Archiv für den Monat: Februar 2019

Eine Ode an den Frühling

Der Frühling strahlt, ich strahle.

Langsam, fast unmerklich erklimmt er den großen Eisberg des Winters. Wie gute alte Freunde sagen sie sich Hallo, machen sich einen schönen Nachmittag und trinken einen Kaffee. Das Gemüt des Frühlings wirkt nach außen ruhig, ausgeglichen und selbstzufrieden, doch er steckt auch voller Überraschungen. Er muss sich etwas zurücknehmen nicht zu schnell in die Herzen der Menschen zu gelangen und nimmt Rücksicht auf den Winter. Denn auch dieser braucht seinen Platz und die richtige Wertschätzung. Also wartet er, der Frühling, zögert noch ein wenig und beobachtet das Treiben auf der Erde… die Menschen, die Pflanzen, die Tiere. Alle stehen sie in den Startlöchern. Besonders die Menschen können ihre Ungeduld mal wieder nicht unter Kontrolle halten. Bei dem kleinsten Sonnenstrahl strömen sie nach draußen, befreien sich von der Enge der Winterjacke und trinken ihren Kaffee im Freien. Ja vielleicht wagen einige sogar schon das erste Eis des Jahres. Der Frühling hat ein Lächeln auf den Lippen, fühlt sich geehrt und geliebt. Und das wird er auch. Dessen ist er sich bewusst, doch das ist kein Grund zum Egoismus. Langsam, ganz langsam und Schritt für Schritt wird er in die Welt der Menschen eintreten; so wie jedes Jahr. Und so wie jedes Jahr wird er Wärme, Freude, Liebe, Bekanntschaften, Eiskaffee für Anja, lange Abende, Spaziergänge, Fahrradtouren, Reisen und vieles weitere mit sich bringen. FRÜHLINGSGEFÜHLE. Und ich? Was macht der Frühling mit mir? Ich werde ihn mit offenen Armen empfangen, ihn ganz fest umarmen und so lange wie möglich umschlossen halten. Ich werde nach seinen Regeln spielen und nach seiner Pfeife tanzen. Sonst stolze independent woman, gebe ich mich beim Frühling in die Abhängigkeit. Mit großer Freude lege ich meine Winterjacke ab, hole meine Sneakers aus dem Schrank und versuche jeden einzelnen Sonnenstrahl in mir aufzusaugen. Ob letzteres gelingt sei mal dahingestellt, aber ein Versuch ist es wert und noch dazu ein Löblicher.

Aber was rede ich da schon wieder nur von mir? Im Gegensatz zum Frühling bin ich nämlich ganz schön egoistisch. Doch andererseits ist dies hier ja auch mein Blog und nicht der vom Frühling. Jener hat lediglich einen Gastauftritt in diesem einflussreichen Medium. Sicher weiß der Frühling gar nicht mit dieser großen Ehre umzugehen und hat schon Feder und Tinte zur Hand, um eine angemessene Dankesrede zu formulieren. Doch eine Dankesrede zu schreiben, das soll er mal mir überlassen. Schließlich gilt ihm der größte Dank. Denn er bringt Leben und Schwung in die Bude. Ein einziger Sonnenstrahl, und meine Laune wird auf das Doppelte katapultiert.

Also lieber Frühling, mach zackig, ich brauche dich. Denn das Ganze Schwafeln von wegen „auf die Gefühle anderer Rücksicht nehmen“, „warten und dann auskosten“ war doch nur ein kleiner Köder. Die traurige Realität ist, dass ich noch immer meine Winterjacke anhabe. Na, was sagst du dazu? Nicht so optimal, sage ich dazu. Mach dir keinen Druck, aber eigentlich erwarte ich, dass du in einer Woche bei mir auf der Matte stehst. Es ist dann schließlich auch schon März.

Hab dich lieb Frühling, Küsschen.

Lasst uns ein Spiel spielen

so what should I say…

ich bin seit über einem Monat wieder back in Hungary. Kann mir mal bitte jemand verraten, wie zur Hölle jetzt schon Mitte Februar sein kann, wo doch gerade erst das neue Jahr begonnen hat?

Was ist alles so passiert? Was ist aus meinen Bedenken geworden? Welche Neuen sind vielleicht sogar dazu gekommen?

Wenn Sie wissen wollen, was die Antworten sind, bleiben Sie dran aka „ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr wenn das Licht angeht“.

Um mal bei Spielen und Shows zu bleiben. Meine Eine Million Euro Frage konnte ich noch nicht beantworten. Was die Zukunft für mich offen hält, ist noch so offen, wie die Wettervorhersagen 5 Tage im Voraus. Alles kann sich ändern, nichts ist sicher, große Umschläge sind vorzufinden.

Nächste Show. Ihr könnt nun an den Jahresrückblick eures Beliebens denken. Genug gibt es da ja im Fernsehen, in gedruckter Form und was wären wir nur ohne den Jahresrückblick bei Spotify. Der Jahresrückblick wird nun in einen Monatsrückblick transformiert. Januar/Februar 2019. Ich bin von meinem Winterurlaub in der Heimat wieder zurückgekommen und habe alles erstmal sehr kritisch betrachtet. Doch Sorgen sollte man sich erst machen, wenn man sie hat. Für mich hieß das konkret: Zusammenreißen. Unternehmen. Genießen. Der Januar war toll und dass nicht nur weil er mein Geburtstagsmonat ist. Sondern weil ich wieder gut in den Alltag gefunden habe, meine Kochkünste ausgebaut habe, gaaaanz viel Schnee von der lieben Frau Holle auf die Erde befördert wurde und ich die Wochenenden mit meinen Freunden verbracht habe.

Es geht nun nicht mit einem Spiel weiter, sondern mit einem Buch. „Die Paprikantin“. Dieses Buch beschreibt Ungarn, die Mentalität und die Eigenheiten der Menschen hier einfach perfekt. Für mich ist Ungarn zum einen mein zu Hause für ein Jahr, zum anderen aber auch ein Land, was mir Platz und Zeit bietet, bisher Gelerntes und mich zu reflektieren. Gastfreundschaft und Fürsorge ist eine Eigenschaft, die vielen Ländern nachgesagt wird und auch in Ungarn bis in alle Poren ausgelebt wird. Das habe ich besonders an meinem Geburtstag wahrgenommen. Ich wurde mit Geschenken überschüttet, das gesamte Lehrerzimmer und die Klassen einzeln haben für mich gesungen, ich wurde mit Glückwünschen in mein neues Lebensjahr begleitet, die für ein ganzes Leben reichen würden und nachmittags habe ich mit ein paar Schülerinnen ungarisch gekocht, es gab „Kartoffelpaprikasch“. Denn obwohl die Deutschen auch „Kartoffelfresser“ genannt werden, passt dieses Attribut genau so gut zu den Ungarn. Ohne Paprikapulver aber keine Kartoffeln. Ach, was sage ich. Ohne Paprikapulver kein Gericht in Ungarn! Übersetzt heißt das, dass gefühlt eine halbe Packung davon in jedes Essen kommt. Das wohl Ungarischste was mir an diesem Tag aber passierte, war selbst gebrannter Palinka, der ungarische Obstschnaps und mein wohl typischstes Geburtstagsgeschenk, das gleich am Abend von mir und anderen Freiwilligen getestet wurde. Test bestanden. Besonders schön war, dass meine Eltern und mein kleiner Bruder am darauffolgenden Wochenende für vier Tage in Budapest waren. Da konnte ich meine gesamten Reiseführerqualitäten aus mir herausholen und mein Wissen über Ungarn und die Stadt präsentieren. Zugegeben maßen ist das gar nicht so wenig. So langsam habe ich schon das Gefühl, dass ich in sechs Monaten Ungarn mehr über das Land gelernt habe, als ich in 18 Jahren über Deutschland lernte. Passend dazu blieb mir beim Lesen der „Paprikantin“ ein Satz ganz besonders in Erinnerung: „In Ungarn aber gilt alles, was nicht Budapest ist, als Provinz“. Diese Meinung ist so tief in allen Köpfen verankert, dass ich selbst schon fast daran glaube. Aber irgendwie ärgert mich diese Einstellung, da sie immer gleich mit einer negativen Vorstellung gegenüber der „Provinz“ verbunden ist. Doch hier, in Szabolcs, dem Komitat, in dem ich lebe, habe ich gelernt ein stolzer „Szabolcser“ zu sein und die Ehre des „Wilden Ostens“ aufrecht zu erhalten. Wir Provinzler halten zusammen. Was mich absolut in den Bann gezogen hat, ist der ungarische Volkstanz. Was in Siebenbürgen, früher ein Teil Ungarns und heute zu Rumänien gehörig begann, ist in allen Regionen Ungarns vorzufinden. Regelmäßig finden „Tanzhäuser“ statt, in denen Musiker, Tänzer und Schaulustige wie ich zusammenkommen und die Traditionen ausleben, weitertragen und zelebrieren.

Wer unter euch kennt noch die Mädchen und Jungs WG? Falls nicht, habt ihr eindeutig was in eurer Kindheit verpasst. Falls schon, könnt ihr euch ungefähr so meine Wochenenden vorstellen. 5 Leute in einer Wohnung in Eger. 5 Leute erleben Abenteuer. Plan war eine 3-stündige Wanderung auf einem Lehrpfad. Herausgekommen ist eine 3-stündige Wanderung quer Feld ein durch die Wälder, immer entlang des Baches und 10 Minuten auf dem Lehrpfad. Klingt ein bisschen abenteuerlich, war ein bisschen abenteuerlich und alle abenteuerlichen Freunde waren zufrieden. Oben angekommen haben wir uns nicht nur wie die Helden gefühlt, wir waren es auch. Wir können stolz darauf sein, was wir aus unserem Freiwilligendienst machen, was für tolle Reisen wir unternehmen, was für eine wunderbare Gruppe von Freunden wir gefunden haben und darauf, dass wir uns nicht nur Sachen vornehmen, sondern sie auch durchziehen. Doch vorerst mussten wir uns für ein paar Monate verabschieden. Einmal verabschieden reicht uns jedoch nicht. Wir mussten das Ganze ungefähr viermal machen, weil wir uns dann auf mysteriöse Art und Weise doch noch die Wochen danach gesehen haben. Realisiert habe ich den Fakt auch immer noch nicht, dass ich die Truppe nicht weiterhin jedes Wochenende sehe, doch zum Glück ist schon viel für die nächsten Wochen geplant, sodass ein Anflug von Langeweile sofort im Keim erstickt werden kann. Übermorgen zum Beispiel begleite ich die neunte Klasse auf ihre Klassenfahrt nach Polen. Juhu, das nächste Land auf meiner Liste. Doch lasst euch eins gesagt sein: Osteuropa ist toll, groß, vielseitig und distanzmäßig gut zu bereisen. Und ich? Ich bin neugierig, kultursüchtig und willig Bus- und Bahnfahrten auf mich zu nehmen. It´s a match!

Memory. An dieses Spiel habe ich bei Weitem keine guten Erinnerungen, außer, dass immer schöne Bildchen auf den Karten sind. Bildchen ist das Stichwort. Um die Story richtig zu erzählen, muss ich so anfangen: Ich bin ein Buskind. Jeden Tag meiner Schullaufbahn bin ich mit dem Bus zur Schule gefahren, habe im Bus den neuesten Klatsch und Tratsch oder auch sämtliche Handlungen unserer Lieblingsbücher mit meiner Busfreundin Linn und kulturweit-Freiwillige in Slowenien besprochen und analysiert. Kurzum gesagt, kann ich Busfahren. Dachte ich zumindest. In Ungarn sieht das ganze zumindest etwas anders aus. Das Problem liegt NICHT an den Busplänen, Fahrtzeiten oder der Kommunikation. Das alles ist ganz vortrefflich. Das Problem liegt daran, dass die Busse hier keine Nummern haben, sondern nur ein Teil der befahrenen Orte auf einem Schild stehen. Und ganz richtig, der Ort, in dem ich wohne, steht nicht immer mit darauf. Ein paar Freunde und mir ist die Idee gekommen, wie toll es wäre diese Schilder gegen Tierbilder auszutauschen. Anstatt jedes Mal die Augen zusammenzukneifen und versuchen zu entziffern welche Orte an dem Bus stehen, um zu überprüfen ob es wirklich der Richtige ist, könnte ich dann einfach sagen: „Aha! Da ist es ja, das Nashorn.“ Oder „Mmmhhh, neee. Das Chamäleon ist falsch, da muss ich wohl noch ein bisschen auf die Gazelle warten.“ Das würde mir so einiges erleichtern und wäre obendrein noch ziemlich süß.

Das letzte Spiel für heute ist so gar nicht lustig, sogar nach unlustiger als Memory. Es heißt „Finde heraus, wer du wirklich bist.“ Nachdem ich meinen Kopf im letzten Blogpost mit einem umherschwirrenden Bienenschwarm verglichen habe, steigere ich den Vergleich heute auf das deutsche Autobahnnetz. Die Vernetzung ist groß, man kommt praktisch von jedem Ort zum anderen. Theoretisch sind aber alle 50 km Baustellen, die zu Vollzeitprojekten für fünf Jahre geworden sind. Eine nicht vorhandenes Tempolimit hilft auch nicht, wenn ich jedes Mal auf 70 km/h runterbremsen muss. Da kann ich nur hoffen, dass die Bauarbeiter in meinem Kopf einen Zahn zulegen und die Baustellen nur auf den ersten Blick nach Großprojekten mit irreparablen Schäden aussehen, doch die Bauarbeiter schon ganz bald einen Geistesblitz haben und meine Gedanken und Ideen mit ihrem Wunschtempo durch meinen Kopf flitzen können.

Ein letztes Spiel ist mir doch noch eingefallen. „Ich sehe was, was du nicht siehst“, der Retter jeder langen Autofahrt in den Urlaub und mein all time favourite. An einem kalten Wintertag saß ich mit Paula in Szeged, einer schönen Stadt im Süd-Osten Ungarns in einem Café und da gucken wir nichtsahnend aus dem Fenster und sehen auf der Straßenseite gegenüber an einem Laternenpfahl einen kulturweit-Sticker. Das war der aha-Moment des Tages. Kulturweit ist überall!

Also rückblickend auf die erste Hälfte meines Freiwilligendienstes in Ungarn, kann ich nur hoffen, dass die zweite Hälfte mindestens genauso gut wird. Daran muss ich trotz der vielen Veränderungen ganz fest glauben und das tue ich auch. Man muss es nur laut sagen/mit Überzeugung schreiben/ganz fest dran denken. Denn obwohl ich jetzt schon meine kulturweit-Familie vermisse, kann ich den Silberstreif am Horizint schon spüren. Es schneit nicht mehr (versteht mich nicht falsch, Schnee ist toll, aber irgendwann ist auch genug), die Tage werden länger, die Temperaturen steigen auf 10 Grad und die Laune folgt dem Ganzen. Der Frühling kommt! Und der ist der beste Aufmunterer und Glücklichmacher, den es gibt. Und glücklich, das bin ich!

Sonnige Grüße von Fenja.

(Eigentlich gar nicht mal so sonnig, denn die Sonne ist schon untergegangen zu dem Zeitpunkt, an dem ich das hier gerade schreibe.)