Kapitel 4: Was ich eigentlich mache

Wie bereits angekündigt, möchte ich heute von meiner Arbeit berichten und in diesen Zusammenhang nochmal kurz erklären, wie ich überhaupt nach Kampala gekommen bin.

Alles hat damit angefangen, dass ich vor dem Ende meines Masters gerne noch mehr praktische Erfahrungen im Bereich Journalismus sammeln wollte und das am liebsten im Ausland. Durch meine Freundin Leonie bin ich schließlich auf kulturweit gestoßen. Das ist ein internationaler Jugendfreiwilligendienst von der UNESCO-Kommission, der vom Auswärtigen Amt gefördert wird. Kulturweit schickt jedes Jahr junge Menschen in verschiedene Länder in Afrika, Asien, Lateinamerika, Teile von Europa, den Nahen Osten und in die GUS. Dort arbeiten die Freiwilligen dann in verschiedenen Einsatzstellen, um berufliche sowie persönliche Erfahrungen zu sammeln und neue Perspektiven zu gewinnen. Der Aufenthalt dauert entweder 6 oder 12 Monate und wird von einem Seminar vor der Ausreise, einem während der Ausreise und einem nach der Ausreise begleitet. Die Seminare sind meiner Meinung nach nicht nur wichtig, weil sie eine gute Möglichkeit bieten, sich mit anderen auszutauschen, die gerade ähnliche Erfahrungen durchleben, sondern vor allem auch, um sich selbst und die eigene Rolle als Freiwillige*r kritisch zu hinterfragen.

Internationale Freiwilligendienste wurden in den letzten Jahren – zu Recht – immer wieder hinterfragt. Kritisiert wird zum Beispiel, dass diese Dienste eine Fortsetzung der kolonialen Strukturen seien, dass Freiwillige sich in den Ländern als die überlegenen „weißen Retter“ fühlen würden oder auch dass der Dienst nichts weiter als ein bezahlter „Abenteuer-Urlaub“ sei, den sich nur eine bestimmte soziale Schicht leisten kann. Ich denke, dass diese Kritik in einigen Fällen durchaus berechtigt ist und dass auch kulturweit bestimmt noch einiges verbessern könnte. Die kritischen Seminare sind meiner Meinung nach aber ein wichtiger Schritt und haben zumindest mir persönlich schon viel gebracht. Zu einer abschließenden Meinung bin ich trotzdem noch nicht gekommen. Daher berichte ich jetzt erstmal von meiner Arbeit.

In Kampala arbeite ich bei der Deutschen Welle Akademie, die oft mit der Deutschen Welle, also dem deutschen staatlichen Auslandsrundfunk verwechselt wird. Beide gehören zwar zusammen, aber im Gegensatz zu der Deutschen Welle produzieren wir bei der Deutschen Welle Akademie nicht selbst journalistische Inhalte, sondern wir arbeiten mit Medienpartnern in verschiedenen Ländern zusammen. Das Ziel ist es, vor Ort die Medienentwicklung und die Pressefreiheit zu stärken. In dem Büro in Kampala sind wir nur zu dritt: eine deutsche Chefin, eine ugandische Projekt- und Finanzassistentin und ich als Freiwillige. Da wir so ein kleines Team sind, wurde ich bereits vom ersten Tag an gut in den Arbeitsalltag integriert und darf auch zu allem Meetings und Workshops mit.

Es gibt nicht unbedingt einen typischen Tagesablauf bei uns, da unsere Arbeit immer projektabhängig ist, aber ich würde sagen, dass wir insgesamt 70 Prozent unserer Zeit im Büro verbringen. Dort erledige ich vor allem administrative Aufgaben, die mal mehr und mal weniger spannend sind, wie zum Beispiel Mails beantworten, Recherchen zu bestimmten Themen durchführen, bei der Planung von Workshops helfen, unsere Arbeit dokumentieren und ganz wichtig: unseren wöchentlichen Pressespiegel vorbereiten. Dafür lese ich jeden Tag lokale und überregionale Zeitungen und fasse wichtige Artikel in einem Dokument zusammen, damit wir und unsere Kolleg*innen in Deutschland einen Überblick haben, was aktuell in Uganda und angrenzenden Ländern passiert. Das kann manchmal sehr aufwändig sein, weil ich dafür jede Woche über 100 Artikel durchlese. Gleichzeitig bekomme ich auf diese Weise interessante Einblicke in die ugandische Medienlandschaft und gesellschaftspolitische Ereignisse, die natürlich auch für unsere Arbeit sehr wichtig sind.

Der Teil, der mir aber am meisten Spaß macht, ist die Zusammenarbeit mit unseren Partnerorganisationen. Die Deutsche Welle Akademie hat in Uganda nämlich kaum eigenen Projekte, sondern unterstützt lokale Organisationen bei der Planung und Umsetzung ihrer Aktivitäten. Gleich in meiner ersten Arbeitswoche war zum Beispiel ein Workshop des Projekts Women@Web, das sich länderübergreifend für digitale Sicherheit, speziell für Frauen, einsetzt. Dazu haben sich fünf Tage lang verschiedene Expertinnen wie Journalistinnen, Aktivistinnen oder auch Anwältinnen aus mehreren ostafrikanischen Ländern zu Themen wie Medienkompetenz, Datenschutz und Umgang mit Cyber-gewalt ausgetauscht.

Beim Women@Web-Workshop

Eine Organisation, mit der wir auch viel zusammenarbeiten, ist Media Challenge Initiative (MCI). Das ist ein junges Team von Journalist*innen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Schüler*innen und vor allem Journalistik-Student*innen das journalistische Handwerk zu vermitteln. Sie sagen, dass in ugandischen Schulen und Universitäten oft nur theoretisches Wissen gelehrt wird und den jungen Menschen bei ihrer Ausbildung die praktische Erfahrung fehlt, die sie auf dem Arbeitsmarkt aber dringend brauchen würden. Deswegen organisiert MCI grundlegende Trainings für journalistische Berichterstattung und Workshops in Bereichen wie Radio, Podcast, TV und Mobile Reporting. Meine Aufgabe ist es dann, Fotos und Videos von diesen Events zu machen und wenn es zeitlich passt, darf ich auch mal selbst an einem Training teilnehmen.

MCI Training

Ich persönlich habe am meisten mit der Organisation CEMCOD zu tun, die vor ein paar Jahren ein Projekt begonnen hat, bei dem sie Menschen in ländlichen Regionen Ugandas zu sogenannten Bür-gerreportern ausbildet. Die Bürgerreporter*innen sammeln Geschichten aus ihren Dörfern und schicken diese dann an eine ausgewählte Radiostation. Dadurch soll sichergestellt werden, dass in den Nachrichten auch über Themen berichtet wird, die Menschen in ländlichen Regionen betrifft. In der Regel sind die Medienhäuser in Uganda nämlich nur in den großen Städten vertreten und berichten hauptsächlich über Dinge, die dort relevant sind. Und dass, obwohl in Uganda eigentlich über 80 Prozent der Bevölkerung auf dem Land wohnt.

Während des Projekts hat sich herausgestellt, dass die Medien nun zwar auch über Missstände in den Dörfern berichten, sich dadurch aber noch nicht viel für die Menschen ändert. Daraufhin hat CEMCOD regelmäßige Treffen in den Dörfern eingeführt, bei denen die Bewohner mit den zustän-digen Entscheidungsträgern über aktuelle Themen diskutieren können und darin gestärkt werden, für ihre Rechte einzustehen. Vor ein paar Wochen war ich das erste Mal bei so einem Treffen dabei und fand es super spannend, auch wenn ich leider nicht viel verstanden habe, da alle Diskussionen auf Luganda waren und meine Sprachkenntnisse längst nicht gut genug sind, um komplexe Themen zu verstehen.

Gemeindetreffen in Wakiso

So viel erst mal zu meiner Arbeit. In meinem nächsten Beitrag werde ich dann von unserem Zwischenseminar berichten, von dem wir letzte Woche zurückgekommen sind und das auf jeden Fall sehr spannend war.

 

 

Kapitel 3: Mein Alltag Teil Zwei. Antworten auf viele Fragen

Eigentlich wollte ich heute von meiner Arbeit erzählen, aber nachdem ich zu meinem letzten Beitrag über meinen Alltag noch ein paar Nachfragen bekommen habe, versuche ich erstmal diese Fragen zu beantworten:

Gefällt es dir immer noch in deiner neuen Unterkunft?

Ich wohne nun schon seit zirka einem Monat in meiner neuen WG und bin auch immer noch zufrieden. Allerdings hatten wir in letzter Zeit häufiger Probleme mit Wasser- und Stromausfällen. Das passiert in Kampala zwar immer mal wieder, aber in unserer Nachbarschaft war es, scheinbar aufgrund von Bauarbeiten, besonders häufig. Zuletzt ist das Wasser fast eine Woche lang ausgefallen. Ich war zu der Zeit nicht Zuhause, aber meine MitbewohnerInnen haben mich in unserer Whatsapp-Gruppe auf dem Laufenden gehalten und waren echt genervt.

In diesen Momenten wurde mir erst so richtig klar, wie abhängig wir von Wasser sind. Das mag sich jetzt vielleicht etwas dumm anhören, denn natürlich ist Wasser wichtig. Das wusste ich auch vorher schon. Aber wenn das Wasser plötzlich weg ist und man nicht weiß, für wie lange, dann lernt man es nochmal auf eine ganz andere Art zu schätzen. Auf jeden Fall habe ich seitdem einen kleinen Wasservorrat bei mir im Zimmer angelegt, aber wirklich lange reicht der natürlich auch nicht. Denn so ein Ausfall betrifft ja nicht nur das Trinkwasser. Unser kompletter Alltag ist davon betroffen: Auf die Toilette gehen, Kochen, Duschen, Wäsche waschen…

Wie ist das Wetter bei euch so?

Offiziell sollte bei meiner Ankunft in Kampala bereits Regenzeit sein, doch in den ersten Wochen hat es fast gar nicht geregnet. Und wenn doch, war der Boden nach kurzer Zeit wieder komplett trocken und es war schnell wieder so warm wie vorher.  Meine ugandische Freundin Dorcas hat mir erzählt, dass sich die Regenzeit, die eigentlich von März bis Mai und von September bis November verläuft, aufgrund des Klimawandels sehr verschoben beziehungsweise verkürzt hat. Das ist vor allem für die Menschen in den ländlichen Regionen ein Problem, die auf ihre Ernte angewiesen sind.

Erst seit den letzten Wochen gibt es mehr Regen, vor allem nachts oder morgens. Ich kann mich an eine Nacht erinnern, in der es so laut Gewittert hat, dass ich über eine Stunde lang nicht mehr einschlafen konnte.

Uganda liegt übrigens in Teilen direkt unter dem Äquator, hat aber in vielen Regionen aufgrund der Höhenlage relativ milde Temperaturen. Bei uns in Kampala hat es tagsüber durchschnittlich angenehme 24 bis 27 Grad. Wenn wir abends noch weggehen reichen ein T-Shirt und eine dünne Jacke.

Hast du manchmal Heimweh?

Ich würde diese Frage mit einem klaren jein beantworten. Erst vor ein paar Tagen haben meine Mitbewohnerin, und auch kulturweit-Freiwillige, Rebekka und ich mal wieder festgestellt, wie schnell die Zeit in den letzten Wochen vergangen ist. Bei uns ist inzwischen schon fast Halbzeit und in gut drei Monaten geht es wieder zurück nach Deutschland. Einerseits finde ich es schade, Kampala schon so bald wieder verlassen zu müssen, weil ich das Gefühl habe, erst jetzt so richtig angekommen zu sein und weil ich gerne noch viel mehr von Uganda sehen würde. Andererseits freue ich mich auch schon wieder auf meinen Freund, meine Freunde und meine Familie. Richtig Heimweh habe ich bisher nicht gehabt, eher Momente, in denen ich bestimmte Personen oder Dinge vermisst habe.

Welche Sprache spricht man in Uganda?

Das ist nicht so leicht zu beantworten, denn in Uganda werden sehr viele verschiedene Sprachen gesprochen, über 40 soweit ich weiß. Die offizielle Amtssprache ist Englisch, da Uganda bis in die 1960er Jahre eine britische Kolonie war. In Kampala wird neben Englisch hauptsächlich Luganda gesprochen. Rebekka und ich gehen deshalb zweimal die Woche zu einem Luganda-Sprachkurs, über den ich vielleicht in einem späteren Beitrag ausführlicher berichten werde. Teilweise wird auch Swahili gesprochen, allerdings eher von Polizisten und dem Militär, wie ich gehört habe.

Was isst du in Kampala so?

Erstaunlich viele Fragen gab es zum Thema Essen. Wer erwartet, dass ich in Kampala jeden Tag Insekten, Affen oder sonst etwas vermeintlich “exotisches” esse, den muss ich an dieser Stelle enttäuschen. Eigentlich esse ich das gleiche wie in Deutschland auch, also hauptsächlich Reis, Nudeln und Kartoffeln. Ein Geheimtipp für Kampala, vielleicht sogar für ganz Uganda ist Rolex. Das ist ein Chapati, also eine Art Fladenbrot, das mit Ei, Zwiebel und Tomate gefüllt wird.  Eigentlich ist das aber kein Geheimtipp, da es so ziemlich an jeder Straßenecke verkauft wird. Direkt neben unserem Haus gibt es auch einen Stand, der jedes mal unsere Rettung ist, wenn wir keine Zeit hatten, einkaufen zu gehen oder zu faul sind zu kochen. Brian, unser ugandischer Fahrer bei der Arbeit, will mit mir unbedingt mal Matoke essen, das ist ein Brei aus Kochbananen. Er sagt, wenn ich das nicht gegessen habe, war ich nicht richtig in Kampala. Bisher haben wir es aber leider noch nicht geschafft.

Was hast du schon für Ausflüge gemacht?

Bisher war ich in Jinja und in Mbale. Beide Städte sind mehr oder weniger in der Nähe von Kampala. Vielleicht kann ich dazu ja mal einen separaten Beitrag mit Bildern schreiben. Wenn dieser Beitrag erscheint bin ich gerade in Nairobi, Kenia, weil wir dort unser Zwischenseminar von kulturweit haben. Das heißt, ich hoffe, dass ich es wirklich nach Kenia schaffe, denn momentan gibt es bei mir noch Probleme mit meinem Visum, aber ich versuche jetzt einfach mal optimistisch zu sein und bin auch schon sehr gespannt, was die anderen Freiwilligen so zu berichten haben.

Kapitel 2: Mein Alltag in Kampala

Nach meinem holprigen Start in Kampala habe ich mich mittlerweile sehr gut eingelebt. Obwohl ich erst seit ein paar Wochen hier bin, fühlt es sich für mich an, als wären es schon Monate. Das liegt vermutlich an meinem festen Arbeitsalltag. Morgens stehe ich gegen 7.30 Uhr auf, mache mich fertig und fahre dann zum Büro der Deutschen Welle Akademie (was genau ich dort mache, erzähle ich in meinem nächsten Beitrag). Die Fahrt dauert zirka fünf bis zehn Minuten, je nach Verkehr.

In Kampala gibt es übrigens keinen öffentlichen Nahverkehr. Das günstigste Transportmittel (abgesehen von Fahrrädern, von denen ich bisher aber noch nicht viele gesehen habe) ist das Sammeltaxi. In jedes passen zirka zehn Personen. Ähnlich wie ein Bus fahren sie eine bestimmte Route – sowohl in- als auch außerhalb der Stadt. Als Passagier kann man jederzeit ein- und aussteigen. In der Innenstadt gibt es einen Busbahnhof, von dem aus die Sammeltaxis starten und der eine beliebte Attraktion bei Touristen ist.

Taxi-Park in Kampala

Beliebt sind auch Motorradtaxis, die sogenannten „Boda“. Man sieht sie eigentlich an jeder Ecke. Sie sind besonders praktisch, wenn viel Stau ist, weil sie sich dann einfach zwischen den stehenden Autos vorbeischlängeln können. Aus Sicherheitsgründen benutze ich immer die SafeBoda-App. Über sie kann ich ganz einfach einen Boda-Fahrer zu meinem Standort anfordern, mein Ziel eingeben und mir schon vor Fahrtbeginn einen festen Preis anzeigen lassen. Die Fahrer bekommen ein spezielles Fahrsicherheitstraining und haben immer einen zweiten Helm für Mitfahrer dabei.

Boda-Fahrer in Kampala

Auch wenn ich mich tagsüber in Kampala sehr sicher fühle, bin ich nach Anbruch der Dunkelheit etwas vorsichtiger. Dann fahre ich meist mit dem Auto. Entweder über eine App wie Uber oder mit einem privaten Fahrer. Das ist zwar deutlich teurer als mit dem Motorradtaxi, aber ich bin dafür mit einem guten Gefühl unterwegs.

Nach der Arbeit bin ich meistens ziemlich erschöpft. Wenn ich sehr motiviert bin, gehe ich danach noch zum Yoga oder Zumba. Ich versuche, ein bis zwei Mal die Woche zum Sport zu gehen – mal schauen, ob ich das durchhalte. Und auch sonst gibt es in Kampala viele Freizeitmöglichkeiten – wie wahrscheinlich in den meisten Großstädten. Sowohl unter der Woche als auch am Wochenende. Von einem gemütlichen Kinoabend über intellektuelle Vorträge bis hin zu langen Nächten in Bars und Clubs, teilweise mit Live-Musik, ist alles dabei.

Obwohl ich mich mit der Zeit doch noch mit meiner ersten Unterkunft anfreunden konnte, bin ich inzwischen nochmal umgezogen. Jetzt wohne ich zusammen mit den anderen kulturweit-Freiwilligen und sechs weiteren Mitbewohnern – alle in unserem Alter – in einer großen WG, in der spontan noch ein Platz für mich freigeworden war. Jeder hat ein eigenes Zimmer mit Bett, Schrank und Schreibtisch. Bad, Küche und Wohnzimmer werden gemeinschaftlich geteilt.

Da Uganda ein Hochrisikogebiet für Malaria ist, schlafen wir alle mit Moskitonetzen über dem Bett, die bis zum Boden gehen und wie ein Zelt aussehen. In Kampala direkt gibt es zum Glück nur wenig Mücken, trotzdem sprühen wir uns bei Einbruch der Dämmerung mit Anti-Mückenspray ein und tragen möglichst langärmlige Kleidung. Fenster und Türen sind ebenfalls mit Mückengittern geschützt.

Ich bin sehr froh über den Umzug, weil es so viel einfacher ist, zusammen etwas zu unternehmen. Vor allem abends fühle ich mich sicherer, wenn ich nicht allein nach Hause fahren muss. Außerdem ist das Gemeinschaftsgefühl in dem neuen Haus viel besser, so dass wir abends auch mal zusammen essen, uns unterhalten oder einen Film ansehen. Hier fühle ich mich definitiv nicht mehr einsam.

Kapitel 1: Hallo Kampala! Warum ich am ersten Tag gleich wieder zurückfliegen wollte

Obwohl ich sehr ungerne und daher auch sehr selten fliege, war der Flug nach Uganda für mich angenehm. Das lag vor allem daran, dass Eva und Dani, zwei andere kulturweit-Freiwillige, die auch in meiner Gruppe beim Vorbereitungsseminar waren, zufällig den gleichen Flug gewählt hatten wie ich. Ich war also nicht allein als die große Reise in Frankfurt losging. Nachdem sich die Monate vor der Abreise mit all der Aufregung und all der Vorbereitung wie eine Ewigkeit angefühlt hatten, vergingen die letzten Tage so schnell, dass ich selbst überrascht war. Und dann war es endlich soweit: Dienstagabend stiegen wir mit dicken Jacken und großen Erwartungen in den Flieger und am Mittwochnachmittag kamen wir, mit einem Zwischenstopp in Dubai, gut gelaunt in Entebbe an. Das ist die ehemalige Hauptstadt von Uganda, zirka eine Autostunde von Kampala entfernt.

Auf dem Weg nach Kampala

Es war – wer hätte es erwartet – sehr heiß. Vor dem Flughafen standen viele Fahrer mit Schildern in den Händen und einige Sicherheitskräfte. Unsere Einsatzstellen hatten uns gesagt, dass die Strecke von Entebbe nach Kampala zwar als sicher gilt, wir aber trotzdem besser einen vertrauenswürdigen Fahrer im Voraus buchen sollten. Und so saßen wir bereits wenige Minuten nach unserer Ankunft in einem vollgepackten Auto, auf dem Weg in unser neues Zuhause.

Die Fahrt verging schnell. Da hätten wir echt Glück gehabt, verriet uns unser Fahrer, denn oft gäbe es so viel Verkehr auf der Strecke, dass man auch mal gut drei Stunden für den Weg brauchen könnte. Doch ich glaube selbst das wäre mir schnell vorgekommen. Denn ich war die ganze Fahrt über damit beschäftigt, aus dem Fenster zu sehen und alle neuen Eindrücke in mich aufzusaugen. Der Weg nach Kampala war grüner als ich es erwartet hatte und als wir die Stadt erreichten, waren meine Augen überfordert von all den Menschen, Autos und Motorradfahrern, die geschäftig ihrer Wege gingen.

Nachdem wir Eva und Dani bei ihrer Wohnung abgesetzt hatten, ging es für mich noch ein Stück weiter. Meine WG befand sich nämlich in einem angrenzenden Nachbarviertel namens Bukoto. Doch noch während wir fuhren, passierte für mich etwas Unerwartetes: Die vollen Straßen, die ich davor noch als aufregend empfunden hatte, wirkten auf mich jetzt eher fremd und einschüchternd. War der Verkehr schon die ganze Zeit so laut gewesen? Ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass ich am liebsten bei den anderen geblieben wäre. „Absolut lächerlich“ ermahnte ich mich selbst „Du bist eine erwachsene Frau und die anderen sind höchstens 15 Minuten von dir entfernt“. Doch ganz ging das Gefühl nicht weg. Und es wurde auch nicht besser, als sich herausstellte, dass meine Unterkunft in einer etwas abgelegenen Seitenstraße lag und wir selbst mit Google Maps zunächst Schwierigkeiten hatten, sie zu finden.

Meine Vermieterin – eine Schwedin, die bereits seit über zehn Jahren in Kampala wohnt – hatte mich vorgewarnt, dass sie eventuell noch bei der Arbeit sein könnte, wenn ich ankam. Dann werde aber ihre Haushälterin da sein, um mir den Schlüssel zu geben und mir alles zu zeigen. Doch als ich meine Unterkunft endlich gefunden hatte – es war ein großes, ebenerdiges Haus mit einem kleinen Garten – war keine von beiden da. Nur zwei Hunde bellten mir entgegen. Ein junger Ugander, etwa in meinem Alter, öffnete mir die Tür und brachte mich zu meinem Zimmer, doch noch ehe ich die erste Frage stellen konnte, war er wieder verschwunden. Ich war wieder allein und wusste nicht so recht, wohin mit mir.

In der neuen Unterkunft

Ich hatte großen Durst und ärgerte mich über mich selbst, keine extra Wasserflasche für den ersten Tag mitgenommen zu haben – man kann in Kampala nämlich nicht aus dem Wasserhahn trinken. Zu groß ist die Gefahr vor Durchfall, Typhus, Cholera und anderen Erkrankungen. Ich ging in die Küche, um mir Wasser abzukochen, doch der Wasserkocher funktionierte nicht und ich war mir nicht sicher, wie ich den Gasherd anschalten sollte. Einen Supermarkt oder ähnliches hatte ich auf dem Weg zu meiner Unterkunft nicht gesehen und ich konnte weder meine Vermieterin anrufen noch im Internet nach dem nächsten Supermarkt suchen, da ich nur meine deutsche Sim-Karte hatte und das WLAN-Passwort von dem Haus nicht kannte. Ich fühlte mich isoliert, ewig weit weg von meiner Familie und meinen Freunden.

Ich überlegte, einfach auf gut Glück aus dem Haus zu gehen und nach einem Supermarkt zu suchen, doch ich traute mich nicht. Ohne dass ich es wollte, schossen mir auf einmal unreflektiert tausend Gedanken und Ängste durch den Kopf. Reisetipps von kulturweit und meiner Einsatzstelle mischten sich mit gut gemeinten Ratschlägen von Freunden und Bekannten und hysterische Warnungen, die ich auf irgendwelchen unseriösen Blogs im Internet gelesen hatte. Laufe nur zu Fuß durch Stadtviertel, die du gut kennst! Pass auf, dass du nicht ausgeraubt wirst! Achtung: Uganda ist ein Hochrisikogebiet für Malaria und 1.000 andere Krankheiten! Vertraue keinem Fremden. Wenn du Ebola bekommst, dann sind deine Überlebenschancen leider sehr gering. Hast du keine Angst vor Schlangen? Hier ist die Hotline-Nummer für sexuelle Belästigung…

In meinen Gedanken vermischten sich begründete Sorgen mit irrationalen Ängsten. Mir war klar, dass vieles davon übertrieben war, aber in diesem Moment konnte ich diese Gedanken nicht abstellen – Vorbereitung hin oder her. Ich fühlte mich so fremd, erschöpft, verunsichert und hilflos. So hatte ich mir meine Ankunft nicht vorgestellt und am liebsten wäre ich direkt wieder nach Haus geflogen.

Doch noch bevor ich völlig in Selbstmitleid versinken konnte, hörte ich ein Geräusch hinter einer der geschlossenen Zimmertüren. Hoffnungsvoll klopfte ich an – und traf Sarah. Wie sich herausstellte war sie auch eine deutsche Freiwillige und wohnte schon seit ein paar Monaten in diesem Haus. Normalerweise wäre sie um die Zeit noch bei der Arbeit gewesen, doch da sie an dem Tag krank war, war sie früher nach Hause gekommen. Sarah war so nett und führte mich im Haus herum, gab mir das WLAN-Passwort und fuhr sogar – obwohl sie sich noch immer schlapp fühlte – mit zum nächsten Einkaufszentrum, damit ich mir eine ugandische Sim-Karte beantragen und mir die ersten Lebensmittel kaufen konnte. Dafür mussten wir ein Stück mit einem Motorradtaxi fahren, eines der beliebtesten Verkehrsmittel in Kampala. Obwohl der Fahrer nicht besonders schnell fuhr, hatte ich die ganze Zeit Angst, vom Sitz zu rutschen oder von einem der Autos zerquetscht zu werden, die teilweise nur zentimeterdicht an uns vorbeifuhren.

Wieder zurück erzählte Sarah mir, dass in der WG ein reges Kommen und Gehen herrsche und sie selbst auch bald wieder ausziehen werde. Sie fühle sich in dem Haus nicht so wohl und es läge zu weit entfernt von ihrer Arbeit. Außerdem erzählte sie mir, dass die Taxifahrer oft Schwierigkeiten hätten, das Haus zu finden. Das alles verstärkte mein Gefühl der Isolation noch zusätzlich.

Am Ende dieses langen und anstrengenden Tages war ich froh, endlich ins Bett, unter mein Moskitonetz kriechen zu können. Als mein Freund mich vor dem Schlafen anrief, um zu fragen, wie mein erster Tag gelaufen war, wurde mir erst bewusst, wie angespannt ich mich noch immer fühlte. Zu seiner Verwunderung fing ich daher ohne große Erklärung erstmal an zu weinen. Bestimmt eine halbe Stunde lang. Schließlich konnte ich mich wieder beruhigen und dachte, dass am nächsten Tag bestimmt alles nicht mehr so schlimm wirken würde. Ich fühlte mich etwas besser.

Vorheriger Beitrag: Das Vorbereitungsseminar    

Prolog: Das Vorbereitungsseminar. Warum ich plötzlich wieder auf Klassenfahrt war und viele Geschichten wichtig sind

Vor der Ausreise hatten wir ein 10-tägiges Vorbereitungsseminar. Das ist für alle Kulturweit-Freiwilligen verpflichtend und soll uns auf unseren Aufenthalt im Ausland vorbereiten. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich eigentlich keine Lust hatte. Zum einen, weil uns schon im Voraus gesagt wurde, dass es keine länderspezifische Vorbereitung geben würde. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, was wir sonst zehn Tage lang machen würden. Zum anderen war ich sehr ungeduldig und wäre am liebsten sofort nach Kampala geflogen. Im Nachhinein bin ich allerdings sehr froh über die Vorbereitung. Aber der Reihe nach.

Das Seminar war wie eine Klassenfahrt. Nur dass ich ohne meine Freunde gefahren bin, sondern mit knapp 200 fremden Menschen. Alle zwischen 18 und 26. Die meisten davon genauso aufgeregt wie ich. Nach einer Begrüßungsveranstaltung im Auswärtigen Amt sind wir mit mehreren Bussen an den Werbellinsee gefahren, zirka eineinhalb Stunden von Berlin. Dort haben wir auf einem großen Seminargelände direkt im Wald gewohnt mit mehreren Wohnhäusern, zwei Seminarhäusern, einem kleinen Kino und einem Partyraum. Das Essen gab es in einem großen Speisesaal. Dort hatten wir dann ein regelrechtes Speed-Dating, zumindest ging es mir so, weil ständig neue Leute bei mir am Tisch saßen. Mein Gehirn hat zwar früh aufgegeben, sich alle Namen zu merken, aber ich habe viele interessante, lustige oder auch nachdenkliche Unterhaltungen geführt und viele nette Menschen getroffen.

Auch meine zwei Zimmernachbarinnen waren sehr nett. Allerdings habe ich sie nur selten gesehen, da wir fast immer von morgens bis abends, teilweise noch bis 22 Uhr Seminare und Workshops in Kleingruppen hatten. An manchen Tagen habe ich mich richtig erschlagen gefühlt, vor allem, weil wir oft über sehr ernste Themen gesprochen haben. Ich würde sie in etwa so zusammenfassen: Deutsche Kolonialgeschichte, Neokolonialismus, Rassismus, Diskriminierung von Minderheiten, sexualisierte Gewalt und kritische Selbstreflexion.

Es würde zu lange dauern, wenn ich jetzt auf alle Themen ausführlich eingehen würde. Deshalb möchte ich hier nur zwei Momente beschreiben, die mir am meisten im Gedächtnis geblieben sind und die mich auch heute noch beschäftigen.

Meine Aha-Momente

Einer dieser Momente war ein kurzes Video, das wir im Seminar zusammen angeschaut haben. Es heißt: Die Gefahr der einen einzelnen Geschichte (Original: The Danger of a Single Story). Darin erzählt die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Adichie, dass sie als Kind immer nur britische und amerikanische Bücher gelesen hat und wie sehr dadurch ihre Weltanschauung beeinflusst wurde. In den Büchern gab es beispielsweise nur weiße Charaktere, weshalb sie als Kind automatisch angenommen hat, dass auch nur die Geschichten von weißen Menschen erzählenswert seien. Und dass Protagonisten keine dunkle Haut und krauses Haar haben könnten.

Chimamanda Adichie erzählt noch viel mehr, was ich hier nicht alles wiedergeben kann. Ihr solltet euch aber unbedingt ihr Video anschauen. Es ist wirklich empfehlenswert! Mich persönlich hat es jedenfalls sehr berührt. Erschreckend, wie sehr ein Großteil der Welt bis heute noch durch eine weiße Perspektive geprägt ist, als Folge des europäischen Kolonialismus.

Der andere Moment, der mich nachhaltig beschäftigt hat, war als wir über faires Berichten gesprochen haben. Es ging darum, dass wir alle auf die eine oder andere Weise über unsere Zeit im Ausland berichten. Sei es über einen Blog, sei es auf Instagram oder einfach nur wenn wir Freunden und Familie von unseren Erlebnissen berichten. Wenn wir erzählen, dann sind wir aber nicht neutral. Wir berichten nur das, was wir persönlich interessant finden und lassen andere Dinge bewusst oder unbewusst aus. Und auch ohne es zu merken, bewerten wir unsere Erlebnisse durch unsere Wortwahl.

Das klingt abstrakt, deshalb ist hier mal ein Beispiel aus der Broschüre „Mit kolonialen Grüßen“, mit der wir uns auch im Seminar beschäftigt haben. Noch heute verwenden wir bei afrikanischen Gesellschaften oft nicht Begriffe wie „Bürgermeister“ oder ähnliche, sondern sprechen von einem „Häuptling“. Der Begriff stammt noch aus der Kolonialzeit und wirkt durch die Silbe „ing“ am Ende verniedlichend und abwertend. Er wurde gezielt verwendet, um eine Distanz zwischen „uns“ und den „anderen“ zu schaffen und damit Europas vermeintliche Überlegenheit zu rechtfertigen. Wenn wir heute noch von „Häuptling“ sprechen, ist uns die historische Bedeutung des Begriffs vielleicht nicht mehr bewusst, aber trotzdem fördern wir damit bewusst oder unbewusst eine abwertende Vorstellung.

Auch Fotos sind nicht neutral. Stattdessen fotografieren wir im Ausland meistens nur die Dinge, die für uns fremd und aufregend erscheinen. Und wir fotografieren oft das, was wir für „typisch“ für ein Land halten. Also Pyramiden in Ägypten, Giraffen in Kenia oder Frauen in Saris in Indien. Prinzipiell ist das nicht schlimm. Doch wenn wir immer nur die gleichen Bilder von einem Land sehen und nicht auch mal nach anderen Motiven suchen, dann entsteht der Eindruck, als gäbe es in diesem Land nichts anderes. Dann wird ein Land auf diese Stereotype reduziert und das kann auch beeinflussen, was wir über das Land und die Menschen dort allgemein denken.

Wenn wir von afrikanischen Ländern beispielsweise nur Fotos von „exotischer Natur“ und „traditionellen Gewändern“ machen, dann gehen wir auch automatisch davon aus, dass die Menschen in diesen Ländern alle naturverbunden und traditionell sind. Meist verbinden wir dann sogar noch viel mehr Eigenschaften mit diesem Bild – unbewusst entsteht eine ganze Assoziationskette. So dass wir am Ende leicht denken, alle Menschen in Afrika wären primitiv, wild, arm oder unterentwickelt.

Bei all diesen ernsten und intensiven Themen war ich auf jeden Fall froh, eine feste Gruppe zu haben, mit der ich mich austauschen konnte. Allgemein fand ich es schön, mit Leuten zusammen zu sein, die in einer ähnlichen Situation waren wie ich und mit denen ich über alles reden konnte. Von wichtigen medizinischen Fragen über Organisatorischen bis hin zu scheinbar einfach Fragen wie „Wie viel Sonnencreme nimmst du mit?“. Nach dem Vorbereitungsseminar habe ich mich so gestärkt gefühlt wie nie zuvor und war voller Vorfreude bereit, endlich loszufliegen.