Schwer zu halten

Wenn es auch ein Jahr der Veränderungen werden soll, fange ich doch mit dem an was bleibt: mein Zuhause, meine Freunde, mein Zimmer. Tatsächlich ist es dieses Bleibende, das mich in den letzten Tagen viel mehr beschäftigt hat, als das Kommende. Mein zuhause, meine Familie verlasse ich in dem Wissen drei großartige Reisen zu verpassen – auch wenn sich meine Reise für mich natürlich vielfach mehr lohnt. Mein Zimmer ist mühsam so hergerichtet, dass es bleiben kann wie es ist, notfalls für immer – mein persönliches Zelt ist bereit weitergegeben zu werden, sei es als Gästezimmer, Zweitzimmer, Mal- oder Arbeitsatelier. Die Abschiede, zahlreiche und unglaublich herzliche Abschiede, haben mich mehr beschäftigt als die Vorbereitung auf das Kennenlernen und fielen aus, als wäre es für immer.

Nur ich fühle mich nicht, als ginge ich auch nur annähernd für immer. Es ist nicht so, dass ich vorhätte auch nur eine Sekunde länger als dieses Jahr wegzubleiben. Schon jetzt freue ich mich aufs Nachhausekommen, auf den Moment des Wiedersehens, wenn meine Mundwinkel sich kaum mehr zusammenhalten können, wenn ich all die Menschen die ich jetzt schon liebe wiedersehe. Nur ein Jahr liegt dazwischen. Weder heißt das, dass ich viele Leute wahnsinnig vermissen werde, schließlich wird die Zeit, wenn sie sich nicht unerwartet unendlich ausdehnt, sowieso nur so dahinrinnen. Noch heißt das, dass ich die Zeit dazwischen, mein persönliches Auslandsjahr immerhin, nicht genießen will, neue liebenswürdige Menschen finden will und in meinem neuen Leben fürs erste versinken werde.

Aber zum einen bin ich gerade höchst zufrieden mit meinem aktuellen Leben – keine unangenehmen Pflichten, viel zuhause mit der Familie und ansonsten oft mit Freunden zusammen, viel Klavier spielen und schöne Unterhaltungen führen. Ausgewogen zwischen Tun und Nichtstun. So wie es mit ein paar Korrekturen und vielleicht etwas mehr Arbeit bleiben könnte. Mich aus dieser Position heraus in die Mongolei, auf die Suche zu begeben fällt mir schwer.

Zum anderen verspüre ich in keiner Weise den Drang, den gerade bei kulturweit so oft genannten Tellerrand zu überwinden. Mag sein, dass ich schon längst vom Teller gesprungen bin, mag auch sein, dass ich am ersten Rand sitze und sich nur neue Ränder auftun oder dass ich erst merken werde, wie weit im Tellerinnern ich troz allem nachdenkens sitze, zu weit um ihn überhaupt zu sehen. Möglich, dass sich meine Einstellung, meine Erfahrung durch die Zeit bestätigt sieht, möglich aber auch, dass mir die glühende Steppensonne erst den Teller unter den Füßen wegschmilzt und ich völlig erneuert und verändert wiederkomme. Im Moment halte ich beides für gleich wahrscheinlich und ich bemühe mich beide Optionen, Kontinuität oder Wandel, für mich offen und möglich zu halten.

Jetzt bin ich erstmal auf dem Weg zum Vorbereitungsseminar, 10 Tage am Werbellinsee. Meine Erwartungen halten sich in Grenzen, aber ich habe mir sagen lassen, dass durch ein Vorbereitungsseminar die Ängste vor dem Kommenden, falls man vorher noch keine  hatte, in jedem Fall spätestens dort aufgebaut werden. In diesem Sinne bin ich sehr zuversichtlich, dass meine Entdeckungslust stärker aktiviert wird und meine Aufregung auf ein gesundes Level steigt.