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Baba Marta

„Und wenn du nichts hörst, geht´s mir gut“
(LOTTE – Auf beiden Beinen)

In Bulgarien wird sich der Monat März als eine weißhaarige, rotwangige Dame vorgestellt, die hoch oben in den Bergen lebt und von dort aus nicht nur einen Blick auf das Treiben der Menschheit, sondern auch so manche Auseinandersetzung mit ihren frechen Brüdern Januar und Februar hat. Haben diese es mal wieder zu weit getrieben und „Baba Marta“ verärgert, sorgt sie mit ihrer Laune für schlechtes Wetter und eine plötzliche Rückkehr des Winters. Sobald es jedoch zu einer Versöhnung kommt, scheint wieder die Sonne und der Frühling kehrt auf die Erde zurück. Für mich heißen diese Stimmungsschwankungen vor allem eins: Sonntags schwitzen im Park und Montag wieder in Winterjacke zur Arbeit stapfen.

Trotz der Wetterbedingungen gefällt mir die Legende von Baba Marta, denn mit ihr geht auch ein Brauch einher, den ich im nächsten März hoffentlich auch in Berlin einführen werde: Das Verschenken rot-weißer Armbänder oder Anhänger an Verwandte, Freunde, Kollegen und sogar Haustiere. Werden sie nahe am Herzen getragen, sollen sie ihren Trägern Glück bringen. Abgelegt werden sie, wenn ein erstes (oder zehntes – je nachdem, wie viele Bändchen das Handgelenk schmücken) Frühlingszeichen wahrgenommen wird. In meiner Definition können das Knospen, Vogelgezwitscher oder auch besonders warme Sonnenstrahlen sein. Andere sind da strenger und legen ihre Bändchen erst ab, wenn sie einen Storch gesehen haben oder einen vollständig blühenden Baum entdecken. Die „Marteniza“ werden nun an dieser Stelle hinterlassen. Dabei darf sich etwas gewünscht werden. Neben dieser Sternschnuppenfunktion gefällt mir an diesem Brauch besonders, wie er meine Wahrnehmung für den Frühling verändert hat. Selten lief ich in den ersten Märztagen so aufmerksam durch die Gegend wie hier. Überall entdeckte ich etwas Blühendes, überall konnte ich die kleinen Bändchen in den Zweigen finden.

Ähnlich wie Baba Marta hatte auch ich mit gewissen Zwischenmenschlichkeiten zu kämpfen. Besonders die Arbeit forderte meine pädagogischen Fähigkeiten heraus. Etwa 300 Kinder, Jugendliche und Studierende wollten in den vergangenen Wochen von meinen Kollegen und mir durch die Bibliothek geführt oder dort bespaßt werden. Glücklicherweise haben wir dafür meistens vorgefertigte Materialien. So drücken wir den Älteren eigentlich nur ein I-Pad in die Hand und schicken sie auf Schatzsuche. Anhand von kleinen Aufgaben können sie selbstständig den Bestand erkunden. Neben der Beantwortung von Fragen geht es auch darum, bestimmte Medien zu finden. An sich ist diese Schatzsuche eine super Sache: Sie macht Spaß, ist digital (und entspricht damit den Anforderungen an eine moderne Bibliothek) und ist für uns Betreuer eine Frage von zehn Minuten Vorbereitung. Trotzdem gibt es auch Schwierigkeiten, zum Beispiel, wenn ein paar der Teilnehmer einen besonders witzigen Moment haben und die Medien so verstecken, dass sie von den nachfolgenden Gruppen nicht mehr gefunden werden können. Dass auch wir Bibliotheksmitarbeiter hinterher Probleme und wenig Freude daran haben, die berüchtigte Nadel im Heuhaufen wieder ausfindig zu machen, interessiert sie dabei eher weniger.

Für unsere jüngeren Besucher gibt es Brettspiele, Basteltische oder, wenn sie noch sehr jung sind, eine Vorlese-Ecke. In der hatte ich dann auch mal wieder die Gelegenheit aus dem Grüffelo vorzulesen.  Da ich diesen dank meiner kleinsten Schwester quasi auswendig konnte, zählte das dann auch zu meinen leichtesten Übungen. Komplizierter wird es, wenn Kinder zu Veranstaltungen auftauchen, die gar nicht für sie gedacht sind. So zum Beispiel zum Spieleabend, der sich eigentlich an Erwachsene richtet. Glücklicherweise gibt es in der Bibliothek eine Playstation. Sicherlich gehörte dieser Moment nicht zu den pädagogisch wertvollsten in meinem Leben, aber immerhin hatten wir das Gerät vorher auf Deutsch eingestellt.

Viel ruhiger als in der Bibliothek in Sofia ging es hingegen im Deutschen Lesesaal in Plovdiv zu, den Nico und ich Mitte März besuchen durften. Gemeinsam mit der Bibliothekarin vor Ort sortierten wir den Bestand und holten dabei veraltete oder kaputte Bücher aus den Regalen und ersetzten sie durch neuere Exemplare. Im Gegensatz zu Sofia wird hier noch nicht mit einem digitalen Erfassungssystem gearbeitet, sondern es werden handschriftlich Bestandslisten geführt. Auch wenn dies etwas mühsam und in heutigen Zeiten doch sehr veraltet erscheint – für mich war es eine schöne Erfahrung, mal ein paar Tage nicht vor dem Bildschirm kleben zu müssen. Und das Baba Marta sich an diesen Tagen besonders gut mit ihren Brüdern verstanden zu haben scheint, spielte sicherlich auch eine Rolle für meine gute Laune. 🙂

Frühlingshaft wurde in den März gestartet: Frauentag ist in Bulgarien eine große Sache!

Meine private Marteniza-Sammlung.

Dieser Anblick ist im März in Bulgarien keine Seltenheit: Nahezu jeder Baum wird von sogenannten „Marteniza“ geziert.

Die Newsky-Kathedrale im Frühling. Ein bisschen schade finde ich es ja schon, dass ich sie wahrscheinlich nicht mehr im Schnee sehen werde.

Hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen… Plovdiv ist immer wieder schön!

In Plovdiv habe ich zweihundert Bücher per Hand aus Listen ausgetragen! 😀

Ein bulgarischer Künstler der sehr oft in die Bibliothek kommt, hat diese Büste meinem Kollegen Nico geschenkt. Sie soll eine Symbiose aus unserer Kollegin Maria und mir („Lilli“) darstellen. Ich bin noch nicht ganz überzeugt und glaube, dass es eigentlich „Baba Marta“ oder Beethoven ist!

 

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