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Von Bastel- und Spielnachmittagen…

„Du verlierst deine Ordnung
Du verlierst dein System
Du verlierst deinen Reichtum
Und du kannst nichts mehr sehn
Du stehst im Gedränge
Mitten im Geschehn
Du fängst an zu tanzen
Und kannst es nicht verstehen Willkommen im Chaos“
(Madsen – Willkommen im Chaos)

Man nehme etwa zwanzig Kinder im Alter zwischen 5 und 10 Jahren, lege ein paar Permanentmarker hinzu, lasse die technischen Geräte unbeaufsichtigt und stelle jede Menge Glitzer auf den Tisch. Das Ganze einmal umrühren, kurz ziehen lassen und für etwa zwei Minuten die Augen schließen – fertig ist das perfekte Chaos in der Bibliothek.

Schon vor Wochen hatte meine Chefin durchblicken lassen, dass Kindernachmittage in der Bibliothek immer eine ganz besondere Herausforderung wären. „Je nachdem, wie viele Kinder da sind, hast du am Ende des Tages entweder den Namen deiner Großmutter, oder, wenn wirklich viel los ist, deinen eigenen Namen vergessen“ meinte sie. Damals lachte ich nur und konnte nicht im Ansatz erahnen, als wie zutreffend sich diese Aussage herausstellen würde. Letzten Donnerstag hatte die Caritas ein Herbstbasteln für geflüchtete Kinder in der Bibliothek angesetzt. Dazu kamen noch Kinder aus den Sprachkursen des Goethe-Instituts sowie die Sprösslinge meiner Chefin. Da eine Erzieherin und eine Lehrerin sowie weitere mitgebrachte Erwachsene vor Ort waren, wurde meine Hilfe zunächst nicht gebraucht. Ich zog mich ins Büro zurück, schloß die Tür  und arbeitete vor mich hin. Etwa eine Stunde später betrat ich nichtsahnend die Bibliothek – und erkannte diese kaum wieder. Bücher und CD´s steckten falsch herum in den Regalen oder fehlten ganz, Kastanienmännchen und buntes Laub verteilten sich über alle Tische, Glitzer schwirrte durch die Luft und trat sich allmählich im Teppich fest.

Sehr herbstliche Resultate eines Bastelnachmittages.

Cooler Typ auf dem Tisch.

Das große Aufräumen konnten beginnen! Bewaffnet mit Tüchern, Putzmitteln und Müllbeuteln machte sich das komplette Team an die Arbeit. Tatsächlich halfen auch einige der Kinder brav mit und so schien zumindest das Gröbste schnell beseitigt. Als ich meinen Blick durch den Raum schweifen ließ, um weitere Spuren der Verwüstung ausfindig zu machen, blieb ich an dem dem interaktiven Whiteboard hängen, das, wie der Name schon sagt, eigentlich eine weiße Oberfläche haben sollte. Nun war sie jedoch mit grünen Malereien und schwarzen Strichen verziert. Mit großen Augen starrte ich das wundersame Kunstwerk an. „Wow – so viel Geld, zerstört in so kurzer Zeit“, dachte ich, bevor ich los eilte,  um das Internet nach einer Lösung für das Problem zu befragen. Da sämtliche Tipps und Tricks nichts brachten, beschlossen wir seufzend, das Ding erst einmal so zu belassen und zu hoffen, dass unser Techniker uns die Köpfe nur halb abreißen würde.

Doch Wunder geschehen! Als ich nach Feierabend die Bibliothek verlassen wollte, stand das Whiteboard vor mir und zwar (fast) so weiß wie es einmal gewesen war. Die zehnjährige Tochter meiner Chefin hatte mehr Ahnung gehabt als Google und Youtube zusammen und, wie auch immer, einen Weg gefunden die Malereien zum verschwinden zu bringen. Puh, Glück gehabt.

Dieses erste Chaos vom Donnerstag war dann nur die Vorstufe von dem, was uns am Samstag erwartete. Im Rahmen der Sofia Game Night hatten Veranstaltungen nicht nur in der Stadt verteilt, sondern auch im Goethe-Institut selber stattgefunden. Während sich die Erwachsenen in der zweiten Etage eine Ausstellung von bulgarischen Spieleentwicklern anschauten, sprangen im unteren Stockwerk eindeutig zu viele Kinder umher. Ich hatte mich bereit erklärt den Workshop zum Programmieren für Kinder zu unterstützen. Da bereits im Vorfeld ein paar organisatorische Dinge durcheinander geraten waren und Eltern sich anscheinend auch gerne spontan entscheiden ihre Nachkommen irgendwo abzuliefern, gab es plötzlich zu viele Kinder für zu wenige Laptops. Trotzdem konnte irgendwann mit dem Workshop begonnen werden. Zunächst gelang es jedoch kaum eine Form von Ruhe und Konzentration in den Raum zu bringen. Ich, ganz die Informatikerin die ich natürlich nicht bin, ging von Tisch zu Tisch und versuchte zu erläutern, was da auf den Bildschirmen eigentlich geschehen sollte. Meistens fuchtelte ich dazu nur mit den Händen, drückte ein paar Tasten und warf abwechselnd deutsche, englische und bulgarische Worte durcheinander. Zwischendurch flüchtete ich und versuchte in der Bibliothek einen klaren Kopf zu bekommen. Tatsächlich klappte es irgendwann und so konnte ich in der zweiten Runde des Workshops eigentlich die meiste  Zeit entspannt am PC sitzen und mich selber im programmieren eines Online-Spiels versuchen.

Parallel hatte ein weiterer Workshop stattgefunden. Kleinere Kinder sollten auf Tablets irgendein Spiel ausprobieren, zumindest laut Programmheft. Was dann der tatsächliche Inhalt war kann ich leider nicht sagen, ich weiß nur, dass dieses Mal zum Glück kein Glitzer im Spiel war. Und, dass das Freibier, dass ich als Mitarbeiterin nach Feierabend trinken konnte einer Belohnung gleichkam.

Nach den Kinderworkshops wurde ich noch als „Fotografin“ eingesetzt.

Zur Entspannung ging ich am nächsten Tag, am Sonntag, mit Finn auf den Gipfel des Vitosha-Gebirges. Obwohl, das „Gehen“ eigentlich die wenigste Zeit in Anspruch genommen hat. Erstmal fuhren wir über eine Stunde lang von Sofia aus mit dem Bus zum Berg. Da ich kein Geld für ungewollten Nervenkitzel ausgeben wollte, beschlossen wir auf den Lift zu verzichten und stattdessen direkt nach oben zu fahren. An der Berghütte gab es erst einmal einen schlechten teuren Kaffee bevor wir dann den rund zweistündigen Aufstieg zum Gipfel begannen. Oben angelangt genoßen wir leckere günstige Bohnensuppe und dann ging es auch schon wieder hinunter, um den letzten Bus zurück nach Sofia nicht zu verpassen.

Mit Finn mal wieder im Vitosha-Gebirge.

Mit Blick in Richtung Sofia.

Die öffentlichen Verkehrsmittel haben manchmal sogar Charme!

Belohnungs-Bohnen.

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