Die Shumenshow

Der bulgarische Wurstkalender (Tag 91-97)

добро утро! Guten Morgen!

Bald bin ich schon 100 Tage in Bulgarien. Wie das gefeiert wird, muss ich mir noch überlegen.

Die letzte Woche war glaube ich die bisher kälteste, seit ich hier bin. Zumindest laut der Klimaanlage in meiner Wohnung, die mir morgens von Tag zu Tag immer ein Grad weniger anzeigt. Im Moment sind es stolze 6 Grad. Wintercampen in der eigenen Wohnung. Deshalb wird jetzt mein Heizstrahler zum essentiellsten Teil der Wohnung. In der letzten Woche habe ich außerdem noch ein paar neue Deutschklassen kennengelernt. Jedes Mal ein Blinddate, also sehr aufregend. Außerdem habe ich es tatsächlich geschafft mich beim Online-Unterricht zu verspäten. Schon ein bisschen peinlich. Trotzdem waren es wieder ein paar gute Stunden und ein paar mittelmäßige. Manchmal klappt es eben einfach nicht so, wie man sich das ganze vorstellt. Generell ist es wirklich kompliziert die deutsche Grammatik zu erklären, weil ich selbst keine Ahnung habe. Über Themen zu diskutieren macht da deutlich mehr Spaß.

Mit Soner und Jasmin habe ich wieder einen ausführlichen Winterspaziergang bei Windstärke Sabine gemacht (wer sich an letztes Jahr erinnert). Von den Beiden habe ich auch noch ein Geburtstagsgeschenk bekommen. Wir haben uns in meiner Wohnung mit Tee aufgewärmt und uns den Masterplan überlegt, wie Jasmin am Flughafen in Varna Yoga unterrichten kann.

Generell ist die Woche wieder super schnell vergangen. Mittlerweile komm ich ganz gut klar mit meinem Zeitmanagement. Zwischen zwei Unterrichtsstunden zu Billa hetzen und dann doch total die Zeit zu vergessen passiert mir aber immernoch manchmal. Pfannen und Auflaufformen sind aber auch wirklich faszinierend. Meine zwei neusten Trophäen. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mich darüber so freuen kann. Durch meine neuen Bulgarischkenntnisse ist das Einkaufen noch einfacher geworden. Es war jedoch nie wirklich schwer. Dank der Globalisierung ist meine Sprachbehinderung nie wirklich aufgefallen, außer an der Kasse.

Der Studentski Park ist offiziell zu meinem Lieblingspark geworden. Auch wenn es zur Zeit echt ungemütlich ist draußen zu lesen, bin ich doch ab und zu auf ner Parkbank anzutreffen. Ich freue mich so auf den Frühling wie noch nie zuvor!

Nachdem ich die ganze Woche mehr oder weniger in meiner Wohnung war, habe ich am Freitagabend spontan entschlossen ans Meer zu fahren. So ne Wohnung ist manchmal einfach zu klein zum Denken. Ich hab das Gefühl gehabt mehr Platz zu brauchen. Was gibt es da besseres als die Weite des Meeres?

Also habe ich mich am Samstagmorgen, während die ersten Schneeflocken friedlich gefallen sind, auf den Weg zum Bahnhof gemacht und war schon nach den ersten 100 Metern froh über meine Entscheidung. Gegen die Kälte ist so ne Maske übrigens echt praktisch. Eigentlich habe ich auch nur nach einem Ort gesucht an den ich mit dem Zug fahren kann, weil das Zugfahren irgendwie zu einer Sucht geworden ist. Leider gab es keine Abteile, aber der Zug als ein Ort, an dem man nicht friert (lifehack für den Winter) und superbequem noch dazu ist trotzdem genial. Markante Merkmale auf der Zugstrecke von Schumen nach Varna: der moderne Bahnhof in Mardara mit den 1000 Straßenlaternen, der Berg, der aussieht, als ob er ledrige Elefantenhaut ist, der Bahnhof in Sindel: riesengroß und kein einziges Haus in Sichtweise, 20 Minuten von Varna entfernt die ersten Kräne und Industriehäfen, ein riesiger Schrottplatz auf dem sich zerquetschte Autos türmen. Wirklich alles faszinierend.

Der wunderschöne Bahnhof in Varna

Mein erstes Ziel in Varna? Ein Second-Hand Laden, in dem ich mir endlich Handschuhe kaufen wollte. Allerdings ist das ein hoffnungsloses unterfangen. Es gibt von allem massenhaft Ware, sogar secondhand Wolle habe ich gefunden und gekauft, aber Handschuhe sind anscheinend sehr begehrt hier. Dafür habe ich mal wieder nicht widerstehen können und mir ein neues Kleid gekauft. Immer das Gleiche…wirklich schlimm. Und dann habe ich tatsächlich das erste Mal in Bulgarien eine andere Person aus Deutschland gesehen, oder besser gesagt gehört. Ich bin gerade aus der Umkleide herausgekommen, als ich hinter einer Stange voller Pelzmäntel eine laute Frauenstimme mit Berliner Dialekt vernommen habe, die gerade dabei war während eines Telefonats einen Mantel zu kaufen. Sehr spannend.

Tatsächlich habe ich dieses Mal meine Kamera dabei gehabt und selbst Fotos gemacht. Es lebe die Selbstständigkeit!

In Varna bin ich ein bisschen verzweifelt durch die Gegend gerannt, bis ich eine öffentliche Toilette gefunden habe. Danach bin ich wesentlich entspannter zum Hafen gelaufen und habe mich quer durch die Stadt treiben lassen. Insgesamt bin ich an dem Tag fast 17km gelaufen. Bei Städtetrips unterschätzt man irgendwie immer wie viel Distanz man zurücklegt. Während ich am Hafen entlanggelaufen bin, oder besser gesagt auf der Hafenmauer, dachte ich mir wieder einmal, wie ungern ich im Sommer mit den ganzen Touristen in Varna sein möchte.

Meine geliebten star wars-Giraffen

Die Graffitti-Hafenmauer macht der Berliner Mauer ganz schön Konkurrenz. Ich bin mir sicher im Sommer ist das ein place to be bei vielen Jugendlichen. Mein Ziel am Ende der Mauer, war ein kleiner Leuchtturm. Kunstvoll verziert.

Ich nenne dieses Kunstwerk „Beton-Nixen neben Müll“

Dann ging es den ganzen Weg zurück und entlang dem Strand zum Meergarten. Das Wellenrauschen in den Ohren, wie kann man da nicht glücklich sein?

Zwei Meerkatzen 🙂

Trotz der Kälte waren echt viele Menschen unterwegs. Die zahlreichen geschlossenen Cafés und Restaurants am Strand verderben zwar ein bisschen die Strandidylle, dafür habe ich aber ne sehr coole Rutsche gefunden. Super trostlos, genauso wie ich das mag. Natürlich konnte ich auch nicht der Versuchung der Schatzsuche widerstehen und musste einfach eine Muschel mitnehmen. Aber nur eine!

Während ich die Treppe zum Meergarten hochgestiegen bin habe ich mir schon gesagt, dass ich keine Hoffnungen haben sollte, dass die begehrteste Bank mit dem besten Ausblick frei ist. Ein Blick auf die freie Bank, ich konnte es kaum fassen und schwupps hat das Pärchen vor mir zugeschlagen. Tja, ich habe dafür einen coolen Baum gefunden auf dem ich mein Winterpicknick abgehalten habe.

DIverse Mischung aus Apfel, Käsebrot, Paprika und Müslibällchen

Danach war ich so durchgefroren, dass ich den nächsten Kaffeeautomat aufgesucht habe. Der Park war voll mit Menschen auf ihrem Samstagsspaziergang, Kindern auf Fahrrädern, Rollern und Skateboards und Hunden. Mit meiner neu erworbenen heißen Schoolade habe ich mich wieder an den Strand zurückgezogen und auf einer Stufe vor einem geschlossenen Cafe neben mir Abwasserrohre, dem Meeresrauschen gelauscht, bis ich meine Hände nicht mehr gespürt habe.

Die zwei Schiffe habe ich auch beobachtet und bin in meinen Tagträumen versunken. Sehr beruhigend

Also habe ich mich wieder stadteinwärts begeben und zwei kleinen Jungs zugehört, die Ukulele gespielt und dazu gesungen haben. Herzergreifend. Wie sich herausstellte zwei kleine durchgefrorene New Yorker, die sich mehr Taschengeld verdienen wollen.

Durchgefroren wie ich war konnte ich es kaum erwarten wieder im Zug zu sitzen.

Sogar Abteile!

Aber zu früh gefreut. Leider hatte ich das Abteil nicht für mich allein. Müde und geschafft wie ich war, hatte ich keine Energie mehr mich mit den zwei Frauen in meinem Abteil zu unterhalten, die fälschlicherweise verstanden hatten, dass ich Theaterunterricht gebe, anstatt Deutschunterricht.

Zufrieden damit, dass ich den ganzen Tag draußen verbracht habe und mit dem Bauch voller Grünkern mit Tomatenknoblauchsoße, bin ich eingeschlafen.

Ansonsten wollte ich noch von meiner Erfahrung mit der bulgarischen Fleisch/Wurst-Balkonaufhängung berichten. Das Phänomen trat erstmals anfang Dezember auf, weshalb ich zuerst dachte, es handle sich um die bulgarische Version des Adventskalenders. Mitte Dezember wurde ich dann aufgeklärt, dass diese Annahme meinerseits falsch ist und auf dem Balkon eben der Platz ist um das Fleisch, die Wurst (zu trocknen?) aufzuheben. Jetzt ist es Ende Januar und mein Ausblick ist noch immer der auf einen Balkon voller Würste. Es gibt nichts Schöneres für eine Vegetarierin.

Ab und zu gesellt sich noch die Wäsche dazu. Skurril, aber irgendwie auch ganz lustig und interessant. Jetzt wird es langsam wieder Zeit für mich meinen Unterricht vorzubereiten. Heutiges Thema: wie sind die Deutschen? Ich bin mal gespannt wie sie so sind.

приятен ден! (Prijaten den!) Einen schönen Tag noch!

 

 

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