Spuren

Togo? Wo liegt das noch gleich? Eine vage Ahnung hatten wir, mehr nicht. Als ich vor meiner Ausreise im vergangenen Winter mein Einsatzland nannte, beschränkte sich unser Bezug zum Land auf den ach so geistreichen Kaffee Togo. Eine ehemalige deutsche Kolonie. Da war doch was. Doch unser Wissen darüber? Quasi null.

Und nun? Es gibt zahlreiche Spuren in den verschiedensten Regionen Togos. Jedoch auch in den angrenzenden Ländern Ghana und Benin. Spuren in Form von Gebäuden, Infrastruktur, Denkmälern. Aber auch unsichtbare Spuren. Koloniale Relikte sind untilgbar. Ein Satz, den mir ein Doktorand der Uni Lomé ganz am Anfang mit auf den Weg gab.

Unterwegs in Benin

Auf Spurensuche begaben wir uns nun auch mit der PASCH Abteilung des Goethe-Instituts Lomé, die insgesamt vier Gymnasien in Togo und Benin unterstützt. Für vier Tage erkundeten 20 Schülerinnen und Schüler mit einem Team des Goethe-Instituts und der Uni Lomé das östlich von Togo gelegene Land Benin. Die inhaltliche Ausarbeitung hatten zwei Mitarbeiter der Deutschabteilung der Universität übernommen. Die Eltern von Herrn Dr. A. kommen aus Ghana, Herr Prof. O. stammt aus Benin. Die beiden wissen so viel über all diese Spuren der Region, wie wohl niemand weltweit.

Auf unserem Weg an der Küste des Golfs von Guinea entlang halten wir in Aneho, ehemals Petit Popo, auf der togoischen und Grand Popo bereits auf der beninischen Seite. Die beiden Städte waren wichtige Stützpunkte der Franzosen und Deutschen, um Handel zu betreiben. Spätabends erreichen wir dann Ouidah, eine sehr geschichtsträchtige Stadt.

Am darauffolgenden Tag startet das Programm mit einem Workshop zu den Hintergründen der deutschen Spuren: Auch in Ouidah finden sich noch alte Handelshäuser deutscher Kaufmannsfamilien. Am Nachmittag besichtigen wir dann das alte portugiesische Sklavenfort. Ouidah war zur Zeit des Sklavenhandels zwischen Ende des 15. bis ins 19. Jahrhundert hinein ein sogenannter point de non-retour. Im Landesinneren wurden Sklaven gefangen genommen. An der Küste wurden sie in den dänischen, französischen, portugiesischen, englischen und niederländischen Forts verkauft und dann mit Schiffen nach Süd- und Nordamerika gebracht.

   

Die Kolonialzeit stört

Beim Abendessen unterhalten wir uns sehr lange mit Herrn A. Ich spreche an, wie wenig ich es fassen kann, dass die Kolonialgeschichte Deutschlands in meiner Schulzeit quasi keine Rolle gespielt hat. Und auch sonst kaum im öffentlichen Leben. Wie wenig wir wissen. Herr A. ist nicht überrascht. „Ja. Die Kolonialzeit stört.“, sagt er. Er sagt es ohne Gram, ohne Bitterkeit. Wir erwähnen den Begriff der Musterkolonie. Togo wird oftmals so bezeichnet, da es als einzige deutsche Kolonie lukrativ war. Er antwortet: „Das ist eine Frage der Perspektive. Meine Großeltern glichen mit ihrem Blut und ihrem Schweiß aus, dass Deutschland quasi nichts in seine Kolonien investiert hatte. Und heute nennen wir das musterhaft?“

Besichtigung des Königspalasts

Am darauffolgenden Tag fahren wir weiter in den Norden nach Abomey, die Königsstadt von Dahomey. Das ehemalige Königreich ist bekannt dafür, dass sich dessen König Gbehanzin noch bis Ende des 19. Jahrhunderts den französischen Truppen widersetzte. Gbehanzin suchte damals auch den Kontakt zu den Deutschen und bat um Unterstützung. Die Unterstützung der Deutschen gegen Frankreich hielt sich wenig überraschend jedoch in Grenzen. Wir besuchen in Abomey den alten Königspalast und das deutsch-beninische Denkmal. Dieses wurde im Jahr 2004 errichtet und soll an die gemeinsame Geschichte der beiden Länder erinnern.

Beim Essen des letzten Abends ergibt sich noch einmal ein Gespräch mit Herrn A. Ich erzähle, dass wir auf unserem Vorbereitungsseminar die Ausstellung zum Deutschen Kolonialismus im Historischen Museum in Berlin besucht hatten. Herr A. lächelt, an dieser Ausstellung hatte er auch mitgearbeitet. „Das war gut. Wie die Kolonialgeschichte aufgearbeitet wurde.“

Vergangenheit. Gegenwart. Zukunft.

Ich bewundere die Forscher der Uni Lomé sehr. Ich bewundere, wie sie sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Wie sie in der Gegenwart darüber sprechen: So treffend und klar, dass ich gar nicht anders kann, als mein Weltbild um so viele Perspektiven zu erweitern. Dass sie den Blick aber auch gleichermaßen in die Zukunft richten.

Vergangenheit. Gegenwart. Zukunft.

Und die Spuren bleiben.

2 Gedanken zu „Spuren

  1. Ja die Vergangenheit ist wichtig um die Gegenwart optimal wahrzunehmen. Ich bin auch nicht überrascht, dass die Europäer bzw die Deutschen nur wenig über die Kolonialzeit von Afrika wissen während wir die ganze Schulzeit hauptsächlich die Geschichte von Europa, Amerika… pauken müssen. Ich denke, es ist höchste Zeit, dass sie auch die Kolonialgeschichte Afrikas kennen lernen. Man spricht heute von Globalisierung aber man soll die nicht nur im wirtschaftlichen Sinne vertehen sondern auch im kulturellen und geschichtlichen meine ich. Das ist relavant für die Weltentwicklung

  2. Ja richtig! Niemand weltweit kennt die Spuren dieser Region besser als Herrn Dr. A. und Herrn Prof. O.
    Mit dieser Besichtigung kann du jetzt deine eigene Ideen über die deutsche Kolonialzeit in Togo fassen, nicht nur aus der Perspektive der Deutschen , sondern auch aus der wissenschaftlichen Perspektive der Angeborennen.
    Schön! Nicht wahr?

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