Ein Königreich für ein isoliertes Rohr

Ich wurde in letzter Zeit schon öfter vor Moskau gewahrnt. Kriminalität, Korruption, übermässiger Alkoholkonsum. Das Stichwort Kälte fiel hier und da auch, aber weitaus nicht so inflationär wie vorangegangene Vorfreuden. Dabei prägt sie doch gerade den gegenwärtigen weltlichen Zustand, welchen ich bereits hier in Deutschland zu spüren bekomme. Nicht nur wunderschöne Eisblumen verzieren am frühen Morgen meine Fensterscheiben von innen, auch zugefrorene Rohre tragen zu einer übertriebenen Erheiterung meines Gemüts bei. Dabei dachte ich doch immer, dass Halle an der Saale auf einem sehr viel südlicherem Breitengrad liegt. Aber der Mensch irrt, so lang er lebt. Und auch wenn ich nicht gerne in Muttis Weisheitenfundus herum wühle, in diesem Punkt scheint sie wohl Recht zu behalten.

Mit dem zugefroreren  Rohr würde ich jetzt trotzdem gerne tauschen. Immerhin hat es die ganze Nacht einen Heizradiator neben sich stehen, der für eine wohlige Wärme garantiert. Ich benötige dafür wiederum Funktionsunterwäsche und drei Federbetten. Wenn dies jetzt schon unter optimale Vorbereitung fällt, dann weiß ich nicht wie es um das Steigerungspotenzial steht. Ziemlich schlecht schätze ich. Vielleicht sollte ich meine Energie in geistige und nicht in körperliche umwandeln. Abhärtung soll ja bekanntlich helfen (das war aus dem Fundus von Oma). Deswegen geht der nächste Gedanke nicht an mein unsibirisches Temperaturempfinden, sondern an die liebevoll gestaltete aber kryptisch umgesetzte Sprache meiner temporären Wahlheimat. Immerhin kann ich mich dort mit Wollstrumpfhosen und Daunendecke nicht gegen Unverständnis wehren. Und jeder weiß, Unverständnis führt zwangsweise zu Kälte (aus meinem Fundus).