Die ersten Tage im unbekannten Land

Nach einem wunderschönen Tag in Berlin und ein paar vergossenen Tränen am Flughafen bin ich am Dienstag zum ersten Mal allein geflogen. Aus dem Flugzeug hatte ich eine wunderschöne Sicht auf die Welt, die immer kleiner wurde. Ich habe ein sonniges Berlin verlassen und bin im schneebedeckten St Petersburg wieder gelandet.

      

 

   

 

Die Passkontrolle in Russland ging tatsächlich unkomplizierter und reibungsloser als ich mir das ausgemalt hatte und auch mit dem Zoll hatte ich keinerlei Probleme. Als ich dann immer weiter den выход (Ausgang) Schildern gefolgt bin, hat mich meine Vermieterin Galina schon erwartet und wir sind mit dem Taxi nach Hause gefahren. Wir wohnen zu zweit in ihrer Wohnung, in der sie ein sehr schönes, gemütliches Zimmer für mich frei hat. Sie ist sehr nett, allerdings spricht sie ausschließlich Russisch und ich verstehe leider erst sehr wenig, weswegen die Kommunikation sehr schwierig bzw. eigentlich kaum möglich ist. Ich wusste zwar vorher, dass es diese Sprachbarriere geben wird, hatte die Situation aber ehrlich gesagt ziemlich unterschätzt…  Um ihr zu erklären, wann ich am nächsten Tag wo sein muss, um wen zu treffen, habe ich am Ende meine Ansprechpartnerin aus der deutschen Schule angerufen, die dann übersetzt hat. Ich war sehr müde und habe mich nach dem Essen ein Stündchen hingelegt, bevor Galina und ich mit ihrem Hund spazieren gegangen sind.

 

Mittwoch

Am nächsten Tag sind wir zusammen mit dem Bus Richtung Kindergarten gefahren, wo Galina mich netterweise meiner Ansprechpartnerin Frau Andronenko übergeben hat. Sie ist wirklich sehr freundlich und hilfsbereit und eins der ersten Dinge, die sie mir erklärt hat, war, dass man in Russland im Winter nicht unmittelbar neben Häusern laufen sollte, weil man sonst Gefahr läuft, von einem Eiszapfen erschlagen zu werden. Hatte ich vorher noch nie drüber nachgedacht und war sehr dankbar für den Hinweis. Sie hat mich zum KiGa begleitet und mir dort alles gezeigt. Auch als sie weg war (sie arbeitet in der Schule und nicht im KiGa) habe ich mich dort sehr wohl gefühlt. Das Team ist super nett und die Kinder auch. Der Tagesablauf ist immer ähnlich: Um 9Uhr gibt es einen Morgenkreis, danach können die Kinder spielen und anschließend gibt es Sprachförderung. Die Kinder gehen raus auf den Hof, bevor es Mittagessen gibt, das aus einer Suppe, mehreren Hauptgängen, aus denen man wählen kann, und Obst als Nachtisch besteht. Die Erzieher dürfen auch mitessen. Anschließend putzen die Kinder Zähne und wer möchte, darf Mittagsschlaf halten, die Anderen spielen. Nachmittags gibt es AGs wie Karate, Musik, Sport, Yoga etc. und danach gehen alle nochmal raus, bis sie gegen 16h abgeholt werden. Am ersten Tag habe ich die Mondgruppe begleitet und durfte vor dem Mittagsschlaf ein Buch vorlesen.

Nach der Arbeit hat Frau Andronenko mich zusammen mit Elena, einer deutschen Praktikantin von der Schule, abgeholt. Elena hat mir ein paar Rubel abgehoben, weil ich bis dahin nur Euro hatte. So musste ich erstmal keine Wechselgebühren zahlen und habe für’s Erste genug Geld. Anschließend haben wir meine Metrokarte mit Geld aufgeladen, jetzt kann ich auch Bus und Bahn fahren! (kurze Info nebenbei: Hier steigt man bei manchen Bussen hinten ein und bezahlt vornebeim Aussteigen!) Danach haben wir mir eine russische SIM Karte gekauft. Das hat mich umgerechnet ca. 7 Euro gekostet und für weitere 7 Euro pro Monatbekomme ich – haltet euch fest – 500 Freiminuten ins russische Netz und unbegrenztes Internet!Nachdem das alles erledigt war, sind wir noch in ein Café gegangen, wo Frau Andronenko uns auf einen Tee und ein Stück Gebäck eingeladen hat. Super nett! Ich war so unglaublich froh, dass die beiden mir geholfen haben! Alleine hätte ich das ohne Russisch Kenntnisse niemals so gut hinbekommen! Elena hat mich danach spontan mit zu ihrem brasilianischen Paartanzkurs genommen. Auf dem Weg dorthin bin ich ausversehen allein in die Metro eingestiegen, weil sich vor Elena und Frau Androneko die Türen geschlossen haben…. Kurzer Schock, aber dann haben die beiden mir durch die Tür noch eine 2 gezeigt und an der übernächsten Haltestelle haben wir uns dann zum Glück auch schnell wiedergefunden. Auf dem Weg zum Tanzkurs habe ich zum ersten Mal einen kleinen Blick auf das Zentrum erhaschen können. Der Kurs hat Spaß gemacht und Elena kann zum Glück fließend Russisch und konnte für mich übersetzen.  Danach hat sie mich netterweise noch nach Hause gebracht, was auch gut war, da ich sonst ewig meine Haustüre gesucht hätte, weil irgendwie alles gleich aussieht und es zu dem gleichen Haus gefühlt 17 Eingänge gibt…

 

Donnerstag

An meinem zweiten Arbeitstag musste ich allein schauen, wie ich zur Arbeit komme und hab mir über Google Maps eine Busverbindung rausgesucht. Der Bus kam nur leider nicht und ich hab gewartet und gewartet und 17 andere Buslinien sind vorbeigekommen, nur meine war nicht dabei und ich hab schon Panik geschoben und einen Alternativplan ausgeklügelt, wie ich jetzt zur Arbeit komme, ohne mindestens eine halbe Stunde zu spät zu kommen, als die Linie 41 dann doch mit einer Viertelstunde Verspätung kam. Deshalb bin ich zum Glück nur zwei Minütchen zu spät gekommen, aber für die nächsten Tage und Wochen werde ich mir eine andere Verbindung raussuchen und ein ganzes Stück laufen. Für viele Menschen hier ist es anscheinend auch normal, eine Dreiviertelstunde zur Arbeit bzw. von Ort zu Ort zu laufen; Mal sehen, was meine Lösung wird.

Im KiGa war ich am zweiten Tag in der Sternengruppe, was auch sehr schön war. Der Vormittag hat dem ersten Tag ziemlich geähnelt, am Nachmittag habe ich während der Schlafenszeit ein Haus zum Zusammenklappen auf dicke Pappe gezeichnet und ausgeschnitten. Danach hatte ich noch ein Gespräch mit der Kindergartenleiterin und Frau Andronenko, in dem wir Rahmenbedingungen, sprich Arbeitszeiten, wann ich in welcher Gruppe bin, Urlaubstage, was ich während der Ferien mache, etc., geklärt. Nach der Arbeit haben mich meine beiden Kolleginnen, die beide Nastja heißen, gefragt, ob ich mit ihnen einen Kaffee trinken gehen möchte und ich habe natürlich dankend angenommen! Es war ein sehr netter Nachmittag und ich habe für einen Kakao mit Marshmallow und zwei kleine panierte Hühnchenschnitzel in Pilzsoße umgerechnet 4 Euro bezahlt. Das ist echt der Wahnsinn. Bevor man als Deutscher allerdings sagt, wie billig hier alles ist, sollte man sich vor Augen führen, dass die Menschen hier auch deutlich weniger verdienen als in Deutschland, gerade bei Lehrern und Ärzten ist der Unterschied zum deutschen Gehalt enorm. Nach dem Essen sind wir Richtung Newski Prospekt gelaufen, dann ein Stück entlang der Newa, wo ich ein paar Fotos machen konnte. Wir haben uns noch die Peter Paul Festung von außen angeschaut und danach bin ich müde, glücklich und satt nach Hause gefahren.

    

 

Freitag

Am Freitag bin ich mit dem Bus zur nächsten Metro Station gefahren, zu der relativ viele Busse fahren, und bin von dort aus zur Arbeit gelaufen. Diesmal war ich gut 10min zu früh da, optimal finde ich die Lösung aber noch nicht. An dem Tag war ich in der Sonnengruppe, in der die kleineren Kinder von 2 bis 4 Jahren sind. Es ist schon nochmal anders, weil sie noch deutlich verspielter sind und auch teilweise noch kaum sprechen können, weder Deutsch noch Russisch. In dieser Gruppe wird auch von Seiten der Erzieher deutlich mehr Russisch gesprochen als in den anderen Gruppen. Am Vormittag gab es eine kleine Aufführung für die Eltern. Die Kinder haben unter dem Motto Bauernhofverschiedene Lieder, Tänze und Theaterstücke vorgeführt und gezeigt, wieviel Tier- und Gemüsevokabular sie schon gelernt haben. Am Anfang sind alle Kinder mit musikalischer Begleitung in einer Schlange in den Raum gekommen (ich durfte auch mitgehen!) und danach wurden Plakate an der Wand, die die Kinder teilweise selbst gestaltet haben, als Leitfaden benutzt. Als z.B. Bilder von Pferden als nächstes an der Wand hingen, wurden Holzstäbchen verteilt und alle haben Pferdegeräusche gemacht und gesungen, während ein Kind auf einem Steckenpferd reiten durfte. So gab es für jedes Tier eine kleine Vorführung. Sie haben auch das Lied von der Kuh gesungen, die nachts immer leise und schief singt. Aber auch den anderen Tieren wurden Lieder und teilweise auch Namen gewidmet, die sich auf die Tiernamen reimen, wie z.B. das Schaf ruhiger Schlaf.Alle meine Entchendurfte selbstverständlich auch nicht fehlen, genauso wie die Beschäftigung mit den Tierlauten (Muuuh, IA, Miau, Wuff etc.), anhand derer die Kinder die verschiedenen Tiere identifizieren konnten. Zum Thema „Tiergeräusche“ gab es auch ein Echo-Spiel, bei dem eine Erzieherin Geräusche vorgemacht hat, die anschließend alle nachgemacht haben. Außerdem konnten die Kinder benennen, was die Tiere essen. Es wird sehr darauf geachtet, dass es immer Bewegungen und Requisiten (z.B. Bilder, Tierfiguren, Tücher etc.) zu den Liedern gibt, damit die Kinder die deutschen Wörter besser verstehen und lernen. Der Höhepunkt war die Inszenierung der Rübengeschichte, für die jedes Kind verkleidet wurde. Es gab eine Rübe, einen Opa (den durfte ich spielen), eine Oma, eine Enkelin, einen Hund, zwei Katzen und eine Maus. Sie mussten versuchen, die riesige Rübe aus dem Boden zu ziehen und erst als auch die Maus mitgeholfen hat, hat es geklappt! Ganz am Ende haben die Kinder zusammen mit uns Erziehern und den Eltern getanzt. Es war eine wirklich schöne, interaktive Veranstaltung und wir haben viel gelacht.

   

Mittags vor dem Schlafen habe ich Rotkäppchen vorgelesen. Am Nachmittag haben wir zu Taylor Swift u.Ä. die Gruppe aufgeräumt und ich habe mit einem Mädchen Puzzle gemacht und ihr immer auf deutsch erklärt, was man da sieht.

Nach der Arbeit bin ich zum ersten Mal direkt nach Hause gefahren (zurück fährt der Bus glaube ich halbwegs zuverlässig, heute 2min zu früh, aber ich habe ihn bekommen). Ich war ganz froh, endlich mal Zeit zu haben, meine Gedanken zu ordnen und meinen Koffer auszupacken, auch wenn es natürlich schön ist, viel zu erleben.

Abends bin ich mit Galina und Judy (dem Hund) spazieren gegangen und war anschließend (alleine) zum ersten Mal hier einkaufen. Das war echt ein Erlebnis und ich muss ehrlich sagen, dass ich das System noch nicht wirklich durchschaut habe, vor allem was Mindesthaltbarkeitsdaten angeht. Bei manchen Produkten steht das MHD, bei manchen steht das Datum, an dem sie produziert wurden und bei wieder anderen steht beides. Ob es da ein System gibt, woran man erkennt, ob ein Produkt gerade frisch oder schon abgelaufen ist, durchblicke ich nicht wirklich und auch andere Ausländer, die schon seit einem halben Jahr hier sind, konnten mir das nicht erklären… Ich habe ewig in diesem Supermarkt gebraucht, hatte aber am Ende dann doch fast alles, was ich brauchte.

 

Samstag

Am Nachmittag habe ich mit den beiden anderen deutschen Praktikantinnen von der deutschen Schule, Maxime und Verena, in einem Café getroffen. Wir haben Tee getrunken und sehr nett gequatscht und da die beiden schon ca. 5 Wochen in St Petersburg sind, konnten sie mir ein paar gute Tipps geben.

Danach bin ich zu einem Treffen von deutschen und russischen Student*innen gegangen, zu dem mich Anastasia eingeladen hat, eine Russin, die ich über die App Couchsurfing kennengelernt habe. Wir haben einen Raum gemietet, für den wir 2 Rubel pro Minute gezahlt haben, also umgerechnet ca. 6,50Euro für 4 Stunden. Dafür haben wir „gratis“ Garderobe, Tee und Kekse bekommen. Wir haben noch Pizza dorthin bestellt und haben Sprachspiele wie Tabu auf deutsch und englisch gespielt. Ich habe mich mit vielen netten Leuten unterhalten und hatte wirklich viel Spaß. Auch hier konnte ich wertvolle Tipps mitnehmen und hoffe, ein paar dieser Leute wiederzutreffen.

Danach haben Maxime und Verena mir spontan geschrieben, dass sie in einer Bar 500m entfernt sind und ob ich nicht Lust hätte, mitzukommen. Das habe ich natürlich bejaht und habe dann den ersten Alkohol in Russland getrunken, einen kleinen Cocktail namens московский мул (Moscow Mule), der intensiv, aber lecker und vor allem ästhetisch war!

Danach musste ich leider relativ schnell gehen, weil meine Vermieterin mich um halb 12 angerufen hat, weil sie sich Sorgen um mich gemacht hat…

    

 

Sonntag

Zum ersten Mal hier konnte ich endlich ausschlafen. Morgens bin ich nochmal einkaufen gegangen und habe diesmal im Supermarkt einen winzigen Gang entdeckt, der zu einer Abteilung führt, die ich beim letzten Mal einfach übersehen hatte. Dort habe ich dann auch endlich Müsli gefunden, das nicht schon auf dem Serviervorschlag wie Haferbrei aussieht und auch Milch, wo neben dem Datum stand, dass sie an diesem Tag ins Regal gestellt wurde! Eigentlich wollte ich Blumen kaufen, weil Galina an dem Tag Geburtstag hatte, es gab aber keine, deshalb habe ich dann eine Karte gekauft. Immerhin wusste ich zum Glück, was „Alles Gute zum Geburtstag“ auf Russisch heißt. Mittags hat Galina Besuch von ihrer Tochter und vielen Freunden bekommen und wir haben zusammen gegessen. Objektiv gesehen war es denke ich ein schöner Geburtstag, für mich war es ehrlich gesagt ziemlich schrecklich und ich wollte das erste Mal einfach nur nach Hause und mit meiner eigenen Mama feiern, die nämlich am gleichen Tag Geburtstag hat. Alle haben nur Russisch geredet und fast keiner hat mit mir gesprochen, selbst die Leute, die wenigstens ein bisschen Englisch konnten, haben nur zwei Sätze mit mir gewechselt. Ich kann schon irgendwo verstehen, dass man lieber auf seiner Muttersprache mit seinen Freunden spricht anstatt mit einer Fremden auf einer fremden Sprache, aber ich habe mich sehr, sehr schlecht und fehl am Platz gefühlt. Andererseits hätte ich auch nicht gewusst, worüber ich mit den Leuten hätte reden sollen. Das schlimmste war das Spiel am Ende: Alle standen in einem Kreis und eine Person hat gesagt „Alle, die …. z.B. Käse mögen, Hunde mögen, in St Petersburg geboren sind etc.“ und die betroffenen Personen mussten den Platz wechseln. An sich ein nettes Spiel, aber wie soll ich mitmachen, wenn ich nur jeden siebten Satz verstehe? Manchmal wurde für mich übersetzt, aber auch nicht immer, und wenn, dann erst nachdem sich schon alle bewegt haben… Und wenn ich mich dann noch nachträglich umgestellt habe, hatte ich das Gefühl, alle lachen über mich. Vielleicht war das auch überinterpretiert, aber in der Situation ging es mir das erste Mal wirklich schlecht.

Umso glücklicher war ich, dass ich für 19h verabredet war und einen Grund hatte, zu gehen. Ich bin mit Anastasia zu einer Couchsurfing Veranstaltung gegangen, in der es um das Thema Reisen in arabische Länder ging. Wir waren zu sechst: zwei Russinnen, ein Ägypter, ein Syrier, ein Israeli und ich. Wir hatten interessante Gespräche mit neuen Blickwinkeln und Erfahrungsberichten. Danach haben wir noch Karten gespielt. Das Ganze hat wieder in einem sogenannten Anticafé stattgefunden: Wir haben 2 Rubel pro Minute bezahlt und dafür soviel Tee und Kekse bekommen, wie wir wollten. Es gab auch echt total viele verschiedene Teesorten (und auch „richtigen“ Tee und nicht nur ein Beutel) und alle, die ich probiert hab, waren wirklich lecker! Am Ende war der Tag also doch noch schön!

    

 

Kleine Anmerkungen am Rande: Was mir hier an der Natur besonders auffällt, sind die Himmelfarben. Wenn es hier dunkel wird bzw. eigentlich schon dunkel ist, ist der Himmel nicht blau oder schwarz, wie man das aus Deutschland kennt, sondern irgendwie orange und lila, aber ganz dunkel und überhaupt nicht mit einem Sonnenuntergang vergleichbar. Ganz seltsam am Anfang, aber man gewöhnt sich schnell dran und es ist eigentlich sehr schön. Ich habe leider kein gutes Foto machen können…

Außerdem ist es hier wirklich sehr viel weniger kalt als ich befürchtet hatte! Man muss sich natürlich warm anziehen, aber es ist wirklich aushaltbar! Ich würde es eher als angenehme Ski-fahr-Kälte bezeichnen und nicht als unangenehme An-der-Bushaltestelle-warte-Kälte.

 

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