Hilfe, ich werde ein Baum!

Optische Veränderungen gehen einher und das mit mir. Hier in Moskau werde ich nicht nur zum schnelllaufenden Kosmopolit, sondern auch zum Baum. Mit der Zahl der Tage die ich hier verbringe, steigen auch die Ringe. Jetzt gibt es natürlich viele Möglichkeiten:

a. Ich habe meine Liebe zum Schmuck entdeckt

b. Das Boxen, ein von mir hochgepriesener Volkssport – schließlich bekommt jeder gerne eins über den Schädel, hat endlich seine elastischen Gummiringe nach mir ausgestreckt und mich in die Mitte seines Rings gebeten

c. Ich darf das Logo der Olypischen Spiele neu erfinden, denn neue Ringe braucht die Welt

Wer jetzt auf eine der obrigen Lösungen getippt hat, liegt leider ausserhalb der monistischen Kreistheorie. Das einzige was hier wächst sind meine Augenringe, leider in ungeahntem Ausmaß. Keine Ahnung ob es die nicht vorhande Frischluft ist (selbst bei außerhäuslichen Aktivitäten), die täglichen Anstrengungen in der Metro oder einfach das Klima. Erholung scheint irgendwie unmöglich. Und selbst wenn ich es probiere z.B. mit sonntäglichen Konzerten im Konservatorium oder der Verdopplung der täglichen Eisration – es gelingt mir einfach nicht.

Wenn ich wiederkomme, werde ich also nicht nur blond sondern auch reichlich geschmückt sein. Achja, mit den Haaren ist ja gänzlich unbekannt, aber das Wasser hier ist so chlorhaltig, dass es mir die Farbe aus den Haaren zieht. Mein Körper entpuppt sich hier zum wahren Farbwunder – abgefahren was ich alles kann. Vielleicht bin ich vom Sternzeichen doch eher Kamäleon…

Neben der Optik haben sich weitere Neuerungen ergeben. Ich werde morgen umziehen, auch ein allseits gelobter Sport von mir. Näher in die Innenstadt führt mich der Weg, aber dafür in ein Studentenwohnheim, dessen Regeln wahrlich nicht angemessen sind. Um 23 Uhr muss sich jeder  im Haus befinden, Besuch ist bereits ab 21 Uhr nach draussen zu befördern. Am Eingang, welcher mit einem metallenen Drehkreuz ausgestattet ist – das U-Bahnfeeling darf natürlich auch nicht zuhause fehlen – sitzt eine Hütterin der Ordnung und beäugt jede neue Person kritisch. Zum Glück sind Regeln in Russland keine ernstzunehmenden Dinge, immerhin gibt es so viele, dass bei Befolgung keine Zeit mehr zum Leben übrig bleiben würde. Ich werde also sehen, wie dehnbar die Geduld des Eingangsdrachens ist. Aber dank meiner absoluten Sprachkenntnis sicher nicht als zu groß…Meine neuen mitbewohnenden Freunde, gleich an die 200, befinden sich alle im Alter von ungefähr 18 und kommen aus den ländlichen Gebieten. Gestern wurde mir auch schon eine persönliche neue Freundin an die Seite gestellt – hier geht das anscheinend schneller mit Freundschaft. Ich werde weiter berichten…um mein Russisch lauffähig zu bekommen, ist das sicher eine gute Möglichkeit und für einen Monat kann ich mich gerne einmal in die Lage von Studierenden versetzen.

Da ich gerne noch meine Weisheiten, Erkenntnisse oder sonst was am Ende verbreite, jetzt Obacht geben: in Moskau ist es egal, welche Farbe euer Auto hat. Nach maximal einer Woche sehen alle Autos ungefähr so aus,

Glücklicherweise hat das Auto etwas an Höhe vorzuweisen, sonst wäre es gänzlich eintönig!

was aber auf Fälle sehr hilfreich für entschiedungsunfreudige Mitmenschen ist – die Farbe „schmutzig“ greift sehr schnell um sich. Zum Glück fahre ich nur Metro, denn ich könnte es nicht ertragen auf Grund der Schmutzkonvention nicht zwischen unzähligen Blautönen wählen zu können.

Und noch was, ich bin ein schöner Baum.

3 Gedanken zu „Hilfe, ich werde ein Baum!

  1. Eigentlich wollte ich was zum vorherigen Blog schreiben, da ist aber kein Kommentarfeld.
    Betreff: Die russische Katze.
    Ich finde eben nicht, dass Katze gleich Katze ist und schon gar nicht russische Katze. Das Fell dieser russischen Schönheit ist ziemlich deutlich ein Pelz-Imitat, wahrscheinlich kommt die Katze aus der armen Verhältnissen, wollte aber in Moskau nicht negativ auffallen und daher der LOOK.

    Auch wenn deine Erfahrungen sehr grenzwertig zu lesen sind, will ich dadurch angeregt das wahre Moskau schon irgendwann mal gern sehen 🙂
    LG Anna

    • Wie konnte ich nur dieses Detail übersehen. Klar, jeder legt sich hier einen anderen Pelz an. Warum sollte das bei Katzen also nicht der Fall sein? Danke Anna, du hast mir meine vom Smog vernebelten Augen geöffnet ;o)
      Und ich beschreibe dir wirklich das wahre Moskau…eben aus meinen Augen!

Kommentare sind geschlossen.