Die Riesin und die Blinde

Hallöchen ihr Lieben!

Wie die meisten von euch ja wissen, gibt es hinsichtlich meines Freiwilligendienstes eine Besonderheit. Nämlich, dass ich gemeinsam mit einer anderen Freiwilligen, namens Tabea, an unserer Einsatzstelle arbeite. Das wirklich Besondere ergibt sich vor dem Hintergrund, dass Tabea blind ist. Weil einige von euch angemerkt hatten, dass sie in meinen Berichten kaum bis gar nicht erwähnt wird und sie gern von unserem gemeinsamen Leben hören bzw. lesen würden, kommt hier ein Blogeintrag, in dem ich anhand von Zitaten von bestimmten Erlebnissen und Gegebenheiten erzähle, die dies vielleicht ganz gut beschreiben.

   „Vielleicht mit 12 oder 13?“

Zunächst ein paar Infos zu Tabeas Blindheit:

Auf die Frage, wie alt Tabea war, als sie wirklich nichts mehr sehen konnte, antwortet sie meistens so. Für mich unvorstellbar, dass man gar nicht wirklich merkt, dass man gar nichts mehr sieht. Aber bei Tabea war es so, dass sie aufgrund unterschiedlicher Augenerkrankungen Schritt für Schritt ihr Augenlicht verlor und aufgrund dessen an keinem bestimmten Zeitpunkt bewusst merkte: Ich seh jetzt wirklich gar nichts mehr. Daher weiß sie auch nicht mehr genau, wie alt sie war, als sie vollkommen blind war.

   „Wenn ich mir die Ohren zuhalte, bin ich blind.“

Und da wären wir auch schon bei ihrer Erklärung für diese Sache. Es ist nämlich nicht so, dass sie während ihres Alltags keine Bilder im Kopf hätte. Nur lassen nicht ihre Augen, sondern viel mehr ihre Ohren diese meist farbigen Bilder entstehen. Und weil das so ist, bemerkte sie erst, als sie sich selbst ganz bewusst fragte, ob sie noch etwas sieht, dass dem nicht so ist. Und wie lange das an dem Zeitpunkt schon so war? Keine Ahnung. Die Ohren haben langsam aber sicher die Aufgabe der Augen übernommen und sie damit nie wirklich erblinden lassen. Hinzu kommt, dass auch der Tastsinn diese Aufgabe übernimmt. Möchte sie wissen, wie eine Skulptur aussieht, tastet sie diese einfach ab. Geht sie über einen Bürgersteig, ertastet sie mit ihrem Stock und ihren Füßen dessen Beschaffenheit.

   „Da ist weder schwarz, noch weiß.. das ist einfach so, wie wenn ich dich fragen würde: Was siehst du mit deinem kleinen Finger?“

Eine weitere Frage, die Tabea häufig gestellt wird, ist die Frage, was sie eigentlich sieht. Ist einfach alles schwarz?, ist die meist aufkommende Vermutung. Ihre Antwort auf diese Frage könnt ihr oben lesen. Und die Antwort find ich ziemlich gut, da man sich damit einigermaßen vorstellen kann, was man bei Blindheit sieht. Nämlich gar nichts. Da gibt es einfach nichts zu sehen. Genauso wenig, wie man mit dem kleinen Finger sehen kann.

   „Blau oder rot?“

Und nun etwas aus unserem Alltag:

Da Tabea ja, wie bereits erzählt, einmal sehen konnte, weiß sie wie Farben aussehen. Und weil sie so ein ultra gutes Gedächtnis hat (!!), kennt sie die Farben all ihrer Klamotten auswendig. Wenn sie allerdings zwei ziemlich ähnlich geschnittene und sich ähnlich anfühlende Kleidungsstücke besitzt, fragt sie mich welche Farbe beispielsweise das T-Shirt hat, welches sie gerade in den Händen hält. Gelegentlich streckt sie mir dann ein Kleidungsstück entgegen und fragt zum Beispiel: „Blau oder rot?“.

Allgemein kann ich ihr bei der Entscheidung nach dem was sie anziehen soll beratend zur Seite stehen. In der Hinsicht erfülle ich dann die Funktion eines Spiegels, der uns Sehenden beispielsweise verrät, wie eine bestimmte Klamottenkombination aussieht.

   „Passanten sind meine Engel.“

Wenn Tabea allein unterwegs ist, bekommt sie sehr viel Hilfe von Passanten. Aufgrund dessen nennt sie diese „ihre Engel“. In vielen Situationen, wie zum Beispiel an der Bushaltestelle oder auf dem Weg irgendwo hin, wird sie angesprochen und gefragt, ob sie Hilfe bräuchte. Oder auch direkt an die Hand genommen und zu ihrem Ziel begleitet. Oder ihr wird direkt ein Taxi gerufen und bezahlt. Ja, auch das kam bereits vor! An dieser Stelle schießt die, im Vergleich zu Deutschland, besonders stark ausgeprägte Hilfsbereitschaft dann doch etwas über das Ziel hinaus. Aber nein, die Menschen hier sind wirklich super nett, fürsorglich und hilfsbereit. Und noch ein Gutes haben diese Situationen: Häufig entstehen durch sie neue Bekanntschaften sowie interessante oder auch unterhaltsame Gespräche.

   „Mh riech` mal“ oder „Ohh wie nervig, dieses Geräusch!“

Wenn wir beiden gemeinsam unterwegs sind, werde ich von ihr des Öfteren auf diverse Gerüche und auch Geräusche aufmerksam gemacht, die mir sonst gar nicht aufgefallen wären. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass während ich auf die visuellen Reize konzentriert bin, sie sich auf die auditiven und olfaktorischen Reize (ja, man lernt durch sie auch neue Wörter) fokussiert. Manchmal bereichernd, wenn ich beispielsweise einen angenehmen Geruch gar nicht wahrgenommen habe.  Manchmal eher gegenteiliges, wenn ich zum Beispiel einen störendes Geräusch gekonnt ausgeblendet habe. Im Großen und Ganzen allerdings interessant, weil ich dadurch merke, was mir so manches Mal entgehen würde und weil mir dadurch auffällt, was ihre Wahrnehmungen sind.

   „Offentsichtlich oder offenhörbar?!“

Während unserer Gespräche ist uns schon mehrmals aufgefallen, wie sehr die Sprache auf das Sehen konzentriert ist. Ein Wort, über das wir uns zum Beispiel mal unterhalten haben, ist das Wort „offensichtlich“. Warum gibt es das Wort „offenhörbar“ eigentlich nicht?

Bevor ich Tabea kennenlernte, hatte ich die Sorge immer wieder in Fettnäpfchen zu treten, indem ich sowas wie „Schau mal“ oder „Hast du … gelesen?“ sage. Im Nachhinein habe ich gelernt, dass diese Sorge unbegründet war, weil Tabea selber Ausdrücke wie „sehen“ oder „lesen“ verwendet. Für sie bedeutet sehen und lesen halt nur etwas anderes. Nämlich ertasten oder per Sprachausgabe anhören.

   „Souvenirs und Audioaufnahmen sind meine Fotos.“

Was ich hier in Chile ziemlich schnell gemerkt habe, ist, dass Tabea kleinere Dinge, wie zum Beispiel Souvenirs, und Audioaufnahmen sehr wichtig sind. Wenn man bedenkt, dass der Tastsinn und der Hörsinn ihre hauptsächlich genutzten Sinne sind, wird schnell klar, warum das so ist: So wie ich Fotos mache, um Momente und Erlebnisse für mich festzuhalten, macht sie Audioaufnahmen oder kauft sich Souvenirs.

Eine Sache, die mich in Bezug auf ihre Wahrnehmung einmal beschäftigt hat, war meine Erkenntnis, dass ich mit meinen Beschreibungen oder auch Nicht-Beschreibungen mitentscheide, was sie wahrnimmt und was nicht. Sehe ich beispielsweise ein besonderes Gebäude oder einen Park voller Palmen, liegt es an mir, ob sie dies mitbekommt oder nicht. Das ist schon irgendwie komisch. Aber gut, dass ich kein Problem damit habe, die Umwelt um uns herum zu beschreiben.

So, ich hoffe ihr habt jetzt einen kleinen Einblick in unser gemeinsames Leben erhalten und könnt euch manches etwas besser vorstellen. Insgesamt kommen wir beiden hier auf jeden Fall super klar und finden uns sehr gut zurecht.

Und noch kurz etwas zu der Überschrift dieses Eintrags: Tabea und ich sind durchaus ein auffälliges Paar hier in Santiago. Ich falle aufgrund meiner Körpergröße auf (die Chilenen gehen mir meist wenn überhaupt bis zur Schulter) und Tabea spätestens, wenn sie ihren Stock vor sich hin und her bewegt. Über die vielen Blicke, die wir bekommen, muss ich schon so manches Mal schmunzeln.

Viele liebe Grüße aus Santiago,

Tabea und Anna-Lena

Kann mal jemand die Zeit anhalten?!

Gerade sitze ich ,wie so oft auf, unserem schönen Balkon in der Sonne, genieße das tolle Wetter und das leckere Obst, das vor mir steht. So könnte es immer sein, denke ich mir. Gleichzeitig muss ich jedoch feststellen, dass die Hälfte meiner Zeit in Chile bereits fast rum ist. Genau wie ich es mir eigentlich während meines Abschieds zuhause gewünscht hatte, rennt die Zeit. Jetzt allerdings würde ich das Vergehen der Zeit gerne anhalten oder zumindest bremsen. Trotz der leichten Melancholie, die sich mit diesen Gedanken breit macht, kann ich der Tatsache, dass mir die Zeit hier so schnell vorkommt, auch etwas Gutes abgewinnen. Offensichtlich fühle ich mich hier pudelwohl, kann wirklich schon von einem neuen Zuhause sprechen und von guten Freunden, wenn ich an die Menschen denke, von denen ich umgeben bin. Das sommerliche Wetter tut zu meinem Glück sein Übriges. Seit zwei Wochen 25 bis 30 Grad bei anhaltendem Sonnenschein. Und ich kann davon ausgehen, dass das Wetter für den Rest meines Freiwilligendienstes so bleibt. Ziemlich geil, wie ich finde..

Mit dem Zwischenseminar, welches seit gestern hinter mir liegt, kam diese Erkenntnis, dass die Halbzeit meines Auslandsaufenthalts fast erreicht ist. Neben dem Schmieden neuer Pläne für die kommende Zeit, wurde die vergangene thematisiert und reflektiert. Insgesamt gefiel mir dieses Seminar total gut und hätte, ebenso wie mein gesamter Freiwilligendienst, ruhig langsamer vergehen können. Diese Woche am Meer (das Seminar hat am Meer stattgefunden) war wie Urlaub für mich, in dem ich, im wahrsten Sinne des Wortes (Stichwort Smog in Santiago), ein bisschen Luft holen und neue Motivation für meine Arbeit an der Schule finden konnte.

  

   

Darüber hinaus finde ich, dass wir Freiwilligen während der letzten Woche noch ein wenig mehr zusammen gewachsen sind, was wohl nicht zuletzt auch an unseren nächtlichen und doch recht ausgefallenen Tanzvergnügen liegen könnte. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle mehr oder weniger beständigen Bandmitglieder und das nachsichtige Publikum!!  

Doch nicht nur das Spaßprogramm, sondern auch die Inhalte des Seminars haben mir sehr gut gefallen. Unter anderem ging es beispielsweise um das von Deutschen errichtete Folterlager „Colonia Dignidad“, was übersetzt „Kolonie der Würde“ heißt. Bei dieser Kolonie handelt es sich um eine Foltersekte, in der von 1961 bis 2005 bis zu 300 Deutsche unter den grausamsten Bedingungen gelebt haben. Reihenweise Erwachsene, aber auch Kinder wurden mit Elektroschocks gequält, mit Psychopharmaka zwangsmedikamentiert, vergewaltigt und umgebracht. Während der Pinochetdiktatur (1973-1990) installierte der Geheimdienst Dina auf dem 300 Quadratkilometer großen Gelände der Sekte eines seiner Folterzentren. Vermutlich wurden hier über hundert Regimegegner ermordet und außerdem Waffenhandel, Geldwäsche und Giftgasproduktion betrieben. Was mich dabei noch am meisten schockiert, ist, dass die Sektenführung Kontakt zu deutschen Regierungskreisen hatte und von der deutschen Botschaft unterstützt wurde. Obwohl Hinweise auf die Zustände in der Kolonie eingegangen waren, wurde weggeschaut. Stattdessen wurden aus der Kolonie Geflohene sogar wieder zurück geschickt. Das Wissen über diesen Teil der  deutsch-chilenische Geschichte ist meiner Meinung nach super wichtig, wenn man als Deutsche in Chile lebt. Und vielleicht nicht nur dann..

Während eines Ausflugs nach Santiago besuchten wir das ehemalige Zentrum von Pinochets Geheimdienst Dina, welches heute den Namen „Londres 38 – espacio de memoria“ trägt. Dort wurden von 1973 bis 1975 politische Gegner festgehalten, gefoltert und verschwanden oftmals nach ihrer Festnahme. Dabei handelte es sich meist um junge Menschen. Mit diesem Besuch wurde mir klar, wovon die Rede ist, wenn hier von den „offenen Wunden der Gesellschaft“ gesprochen wird. Während der Führung durch das Haus wurde erklärt, dass aufgrund des damaligen brutalen Vorgehens gegen politische Gegner heute teilweise große Hemmungen bestehen, sich politisch zu verbünden. Erschreckend finde ich, dass bis heute noch nicht alles aufgeklärt und rekonstruiert werden konnte, weil zum einen kein Geld gegeben wird und weil zum anderen viele Spuren im letzten Moment verwischt wurden und die noch lebende Militärs dazu schweigen. Insgesamt wurde mir schon mehrmals berichtet, dass die chilenische Geschichte noch ziemlich unaufgearbeitet ist und die Gesellschaft noch immer in unterschiedlicher Hinsicht unter den Folgen der Diktatur Pinochets leidet.

 

Der durchaus angenehmere Teil unseres Ausflugs erwartete uns nach dem Besuch des Londres 38. Nämlich waren wir von der NGO „Chigol“ eingeladen, welche in dem außerhalb von Santiago liegenden Stadtteil Cerro Navia mit Kindern und Jugendlichen arbeitet. Bei diesem Stadtteil handelt es sich um einen der ärmsten Stadtteile Santiagos, in dem viele Jugendliche bereits mit vierzehn Jahren die Schule verlassen und dadurch oftmals früh mit Kriminalität und Drogen in Kontakt kommen. Um dies zu verhindern bietet Chigol unterschiedlichste Freizeitaktivitäten, wie zum Beispiel Straßenfußball, an. Nachdem wir herzlich empfangen und mit viel Liebe bekocht wurden, durften wir an einem Straßenfußball-Match teilnehmen und damit die Jugendlichen kennenlernen. Das war super und schenkte mir eine tolle Gelegenheit, einmal aus meiner  Komfortzone herauszutreten.

 

 

So, an alle, die es bis ans Ende dieses langen Blogeintrags geschafft haben: Vielen Dank fürs Lesen und ganz liebe Grüße aus der Sonne!

Anna-Lena

Riesig, vielfältig, faszinierend – Santiago

Hola ihr Lieben!

Letztes Wochenende stand ich auf dem Cerro San Cristobal, einem knapp 900m hohen Berg mitten in Santiago, genoss die Aussicht und fragte mich, wie ich diese faszinierende Stadt, mein neues Zuhause, wohl am besten beschreiben könnte. Die vor mir bis zum Horizont reichenden Häuser und Straßen ließen mich feststellen, dass diese Stadt wohl noch viel riesiger ist als ich es mir vorgestellt hatte. Egal von welcher Seite des Berges ich hinunterschaute, überall verschwammen erst im Horizont die letzten Häuser der Stadt. Als ich mir jedoch klar machte, dass gut 40 Prozent der gesamten chilenischen Bevölkerung und damit etwa 7 Millionen Menschen hier leben, wurde mir bewusst, warum diese Stadt so unendlich riesig sein musste. Und ich dachte immer, dass Köln riesig ist. Haha..

 

Aber Santiago ist natürlich nicht nur riesig, sondern auch noch vieles mehr. Zum Beispiel ist die Stadt in die unterschiedlichsten Stadtviertel unterteilt. Das Stadtviertel, in dem ich wohne und arbeite, heißt beispielsweise Vitacura und ist eher ordentlich, ruhig und mit europäischen Stadtvierteln zu vergleichen. Hier leben überwiegend wohlhabende Leute und auch ziemlich viele Menschen mit deutschen Vorfahren. Letztens stand ich zum Beispiel im Badezimmer, hörte die Vögel zwitschern, die Nachbarskinder spielen, fand alles ganz normal, bis mir auffiel, dass die Kinder draußen deutsch sprachen. Interessant.. Dass ich in einer solchen Gegend wohne, ist zwar gut für das schnelle Einleben und Wohlfühlen, allerdings finde ich es etwas schade, erst mit dem Bus in Richtung Zentrum fahren zu müssen, um die richtig südamerikanische Atmosphäre zu spüren.                                                                                                                                                   Wenn ich dies tue, fahre ich zunächst durch den Stadtteil „Providencia“, welcher von vielen gläsernen Hochhäusern und Wolkenkratzern gekennzeichnet ist. Am imposantesten ist wohl der Wolkenkratzer mit dem Namen „Costanera Center“, der mit seinen 300m das höchste Gebäude Südamerikas ist. Zahlreiche internationale und nationale Unternehmen haben hier ihren Sitz, sodass hier zur Rush Hour besonders viel los ist. Sehr zum Leid von Tabea und mir, wenn wir um 17:30 Uhr mit dem Bus vom Spanischkurs nach Hause fahren mussten.. Weiter Richtung Zentrum hat dieses Viertel außerdem viele gute Bars, Clubs und Restaurants zu bieten, denen auch meine Freunde und ich bereits einige Besuche abgestattet haben. Im Zentrum angekommen, kann man die südamerikanische und chilenische Atmosphäre zu 100 Prozent hautnah erleben. Viele kleine Märkte, auf denen chilenisches Essen, Kunsthandwerk, Schmuck und vieles mehr verkauft wird, belebte Plätze und Parks, viele Museen und Kulturzentren sowie Bars und Restaurants. Die Gebäude und Straßen manchmal etwas abgeranzter, die Menschen entspannt, alltäglich, authentisch. Irgendwie schwer zu beschreiben..

 

      

 

  

 

Im Allgemeinen würde ich die Menschen hier als sehr herzlich, freundlich, entspannt und in gewisser Hinsicht abenteuerlich beschreiben. Schon bei der Begrüßung mit einem Kuss auf die Wange und einer Umarmung, die ungewohnt lang sein kann, wird die Herzlichkeit  spürbar. Am Schritttempo der Menschen zeigt sich deren Entspanntheit. Gefühlt laufen viele Menschen auf der Straße in Zeitlupe und bleiben andauernd aus unerfindlichen Gründen stehen. Daran muss ich mich als schnell gehender Mensch noch gewöhnen oder versuchen mir diese Entspanntheit zu Eigen zu machen. Das wäre vielleicht auch nicht schlecht..  

Abenteuerlich wird es, wenn man mit einem der vielen Busse fährt. Der Fahrstil der Busfahrer lässt sich ganz einfach mit zwei Begriffen beschreiben: Vollgas oder Vollbremse. Wenn man dann in der Rush Hour auch noch dicht gedrängt im Bus stehen muss, kann das Ganze zu einer ziemlich abenteuerlichen Fahrt werden. Noch dazu kommt, dass während der Fahrt oftmals Dinge verkauft werden, Musik gemacht wird oder auch anderes mehr oder weniger unterhaltsames Programm geboten wird. Dasselbe findet häufig auch an der Ampel statt. Menschen laufen von Auto zu Auto, verkaufen Obst oder Gemüse, gleichzeitig stehen andere Menschen vor der Ampel und präsentieren irgendwelche Kunststücke. Dann ist die Fahrt nicht nur abenteuerlich, sondern darüber hinaus auch noch unterhaltsam. Zusätzlich sind nicht nur der Fahrstil und die Unterhaltung im Bus abenteuerlich, sondern auch der Zustand der Busse. Lose eingehängte Fenster, wackelige Türen und sonstiges vorhandenes Material ergeben während der Fahrt des Öfteren ein so lautes Klapperkonzert, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen kann. Da kann ich manchmal einfach nur schmunzeln und freue mich über diese mir bisher unbekannte, aber sympathische Lässigkeit und Sorglosigkeit.

 

 

Was mir ansonsten noch über Santiago eingefallen ist, während ich auf dem Cerro stand, war das Thema Smog. Kein Wunder, ich hatte ihn von dort oben ja auch genau im Blick. Leider ist die Luft in Santiago nicht wirklich sauber. Wenn ich mir die dichten schwarzen Wolken, die aus den vielen anfahrenden Bussen ausgestoßen werden anschaue, hält sich meine Verwunderung darüber jedoch in Grenzen. Vor allem auf dem Weg zur Schule, wenn ich an einer großen Straße entlang laufe, bekomme ich dieses Problem zu spüren. Angeblich soll dieses jedoch im Winter (also ca. von Mai bis August) noch viel größer sein. In dieser Hinsicht bin ich eigentlich froh, nur ein halbes Jahr lang in Chile zu sein und damit diesem Problem aus dem Weg gehen zu können.

Was das Thema Abend- bzw. Nachtprogramm angeht, habe ich wie bereits erwähnt, die Bars und Clubs bereits auf ihre Partytauglichkeit hin getestet. Dazu kann ich eigentlich nur sagen, dass der Test auf jeden Fall mehr als bestanden wurde. Die Musikrichtung, die hier überwiegend gespielt wird, ist Reggaeton, wozu man meiner Meinung nach ziemlich gut das Tanzbein schwingen kann. Die Chilenen geben während des Tanzens zweifelsohne ihr Bestes und zeigen wie viel lateinamerikanisches Feuer in ihnen steckt. (Auch Männer haben hier den ultimativen Hüftschwung!!) Außerdem neigen sie zu einem sehr körpernahen Tanzstil. Was in Deutschland eindeutig als Annäherungsversuch interpretiert werden würde, ist hier ganz normales Tanzen ohne irgendeinen Hintergedanken. Etwas gewöhnungsbedürftig, wie ich finde..

 

Wie man vielleicht heraus hört/liest, geht’s mir hier weiterhin super gut, ich fühle mich sehr wohl und bin immer wieder froh darüber hier sein zu dürfen.

!Muchos saludos y hasta pronto¡

Anna-Lena