allem Ostrava. Ich hatte mir den Besuch bis jetzt aufgehoben, da es nur ein Kurztrip von einer halben Stunde ist, der spontan zu machen ist. Leider hatte mein Handy wegen der Kälte schon nach kurzer Zeit seinen Geist aufgegeben. So bin ich durch die Stadt geschlendert und habe die Stadt auf mich wirken lassen. Hört man das erste Mal von Ostrava ist der Ausdruck die “schwarze Stadt” eigentlich ganz passend. Die Stadt ist durch den Bergbau groß geworden und durch seine vielen Bergwerke bekanntz.B. Důl Michael oder Důl JIndřich, das mitten in der Innenstadt ziemlich ungenutzt und verlassen steht. Doch die Stadt wird immer bunter. Landesweite Bekanntheit hat Ostrava durch das jährliche Musikfestival  Colour´s of Ostrava auf dem Bergbaugelände Důl Hlubina. Ostrava hat sich zu einem bekannten Kunst- und Kulturstandort entwickelt. Nicht umsonst ist das Motto der Stadt Change!!! (mit drei Ausrufezeichen). Denn im Wandel ist die ganze Region hier, wie ich bereits im letzten Beitrag zu Urteilen zu Vorurteilen erwähnt hatte. Es ist sehr interessant diese Stadt zu entdecken, die viele Elemente in sich vereint: Das industrielle Ostrava mit seinen Bergwerken und auch das schöne Ostrava mit seinen Bürgerhäusern, Villen und schönen Gebäuden und natürlich das moderne Ostrava mit seinem verglasten Rathausturm und der modernen Kunstszene. Wie ein Phoenix, der sich langsam aus der Asche, in diesem Fall der Kohle erhebt und in neuen schillernden Farben erstrahlt. Es war jedenfalls eine toller Ausflug, der mit einem leckeren Kuchen und einer heißen Schokolade im Cáfe “Bei Oma”.

Plötzlich wieder fremd

Am nächsten Wochenende begannen dann die  Frühjahrsferien. Donnerstags kam schon Anne aus Lublin, um mich ein paar Tage zu besuchen. Nach einem obligatorischen Spaziergang zum Supermarkt und zum Park mit dem “Schloss” in Karviná, ging es zu meiner kleinen Wohnung. In dieser wurde es später mit Annika aus Brno dazu, trotz nur zwei Stühlen erstaunlicherweise nicht zu klein. Es war in den ersten Tagen echt seltsam als Ausländer in meinen Straßen erkannt zu werden, fast zu unangenehm. Ich brauchte ein paar Tage brauchte um mich daran zu gewöhnen. Man wird dann anders angesehen und fühlt sich isolierter. Vorher hatte ich nämlich das Gefühl dazu zu gehören, vor allem wenn man häufig nach dem Weg oder der Uhrzeit gefragt wird.

Am Freitag haben wir die schöne schlesische Stadt Opava besucht, eine schöne kleine schlesische Stadt mit dem ältesten Schlesischen Landesmuseum. Man findet auch hier viele e Spuren von Deutschen, z.B. deutsche Inschriften. Trotzdem heißt das keineswegs, dass wir alles verstehen. Wir essen in einer Art Kantine zu Mittag, von aussen durch die dreisprachige Beschreibungen der böhmischen Küche als Touristenfänger erkennbar, stehen wir im Inneren vor einer riesigen Tafel mit Gerichten von denen wir nur smazený sýr s hranoulkem verstehen. Nach einer verwirrenden Ewigkeit kommt unser überbackener Käse mit Pommes. Satt und zufrieden schlendern wir durch die bunten Gassen und halten Ausschau nach den bekannten Opavia- Süßwaren, die aus dieser Stadt kommen.

in den darauffolgenden Tagen zeige ich Annika und Anne meine Gegend, Český Těšín und Ostrava. Wir liefen diesmal auch zur Ostrauer Burg, die nicht auf einem Berg liegt sondern nur auf der anderen Seite des Flusses Ostravice. Später steigen wir auf den neuen Rathausturm, um den Ausblick über die Stadt zu genießen. Ich lausche ein bisschen der Erklärung einer Frau auf Tschechisch, doch der Überblick über die Stadt sagte bereits genügend über Ostrava aus. Bergwerke, Hochhäuser und Kirchen… Eigentlich wollten wir dann noch in den Landekpark ins Bergbaumuseum fahren, doch bei den horrenden Preise für Führungen in einer Fremdsprache, war uns der Besuch, trotz des Attributs größtes Bergbaumuseum nicht wert.

Den letzten Tag brachten wir damit den Bahnhof in Cieszyn zu suchen, was eine wirklich schwere Aufgabe war. Fünf Minuten vor Abfahrt des Fernbusses fanden wir es dann heraus und rannten uns die Seele aus dem Leib. Gerade noch rechtzeitig, denn wir sahen den Bus, gerade aus dem Bahnhof abfahren. Erschöpft von dieser Rennerei gönnte ich mir mit Annika dann Kuchen und Kaffee in Cieszyn. Wir ließen den Tag dann gemütlich ausklingen mit meiner Gitarre in meiner Wohnung.

Denn schon am nächsten Tag gings mit Zug und Schienenersatzverkehr nach Brno zu Annika nach Hause. Bei ihr konnte ich auch eine Stunde in ihren Sprachunterricht mitkommen und mich später mit den TeilnehmerInnen unterhalten. Das ist etwas was mir hier in Karviná gefehlt hat, sich mit netten Leuten in ein Café zu setzten und zu plaudern. Es mangelt an Zeit und guten Cafés. Gute Cafés habe ich vor allem in Cieszyn in Polen gefunden.

Wir hatten den etwas unsinnigen Plan am nächsten Tag nach Kroměříž zu fahren (ja die Hälfte des Tages haben wir mit der Aussprache des Ortes verbracht). Die Stadt ist bekannt für ihre UNESCO Gärten und das Schloss. Im Winter hatte aber fast alles, außer dem winterlichen Garten und einigen Geschäften geschlossen. So verbrachten wir den ganzen Tag in der Bücherei und einem netten Bistro. Wir testeten unser Tschechisch aus und planten die nächsten Tage.

Denn es sollte nach Budapest gehen. Durch zwei Länder fuhr unser Zug, bis wir plötzlich nichts mehr verstanden, nichteinmal Bahnhof. Ungarisch eine Inselsprache, definitiv. Gewöhnungsbedürftig war auch die Währung, ein Euro ist etwa 310 Forint. Lachend standen wir vor den Regalen und staunten über die Preise.

Unser Hostel machte seinem Namen alle Ehre. Mit uns bewohnte ein weißes Kaninchen das Hostel. Zu unserer Überraschung wurden wir auch in perfektem Deutsch begrüßt. Nicht ganz so freundlich war das Wetter. Es regnete den ersten Tag fast nur und wir hatten nach ein paar Stunden absolut keine Lust mehr. Zu allem Unglück hatte die Terme, welche für Budapest bekannt sind, heute und morgen (und vier Tage in der Woche) Männertag. So fielen alle unsere Pläne ins Wasser. Trotzdem waren wir von der Schönheit dieser Stadt beeindruckt, besonders dem Parlament, der Fischerbastei und den Tuchhallen. Die Architektur war ganz anders schön wie in Tschechien. Und man spürte hier auch noch die reiche jüdische Vergangenheit. Mit der zweitgrößten Synagoge und einigen Mahn- und Denkmäler wird der Besucher an das frühere große blühende Gemeindeleben erinnert. So gibt es hier auch sehr viele Hummusbars, in denen man sehr gutes Essen aus dem nahen Osten bekommt. Am letzten Tag trafen wir noch eine Freiwillige aus Budapest und lernten sehr viel über die derzeitige politische Stimmung in Ungarn und das Bildungssystem. Als Beispiel soll der ungarische Körper mit täglichen morgendlichen Sportstunden in der Schule gestählt werden…

Soviel zu den Ferien, die Wochen danach waren recht stressig. Alle Deutschprojekte mussten beendet werden, ich musste packen und eine Woche ohne Wlan auskommen (schwieriger als gedacht). Und Verabschiedungen natürlich, womit wir wieder am Anfang wären…

Von Märchen und Vorurteilen

Ankommen ist nicht leicht. Die erste Woche nach dem Weihnachtsurlaub zuhause ist wieder mit Zweifel gefüllt. Bin ich dem Allem gewachsen? In einem fremden Land allein zurecht kommen? Alleine Reisen? Nach eineinhalb Wochen zuhause kommt mir dieses Leben hier fern und fremd vor. Ich habe hier zwar einige wenige Bekanntschaften, nette Kolleginnen und eine hilfsbereite Vermieterin, aber keine Freunde. Freie Zeit zum Treffen und das Pendeln waren häufig das Problem. Ein typisches Kleinstadtproblem. Die Freizeitgestaltung ist deshalb das Schwierigste. Ich bin deshalb viel gereist und habe Ausflüge gemacht. Das Reisen ist aber auch eine große Herausforderung und Überwindung. Ein bisschen der Anfangsmotivation ist auch verflogen, denn in eineinhalb Monaten kann ich nicht mehr allzu viel bewegen. Andererseits nur noch eineinhalb Monate, um all das zu wagen, was ich mir noch vorgenommen hatte.

Trotz dieser Schwierigkeiten habe ich mich in den Schulalltag  schnell wieder eingelebt. Mittlerweile kann ich gut die Erwartungen und Ansprüche der verschiedenen Lehrerinnen einschätzen. Kein Tag ist so wie der andere. Planung bedeutet auf das Unerwartete vorbereitet zu sein, also vor allem flexibel und spontan zu sein. Leider haben die Projekte auch bisher nicht so geklappt wie erhofft. Aber auch das lernt man mit der Zeit, mit Rückschlägen umzugehen.

Urteile über Vorurteile:

Ich erinnere mich an die Worte im Vorbereitungsseminar, erst nach sechs Monaten über sein Gastland zu urteilen. Ich erlaube mir schon nach fünf Monaten mit ein paar eigenen Vorurteilen aufzuräumen, die ich  z.T. vor meinem Aufenthalt hatte.

Nein, die Infrastruktur ist kein Relikt aus kommunistischen Zeiten, das unbedingt unangetastet bleiben muss.

Im Gegenteil die Infrastruktur ist wirklich bewundernswert für eine Kleinstadt. Gut ausgebaute Verkehrsverbindungen, die auf den Bedarf perfekt angepasst sind (manchmal zu perfekt, wenn man zu einer ungünstigen Zeit fahren möchte…) . Vor allem ist das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmittel bezahlbar! Die vielen privaten Unternehmen machen das System zwar unübersichtlicher, aber auch preiswerter und komfortabler. Man muss sich aber über die Verkaufsstellen informieren, weil nicht alle Fahrkarten überall gekauft werden können. In diese gute Infrastruktur wurde seitens der EU hier viel investiert. Für die Lage dieser Region, einer wichtigen Schnittstelle zur Slowakei und zu Polen und die vielen Pendler auch unbedingt notwendig.

Trotzdem ist die Arbeitslosigkeit in Mährisch-Schlesien mit eine der höchsten in ganz Tschechien. Das Lohnniveau liegt deutlich unter dem in Prag. Vom immensen Wegzug  nach der Schließung vieler Kohleminen zeugen hier  noch leere Wohnhäuser am Stadtrand. Doch die Region investiert in ihre Zukunft. Sie setzt auf eine diversifizierte Wirtschaft und auf Forschung und menschliche Ressourcen. People make the difference! Gut ausgebildete Arbeitskräfte, wie sie auch in meiner Schule einer Handelsakademie herangezogen werden. Das heißt diese Region zu einem Forschungs- aber auch Wirtschaftszentrum für internationale Unternehmen auszubauen.

Und auch der Besuch einer tschechischen Behörde ist nicht so schrecklich, wie mir die Touristenführer und Infos zu Tschechien weiß machen wollten. Ich habe den Besuch nicht wie empfohlen vermieden, sondern Berührungen gesucht.

Nun zugegeben, ich bin leider nicht in den Genuss aller Behörden gekommen, aber einige öffentliche Stellen, mussten sich doch mit meinen Sprachkenntnissen herumschlagen. Und bis jetzt überwiegen die positiven Erfahrungen deutlich. Vielleicht liegt es auch an meinem Bemühen in der tschechischen Sprache. Das schönste Erlebnis  dabei war in Prag in einer kleinen Poststelle. Beim Kauf von Briefmarken hatte ich Schwierigkeiten das Wort dafür auszusprechen, doch das ermutigende Lächeln der Frau am Schalter war wirklich motivierend. Und genervte schlecht gelaunte Mitarbeiter und Beamte trifft man in jedem Land. Das sagt aber meist ebenso wenig etwas über das Land wie die Behörde aus.

Von Märchen und Bällen:

Vorletzten Freitag war dann der große Abiball. Im kalten Januar. Und anders als in Deutschland eine Pflichtveranstaltung für alle LehrerInnen, also auch für mich. Völlig fehl am Platz mit meinem blauem Ballkleid laufe ich durch die Hochhäuser. Wie Aschenputtel in den Märchen fühle ich mich, die wir im Deutschunterricht für ein Märchenprojekt rauf und runterspielen. Laufen um pünktlich um Mitternacht nach Hause zu kommen. Damit der Zauber des Kleides nicht zu früh verfliegt. Da liegt dann doch ein winziger Unterschied, dass ich nicht einem Zauber entgegenlaufe, sondern meinem Bus, denn ich bin mal wieder zu spät dran. Klippklapp, Klippklapp, machen meine Schuhe beim Laufen. Ticktack, ticktack, meine Uhr und die rote Ampel.
Der Ball selbst ist ein wirklich schönes Erlebnis, ich lerne die LehrerInnen besser kennen und freue mich über die Ausgelassenheit der SchülerInnnen, die mich an mein eigenes Abitur erinnern. Und der Ball hat seinen Namen wirklich verdient: Lange Ballkleider und genug Zeit und Platz zum Tanzen.

Prag, Brno, Olomouc und nun endlich Krakau

Krakau, die zweitgrößte Stadt Polens und eines der beliebtesten Reiseziele in Europa war auch mein nächstes Wochenendziel. Die Beliebtheit der Stadt spiegelt sich auch in meinem voll belegten Hostel wieder. Ich war bisher, in der Nebensaison, halb belegte Zimmer gewöhnt. Morgens auf dem quadratisch angelegten mittelalterlichen Marktplatz ist von den Touristen allerdings noch nicht viel zu spüren. Das ändert sich erst um die Mittagszeit, als ich von einer Ausstellung in den unterirdischen Markthallen auf den Marktplatz emporsteige. Der Marktplatz mit seinen imposanten Gebäuden den Tuchhallen, dem Rathausturm (ein Überbleibsel des Rathauses) und zahlreicher kleiner und großer Kirchen (Marienkirche, Adalbertkirche…) hinterlässt einen sehr erhabenen Eindruck bei mir. Nur die ältesten Kirchen stören das Bild eines perfekt quadratische Bild des Platzes. Aber neben dem Marktplatz zeugen die Stadtmauer mit dem Florianstor und die Barbakane, wohl der größte gotische Wehrturmbau Europas, von der Größe und der einstigen Stärke dieser Stadt.

Und da ich bereits mit einigen Superlativen hantiere: Krakau ist neben Warschau das wichtigste kulturelle Zentrum Polens. Denn die ehemalige Hauptstadt hat nicht nur gut erhaltene historische Bauten der ganzen Bandbreite von Renaissance bis Jugendstil zu bieten, sondern als Sitz berühmter Künstler auch eine große Vielfalt an Gemälden und Kunstwerken. Doch ich möchte nicht wie ein Broschürentext aus einem Touristenführer klingen. Denn bei den ganzen Superlativen und den imposanten alten Bauwerken kann es schon einmal vorkommen, dass sich so mancher auf dem Königsweg, vom Schloss Wawel zum Marktplatz, zwischen dem Gepolter der Pferdekutschen, in alte Zeiten zurückversetzt fühlt…

Der Schneeeinbruch über das Wochende zaubert nicht nur Kindern ein Lächeln ins Gesicht. Am frühen Sonntag Morgen schlittern auch Erwachsene erfreut über die verschneiten Wege. Das macht den ganzen Ausflug zwar mächtig kalt, aber dafür ist Laufen eine umso bessere Ablenkung. Und ich gönne mir im jüdischen Viertel in einem kleinen Café einen Kuchen und einen wunderbaren Kaffee und denke über das Leben in einem fremden Land nach.

Was ist das eigentlich ZUHAUSE?

01.Januar 2018 ! Ein Jahr ist jetzt vorüber, dessen Anfang mir meilenweit entfernt scheint. Im Januar noch kurz vor dem Abitur und schon ein halbes Jahr später stand meine Welt Kopf. Mitten ins Leben geworfen, stand ich an der Abzweigung meines Lebens. Zugegebenermaßen nicht ganz so dramatisch und nicht ganz ohne Plan. Und so fand ich mich bei meinem FSJ Anfang September in einer Hochhauswohnung in Westtschechien, in Karviná wieder. Eine riesige Umstellung, nicht nur der Rollentausch von einer Schülerin zur Hilfslehrerin…

Und gut zwei Monate später erneut eine Umstellung: Aus der Slowakei vom Zwischenseminar zurück in den Schulalltag in Cesky Tesin. Und das ziemlich unsanft. Direkt am ersten Arbeitstag zerplatzt mein geplantes Musikprojekt mit der 2.Klasse. Leider hatte ich auf dem Zwischenseminar dieses Projekt umsonst geplant. Während meiner Abwesenheit fand eine Lehrerbesprechung statt. Die gesamte zweite Stufe (eigentlich die einzige Stufe für Projekte) wurde nun zu einem Wettbewerb verpflichtet und ist dafür voll eingeplant. Statt des Musikprojekts soll ich nun den Wettbewerb betreuen. Die Zusammenarbeit bei Projekten hatte ich mir anders vorgestellt, auch ein Gespräch mit den LehrerInnen änderte daran leider nur weniger. Ein richtiger Rückschlag, der mich ärgert, besonders weil ich von dem Projekt noch nicht wirklich überzeugt bin.

Andere kleinere Unterrichtsprojekte, die ich vorgeschlagen und geplant habe, liefen besser: Eine Unterrichtsstunde gab ich in der Abiturklasse zum Thema Musik. Ich habe ein relativ aktuelles Lied (“Oft gefragt”) von einer jungen deutschen Band vorgespielt. Anschließend wurden sie von mir über Musik und Musikstile ausgeFRAGT (Hihi, Wortspiel). Zum Teil weckte ich ein paar Schüler aus ihrem Dornröschenschlaf. Naja, wir wollen nicht übertreiben. Ihnen hat das Lied gefallen und sie haben sich am Unterricht beteiligt. Die Krönung der Stunde war das Lob meiner Ansprechpartnerin. Was will man mehr? Ein anderes kleines Unterrichtsprojekt war dann ein Bilder-Text-Legespiel, das ich zu Sprichwörtern entworfen hatte. Das Projekt wurde dann schließlich in vielen deutschlernenden Klassen erprobt und erfreute sich ziemlicher Beliebtheit.
Eine Herausforderung ist es wirklich noch sich als Autoritätsperson vor eine Klasse zu stellen. Am liebsten möchte ich eine lockere Ansprechpartnerin für das Deutsche für die SchülerInnen sein und kein Machtwort sprechen müssen. Aber eine Autoritätsperson sein ohne Autorität ist schwierig. Es funktioniert nur solange ich zusammen mit einer Lehrerin in der Klasse bin. Das übliche Rollenproblem also…

Direkt am nächsten Wochenende ging es nach Brno zur Schlacht in Austerlitz (Slavkov, in diesem Fall ist Austerlitz bekannter;)). Ich stürzte mich also am Freitagnachmittag ins Schlachtgetümmel nach Brno. Direkt im Zug hatte ich meine erste denkwürdige Begegnung. Einen Mann, den ich etwas in wohl nicht allzu guten Tschechisch gefragt hatte. Ihn hatte das aber nicht davon abgehalten, sich mit mir auf Tschechisch zu unterhalten. So gab er mir einige Informationen zu tschechischen Städten, die an uns vorbei zogen. Z.B. Brno je velké mĕsto. (Brünn ist eine große Stadt.) Und ich versuchte meinerseits ihm verständlich zu machen, warum ich in  Karvína bin. Eine ziemlich schwere Mission, mit den falschen Präpositionen und dem wenigen Vokabular, das ich hatte. Trotzdem bin ich von seiner Hartnäckigkeit beeindruckt, obwohl ich wirklich nicht viel Tschechisch spreche. Nach dem Zwischenseminar war aber endlich die Schwelle zum Sprachgefühl überschritten. Nun kann ich mit den ersten Klassen mithalten und spreche in etwa soviel Tschechisch wie sie Deutsch. Vor allem mein passiver Wortschatz ist durch die ständige Umgebung mit der Sprache gewachsen, sodass ich bei vielen Gesprächen in der Schule den Inhalt erahnen kann.
Aber zurück zu Brno oder Brünn. Der Weihnachtsmarkt ist schon aufgebaut und es herrscht geschäftiges Treiben, auch weil viele Brünner zum Bahnhof flüchten für ihren allwöchentlichen Wochenendausflug. Und Brünn ist wunderschön und wow, voller Menschen! Und so groß! Ich habe mich wohl wirklich an die Kleinstadtsituation  in Karviná gewöhnt. Ich fühle mich direkt wohl! Schöne alte Gebäude, Kirchen und eine eigenwillige Kunst, die die Straßen und Plätze besonders belebt. Ein Haus, das auf den ersten Blick, an moderne weiße Flachbauten erinnert und auf dem zweiten Blick zeitlos und von Anfang des 20.Jahrhunderts ist. Bekannt unter dem Namen Villa Tugendhat. Die Burg Špilberg begrüßt mich mit seinen weiß gepuderten Grünzonen und schnaufenden Joggern, die an mir vorbeiziehen. Trotz dieser weißen Pracht treibt mich der Heimweh um. Ich fühle mich einsam und zögere zur Schlacht in Austerlitz zu fahren. Schließlich tue ich es aber doch und bereue es trotz meiner kaltgefroreren Füße nicht. Ablenkung ist eben die beste Medizin. Außerdem ist die Schlacht wirklich ein Erlebnis, nicht nur die Internationalität mit den vielen verschiedenen Soldaten und Reitern. Leider verstehe ich vom Schlachtgetümmel nicht viel, die Erläuterungen zur Schlacht sind zu leise.

Zurück nach Hause?

Ab dem 23. Dezember bin ich dann auf Heimaturlaub in Deutschland. Eine Umstellung die mich nachdenklich macht:
Wie ist es die Adventszeit in der Heimat zu verpassen?
Um in Weihnachtsstimmung zu kommen, lasse ich in meiner Wohnung Kerzen brennen und dekoriere meine Wohnung mit Schneeflocken. Richtig Weihnachtsstimmung kommt aber erst in der letzten Adventswoche auf. Für mich bedeutet Adventszeit der Geruch von Kaminfeuern, Kerzen und frisch gebackenen Keksen, Schlittschuh laufen und Weihnachtsmärkte. Fast alles finde ich auch in Tschechien, aber die wichtigste Zutat fehlt: Das gesellige Beisammensein mit Familie und Freunden.

Und die Heimkehr bereitet mir auch Sorgen. Was passiert, wenn ich mich zu sehr an Deutschland und die Gemütlichkeit bei meiner Familie gewöhne?
Dann wird mir die Rückkehr und die Selbstständigkeit in Tschechien schwer fallen. Vor allem kann ich mir hier in Deutschland mein selbstständiges Leben in Tschechien nicht mehr vorstellen. Das gegenteilige Gefühl hatte ich in den ersten Tagen bei meiner Familie. Ich habe meine Wohnung in Karviná vermisst, mein eigenes, selbstständiges Leben.

Verwirrende Gefühle. Was bleibt ist die Frage: Was ist denn mein Zuhause eigentlich?

Den Zwiespalt der Gefühle versuche ich mit Arbeit und Freizeitaktivitäten zu überdecken. Das ist aber alles andere als leicht. Vor allem hatte ich vorletzte Woche einen ziemlich schwachen Kreislauf. Statt nach Cesky Tesin zu fahren, lief ich deshalb in die Innenstadt von Karviná und sah mir den Weihnachtsmarkt an. Danach war ich trotz Erschöpfung ziemlich zufrieden, vor allem dass ich es heil zurück nach Hause geschafft habe!

Die Zeit in Deutschland ist rasend schnell vergangen. Doch es war richtig über Weihnachten nach Hause zu fahren. Ich war unglaublich glücklich meine Freunde und Familie wiederzusehen und in der Zwischenzeit ist auch in meiner Familie viel passiert. Die alljährlichen weihnachtlichen Familientreffen bedeuten mir vielmehr, als ich mir zuvor eingestehen wollte. Weihnachten und Familie ist wirklich untrennbar miteinander verbunden.

Doch der Hintergedanke an meine Rückkehr und die andere Wohnung in Karviná ist mein ständiger Begleiter. Es ist schön ein anderes zuhause zu haben. Jetzt nach einer Woche in Bonn erscheint mir die Rückkehr aber schwierig und meilenweit entfernt…

Und ewig grüßt das Murmeltier, oder auch nicht?

BIN ICH NICHT ANGETRETEN UM DEM ALLTAG UND DEM TELLERRAND ZU ENTFLIEHEN, NEUES ZU ENTDECKEN? DESHALB DURCHBRECHE ICH DEN ALLTÄGLICHEN ERZÄHLSTIL FÜR DEN BERICHT MEINES ZWISCHENSEMINARS:

Ich lasse die Gedanken fließen und überlasse dem mündigen Leser die Deutung, die Freiheit sich dem Fluss hinzugeben, die Lücken und Sätze zu füllen.

Halbzeit


Stille in Gesellschaft

doch Ruhe nicht keine Arbeit ist

Projekte, Reflexion, Didaktik des Unterrichts

und zwischendrin dann ein Gedicht.

Das gibt´s ja nicht!


In Anzug, Krawatte slowakisch´ Diplomatie,

dazu Erzählungen einer Roma.

Das gab es früher nie!

Steh´n im Gegensatz,

nicht aber die slowakisch´-tschechisch´ Sprach´

teilen sie wie wir eine gemeinsam´ Geschicht´.


Auch über Konflikte sprechen,

und ausgelassen Späße machen,

steht über allem unser Austausch,

Wie steht´s bei dir, erzählst du´s mir?

Wichteln ja das tun wir.

Wandern, Wundern, Kreativ sein

und natürlich viel veganen Speis´ und Trank.


Meine Angst vorm Reisen schwindet,

erblick' ich meinen Zwischenhalt:

kupf'ne Stadt ward sie genannt,

gold´ne Bergstadt b'reits bekannt

modern und alt zugleich

arm und reich

trotzdem freut's mich's Bett in Karviná

mein Heim, mein Gut, mein neues, altes Land.

Ein fremdes Land ganz unbekannt

hab´ ich nun auch mein Heim genannt.

Ich bin angekommen!


Man mag´s mögen oder nicht

meine Geschichte, mein Gedicht!

Doch wo kämen wir dahin, wenn nicht das Leben aus Veränderungen bestände, also zurück zu einer anderen Erzählweise:

Nein, der Titel bezieht sich nicht auf die Wettervorhersagen an Sankt Martin  wie “Ist um St.Martin der Baum schon kahl, macht der Winter keine Qual.” Kahl waren zwar schon einige Bäume, aber der Winter hatte letzte Woche schon mit ein bisschen Schnee und Schneeregen zugeschlagen. Ja, vielmehr bezieht es sich auf den Alltag. Ich habe endlich ein Alltagsgefühl. Nicht jeder Tag ist damit gleich, aber es gibt Konstanten. Das Leben als Formel  mit festen Zahlen, den kleinen Alltagsinseln und Variablen, den Überraschungen und Spontanitäten des Alltags. Doch das Leben ist natürlich zu komplex, um es in einzelne Formeln zu zwängen oder gar Schubladen zu öffnen (Wo kämen wir denn dahin, wenn wir in Schubladen denken würden!;)).

Traditionen sind solche Konstanten. Geschaffen, um den Menschen Halt, Hoffnung und Hochgefühle zu geben. Eine Tradition, die ich in Deutschland besonders mag ist Sankt Martin mit seinen Laternenumzügen und Liedern, die die Straßen füllen und die dunkle Novemberzeit erhellen. Wie würden wir den November ohne solche Festtage durchstehen? Kurzentschlossen wollte ich diese schöne Erinnerung also mit den SchülerInnen an der Handelsakademie teilen. Hier feiert man wohl auch Sankt Martin, nur in deutlich kleinerem Umfang, mit Martinsgans und Martinswein und ab und zu Umzügen. Je mehr ich durch meine Recherche in die Bräuche meiner Heimatstadt eintauche, desto mehr erkenne ich wie besonders es ist (z.B. mit eigenen regionalen Wörtern“Schnörzen”(rheinländisch)).

Doch diese Präsentation macht mir auch wieder ein Problem an meiner Schule bewusst, das mich seit einigen Wochen plagt. Wie soll ich das niedrige Deutschniveau und die Altersklasse (15-20jährige) miteinander vereinen? Am schwierigisten sind die Lieder. Für Anfänger sind Kinderlieder immer hervorragend geeignet, sind ja auch nicht ohne Grund einfach. Dumm nur, dass die Videos und die Texte auch altersgerecht gehalten sind. Die absurd hohen piepsenden Stimmen bei vielen Videos lassen mich ein Lachen kaum unterdrücken. Es gibt einige wenige Ausnahmen, die ich immer wieder finde, doch trotzdem ist es ein Problem.

Warum können die Videos nicht in normaler Stimmlage und mit normalen Bildern vertont werden? Während ich dies schreibe kommt mir meine Projektidee. Warum nicht Kinderlieder jugendgerecht vertonen und veröffentlichen? Ich bin mir sicher, dass dies bestimmt schon häufig gemacht wurde, nur finde ich nirgends Resultate. Also warum nicht? Ich möchte nicht die Welt verändern, aber einen kleinen Schritt doch dazu beitragen. 😉 Also ein paar Lieder für gegen-Kinderlieder-protestierende-Deutschanfänger! Schon am nächsten Tag ist das Projekt in einer Klasse vorgeschlagen und die SchülerInnen sind einverstanden.

Plong macht es da wieder. Wieder ist eine Birne geplatzt. Ah, gehört das wohl jetzt auch schon zum Alltag! Zur Abwechslung hält die Sicherung diesmal. Ich bin gut vorbereitet mit einer zweiten Ersatzbirne und einer Taschenlampe. Doch die Ersatzbirne ist kläglich überfordert und meine Taschenlampe drückt sich vor ihrem Einsatz. Alles halb so wild. Schnell habe ich nun alle erhältlichen Sorten von billigen und einigermaßen vertretbaren Glühbirnen (genau 2) aus dem Supermarkt bei mir zuhause angesammelt. Ich warte noch bis meine Lampe im Flur platzt, dann kann ich meine Sammlung um ein schmuckes paar gedrehte Energiesparlampen erweitern.

Halbzeit:

Das Zwischenseminar, gleichzeitig die Ankündigung der Halbzeit meines Freiwilligendienstes, beginnt für mich mit und zwei mit zwei netten kulturweitfreiwilligen aus der tschechischen Umgebung bereits mit einem Besuch in Bratislava. Dunkel ist es schon als ich am Nachmittag am Bahnhofsgebäude eintreffe. Vielleicht bin ich auch deshalb von der Hässlichkeit und der Unübersichtlichkeit des Gebäudes geschockt. Als ich dann auch noch den Treffpunkt nicht finde und mein Handy genau in diesem Moment seinen Geist aufgibt, war ich vollkommen verzweifelt. Was sollte ich jetzt machen? Allein ohne Plan in einem fremden Land?

Die Lösung liegt aber wortwörtlich genau vor meinen Augen. Ich stehe direkt vor dem Treffpunkt und kurze Zeit später treffe ich auf die anderen, etwas versteckt in einem Winkel des Café. Zugegeben erstaunlich schnell hatte ich  mir einen verzweifleten Notfallplan zurechtgelegt. Trotzdem bin ich unglaublich erleichtert, als ich neben meinen Freunden im gemütliche Büchercafé sitze. Diesen Schock der absoluten Hilfslosigkeit werde ich aber nie mehr vergessen!

Die nächsten Tage spazieren wir durch die wunderschöne Altstadt, die meine schlechte Anfangserfahrung wieder wett macht. Der Bahnhof hat dann endgültig meine Achtung verloren, als uns eine übelgelaunte Dame unsere Fahrkarten für die Weiterreise verkauft. Wunderschöne Gebäude und bunte Kacheln am Rathaus entlohnen unsere Mühen. Vorbei am halbaufgebauten Weihnachtsmarkt, dem  Michaelertor und dem Residenzpalast hinauf zur Burg und einer blauen Kirche wie aus dem Schlaraffenland. So verbringen wir die zwei Tage. Der einzige offene Weihnachtsmarktstand verbreitet aufgeheiterte Stimmung. Belustigt folgen wir den tanzenden Bewegungen einiger junger Männer, die ausgelassen zu einer Straßenband tanzen. Als wir dann am Ufer der Donau vorbeigehen, von der neuen Brücke (Nový Most) mit Ufo-ähnlichen Restaurant obendrauf, zum großen Einkaufszentrum EUROVEA, erinneren mich die Ufer ziemlich an die Promenaden in Bonn. Ein kurzes Heimwehgefühl steigt in mir auf. 

 

   

Plong! – Und ich stehe im Dunkeln

Eine Birne ist geplatzt. Das Licht funktioniert nicht mehr. Die Sicherung ist durchgebrannt. Neeein!! Nicht auch das noch ! Zu allem Unglück ist heute Sonntag Mittag, der große Supermarkt um die Ecke schließt gleich. Ich schreibe alle möglichen Leute an, denn die Sicherung will nicht wieder zurück in ihre Fassung. Auch ich bin außer Fassung. Ich suche Rat bei meiner Ansprechpartnerin. Sie rät mir die Nachbarn anzusprechen. Ein heikles Unterfangen, schließlich sprechen wir nicht die gleiche Sprache. Das Ausmaß dieses Problems wird mir erst bewusst, als ich vor der zweiten Tür einer älteren Dame gegenüber stehe. Dass sie mir nicht helfen kann, muss nicht unbedingt an Sprachproblemen liegen, sondern an fehlenden Fachkenntnisse für meinem Sicherungskasten. Verzweifelt gebe ich auf. Was soll’s denke ich mir. Ein bisschen Dunkelheit wird wohl nicht so schlimm sein. Meine Vermieterin hat ihre Hilfe auch schon für morgen angeboten.

Doch die Dunkelheit ist schlimm. Die Dunkelheit macht die Einsamkeit bewusst. Verloren in einer Hochhaussiedlung. Mir gegenüber erleuchtete Wohnungen mit vereinten Familien. Ist das schon Heimweh? Ein bisschen. Es kommt nun immer wieder. Ich werde mir kurz bewusst, dass ich hier allein bin und noch nicht viele Kontakte hier habe. Doch genauso schnell wie es kommt, ist es auch wieder vorbei.

Was ist noch so alles passiert? Nachdem ich nach ein paar Tagen wieder Licht und drei Sicherungen hatte, konnte ich meine Freizeit und meine Reisen planen. Zwei verlängerte Wochenenden mussten gefüllt werden (Das zweite verlängerte Wochenende wird hier Herbstferien genannt;) ). Das Wochenende vorher war ich bei einem Musical mit meiner Ansprechpartnerin, leider nur auf tschechisch, aber Musik verbindet ja bekanntlich. Das Musical war aber sehr schön.

Meine Kontakte schwinden dahin. Die zwei Erasmus-Studentinnen aus Prag fahren Ende Oktober wieder nach Hause, aber die nächsten Wochenenden sind bei mir verplant. Außerdem bin ich bei dem einzigen möglichen Tag krank geworden. Eine leichte Erkältung. Die andere Freiwillige hier in Těšín meldet sich nicht. Die SchülerInnen an meiner Schule haben nicht so viel Zeit. Die Schwierigkeiten einer Kleinstadt werden mir als Stadtkind nun immer bewusster. Ich bin also im Moment alleine. Ich hoffe das ändert sich bald.

Das Wetter in der nächsten Woche ist undurchsichtig. Ich stehe im tiefsten Nebel. Was vor mir steht, sehe ich erst wenn ich mich weitervorwage. Es ist Wahlwochenende. Während die Leute zur Wahl gehen, sehe ich Ihnen dabei zu. Naja vielmehr betrachte ich die Gebäude, in die sie gehen. Ich besuche Olomouc, das kleine wunderschöne mährische Prag. Hier sehe ich mir die sieben denkwürdigen Brunnen, von denen es sechs nach antikem Vorbild gibt und zahlreiche Kirchen und Kapellen. Bei einer Kirche mit asymmetrischen Türmen, die ein wenig wie eine Burg mit Wehrtürmen aussieht, wage ich den Aufstieg. Die Einsamkeit und die engen Wendeltreppen machen ihr Übriges, dass ich bald mit zitternden Beinen auf der ersten Etage stehe. Ich erschrecke, als ich einen Knall höre, als ein Mann die knarrenden Metalltreppen nach oben steigt. In der Tat wirkt diese Treppe und das dünne Geländer nicht gerade vertrauenserweckend. Aber am Ende der Treppe entdecke ich den Grund für den Knall, eine Luke, die man öffnen muss um auf die Plattform zu gelangen. Ich stemme mich dagegen und quetsche mich hindurch. Der Anblick ist wirklich atemberaubend:

Ich stehe vor einem weißen Nichts. Der Nebel hält die Stadt mit eisiger Faust gefangen.

Mit Nebel endet auch mein Ausflug zum nahe gelegenen Wallfahrtsort Svatý Kopeček. Was die Außenansicht nicht bieten kann, bietet die Innenansicht. Die Kircheninnenraum ist atemberaubend schön.

Die Stadt ist zu dieser Zeit überhaupt nicht touristisch, vielleicht auch weil die halbe Innenstadt umgebaut wird und die Straßen z.T. Schuttplätze sind. Was Tourist ist, zeigt sich um 12 Uhr vor der Rathausuhr, wenn die Figuren beginnen zur Orgelmusik zu tanzen. Die Dreifaltigkeitssäule ist aber das absolute touristische Highlight. Sie ist mit Figuren und Ornamenten übersäht und beherbergt eine kleine Kapelle. Nicht ohne Stolz ist sie UNESCO-Weltkulturerbe. Der Marktplatz ist Mittelpunkt des öffentlichen und des touristischen Lebens zugleich. Auf dem Nebenplatz befindet sich mehrere Brunnen und die Maria-Pestsäule, eine Erinnerung an die Menschen raubende Pestzeit.

Das nächste Wochenende bin ich nicht mehr alleine unterwegs. Ich mache Ferien mit einer Freiwilligen aus Brno, in Jeseník, einem Kurort im Altvatergebirge. Das Wetter ist leider ziemlich unpassend. Es stürmt und regnet, aber da wir das erwartet hatten, freuen wir uns umso mehr über jede sonnige und windstille Minute. In der Touristeninformation bekommen wir einen Haufen deutscher Werbeprospekte mit den Worten: „Das ist LEIDER alles was wir auf Deutsch haben.“ Wir entscheiden uns am nächsten Morgen zu einer nahegelegenen (letztendlich doch 4 km Fußweg) größten tschechischen Höhle Na Pomezi, zu gehen. Der Weg führt über den Kurort Gräfenberg an einem Lehrpfad vorbei. Wir kommen an einer Bergquelle und einem nebelverhangenen herbstlichen Tal vorbei. Es ist wunderschön und die Sonne enttäuscht uns erst als wir in der warmen Eingangshalle vor der Höhle sitzen. Leider haben wir die Rechnung ohne die vielen Regenflüchtlinge gemacht, die nächste Führung geht erst in einer Stunde. Alles starrt uns an, als wir bei der tschechischen Führung als einzige deutsche Headssets bekommen. Die Tropfsteinhöhle ist wunderschön und viele Formationen haben eigene Namen bekommen, wie das türkische Bett und der Paviankopf. Zum Teil waren Forscher mit viel Phantasie am Werk. Am Nachmittag wandern wir dann zu den Teufelssteinen. Woher sie ihren Namen haben, merken wir, als wir ihn besteigen und der Wind stärker wird. Dort oben hat man Angst herunter geweht zu werden. Das Geländer besteht aus schwingenden Metallseilen, neben uns geht eine Steinwand steil hinab. Ich bin froh, als ich wieder unten bin, denn einen Sturm möchte ich dort oben wirklich nicht erleben.

Am Abend entschließen wir uns im Restaurant in unserem Hotel zu essen. Es war bereits bei unserer Anreise schwierig einzuchecken, da wir die einzigen und auch noch ausländischen Gäste waren. Nun bemerken wir, was es bedeutet in der Nebensaison auch noch in ein örtliches Restaurant oder wohl eher Kneipe zu kommen. Alle Blicke richten sich auf uns. Nachdem wir ungewöhnlicherweise etwas zu essen und kein Bier bestellt haben, beschließen die Einheimischen uns etwas Alkoholisches auf den Tisch zu stellen. Hochgezogene Brauen folgen uns, als wir eine Stunde später die Kneipe verlassen.

Am nächsten Tag machen wir eine Tour auf dem Altvater, dem Praded. Wir wollen dem Wetterbericht erst nicht glauben, als es Minusgrade und ersten Schnee anzeigte, aber man sollte tausend Höhenmeter nicht unterschätzten. Warm eingepackt wandern wir also einen kleinen Bergpfad am Bílá Opava, einem Bach, vorbei entlang und freuen uns über die ersten Schneeflocken. Schnell aber schlägt diese Freude in Skepsis um. An der Berghütte oben angekommen erwarten uns dann noch vier Kilometer. Es schneit heftig und der Weg, den wir hochgekommen sind, ist schon teilweise eingeschneit. Trotzdem entschließen wir uns weiterzugehen und sind froh, als wir vielen anderen auf einer langen asphaltierten Straße begegnen. Leider ist der Ausblick nicht vorhanden und der Wind wird stärker. Oben an der Aussichtsplattform angekommen, einem Fernsehturm, flüchteten wir wie viele andere in den warmen Innenraum. Der Rückweg wird dabei umso härter. Der Wind hat stark zugenommen. Der Schnee wird einem wie eiskalte Nadeln ins Gesicht geschossen. Zum Teil ist er so stark, dass wir anhalten müssen, um nicht herunter geweht zu werden. Zumindest kommt es mir so vor. Ich betrachte mitleidig die Leute, die sich uns entgegen einen Weg durch den Schnee bahnen.  Wir entscheiden uns nicht den gleichen Weg zurückzugehen, sondern über die Landstraße zurück zum Ausgangsort, dem wunderschönen Kurort Karlová Studanka zu gehen. Dort verhalten wir uns dann für eine halbe Stunde wie Touristen und fotografieren jedes schöne Haus, das uns vor die Linse kommt. Im Bus auf dem Heimweh ruhen wir dann unsere erschöpften nassen Beine aus und lassen unseren Urlaub Revue passieren. Ein sehr schöner und erholsamer Urlaub!

In der Schule bin ich immer erstaunter über mich selbst, wie sehr ich mich an die Spontanität angepasst habe, wie schnell ich Unterricht gut vorbereiten und improvisieren kann. Das hätte ich nicht so schnell erwartet! Auch da Autoritätsproblem ist kein Problem, vielleicht weil ich auch nie wirklich alleine im Unterricht bin, vielleicht aber auch weil ich einen bestimmten Platz eingenommen habe, den ich selbst noch nicht so richtig einordnen kann.

Ich habe zusammen mit der dritten Klasse am Donnerstag ein Konzert von Phil Vetter besucht, das vom Goetheinstitut organisiert wurde. Auf der Zugfahrt konnte ich mich ein bisschen mit den Schülerinnen der dritten Klasse und einer Deutschlehrerin unterhalten. Ich habe näheres zur Umgebung erfahren, von der ausgebeuteten Natur dem untergegangenen Dorf  Louky und den eingesackten Erdschichten. Alles aufgrund der Kohleförderung hier vor Ort. Stiller Zeuge der Kohleförderung ist die schiefe Kirche im früheren Ort Louky.  Die schwarze Stadt, der Ausdruck für Ostrava passt daher sehr gut zu dieser Gegend. Doch die Stadt hat sich gemacht. Sie ist bekannt für ihre Partymeile und ein lebendiges Kulturzentrum. In einer berühmten Konzertlocation, einem alten Bergwerk mit wunderbarem Charme und einer schönen Akustik, hat auch das deutsche Konzert stattgefunden.

Strč prst skrz krk

Lang, lang ist´s her!

Doch was zum Geier soll diese Überschrift bitte bedeuten?, fragt ihr euch sicher. Es ist das Ergebnis meines Versuchs Umlaute mit den tschechischen Schülern zu üben. Meine „Foltermethode“: Deutsche Zungenbrecher. Und so kam es prompt zurück: Tschechische Zungenbrecher ohne Vokale: Strč prst skrz krk! Das bedeutet so viel wie „Steck den Finger durch den Hals“. Ja, so habe ich mich auch gefühlt. Ich ernte amüsiertes Gelächter bei meinem Versuch das auszusprechen. Dagegen war mein deutscher Zungenbrecher „Früh fressen freche Frösche Früchte“ langsam gesprochen noch relativ leicht. Aber ich muss mich korrigieren: Vorgestellt habe ich den Zungenbrecher zuerst in der polnischen Klasse. Es gibt an dieser polnisch-tschechischen Schule nämlich extra Unterricht für die polnische Minderheit hier in Tschechien. Sie lernen Tschechisch und Russisch als Fremdsprache und freiwillig Deutsch. Den Unterricht haben sie zum Teil auf Polnisch.

Vor etwas mehr als einem Monat habe ich nun angefangen, hier in der Schule in Český Těšín als Freiwillige zu arbeiten. Offiziell eingeführt wurde ich vor ein paar Wochen durch meine Rede, eine kurze Filmvorstellung, vor versammelter Schulmannschaft. Ich war ganz schön aufgeregt, schließlich waren 300 erwartungsvolle Blicke auf mich gerichtet. Nicht besser wurde es, als ich in einer für Einige, fremden Sprache zu sprechen begann. Anlass waren die PASCH-Tage, an denen die SchülerInnen Kinositze statt die Schulbank drücken durften. Auf dem Programm standen ein deutscher Film, zur Erleichterung der SchülerInnen mit tschechischen Untertiteln und eine Buchvorlesung von „Die Geschichte von Herrn Sommer“ von Patrick Süskind. Dabei durfte ich im wunderschönen, gemütlichen Grenzcafé Avion sitzen und auf das andere Ufer, die polnische Seite blicken. Leider bekam ich von der tschechischen Lesung außer den illustrierenden Bildern, nicht sonderlich viel mit. Nach der Rede war ich erfolgreich in die Schulgemeinschaft eingegliedert und werde nun auf Deutsch begrüßt und verbschiedet.

Alltag ist bei mir im Unterricht noch nicht eingetroffen. Ich kann nicht vorhersagen, welche Stunden ich in der nächsten Woche alles haben werde, weil sich spontan immer etwa ändert oder Stunden verändert werden oder ausfallen. Ich werde mich wohl daran gewöhnen, spontan zu sein, nicht einfach wenn man gerne plant!

Die letzten Wochen waren von Ausflügen, tschechisch-deutschen Begegnungen
und äußerst wechselhaftem Wetter geprägt. So wechselhaft, dass ich mir jetzt eine Erkältung eingefangen habe. ;(

Meine Freizeitgestaltung war sehr abwechslungsreich. Erst lernte ich mit zwei netten tschechischen Schülerinnen die nähere Umgebung kennen und spielte mit ihnen Badminton. Später machte ich selbst Ausflüge zum Zoo von Ostrava und zur weitläufigen Burg in Hukvaldy (Ja das ist ein Dorf!). Beides sind wahre Pilgerorte für Familien mit Kindern. Ich hatte mir auch genau das Wochenende ausgesucht, das viele Tschechen als Brückentag genutzt hatten.

Ein Wochenende später verließ ich meine Kleinstadtumgebung und fiel fast von allen Wolken als ich das wunderschöne Prag erblickte. Es war ein ganz schöner Kontrast zu meinem Einsatztort in Český Těšín, der von Industrie und Bergbau geprägt ist. Es gibt dort eine wirklich schöne aber viel kleinere Altstadt. Besonders erschreckend waren die vielen Menschen auf einmal. People make the difference hatte mir ein Werbefilm der Region Ostrava am Bahnhof eingetrichtert. In der Tat! Obwohl diese Stadt nicht viel größer ist als Köln, das ich ganz gut kenne, war ich zuerst ziemlich eingeschüchtert. So sehr hatte ich mich anscheinend schon an die Kleinstadt Karviná gewöhnt!

In Prag erwartete mich bereits Sturmtief Xavier. Mit tiefen Zügen blies er mir und meinem Handy erst einmal die Puste aus. Doch so schlimm das Wetter am Vortag war, so schön wurde es in den nächsten Tagen. Ich verbrachte meine Zeit mit einer Freiwilligen aus Liberec und drei Freiwilligen aus Prag, mit denen ich Prag erkundete. Der Grund meines Pragbesuchs war das Kennenlernen des Goetheinstituts und die Zusammenarbeit mit den anderen Freiwilligen, die im Goetheinstitut arbeiten. Freitag stand also die obligatorische Besichtigung des wunderschönen Instituts direkt an der Moldau, auf dem Plan.

Wir berichteten dort alle ausführlich über unsere Erlebnisse und Erfahrungen in unseren Einsatzstellen. Es tat gut, sich mit anderen Freiwilligen austauschen zu können. Aber es war auch wirklich schön, die ganzen Tage etwas zusammen zu unternehmen, den Prager Eiffelturm, den Rathausplatz und die Prager Burg, sowie die Karlsbrücke zu erobern. Und nicht zuletzt meinen äußerst schlechten Orientierungssinn zu testen, weshalb ich schon mal in der Stadt im Kreis laufe. 😉 Zu meiner Verteidigung: Als ich am Sonntagmorgen aus meinem Hostel heraustrat, war ich völlig verwirrt: Die Straße, am Abend zuvor noch mit Touristen überfüllt, war nun menschenleer, die Geschäfte geschlossen und die Wände kahl. War ich in einem schlechten Traum? Ohne den Touristenstrom, der mich am Abend zuvor noch ziemlich genervt hatte, war ich nun völlig orientierungslos. So langsam kam die Stadt dann aber wieder zum Leben und war gegen Mittag wieder genauso überfüllt wie am Tag zuvor.

Jedes Gebäude in der Prager Altstadt ist bewundernswert. Stundenlang könnte ich über die Schönheit dieses Stadtteils schwelgen. Lieber schildere ich jedoch die Kontraste, die Anblicke, die mir auf der Rückfahrt nach „Hause“ auffielen. Farbenfrohe Hochhaussiedlungen, rauchende Fabrikschornsteine und verwitterte Rohre zogen sich durch die weiten Landschaften. Ab und zu kleine Dörfer oder Städte. Das Ganze besitzt einen gewissen Charme, den Charme der Industriestädte, der so anders ist als der Prager Charme, aber mich trotzdem in seinen Bann zieht, wohl der Grund warum ich nicht sofort wieder zurück nach Prag wollte.

Nach meiner Eingewöhnungszeit merke ich jetzt besonders, dass ich hier in meiner Einsatzstelle alleine bin. Nur langsam knüpfe ich Kontakte zu Erasmus-Studentinnen, den tschechischen SchülerInnen und Freiwilligen anderer Organisationen. Zwei Eramus-Studentinnen habe ich in Prag getroffen (Alle Wege führen nach PRAG) und ich habe Kontakt zu einer Freiwilligen in Český Těšín. Nicht zuletzt wurde ich letzte Woche dem Verein der Deutschen des Teschner Schlesiens vorgestellt und darf nun immer vorbeikommen und mir Bücher aus der kleinen deutsch-tschechischen Bibliothek ausleihen oder an Ausflügen teilnehmen. In Prag habe ich dann eine kostenlose App gefunden (use-it), mit der ich Tipps für Attraktionen von Einheimischen in meiner Stadt finden kann. All das wird mir hoffentlich helfen keine Langeweile und damit kein Heimweh aufkommen zu lassen.

Bis bald !

Rückblick auf meine erste Woche

Ich muss mich wohl den späten Schreibern anschließen, denn auch ich bin Anhänger des besser-spät-als-nie-Mottos. 😉

Zuerst einmal zum Namen meines Blogs. Ich bin in Český Těšín (Tschechien) in der Handelsakademie mit der Paschinitiative vom Goetheinstitut eingesetzt. Grenzerfahrungen deshalb weil die Stadt zweigeteilt ist, in einen polnischen (Czeski Cieszyn) und einen tschechischen Teil (Český Těšín). Geteilt wird sie durch den Fluss Olše, den man über die Friedensbrücke überqueren kann. Frieden genau das ist es was man spürt, wenn man diese Brücke betritt und damit die Grenze zu Polen überschreitet. Selbst für ein Kind Europas, wie ich eines bin, dass mit offenen Grenzen und dem Schengener Abkommen aufgewachsen ist, ist es ein seltsames Gefühl ein anderes Land ohne Kontrollen zu überqueren. 

Es ist sehr viel passiert in dieser einen Woche, die nun schon hinter mir liegt. So viele neu Reize, dass meine Reizkanäle bereits überflutet sind und ich meine Gedanken ersteinmal ordnen muss, damit sich nicht ein Wortschwall über euch ergießt und diesen Blog mit Informationen überschwemmt. 

Also werde ich in meinen nächsten Blogeintrag einen detaillierten, aber hoffentlich nicht zu ausführlich Bericht liefern, wie es mir in dieser ersten Woche im Ausland ergangen ist.