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Aus vergangenen Zeiten

Deutsche Woche in Litauen

Vom 16.10. – 20.10.2017 war deutsche Woche in Litauen. In dieser Woche fanden über 200 Veranstaltungen zum Thema „Wie heißt das auf Deutsch“ oder „Ö kaip vokiskai?“ statt. Das ganze Gymnasium war mit Flaggen und anderen Dekorationen geschmückt.

Am Eingang des Gymnasiums stand zum Beispiel ein Schloss aus Pappebacksteinen. Abwechselnd kamen Klassen der Jahrgangsstufe fünf in das Foyer und füllten jeden Stein mit einer deutschen Vokabel, bis das Schloss mit Wörtern gefüllt war.

Aber auch außerhalb meiner Schule nahm ich an Veranstaltungen bezüglich der deutschen Woche teil. Die Deutsche Botschaft Wilna und das Alumniportal Deutschland luden mich anlässlich der litauenweiten Tage der deutschen Sprache zu einem Vortragsabend mit anschließender Ausstellungseröffnung ein. Das Thema für den Abend war „Luther und Litauen: Sprache im Lichte der Reformation“.

Anwesend waren abgesehen von der Deutschen Botschafterin Angelika Viets und Milena Dech auch die Praktikantin vom Goethe Institut in Vilnius, die ich bereits beim Botschaftsempfang kennengelernt hatte. Ich fand es amüsant, der Botschafterin bereits ein drittes Mal zu begegnen, da sie ein großes Interesse an der Arbeit der Jesuiten hat und am vorherigen Freitag meine Einsatzstelle besuchte. Dort wurde sie vom Schulleiter empfangen, welcher selbst gut Deutsch spricht und begab sich mit dem Deutschkollegium in den Konferenzraum für Kaffee und Plätzchen. Ich habe also schon Plätzchen mit der deutschen Botschafterin gegessen 😀

Zwei Professoren zu dem sprachlichen und historischen Thema wurden für diese Veranstaltung extra aus England und Deutschland eingeladen. Prof. Dr. Karin Friedrich von der Universität Aberdeen hielt einen Vortrag zur „Reformation in Litauen zwischen Deutschland und polnisch-litauischer Republik“ und Prof. Dr. Jolanta Gelumbeckaite von der Goethe-Universität Frankfurt am Main und DAAD-Alumna erläuterte die „Reformation und Entstehung der litauischen Schriftsprache“.

Beide Vorträge waren kurzweilig und über Themen, mit denen ich mich im Voraus noch nicht auseinandergesetzt hatte. Im Anschluss fand die Eröffnung der Ausstellung „Reformation im östlichen Europa“ des Deutschen Kulturforums östliches Europa in Potsdam.

 

Nähere Informationen zu dem Abend findet man unter: http://www.wilna.diplo.de/Vertretung/wilna/de/06/Kulturelles-in-Litauen/2017-10-17-Reform-Vortrag-Alumni-de.html

 

Am 19. Oktober fand im Jesuitengymnasium die Aktion „Deutsch für Kreative und Neugierige“, ein Quiz Wettbewerb für die Jahrgangsstufe sieben, statt. Gemeinsam mit der Oberstufenschülerin Julia bildeten ich die Jury. Fünf Teams traten in drei verschiedenen Runden gegeneinander an.

Für die erste Runde hatten die Teams die Hausaufgabe bekommen, einen kleinen Film zu drehen, der eine Laufzeit von fünf Minuten nicht überschreitet. Thema des Films war „Meine Freunde und ich“. In dem Film sollten sie das Thema  zusammen darstellen, indem sie Situationen nachspielen oder sich selbst vorstellen, auf jeden Fall musste eine Konversation auf Deutsch beinhaltet sein.

In der zweiten Runde waren lediglich die Kapitäne der Teams gefragt und auf ihr Wissen über Deutschland geprüft. So ging es um geographisches Wissen, deutsche Traditionen und Essen und auch die sprachlichen Kompetenzen wurden abgefragt. Ich war sehr überrascht über das umfangreiche Wissen der SchülerInnen, besonders wenn es um geographische Kenntnisse und bekannte deutsche Marken ging.

In der dritten Runde bekam jedes Team das gleiche Gedicht, musste dieses aber auf unterschiedliche Art und Weise aufführen. So hörten wir das Gedicht als Komödie, Drama, Wiegenlied, Musical und Rap.

Am Ende werteten Julia und ich unsere Notizen aus und kürten die Gewinner. Das Team  „Schnitzelfamilie“ holte sich als bestes Team den Sieg, während der beste Kapitän aus Team „Plankton“ kam.

Insgesamt war es eine sehr spannende und weiterbildene Woche.

 

Das kulinarische Erbe Litauens

Zur Feier des Lehrertages hatte die Schulleitung des Jesuitengymnasiums einen Ausflug zu einem Gutshof organisiert. Ich war positiv überrascht, als ich erfuhr, dass der Ausflug nicht nur für die Lehrer, sondern für alle Mitarbeiter des Gymnasiums war. So saßen in dem Bus Lehrer, Freiwillige, Putzfrauen und Mitarbeiter der Schulmensa. Vor der Abfahrt wurde gemeinsam ein Gebet gesprochen und dann wünschte jeder seinem Nachbarn „Good Luck“, begleitet von einer Umarmung.

Seit Montag bin ich nicht mehr die einzige Freiwillige an der Schule. Thibaut kommt aus Frankreich, hat bereits ein Studium abgeschlossen und unterstützt das Jesuitengymnasium beim Französischunterricht. Wenn eine Unterhaltung auf Französisch stattfindet, verstehe ich sogar den Großteil der Wörter, auch wenn ich mich noch nicht wieder an das Sprechen gewagt habe. Ich konzentriere mich erst einmal auf Litauisch. So unterhielten wir uns die Busfahrt über auf Englisch und tauschten Erfahrungen aus.

Am Ausflugsort unserer Reise angekommen, strömten wir aus dem Bus und wurden mit einem eindrucksvollen Blick auf den Gutshof begrüßt. Links neben dem Hauptgebäude befand sich die „Küche“, welche unser Ziel war.

An der Bar vorbei betraten wir einen abgetrennten Raum, in dem zwei lange Tafeln für unsere Gesellschaft gedeckt waren. Glücklicherweise formte sich an dem hinteren Ende des vorderen Tisches eine sogenannte „Deutschecke“, wo alle Deutschlehrer aufzufinden waren. Thibaut und ein Französischlehrer gesellten sich zu uns.

Als alle einen Platz gefunden hatten, begrüßte uns der Inhaber der Gutshofküche und gab uns einen Einblick in die Geschichte des Anwesens. Hier zeigte sich der logische Vorteil unserer Anordnung, weil die Deutschlehrer neben mir gerne seine Worte übersetzten. Gegenüber von mir wurde auch Thibaut konstant eine Übersetzung ins Ohr geflüstert.

Den Gutshof gibt es bereits seit dem 15. Jahrhundert. Vor der Öffnung des Restaurants wurde einiges restauriert. Die Pflastersteine im ersten Raum, wo die Theke ist, sind zum Beispiel noch original. In unserem Raum sind ebenso die Ornamente an der Wand und ein Geschirrschrank erhalten. Die traditionelle Uniform der KellnerInnen wurde sogar eigens von einer Designerin für das Restaurant entworfen. Da die Designerin kein Internet nutzt, sind sie umso einzigartiger.

In der Räucherei sind noch drei Karten des Anwesens erhalten. Die erste ist aus dem  17. Jahrhundert und die dritte Karte ist aus dem Jahre 1924, wo der Gutshof gekauft wurde. Im Laufe der Jahre hat der Gutshof verschiedenen Nutzen gefunden. So war er einmal ein Krankenhaus, ein Priesterseminarium und der Wohnsitz Adliger. Eine Besonderheit ist, dass der Gutshof niemals Sklaverei gesehen hat. Die einfachen Bauern bekamen Gehalt, manchen wurde sogar Land zugesprochen.

Heutzutage versucht der Gutshof nachzubilden, wie das Essen im 19. Jahrhundert war. Wir erlebten sozusagen eine kulinarische Expedition in das 18. – 19. Jahrhundert und aßen dieselben Speisen, die damals den vornehmen Herren vorgesetzt wurden. Zu dieser Zeit wurde oft Alkohol zum Kochen verwendet. Aus diesem Grund fragen Besucher heutzutage häufig nach der Mahlzeit, ob sie noch Autofahren dürfen. Auch alte Gewürze werden bei der Zubereitung der Gerichte verwendet.

Die traditionelle Reihenfolge der damaligen Zeit ist wie folgt: Es beginnt mit einem Snack, das zweite Gericht ist eine Suppe, darauf folgt eine Salat und dann wird die Hauptspeise serviert. Das ganze wird mit einer sogenannten Aufmunterung abgerundet.

Wir hielten die Reihenfolge nicht perfekt ein. Ein Grund dafür war, dass wir – um das kulinarische Erbe Litauens ganz zu erfaheren – nicht fünf, sondern volle zehn Gänge serviert bekommen würden.

Es begann mit dem Snack. Dieser bestand aus Brot mit Kräuterbutter. Das Brot war nicht das typisch litauische Brot, welches sehr süßlich schmeckt. Im Gegensatz war es ohne jegliche Süße und eher herb mit verschiedenen Kräutern. Da das Gutshof seine eigenen Bäckerei zum Brot und Kuchen backen hat, kann man dieses Brot auch in keinem Supermarkt kaufen.

Darauf folgte das zweite Gericht, Brotpfannkuchen mit Estragon. Pfannkuchen erfreuen sich generell einer großen Beliebtheit in Litauen. Meine Gastfamilie isst oft Pfannkuchen zum Frühstück und ich habe sie in meiner kurzen Zeit hier bereits so oft gegessen, dass ich keine genaue Anzahl zu nennen fähig bin. Litauische Pfannkuchen unterscheiden sich sehr stark von deutschen. Was bei uns meist groß, flach, süß und fettig ist, ist in Litauen ein handflächengroßer, leicht fruchtig, wie Banane gesüßter, Pfannkuchen.

Zu den Gerichten wurden zwei verschiedene Weine serviert. Der erste war ein Rotwein aus sechs Beeren und der zweite war ein Weißwein, ein sogenannter Löwenzahnwein.

 

Das dritte Gericht bestand aus Pastarnokas. Diese sehen aus wie runde Kroketten. Pastarnokas bedeutet übersetzt „weiße Rübe“ und ist eine Art von Gemüse.

Als viertes Gericht wurden uns gebackene Kartoffeln mit einer Heeringsfüllung vorgesetzt.

Als fünftes Gericht gab es dann einen sehr leckeren Spinat-Apfel-Salat, Rotkohl und gebackenen Karpfen auf einem Kohlblatt und Buchweizen. Dazu bekamen wir eine sogenannte Juckasauce, welche die intensive gelbe Färbung hatte, die typisch für Safran ist.

Das sechste Gericht war ein Süppchen und wäre traditionell das zweite Gericht gewesen. Die kalte Suppe war eine Gemüsebrühe mit roter Bete und wurde in einem Stielglas serviert, aus dem man sie getrunken hat.

Das siebte Gericht war der Höhepunkt der zehn Gänge. Es gab Pastarnokaspüree, Kartoffelchips und gebratene Taube mit Kirschsauce. In Litauen war man im 16. – 17. Jahrhundert der Ansicht, dass das Wild, welches man im Wald jagen konnte, Fleisch für die einfachen Bauern war und nicht für Adlige. Denen wurden ausgefallenere Fleischarten, wie Taubenfleisch, serviert. Auf dem Gutshof wurden folglich nicht so viele Gerichte mit Wild zubereitet.

In Litauen gibt es fünf Regionen: Dzūkija, Aukštaitija, Žemaitija, Suvalkija und Mažoji Lietuva, was so viel wie „kleines Litauen“ bedeutet. Alle Gerichte, die wir während unserer mehrstündigen Mahlzeit gekostet haben, sind typisch für Zanavikia, welches ein Teil von der Region Suvalkija ist.

Das achte Gericht präsentierte uns dann aber doch ein rares Stück Wildfleisch. Es gab Reh mit Johannisbeersauce und Buchweizen.

Als typisches Dessert nennt man in Litauen Lebkuchen von Torun. Dieser ist eine nationale Spezialität Polens. Dennoch wurde uns mitgeteilt, dass der Lebkuchen von Torun ein litauischer Lebkuchen ist, der nach litauischer Rezeptur vorbereitet wird.

Bevor wir zu den letzten Gängen kamen, wurde das Lehrerlotto aufgelöst. In dieses konnten die Lehrer ihren Namen geben und einen Preis gewinnen, der von Sponsoren gestellt wurde. Der Preis war ein Wochenende an einem Kurort namens Palanga an der Ostsee für zwei Personen. Pater Aldonas war hocherfreut, als sein Name aus der Bowle gezogen wurde.

Das neunte Gericht war Ente in Brot und gebratener Apfel mit französischen Mohrrüben. Ente in Brot ist eine ganz typisch litauische Spezialität.

Als zehntes und letztes Gericht wurde das Dessert angerichtet. Dieses war eine Art Stracciatella Eis, nur gab es nicht nur Schokoladen- sondern auch Limettenstückchen im Eis. Darüber waren Baumkuchenkrümel gestreut und schwarze Johannisbeersauce rundete das Ganze ab. Die schwarzen Johannisbeeren wurden für die Sauce in Wein gekocht und das Dessert war köstlich.

Insgesamt war die kulinarische Expedition ein voller Erfolg. Da ich Vegetarierin bin, habe ich auf Fleisch und Fisch verzichtet, aber ich habe trotzdem einen tollen Eindruck bekommen! Alles war liebevoll zubereitet und schmeckte ausgezeichnet. Selbst der Wein hat mir gemundet, auch wenn ich sonst nicht so affin für das alkoholische Getränk bin.

Nach dem zweistündigen Speisen besichtigten wir anschließend noch das Hauptgebäude und die angrenzenden Gebäude des Gutshofes, die als Kunstausstellung dienen, bevor es mit dem Bus wieder zurück nach Kaunas ging.