Selbst Versuchen

 

„Niemand weiß, was er kann, bevor er es ausprobiert hat“ (Publilius Syrus)

Wenn man jeden Tag etwas tut, was man vorher noch nie getan hat, dann wird man am Ende weiser oder? Ich denke schon, denn wenn ich versuche mit links zu schreiben oder ein Buch über Teilchenphysik zu lesen, dann tue ich das nicht, um ein glücklicherer Mensch zu werden, sondern um daran zu merken, dass es tausend verschiedene Möglichkeiten gibt und dass nie eine einzige die richtige ist.

Der Herbst in St.Petersburg ist wirklich wunderbar. Überall sind rot-orangene Blätter und das Wetter war bis jetzt auch sehr schön 🙂

Die letzten zwei Wochen waren ziemlich schön und vergingen, meiner Meinung nach, wie im Flug. Meine Arbeit gefällt mir immer mehr und ich fühle mich dort sehr willkommen, geborgen und gebraucht. Es gibt immer etwas zu tun und ich freue mich sehr mit den Kindern zu arbeiten und zu spielen. So ein Kinderlächeln am Morgen vertreibt wirklich jeden Kummer und Sorgen. Auch mit den anderen Betreuern_innen und Mitarbeitern_innen verstehe ich mich immer besser. Ich hätte niemals gedacht, dass mir die Arbeit im Kindergarten doch so viel Spaß macht. In den letzten zwei Wochen war ich auch in den beiden großen Gruppen: Der Mond -und Sternengruppe. Der Ablauf in beiden Gruppen ist ähnlich zu dem in der Sonnengruppe, nur mit dem Unterschied, dass die Kinder jeden Tag eine halbe Stunde Sprachförderung, also intensive Beschäftigung mit der deutschen Sprache, haben. Dabei wird auch noch unterschieden, in welcher „Phase“ man ist – sprich, wer Muttersprachler_in ist und wer noch anfängt zu lernen.

Unter der Woche habe ich in den letzten zwei vergangenen Wochen eher wenig die Chance genutzt noch groß durch die Stadt zu schwirren, weil ich dann doch meistens sehr erschöpft und müde war. Ich habe mir lieber die Zeit genommen eine Runde auf meiner Klarinette zu spielen oder ein bisschen an meinem Bullet Journal zu arbeiten. Aber das war auch echt gut so, denn dadurch hatte ich genug Power fürs Wochenende. Am 29. September habe ich mich nochmal mit Ivan getroffen und wir sind zusammen ins Russische Museum von St.Petersburg gegangen. Dieses Museum beherbergt vorrangig Bilder klassischer Künstler, wie zum Beispiel von Ilja Repin, Iwan Ajwasowskij oder Viktor Wasnezov. Ich war wirklich sehr begeistert von dieser Ausstellung und deshalb waren wir auch ein ganzes Stückchen dort – danach waren wir noch etwas essen und am Abend habe ich mich noch mit Annika, einer Praktikantin der deutschen Schule, auf einen Wein getroffen.

Das wohl schönste Erlebnis des Wochenendes war dann wohl doch die spontane Fahrt nach Peterhof mit, wie ich aus Spaß immer sage, meinen beiden Nastjas. Die beiden Erzieherinnen aus dem Kindergarten, die mit mir mitgekommen sind,  heißen beide Anastasia – es bestätigt halt einfach, wie schön dieser Name ist. Nach einer einstündigen Zugfahrt standen wir dann endlich in Peterhof und haben uns den wunderschönen, rund 300m breiten Barockpalast angeschaut. Es war einfach traumhaft – das Areal des Parkes ist riesig und am schönsten sind wohl die prunkvollen, goldenen Figuren in Front des Palastes. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass Peter der Große Wasserspiele über alles geliebt hat. Deshalb findet man auch überall Springbrunnen und die berühmt-berüchtigten Fontänen, die diesem Ort wohl verdient den Namen des „russischen Versailles“ geben.

Peterhof in seiner voller Pracht.

 

 

 

 

 

Letztes Wochenende war auch sehr sehr schön, weil zwei weitere Kulturweitfreiwillige, Clara und Tom, nach St.Petersburg gekommen sind. Es war so toll die beiden endlich wiederzusehen – auch wenn wir alle schon früh um fünf auf den Beinen sein mussten, um Tom am Bahnhof abzuholen? Der Grund des Besuches war der Geburtstag von Clara-Sophie – denn 20 wird man nur einmal und das wollte sie/wir dann auch zusammen zelebrieren. Wir haben am Abend eine wunderschöne Bar mit Klavierspieler gefunden, der sogar ein kleines Ständchen für Clara gespielt hat. Es war wirklich klasse und wir alle – also Clara, Tom, Sarah und ihre Freundin Kira und ich hatten sehr viel Spaß. Am Samstag bin ich dann mit Clara und Tom ein wenig um die Häuser gezogen – wir waren auf der Isaakskathedrale und haben uns die Stadt von oben angesehen. Trotz Regens war der Ausblick einfach herrlich und ein weiteres Mal musste ich feststellen, dass diese Stadt wirklich riesig ist. Ein Spaziergang an der Newa und ein leckerer Burger auf der Wasilewskijinsel waren uns auch noch vergönnt, bevor wir in unser lustiges Abendprogramm starteten. Denn das war wirklich besonders und bis jetzt eins der coolsten Highlights, was ich hier erlebt habe. Wir waren in der Bar Purga, die ganz unter dem Motto – каждый день новый год – jeden Tag ins neue Jahr feiert. Das bedeutet im Klartext, dass um Punkt 12 jeder eine Wunderkerze bekommt, den Countdown zählt, sich ein schönes Jahr wünscht und dann zusammen die Neujahrsansprache von Putin anhört. Kurzgesagt: Komplett verrückt, aber cool.

Die Isaakskathedrale

Am nächsten Tag sind wir alle zusammen noch zu einem Flohmarkt im Norden der Stadt gefahren und dann hieß es auch schon: Abschied nehmen! Hiermit nochmal vielen Dank an Sarah, Kira, Tom und Clara für dieses wunderschöne Wochenende?Selbst etwas zu versuchen wird für mich immer wichtiger bzw. lebensnotwendiger. Wisst ihr, es ist nicht immer leicht so komplett alleine in einem fremden Land zu sein. Ich genieße es, aber man kann in gewissen Situationen eben nicht seine große Schwester vorschicken (obwohl man hier bemerken muss, dass ich sehr oft von meiner großen Schwester vorgeschickt wurde ;D), sondern muss das selber machen und das braucht manchmal sooo viel Mut. Es sind teilweise ganz banale Situationen, wie zum Beispiel in einem Cafe oder einem Restaurant, oder doch eben die komplizierten, wie in einer Bank oder Universität. Ich habe das vor allem diese Woche bemerkt, weil ich seit Montag einen Sprachkurs an der Herzen Universität in St.Petersburg besucht habe. Dafür musste ich mich vorher noch „qualifizieren“ und einen Test machen, damit die Lehrer_innen mir sagen konnten, welches Niveau für mich am sinnvollsten wäre. Es war ein ziemliches Durcheinander, denn es war nicht leicht das International Office zu finden, welches sich in einem großen Hinterhof versteckt hat; dem Securitymann in einem Gemisch aus Russisch und Englisch zu erklären, wieso ich keinen Studentenausweis habe, aber ganz dringend zu einem Test in die Uni rein muss und meinen Lehrern_innen in der Uni zu erklären, wieso ich keine Langzeitstudentin, sondern nur die „Neue“ für eine Woche bin. Ahhhhh, das hat mich teilweise echt viel Überwindung gekostet zum fünften Mal nach dem Weg zu fragen oder zum vierten Mal an einer Tür zu klopfen und zu fragen, ob ich denn hier richtig bin für den russischen Sprachkurs. Letztendlich wusste auch keiner der Lehrer_innen so richtig Bescheid, weshalb ich dann einfach in irgendeiner Gruppe geblieben bin. Es war auf jeden Fall sehr amüsant und informativ und ich habe einige neue Sachen gelernt – und coole Leute aus Südkorea, Argentinien und Japan kenne ich jetzt auch.

Die Herzen-Universität

 

 

2 thoughts on “Selbst Versuchen

  1. Liebe Antonia, mit Spannung haben wir deine Berichte aus St. Petersburg gelesen. Uns freut es sehr, dass du dich in der kurzen Zeit schon so gut eingelebt hast und so nette Freunde gefunden hast. Wir wünschen dir weiterhin eine gute und behütete Zeit in Russland. Es grüßen dich ganz lieb Arend, Bärbel und Tessa

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