Von Heimweh und U-Bahnfahrten

Der Anfang

Nachdem ich angekommen bin, hatte ich noch ein paar Tage Zeit, bevor meine Arbeit an der Schule begann, diese Zeit habe ich zum Orientieren und zum besseren Kennenlernen meiner Mitbewohner genutzt.

An meinem ersten Tag wurde ich auch der zweiten Deutschlehrerin an meiner Schule vorgestellt, die mir ebenfalls auf Anhieb sehr sympathisch war. Mir wurde erklärt, was in Zukunft meine Aufgaben sein werden, wie beispielsweise Präsentationen vorzubereiten, die Redakteure der deutschen Schülerzeitung „klick“ zu unterstützen und etwas später dann auch nachmittags eine eigene Deutsch-AG zu leiten.

Jedoch begann ich nicht gleich darauf damit, dem Unterricht beizuwohnen, sondern habe vorerst der deutschen Theatergruppe bei ihren Generalproben zugesehen und bin auch zur Aufführung am Warschauer Goethe-Institut im Rahmen des erste „Jugend-Tages“ mitgekommen um Fotos zu machen und das Institut kennenzulernen.

Die kommenden Tage war ich damit beschäftigt, mich in allen Klassen mithilfe einer Powerpoint-Präsentation vorzustellen. Ich sprach ein bisschen über mich, wieso ich da bin und wer ich überhaupt bin, aber auch über meine Heimatstadt Freising mit der ältesten Brauerei der Welt, schönen Kirchen und bunt angemalten Bärenstatuen. Die Reaktionen variierten je nach Jahrgangsstufe sehr stark, die ältesten Schüler der 3. Klasse, was in Deutschland der zehnten entspricht, waren eher mäßig interessiert und hielten sich sehr zurück, wenn man ihnen Fragen stellte. Und selbst Fragen zu stellen kam ihnen gar nicht erst in den Sinn. Das komplette Gegenteil dazu waren die jüngsten im Alter von 11-13 Jahren. Die sprechen zwar noch kaum ein Wort Deutsch, aber haben mir mit dem, was sie schon konnten und einiger Hilfe der Lerhkräfte, Löcher in den Bauch gefragt. Welche Bärenstatue ist mein Liebling, mag ich Bier, habe ich ein Dirndl und wenn ja, welche Farbe hat es, was war mein Lieblingsfach und so weiter und so fort.

In diesen Klassen werde ich immer freudig empfangen und wenn ich im Unterricht mithelfe, arbeiten sie sehr eifrig mit und wollen zeigen, was sie können, weswegen ich mich immer sehr freue mit ihne zu arbeiten. Meine Laune wird gleich besser, wenn ich sehe, dass ihnen der Untericht Spaß macht und dass sie wirklich etwas lernen wollen.

Es ist immer noch so, dass die älteren Schüler etwas vor Interaktion mit mir zurückschrecken, obwohl sie die deutsche Sprache eigentlich gut genug beherrschen, aber so langsam tauen auch sie auf.

Ich werde immer mehr in den Unterricht eingebunden und freue mich mittlerweile auch schon darauf, zur Arbeit zu fahren. Immer mehr kleine Erfolgserlebnisse, wie bessere Kommunikation mit den Schülern oder das Übertragenbekommen von verantwortungsvolleren Aufgaben, versüßen mir meine Arbeit bisher sehr.

Unterwegs

Ich komme aus einer Stadt, in der man so gut wie alles in maximal 20 Minuten mit dem Fahrrad erreichen kann, ich bin noch nie alleine Bus gefahren und auch grundsätzlich sehr selten in öffentlichen Verkehrsmitteln anzutreffen. Das hat sich hier radikal geändert, denn mein Arbeitsplatz liegt auf der anderen Seite der Stadt und ich fahre ca. 40 Minuten zuerst Tram und dann U-Bahn dorthin. Zum Glück für mich als Großstadt-Neuling ist das U-Bahn-Netz hier in Warschau mit seinen zwei Linien mehr als übersichtlich und ich habe mich schon daran gewöhnt, dass ich von meiner Wohnlage aus maximal zum Supermarkt laufen kann und alles andere wichtige nur durch Fahren erreichbar ist.

Das U-Bahn-Fahren ist in der Früh leider nicht so ganz angenehm, da die Bahn bis zwei Haltestellen vor meiner komplett vollgestopft mit Menschen ist und ich meistens noch sehr schläfrig bin, da ich wirklich kein Morgenmensch bin, und ich in dem Gedränge nicht richtig vor mich hindösen kann.

Was mich immer wieder erstaunt, sind all die unterschiedlichen Menschen, die man beobachten kann, sei es das kleine Kind, das eine lautstarke Diskussion mit seinem Plüschschwein führt, der Mann, der 10 Minuten lang einen Keks in die Luft wirft, ihn aber nicht isst, oder der Herr, der mir letztens mit seiner aufblasbaren Sexpuppe gegenübersaß. Das ist doch nochmal sehr anders als bei mir daheim in Freising.

Heimweh

Normalerweise bin ich nicht der Typ für Heimweh. Aber in meiner ersten Woche hier bin ich leider ziemlich krank geworden und lag das ganze Wochenende im Bett. In dieser Zeit habe ich mich sehr hilflos und alleine gefühlt und auf einmal war die  große Stadt und die Vorstellung hier zu leben sehr furchteinflößend und ich habe mich sehr nach zuhause gesehnt. Denn wenn man so richtig krank ist und es einem sowieso schon elend geht, würde man sich lieber an einem Ort elend fühlen, an dem man sich auskennt und an dem vertraute Menschen um einen herum sind. Zum Glück gibt es Skype und ich konnte mein Heimweh etwas lindern. Auch die Leute aus meiner Homezone haben mir beigestanden und mich wieder zuversichtlich und positiv gestimmt, wofür ich sehr dankbar bin.

Noch kenne ich sonst niemanden, außer ein paar Menschen aus meinem Polnisch-Kurs, die jedoch alle bedeutend älter sind als ich. Ich habe mir einige Veranstaltungen von „Warsaw social“ herausgesucht, die ich in den nächstten Wochen mal besuchen möchte und sehe mich jetzt auch nach Möglichkeiten zum Sporttreiben um. Mal sehen, wie der Sozialisierungsprozess weitergehen wird.

Pierogi, polnische Teigtaschen
Im Herzen der Stadt
An der Flusspromenade

 

Auf Wiedersehen und Willkommen

Das Vorbereitungsseminar

Ab dem ersten September begann offiziell mein Freiwilligendienst, aber bevor ich mich auf die Reise zu mener Einsatzstelle machte, ging es erst mal nach Berlin zum Vorbereitungsseminar. Ich reiste früher an und sah mir zwei Tage die Stadt an, eine kleine Vorbereitung auf das Großstadtleben, das mich in Warschau erwarten würde. Dann ging es mit vielen Bussen voll mit Freiwilligen auf nach Brandenburg und während der Fahrt wurde sich schon rege über die kommenden 10 Tage ausgetauscht. Ist das nicht zu lang? Was machen wir da überhaupt? Und was sind die ganzen seltsamen Bezeichnungen auf unserem Zeitplan? Wir sollten bald die Antworten auf unsere Fragen bekommmen.

Nach einer kleinen Begrüßung sind wir auch schon in unseren „Homezones“ zusammengekommen, die aus Leuten bestanden, die in die selbe Region wie man selbst ausreisen würden, in meinem Fall bestand die HZ 19 aus Polen und Litauen.

Neben den Homezones wurden im Laufe des Aufenthalts am Werbellinsee auch Workshops angeboten. Über den gesamten Zeitraum hinweg habe ich viele spannende und aufschlussreiche Diskussionen geführt und mich mit Themen auseinandergesetzt, mit denen ich bisher nur wenig oder gar nicht konfrontiert worden war.

Es ist schwer, die Stimmung dort zu beschreiben, wenn ich daran zurückdenke würde ich sagen, dass es eine allgemeines gegenseitiges Vertrauen war, das ich so vorher noch nicht kannte, da man sich mit Fremden über alles, auch sehr persönliche Angelegenheiten unterhalten hat , was eine sehr befreiende Wirkung hatte und dazu geführt hat, dass man sich sehr schnell sehr gut kennengelernt hat.

Alles in allem war ich sehr positiv überrascht von meiner Zeit am Werbellinsee, auch wenn es zwischendurch ein paar Durchhänger gab, wenn man dann doch zu viel Input auf einmal bekommen hatte und die Gespräche und Informationen erst einmal verarbeiten musste. Aber zum Glück war das Wetter erstaunlich gut und man konnte sich einfach mal in die Sonne legen oder am See spazieren gehen. Ich bin mit einer reflektierteren, optimistischeren Einstellung und tollen neuen Bekanntschaften vom Seminar zurück nach Hause gefahren und sehr dankbar für die bereichernden Erfahrungen, die ich dort machen konnte.

Auf nach Warschau

Knapp drei Tage habe ich noch mit meinen Liebsten verbringen können, bevor ich mich dann mit drei Koffern voller dicker Winterklamotten auf den Weg in mein neues Zuhause machte. In Warschau angekommen wurde ich sehr herzlich von meiner Betreuerin empfangen, die mir die „Innenstadt“ und die Altstadt zeigte, bevor ich dann mein WG-Zimmer bezog. Wir liefen unter anderem an der neu gestalteten Flusspromenade entlang, und ich muss sagen, dass ich sehr überrascht davon war, wie schön ich Warschau fand, da ich mir die Stadt in meinem Kopf weniger malerisch vorgestellt hatte.

Ich wohne im Norden der Stadt in einer sehr schönen, kleinen Wohnung und auch meine beiden Mitbewohner haben mich mit offenen Armen empfangen. Um gleich mal ein paar Touristen-Klischees abzudecken nahmen sie mich mit zum Pierogi (polnische Teigtaschen) essen, die mir sehr geschmeckt haben, und gaben mir anschließend noch einen Vodka aus. Tags darauf wurde ich etwas in der Nachbarschaft umhergeführt und kannte somit schon den Weg zu Supermärkten und Bäckereien in der Umgebung. Da die Wohnung einen sehr guten Zugang zu den öffentlichen Verkehrsmitteln ermöglicht, habe ich den Rest der Zeit damit verbracht, in der Gegend umherzufahren und mir die für mich wichtigsten Routen herauszusuchen.

Seitdem ist schon einige Zeit vergangen und viel passiert…