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Der erste Besuch aus Deutschland

„Was auch passieren wird, egal, wie’s mir geht
Mein Haus ist geöffnet, egal, wo und wie spät!
Ich werd immer versuchen, mein Bestes zu geben,
für unsere Freundschaft,
Für unser Leben!“
(Enno Bunger – Wahre Freundschaft)

Von Donnerstag bis Sonntag hatte ich meinen ersten Besuch aus Deutschland zu Gast. Meine beste Freundin hatte sich auf den Weg gemacht, um mit Bus und Bahn den Osten Europas zu erkunden – dass sich ein Abstecher nach Sofia dabei nicht vermeiden ließ, versteht sich natürlich von selbst.

Leider begann Jules‘ Aufenthalt mit einer gewissen Müdigkeit meinerseits. Da sich der Botschafter „die Ehre gegeben“ hatte, uns kulturweit-Freiwillige zu einem Empfang ins Hilton-Hotel einzuladen, hing ich am Donnerstagmorgen noch ein bisschen in den Seilen. Praktischerweise fand an diesem Vormittag ein Workshop zwischen den Kulturmittlern in Sofia statt – dh. statt einfach nur hinter dem Computer zu vegetieren, hieß es Konversation betreiben. Während sich die anderen Freiwilligen (mehr oder weniger) munter mit den Vertretern von Botschaft, Stiftungen und Schulen über bevorstehende Projekte austauschten, übte ich mich im unauffälligen Kaugummi kauen.

Die 4 Damen vom Goethe-Institut.

Die bulgarischen kulturweit-Freiwilligen.

Zum Glück hatte auch dieser Vormittag irgendwann ein Ende und pünktlich zum  Mittagessen tauchte plötzlich ein riesiger Rucksack vor dem Fenster auf: Während die anderen sich auf das Buffet stürzten, stürzte ich mich auf meine beste Freundin. Da ich am Nachmittag leider noch arbeiten musste, konnte sie die Zeit nutzen um sich mal richtig auszuschlafen und um Sofia auf eigene Faust kennenzulernen. Besonders gut gefallen hat es ihr in der Straßenbahnlinie 20 – so gut, dass sie diese gleich in beide Richtungen gefahren ist, weil sie gar nicht genug davon kriegen konnte. Nachdem wir es endlich geschafft hatten uns irgendwie zu treffen, gingen wir Shopska-Salat essen und einen meiner Lieblingsorte besuchen: den großen Platz vor dem NDK-Palast.

Jules posiert auf dem Platz vor dem NDK-Palast (Nationaler Kulturpalast Sofia).

Am nächsten Tag ging ich wieder zur Arbeit, um dort eine Lesung mit einer finnischen Kinderbuchautorin vorzubereiten: Riina Katajavuori schreibt Bücher über Themen wie Umweltverschmutzung, Klimawandel oder Migration – passt diese aber einem kindergerechten Niveau an und lässt ihre Geschichten  mit tollen Grafiken illustrieren. Von der Veranstaltung selbst hatte ich dann leider gar nicht so viel: Die Autorin sprach auf Finnisch und wurde von einer Bulgarin übersetzt. Die englische Übersetzerin, die sich mein Chef an die Seite geholt hatte, sprach leider nicht laut genug, als dass ich sie hätte verstehen können.

Am Abend gingen Jules und ich mit ein paar anderen Freiwilligen und meiner Mitbewohnerin essen. Danach probierten wir ein paar der Bars aus, die sich in meinem Viertel befinden. Ich verzichtete jedoch auf das deutsche Craft-Beer und hielt mich an alkoholfreie Cocktails – denn am nächsten Tag wollten wir wandern gehen. Sofia liegt direkt am Nationalpark Vitosha-Gebirge, dh. schon von der Stadt aus gibt es einen, qualitativ vom Wetter abhängenden, Blick auf die Berge. Mit dem Linienbus dauert es nicht lange bis zum Vorort Boyana, von wo aus der Anstieg zu einem Wasserfall und dem Fernsehturm beginnt.

Am Samstagmorgen machten wir uns nach dem Frühstück also auf den Weg. Mit dem Linienbus fuhren wir nach Boyana. Die kleine Kirche, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört und die wir uns dort eigentlich angucken wollten, war leider so ausgebucht, dass wir ohne Resevierung nicht hinein konnten. Den Eintritt, den wir uns damit gespart hatten, investierten wir in Cappuccino auf der Terrasse eines Fünf-Sterne-Hotels. Danach machten wir uns auf den Weg in Richtung Wald. Durch diesen führte uns der Anstieg zunächst zum Wasserfall. Da diese geplante Strecke einer überschaubaren Kilometerzahl entsprach und wir generell eher so die Philosophie der gemütlichen Entspannung vertreten, machten wir nach den ersten paar Metern Weg erst einmal Pause. Auf einer Art Klippe (oder wie diese Ansammlung von größeren Steinen halt genannt werden kann) genossen wir die Aussicht über Sofia. Am Wasserfall angekommen stellten wir fest, dass dessen Anblick von unten zwar schön, aber spannungsmäßig eher überschaubar war. Also kletterten wir weiter in den Wald hinauf, um letztendlich über dem Wasserfall die Beine baumeln lassen zu können. Besonderes Highlight waren die drei Herren, die dort oben ihre Leibesübungen ausführten und der Meinung waren, zwei junge Frauen wie wir könnten niemals alleine von Stein zu Stein gelangen. In ihrer Motivation uns hinüber zu helfen, hätten sie mich beinahe ins Wasser geschubst. Nachdem wir Testosteronien wieder verlassen hatten, stiegen wir weiter hinauf um zum Fernsehturm „Kopitoto“ zu gelangen. Auf dem Weg dahin kamen wir an einer schönen Wiese vorbei und nutzten diese natürlich um gleich wieder eine Pause einzulegen. Von Kopitoto aus machten wir uns dann auf den Rückweg nach Boyana – Wie müde und gebrechlich wir uns dabei vorkamen ist in Anbetracht unserer sportlichen „Überbetätigung“ an diesem Tag eigentlich eine Frechheit.

Selfie-Time kurz vor der Wanderung.

Blick über Sofia. Die Stadt wirkt plötzlich so hell!

Jules – während sie so tut, als würde sie die Aussicht bewundern.

Erstmal eine kleine Foto-Session einlegen ;).

Blick auf das herbstliche Vitosha-Gebirge und den Fernsehturm „Kopitoto“.

Der Boyana-Wasserfall im Vitosha-Gebirge. Das Vitosha-Gebirge ist der erste Nationalpark Bulgariens. Seine Ausläufer reichen bis in die Vororte.

Ich, während ich so tue, als würde ich die Aussicht bewundern.

Jules und ich haben es geschafft, jemanden zu fragen, ob er uns mal fotografieren kann.

Gestern hatten wir dann tatsächlich gar nicht so viel Muskelkater wie erwartet und so musste Jules es sich gefallen lassen, von mir einmal quer durch die Stadt gehetzt zu werden. Eis essen am Brunnen vor dem Theater, kurzer Shopping-Bummel auf der Vitosha-Street, längerer Fußmarsch zum „Frauenmarkt“ (ein Markt, der seinen Namen hat, weil er früher der einzige Ort in der Stadt war, wo Frauen arbeiten und sich treffen durften), Abstecher in ein vegetarisches Restaurant und dann natürlich noch die Suche nach passenden Souvenirs für die lieben Menschen in Deutschland – am Ende waren wir dann doch ganz schön platt und so verbrachten wir die restlichen Stunden damit in meinem Bett zu liegen und Musik zu hören, bevor Jules sich gegen 22 Uhr auf dem Weg zum Busbahnhof machen musste.

In Sofia kommen plötzlich Erinnerungen an „Harry Potter“ auf.

Selfie-Time am Sonntagnachmittag.

Die letzten vier Tage waren sehr schön für mich. Obwohl Jules und ich uns seit sechs Wochen nicht gesehen haben, war alles wie immer „wie immer“. Wir kennen uns seit dem ersten Bachelor-Semester in Leipzig. Durch ihre längeren Auslandsaufenhalte und meinen Umzug nach Berlin haben wir in den letzten sechs Jahren schon öfter Situationen gehabt, in denen wir uns wochen- oder auch monatelang nicht gesehen haben. Trotzdem ist es bei jedem Wiedersehen so, als hätte das letzte Treffen nur ein paar Tage vorher stattgefunden. So fühlte es sich auch jetzt wieder an:Der wilde Mix aus tiefgründigen Gesprächen, albernem Rumgequatsche, gegenseitigen Stänkereien, Kuscheleinheiten, langen Spaziergängen und dem Gefühl, auch einfach mal schweigen zu können, hat mit mich mal wieder in meinem Glauben bestärkt, dass diese Freundschaft definitiv den Lebensabschnitt „Studium“ überstehen wird.

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