Keine Qual der Wahl

Gestern war es soweit – Russland hat gewählt, ich übrigens auch. Zumindest habe ich gewählt, an diesem Tag zuhause zu bleiben und mir das ganze Spektakel online bieten zu lassen. Obwohl, so ganz richtig ist das auch nicht. Ein bisschen näher war ich schon an der Wahlurne dran – Ausflugsort 2984, ein Wahlbüro irgendwo im Westen der Stadt. Von aussen eine hübsche Schule in Backsteinstil gebaut. Innen sollen pastellene Grüntöne bestimmt für ein harmonisches Lernklima sorgen.

Überall stehen Tische mit grünen Tischdecken und Fähnschen. Ein bisschen schön muss es schließlich aussehen, besonders wenn allen schon klar ist, was am Ende des Tages für ein Ergebnis aus der Urne empor steigt. Vor dem Wahlsaal hängt ein Plakat mit allen Präsidentskandidaten – Fotos inklusive. Ich nehme an es handelt sich um eine Art Serviceleistung für alle Unentschlossenen, vielleicht sehen die einen oder anderen Bürger manchen Kandidaten aber auch zum ersten Mal. Immherin wurde nicht um jeden so ein Wirbel veranstaltet. Wer sein Kreuz in der Wahlkabine gesetzt hatte, einige bevorzugten es auch außerhalb der schützenden Kabine zu kreuzeln, ging zur durchsichtigen Wahlurne und gab seinen Bogen ab. Pro Person noch einen Klick der Wahlbeobachter und dann war die ganze Aufregung schon vorbei. Wer Hunger oder Durst verspürte, konnte sich am Buffet laben, aber auch Schminke und andere Schönheitsartikel wurden feilgeboten. Immerhin muss der Lidstrich perfekt sitzen, sonst verrutscht vielleicht vor lauter Unwohlsein die Hand beim Kreuzchen setzen.

Von Ungereimtheiten im Wahllokal habe ich nichts mitbekommen, jedoch gab es für meine Kollegin doppelt und dreiffach Anweisungen darüber, wie doch am besten was gefilmt werden könnte; Image ist schließlich alles.

Aber Russland und Moskau ist weitaus mehr als nur Wahlen (auch wenn das in letzter Zeit weniger so zu sein schien). Schöne Straßen mit wunderbaren Kneipen laden zum Verweilen ein. Gut, an einem Freitag Abend sollte man dies wahrscheinlich eher nicht probieren, denn Schlangestehen ist das Eintrittgeld für so ziemlich alle bezahlbaren Etablissements. Neben diesen gibt es aber noch weitere Kuriositäten zu entdecken: Polizistinnen mit Absatzschuhen, Babuschkas, die einen zum Ausruhen auf ihrem Schoß einladen oder öffentlicher Personennahverkehr, der eher an einen Partybus auf dem Weg nach Mallorca denken lässt. Das wichtigste jedoch: es funktioniert!

Auf eine funktionsfähige Woche in der Stadt der Superlative!