Busschnipsel

In Deutschland war ich nie ein Fan vom Busfahren. Als ich klein war hatte ich Angst vor den Busfahrern und inzwischen fahre ich viel lieber Fahrrad. In Bolivien fahre ich relativ viel Bus, vor allem, um zu reisen. Es ist aber nochmal was anderes, als in einen FlixBus zu steigen..
Pünktlich um 17:30 Uhr kommen wir am Bus-Terminal an und kaufen noch schnell Empanadas mit Käse, ich mit Puderzucker (mmmh..), meine Mitbewohnerin ohne. Wir checken noch einmal, ob alles da ist und dann geht’s zu den Bussen. Wir haben uns für die Strecke von Sucre-Santa Cruz für Intercaminata entschieden. Das hat den einfachen Grund, dass dies die billigste Busgesellschaft war. Als wir den grauen Bus mit der bunten Aufschrift Intercaminata von weitem sehen, freuen wir uns. Es ist ein Doppeldecker mit Panorama-Fenster oben. Uuuund jip! Wir habe die Plätze oben in der ersten Reihe! Beim näher kommen lässt die Freude etwas nach und wir fragen uns, ob wir nicht doch etwas mehr hätten investieren sollen. 2 Fenster auf der rechten Seite werden nur noch mit Gaffa zusammengehalten und vorne fehlt ein Teil der Verkleidung, sodass man sämtliche Kabel sehen kann. Viel Vertrauen erweckt das nicht, aber wir erinnern uns, dass mit Gaffa eigentlich nichts schief gehen kann und steigen in das Gefährt, in dem wir vorraussichtlich die nächsten 12 Stunden verbringen werden. Mit nur 20 Minuten Verspätung geht es los Richtung Norden. Schnell bereuen wir unsere Sitzwahl, da der Bus in jeder Kurve leicht mitschwankt und an anderen Autos so unglaublich nah vorbei fährt, dass wir nach meinem Empfinden schon mindestens 3 hätten erwischen müssen. Ach ja und mindestens 10 Strassenhunde. Es wird langsam dunkel und wir sehen die Lichter der Stadt bald nur noch in der Ferne. Schnell sind wir mitten in den Bergen und die Straße schlängelt sich in Serpentinen durch sie hindurch. Vereinzelt kommen wir durch kleine Häusergruppen aber ansonsten wird die Aussicht eher von Berg, Busch und Baum dominiert. Ich frage mich, ob wir wirklich in den versprochenen 12 h ankommen, da die Geschwindigkeitsbegrenzung oft bei nur 20 oder 30 km/h liegt. 

King of Kings. Ja ne is klar.


 
Halb 2 irgendwo in Bolivien. Meine Einschlafplaylist läuft inzwischen das fünfte Mal. Geschlafen habe ich noch nicht. Ich habe jegliche Positionen auf dem Sitz ausprobiert aber es kann an der unbefestigten Strasse und dem kaputten, roten Knopf, der für das Zurückstellen der Lehne verantwortlich ist liegen, dass ich nicht ins Traumland abdrifte. Ich bewundere die die anderen Reisenden. Als bei einem der Pinkelstops das Licht im Bus angeht, sehe ich sie alle um mich herum friedlich schlummern. Ich will auch.. 
Wir haben schon einiges erlebt bis jetzt. Zum Beispiel sind wir einmal falsch abgebogen, was aber erst bemerkt wurde als die Straße von einem Bagger versperrt wurde. Die Landschaft hat sich verändert und ist soweit man das im Lichtkegel der Busscheinwerfer erkennen kann, grüner und auch flacher. Außerdem viele ca. 3 m hohe Kakteen. Nice. Ich versuch jetzt nochmal zu schlafen.

Der Bus hat oben einen tollen Panorama-Ausblick.


Anderer Tag anderer Bus. Diesmal hab ich mein Leben der Busgesellschaft Trans Copacabana anvertraut. Ich habe einen Einzelplatz, der sich in eine bequeme Position verstellen lässt und der Bus ist sogar angenehm temperiert. Keine kaputten Fenster diesmal und auch von außen keine Kabel zu sehen. Bis auf die Zeit und Temperatur-Anzeige vorne im Bus, die falsch herum leuchtet, scheint dieses Gefährt durch und durch perfekt für meine 11-stündige Reise nach La Paz zu sein. Ich schlummere auch sofort weg, schrecke aber kurz danach hoch. Hinter mir schreit ein Baby, aber was mich schockiert sind die vielen Menschen vor mir, die den Hitlergruß zeigen. Bitte was? Ich brauche einen Moment, bis ich erkenne, dass auf den 3 Bildschirmen im Bus Der Junge im gestreiften Pyjama läuft. Komisch, ausgerechnet jetzt hier im Bus mitten in der Nacht, mit deutscher Geschichte konfrontiert zu werden. 
Ca. eine halbe Stunde bevor wir in La Paz ankommen, steigt ein Mann ein, stellt sich in die Mitte des Buses und räuspert sich. Dann hält er einen Vortrag über Gesundheit, erzählt, dass man sein Essen richtig kauen sollte, Magenreinigungen durchführen sollte und Kinder nicht so viele Bonbons essen sollen. Ich komm damit um halb 8 irgendwie noch nicht so klar. Das kleine Beutelchen mit Pulver, dass er anschließend allen anbietet lehne ich dankend ab. Als er das nächste Produkt herausholt, checke ich erst, dass das ein Vertreter ist! Das ist ne richtig gute Strategie.. im Bus haben die meisten Leute eh wenig anderes zu tun. Kaufen tue ich aber trotzdem nix.

Meine Erfahrungen mit Bussen beschränken sich inzwischen nicht mehr nur auf Bolivien. Ich bin auch in Peru, wo ich wegen des Zwischenseminars war, fleißig Bus gefahren. In Cusco haben wir die öffentlichen Busse genutzt, die sich nicht groß von denen in Sucre unterscheiden, außer, dass man die Fahrt nicht beim Einsteigen, sondern am Ende bezahlt. Während der Fahrt von Aguascalientes (auch Machu Picchu Pueblo genannt) nach Cusco zurück liefen erst laut 80er (nice!!) aber als die Playlist durch war, kam wieder der allgegenwärtige Reggaeton (nicht nice..). Natürlich schallt als erster Song auch gleich „DESPACITO“ (dt. ruhig/langsam) aus dem Autoradio. Daran hält sich der Busfahrer leider eher nicht so. Da wir auf Wolkenhöhe fahren ist es teilweise extrem neblig. Das hindert ihn nicht daran, einen LKW direkt vor einer Kurve zu überholen. Mutig, mutig. Bei solchen Manövern muss ich mir immer die Augen zuhalten und freue mich umso mehr, wenn ich am Ende irgendwo ankomme (was ja auch das wichtigste ist und bis jetzt immer geklappt hat :D ).