15 Minuten Pause ?

In der Folge des großen Schocks, der mich neulich ereilte, als ich in den Kalender schaute, habe ich nun endlich einmal wieder die Muße gefunden, in meinen Blog zu schreiben. Schließlich haben wir ja schon fast das Ende des Märzes erreicht, was bedeutet, dass ich schon über die Hälfte meiner Zeit in Polen erreicht habe. Ein passender Moment um zur „Halbzeit“ einmal eine Zwischenbilanz zu ziehen und etwas zurück zu schauen. Immerhin das Gefühl, die Zeit hier komplett vergessen zu haben und zu realisieren, dass die Schule nur noch knapp 3 Monate dauert, spricht ja für sich.

Vor fast sechs Monate kam ich also hier an, halb erkältet von der Klimaanlage des Zuges und und komplett erschöpft vom langen Aufstieg in meine Wohnung im zehnten Stock. Schnell gings für mich am ersten Tag direkt in die Arbeit, wo ich direkt erste Verantwortung zu übernehmen hatte und direkt am zweiten Tag schon eigene Übungen vorbereiten und durchführen konnte. Bei alle dem gleichzeitig noch alle Kollegen kennenzulernen und sich zu merken, wer wer und wo was war, war bereits eine kleine Herausforderung für mich.

Außerdem ging es ja gleichzeitig noch an die Aufgabe, mich überhaupt in meiner neuen Wohnumgebung zurecht zu finden und natürlich gleichzeitig noch alles nebenbei zu organisieren was man eben so organisieren muss. Das reichte von ganz banalen Dingen wie Bettdecke und Kissen, die es in meiner nicht gab, und einer polnischen SIM-Karte bis zu Sprachkurs und Aufenthaltsgenehmigung in Polen. Für letztere prokrastinierte ich leider in einer etwas unvorteilhaften Weise, was sich noch mit einer unguten Uninformiertheit paarte. So musste ich nicht nur mehrere Male in die entsprechende Behörde sondern war auch – Schwups – 200 zł für die Übersetzung wichtiger Dokumente los.

Auch einen Sprachkurs fand ich recht schnell, da meine erhofften Sprachfortschritte leider ausblieben und meine größtenteils polnischen Mitbewohner in dieser Angelegenheit leider keine große Hilfe waren. Unter Führung meiner Lehrerin Asia machte ich jedoch schon bald merkliche Fortschritte, die genauso aber auf alle meine Kolleginnen und SchülerInnen zurückzuführen sind. Der sprachliche Aspekt machte es mir jedenfalls immer leichter, meinen eigenen Weg in Kraków zu finden. Werbeschilder lesen, Kontrolleure im Bus verstehen, kleine und schließlich auch große Konversationen führen – das alles war nach Monaten der Arbeit, die wie im Flug vergingen möglich. Alles das motivierte und motiviert mich noch immer. Und genau das hat Polen mittlerweile zu einer Art zweiter Heimat für mich gemacht. Zu viel vorgreifen möchte ich aber noch nicht, da ich die Besonderheiten und Fallstricke der polnischen Sprache noch einmal in einem zukünftigen Artikel beleuchten möchte.

Schnell war dann auch das Zwischenseminar herangerückt und und verschaffte mir etwas Gelegenheit, mich mit den anderen Freiwilligen gerade auch in Litauen, Lettland und Estland auszutauschen und einmal generell in einer sehr interessanten Weise über Osteuropa zu diskutieren. Ebenso schnell kamen auch Weihnachten und Silvester, die ich, wie bereits beschrieben, zu hause verbrachte und das Jahr ging bereits in eine neue Runde. In den kurz nach Weihnachten folgenden Ferien hatte ich neben meiner Sprachprüfung auch noch durch diverse Reisen die Möglichkeit, viele Seiten von Polen (und fast auch der Ukraine) kennenzulernen und sah zum letzten Mal fast meine ganze Homezone vereint. Auch wenn der Abschied ein wenig traurig war, bin ich aber dennoch froh, dass mir ein paar Freiwillige in Polen bleiben, mit denen ich noch die eine oder andere Sache unternehmen kann.

Gerade in den letzten Wochen und den letzten beiden Monaten Februar und März hat mein FSJ, sozusagen, richtig Fahrt aufgenommen. Das bedeutet vor allem, dass ich, bedingt durch Krankheit anderer Lehrer sehr viel Verantwortung allein übernehmen durfte und sehr viel Unterricht selbst gestaltet habe und immer noch gestalte. Dazu kommt noch der Besuch meines Bruders und einer sehr guten Freundin, den ich gleich mit einen eigenen „Tandemprojekt“ verbinden konnte Vor allem diese Große eigene Verantwortung führte mir auch in gewisser Weise meinen sprachlichen Fortschritt vor Augen, da ich nicht nur mit älteren DSD-Schülern, sondern auch mit jüngeren Klassen zunehmend Anschluss fand und auch viel eigene Initiative einbrachte.

Das so etwas auch von Schülern wertgeschätzt wird, bekam ich an meinem Geburtstag zu spüren, als ich gleich drei Geschenke von allen meinen Schülern nebst Kuchen in der Schule entgegennehmen durften. Das war auf jeden Fall einer der schönsten Tage meines ganzen Freiwilligendienstes.

Tja und über die Hälfte des Märzes habe ich es nun leider nicht geschafft, rechtzeitig einen Blogartijkel zur „Halbzeit“ fertigzustellen. Die zentrale Frage bleibt aber dennoch.

Ist jetzt Zeit für 15 Minuten Pause ?

Offensichtlich eher nicht, da ich wegen der DSD-Prüfungen gerade sehr im Prüfungsvorbereitungsstress stecke. Die DSD-I -Prüfung besteht nämlich aus 4 Teilen: Hörverstehen mit entsprechenden Höraufgaben. Leseverstehen mit Textaufgaben und Lückentexten, die schriftliche Kommunikation mit einem schriftlichen Brief zu einem geforderten Thema und schließlich die Mündliche Kommunikation, bei der eine Präsentation vorzustellen ist und zusätzlich noch Fragen gestellt werden. Dieser große Umfang an Prüfungsaufgaben erfordert natürlich einiges an harter Vorbereitung. Sowohl Grammatik als auch Wortschatz müssen sitzen und gerade die mündliche Prüfung erfordert natürlich viel praktische Übung. Und genau hier kommt meine Aufgabe als Freiwilliger ins Spiel.

Vor kurzem noch selbst Abiturient, habe ich nun die Möglichkeit und die Aufgabe, so gut es geht, bei der Vorbereitung der Prüflinge zu helfen, zu sprechen, grammatikalische Wiederholungen vorzubereiten und natürlich viel zu sprechen. Gerade vor der mündlichen Prüfung fürchten sich viele Schüler am meisten, weshalb hier auch wirklich Arbeit notwendig ist, für die Prüfung eine gute mündliche Kommunikationsfähigkeit vorzubereiten. Dabei geht es vor allem auch darum, den Stress abzubauen, und Schüler dazu zu motivieren, zu zeigen, was sie wirklich können. Das ist nämlich eine ganze Menge. Dabei beeindruckt mich auch nicht nur die Tatasche, im zarten Alter von 14/15 Jahren bereits an einer so umfangreichen Prüfung teilzunehmen, sondern auch die steile Lernkurve, die meine Klassen aufweisen. Haben wir am Anfang des Jahres gerade einmal die Zeitform Perfekt eingeführt und besprochen, so sprechen wir jetzt in Konjunktiv und Passiv über Pro und Kontra von Gewalt im Fernsehen.

Auch wenn diese Zeit gerade für mich nicht nur körperlichen, sondern auch emotionalen Stress bedeutet, genieße ich es doch sehr, einen so engen Kontakt mit den Schülern zu haben, individuell auf die Stärken, Bedürfnisse und Fehler jedes einzelnen und dabei wirklich faszinierende Persönlichkeiten kennenzulernen. Zum anderen dient es einmal auch ganz gut dazu, die Gewohnheit abzulegen, außerhalb des Unterrichts nur polnisch zu sprechen und so eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten für lange, intensive und auch lustige Gespräche auf deutsch, die Ich bis jetzt so noch nicht hatte.

Weiterhin sind auch noch viele andere Dinge in der Pipeline, die noch nach den Prüfungen vor mir liegen. Dazu gehören meine Teilnahme am Wettbewerb „Jugend debattiert international“ als Juror Anfang April, genauso, wie ein Jugendbegegnungsprojekt mit meiner alten Schule in Breslau, ein kleiner Urlaub in der polnischen Tatra und ein Schüleraustausch nach Nürnberg. Und wenn ich ehrlich bin, kann ich bereits jetzt schon ganz am Horizont das Ende meiner Zeit in Polen erkennen.

Daran möchte ich aber jetzt noch nicht denken, denn meine Zeit hier ist mir unglaublich wertvoll. Zum einen habe ich noch große Ambitionen, was das Sprachenlernen angeht und möchte hier auch weiterkommen. Zum anderen möchte ich aber auch einfach mit meiner wirklich tollen und erfüllenden Arbeit weitermachen, neue Kontakte knüpfen und noch viele, viele Seiten von Polen kennenlernen, die ich noch nicht erahnen konnte. So wie zum Beispiel dieses Wochenende, da ich gerade im Zug unterwegs in die Westpolnische Stadt Posen bin. Gespannt und voller Vorfreude freue ich mich nun auf das Wochenende, die Prüfungswoche und überhaupt die Zeit, die da noch kommt. Gleichzeitig weiß ich aber auch, wie „wenig“ Zeit mir noch bleibt.

Polska, będę tęsknił za tobą….

Euch allen wünsche ich jetzt noch eine schöne und sonnige Frühlingszeit ;)

Euer Moritz